Vor der Einführung des “Erweiterten Neugeborenenscreenings” wurde der MCAD-Mangel ausschließlich bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen diagnostiziert, die aufgrund schwerster Krankheitssymptome, deren Ursache zunächst meist völlig unklar war, ins Krankenhaus eingeliefert worden waren. Auch bei einer Anzahl von Fällen von plötzlichem Kindstod (wenn die Todesursache unbekannt ist, wird immer eine Obduktion zur genauen Feststellung der Todesumstände durchgeführt), wurde im Nachhinein ein klassischer MCAD-Mangel festgestellt.
Bei der Suche nach Gendefekten, die als Verursacher dieser schweren metabolischen Stoffwechselentgleisungen infrage kämen, stießen die Wissenschaftler fast immer auf die gleiche Genmutation im für die Bildung des MCAD-Enzyms zuständigen ACADM-Gen (ACADM=”Acyl-CoenzymA Dehydrogenase, Mittelkettig”).
Diese in fast allen Fällen gefundene Mutation c.985a>g (andere Bezeichnung: K329E) führt nach den Erkenntnissen der letzten 40 Jahre vor allem bei homozygotem Vorliegen − wenn ein Kind diese Mutation sowohl von seiner Mutter, als auch von seinem Vater vererbt bekommen hat − zu einer schweren Form des MCAD-Mangels. Ein solches Kind ist extrem gefährdet, eine Stoffwechselentgleisung zu erleiden, wenn es − besonders in Krankheitszeiten mit Nahrungsverweigerung − zu große Mahlzeitenpausen macht, oder aufgrund von Magen-Darm-Infekten mit Erbrechen oder Durchfall zu wenig Energie in Form von Kohlenhydraten bei sich behalten und sinnvoll verwerten kann. Warum es aus dem Fettanteil der aufgenommenen Nahrung keinen großen Nutzen ziehen kann, lies bitte in den MCAD-Informationen in dem Artikel “Was ist ein MCAD-Mangel?” nach, denn hier würde dies zu weit führen.
Was bedeutet ein klassischer MCAD-Mangel für die Zukunftsaussichten meines Kindes?
Im ersten Moment wird dich das Lesen von so schlimmen und manchmal sogar tödlich endenden Entgleisungen sicherlich erschrecken, aber dein Kind ist schon jetzt viel besser dran! Ihr als Eltern wisst nämlich bereits, dass − obwohl man es eurem Kind nicht ansehen kann − da doch irgendetwas an ihm ist, was unter bestimmten Voraussetzungen ein hohes Gesundheitsrisiko für euer Kind darstellen kann.
Zu allen diesen schlimmen Entgleisungen mit teilweise tödlichem Ausgang in der Vergangenheit kam es nur deshalb, weil die Eltern dieser Kinder nicht das Geringste von dem bei ihnen vorliegenden MCAD-Mangel ahnten. Hätten Sie, oder die Ärzte der Notfallaufnahmen etwas geahnt, wäre es wahrscheinlich in allen diesen Fällen gut ausgegangen, bzw. in den meisten Situationen gar nicht erst zu einer Entgleisung gekommen. Dies ist jedenfalls eine der wesentlichen Erkenntnisse, zu der eine Langzeituntersuchung zum MCAD-Mangel schon gekommen ist.
Wie habe ich mich jetzt also zu verhalten?
Die Maßnahmen zur Vermeidung einer solchen Notfallsituation sind einfach und mit wenigen Worten auf den Punkt gebracht:
- Vermeide unter allen Umständen, dass dein Kind zu lange keine, oder zu wenig Nahrung zu sich nimmt!
Das ist in einem kurzen Satz eigentlich schon alles, was es zu beachten gilt! Alles Weitere sind Feinheiten, wie dieses Ziel in der einen oder anderen Situation zu erreichen ist.
Die für dein Kind in seinem jeweiligen Alter geltenden maximalen Mahlzeitenabstände, die es aus Sicherheitsgründen nicht zu überschreiten gilt, werden dir vermutlich schon von der Stoffwechselambulanz mitgeteilt worden sein. Ansonsten kannst du im Artikel “Wie wird der MCAD-Mangel behandelt?” eine Tabelle mit Zeitvorschlägen finden, die unter den deutschen Stoffwechselambulanzen weit verbreitet sind.
Nachts empfiehlt es sich einen Wecker zu stellen, um dein Kind nach spätestens diesem empfohlenen Zeitraum wieder zu stillen, oder mit einem Fläschchen zu füttern.
Keine Angst! Die in der Tabelle aufgeführten Zeiten sind immer noch sehr kurz gewählt, um auf jeden Fall auf der sicheren Seite zu bleiben. Nach einer ordentlichen Mahlzeit kommt dein Kind bei normalem Gesundheitszustand besonders nachts auch locker noch ein paar Stunden länger ohne erneutes Füttern aus, ohne dass sich bei ihm gleich eine Entgleisung anbahnt. Fast alle in der Vergangenheit bei unbekanntem MCAD-Mangel erfolgten nächtlichen Entgleisungen traten nämlich im Zusammenhang mit einem Magen-Darm-Infekt auf, wenn das Kind schon am Abend keinen Appetit mehr hatte, oder seine letzte Mahlzeit fast vollständig wieder erbrochen hatte. Während der vorangegangenen Monate oder gar Jahre hatten diese Kinder auch keine Probleme mit den nächtlichen Mahlzeitenpausen. Oftmals sahen es die Eltern ihrem Kind beim Zubettbringen aber auch noch gar nicht an, dass es etwas ausbrütete! Daher ist es wichtig, bei der Beachtung dieser Zeiten nicht nachlässig zu werden.
Für euch als Eltern werden die Nächte mit einem zuverlässig klingelnden Wecker aber sehr viel entspannter verlaufen. Fast alle Eltern machen trotzdem bereits innerhalb der ersten Monate die Erfahrung, wie schrecklich man sich fühlt, wenn man irgendwann mal vor lauter Müdigkeit den klingelnden Wecker einfach abschaltet und sofort wieder einschläft − und dann aus dem Schlaf aufschreckt, um voller Panik festzustellen, dass man den spätestens fälligen Fütterungszeitpunkt bereits um eine oder mehr Stunden überschritten hat. Daher empfiehlt es sich wirklich, nicht nur einen, sondern sogar zwei Wecker kurz nacheinander klingeln zu lassen. Alternativ kann man auch den Wecker so weit weg platzieren, dass man sich zum Abschalten vollständig aus dem Bett erheben muss.