Wird mein Kind aufgrund des MCAD-Mangels automatisch dick werden, wenn es seine Fettreserven nicht verwerten kann?

Nein, dein Kind wird nicht automatisch dick werden − zumindest nicht wegen des MCAD-Mangels! Auch wenn Dir das vielleicht von deinem Stoffwechselarzt oder Ernährungsberater an der Uni-Klinik schon kurz nach der Geburt deines Kindes so in Aussicht gestellt wurde, ist diese Behauptung keineswegs zutreffend.

Der Vorgang des bei Bedarf erfolgenden Herauslösens der Fettsäuren aus dem Fettgewebe des Körpers funktioniert bei deinem Kind wie bei jedem anderen auch. Das hat noch überhaupt nichts mit dem MCAD-Mangel zu tun. Die freigesetzten Fettsäuren werden durch das Blut zur Leber transportiert. Innerhalb der Leberzellen gelangen sie dann in die Mitochondrien – und genau hier kommt es erst zu der Auswirkung des MCAD-Mangels, nämlich zu der unvollständigen Zerlegung der Fettsäuren in kleinere Bausteine, die dann als Energieträger für andere Organe dienen können.

Die Auswirkung des MCAD-Mangels besteht somit nicht darin, dass dein Kind seine im Fettgewebe gespeicherten Fettreserven nicht verwerten könnte, sondern vielmehr darin, dass bei der Verwertung dieser Fettreserven innerhalb der Mitochondrien nur ein geringer Anteil der gespeicherten Energie wieder freigesetzt wird, um deinem Kind zur Deckung seines Energiebedarfs zur Verfügung zu stehen. Während jedes Gramm reines Fett normalerweise einen Energiegehalt von etwa 9,3kcal enthält, die beim Abbau für die Versorgung des Körpers (vor allem des Gehirns) wieder freigesetzt werden, kann ein Kind mit MCAD-Mangel davon in gesunden Zeiten nur etwa die Hälfte nutzen. Im Fettgewebe gespeichertes Fett enthält übrigens pro Gramm Masse “nur” etwa 7kcal, da bei der Einlagerung in die Fettzellen auch gleichzeitig Wasser mit gebunden wird, das somit einen Teil der Gesamtmasse ausmacht, aber keinen Energieträger darstellt.

Das bedeutet aber nicht, dass es ihm daher besonders schwer fiele, sein Gewicht zu halten, oder gar zu reduzieren. Möglicherweise trifft sogar das Gegenteil zu! In dem Artikel “11. Fragen an die Stoffwechselexperten” habe ich eine Theorie formuliert, nach der es Kindern mit MCAD-Mangel sogar wesentlich leichter fallen dürfte, normalgewichtig zu bleiben, als allen anderen Kindern, da zwar auch bei ihnen der Fettanteil aus der Currywurst mit Pommes zunächst mal in den Fettreserven landet, dieses “Pölsterchen” aber mit der Hälfte des Aufwands, den Kinder ohne MCAD-Mangel treiben müssten, wieder abgebaut werden kann, da die verbleibende Hälfte jeder einzelnen Fettsäurenkette nicht weiter genutzt werden kann, sondern ausgeschieden werden muss.

Selbst wenn diese Theorie nicht zutreffen sollte (dazu wurden anscheinend bislang noch keine gezielten Untersuchungen angestellt), zeigt das Ergebnis der bayerischen Langzeitbeobachtung der an der betreffenden Studie teilnehmenden Kinder und Jugendlichen mit MCAD-Mangel, dass der unter ihnen zu findende Anteil normalgewichtiger Kinder unter 10 Jahren vollkommen mit dem deutschen Durchschnitt (ca 85%) übereinstimmt, und es auch nicht mehr leicht und stark übergewichtige Kinder gibt, wie unter ihren Altersgenossen. In der Altersgruppe der Jugendlichen war der Anteil der normalgewichtigen Kinder mit MCAD mit 91,5% sogar deutlich über dem deutschen Durchschnitt von 85,3%. Diese Zahlen sind inzwischen schon einige Jahre alt. Sie wurden von den Verantwortlichen der Langzeitbeobachtung auf einer in München durchgeführten Informationsveranstaltung für vom MCAD-Mangel betroffene Familien als bereits eine der wesentlichen und sehr positiven Erkenntnisse der Studie genannt.
Falls du dich an der Studie beteiligen möchtest (indem du von Zeit zu Zeit Fragebögen zur Entwicklung deines Kindes ausfüllst), kannst du dich an die auf der Informationsseite des LGL zum Neugeborenenscreening genannte Mitarbeiterin zur Langzeitstudie wenden – und ihr gerne einen herzlichen Gruß von mir ausrichten :). Obwohl es sich um eine Studie des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) handelt, können sich trotzdem auch MCAD-Betroffene aller anderen Bundesländer beteiligen.

Vielleicht kann man das als Indiz für die Richtigkeit obiger Theorie ansehen, vielleicht liegt es auch einfach nur daran, dass die Eltern der vom MCAD-Mangel betroffenen Kinder von Anfang an auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung der Kinder zu achten versuchen. Wie weit sich das tatsächlich realisieren lässt, ist eine ganz andere Frage. Auf jeden Fall zeigt dieses Ergebnis deutlich, dass der MCAD-Mangel keinesfalls dazu führt, dass davon betroffene Kinder im Lauf ihres Lebens zwangsläufig immer dicker und dicker werden, sondern dass sie sich völlig normal entwickeln. Diese Feststellung wurde auch durch die körperliche Entwicklung der über viele Jahre hinweg im früheren MCAD-Forum vertretenen Kinder bestätigt. Mit wenigen Ausnahmen haben sie sich alle zu völlig normalgewichtigen und dabei teilweise sehr sportlichen Teenies, Jugendlichen und Erwachsenen hin entwickelt.

Dein Kind kann natürlich dick werden, muss es aber nicht!

Was für “wenige Ausnahmen”? Wie jedes andere Kind, kann selbstverständlich auch ein Kind mit MCAD-Mangel etwas pummelig oder sogar sehr dick werden, wenn es übermäßig viel Nahrung zu sich nimmt, weil es von seinen besorgten Eltern weit über Bedarf mit Naschereien und kohlenhydrathaltigen oder fettreichen Lebensmitteln versorgt wird. Ein Kind mit MCAD-Mangel benötigt aber nicht MEHR Nahrung als andere Kinder, denn es verbraucht aufgrund seiner Aktivitäten auch nur genau so viel Energie wie jedes andere Kind auch. Wichtig ist deshalb nicht eine größere Nahrungsmenge, sondern dass die gleiche Tages-Energiemenge einfach nur in regelmäßigen Intervallen zugeführt wird und keine zu großen Pausen dazwischen liegen.

Der Fettanteil der täglichen Speisen sollte gegenüber dem, was man als Familie sonst vielleicht als normal betrachtet, ein wenig zugunsten des Kohlenhydratanteils reduziert sein. Wenn man den Fettanteil nämlich unverändert beibehält, aber den Kohlenhydratanteil noch zusätzlich durch Malto, Speisestärke oder zuckerhaltige Limos aufstockt, wird dem Kind insgesamt zu viel Energie zugeführt und dann können sich auf Dauer auch deutlich sichtbare Speckpolster aufbauen. Dies liegt dann aber, wie oben beschrieben, nicht am MCAD-Mangel, sondern an einer fortwährenden Überfütterung.

Eines darf man nämlich bei dieser ganzen komplizierten Fettthematik nicht verwechseln: Dein Kind hat zwar ein Problem mit der Fettverwertung, also der Wiedergewinnung der darin enthaltenen Energie − es hat aber nicht das geringste Problem bei der Fettaufnahme und -einlagerung. Und wie viele Menschen selbst aus leidvoller Erfahrung wissen: Fett kommt üblicherweise, um zu bleiben.Kind dick