Mit welchen Nachteilen muss mein Kind in seinem weiteren Leben rechnen?

Im Austausch der früheren Forumsmitglieder hat sich gezeigt, dass es bestimmte Situationen, oder − ganz allgemein − bestimmte Aspekte im Leben eines MCAD-Betroffenen gibt, die gewisse Nachteile mit sich bringen, die es ohne das Vorliegen des MCAD-Mangels in dieser Form nicht gäbe.

Warum überhaupt Nachteile?

Diese Nachteile hängen nicht immer speziell mit dem MCAD-Mangel zusammen, denn Menschen mit andern Stoffwechselstörungen oder anderen seltenen Erkrankungen wären meist in gleicher Weise benachteiligt. Aber oftmals spielt es dann doch eine Rolle, dass der im täglichen Leben eigentlich sehr gut zu handhabende MCAD-Mangel den meisten Menschen nun mal unbekannt ist. Die Diabeteserkrankung eines Kindes im Griff zu behalten, bedeutet dagegen Tag für Tag einen fortwährenden und nicht zu unterschätzenden Aufwand. Jedoch ist Diabetes so weit verbreitet und den Menschen, mit denen man zu tun hat (vermeintlich) so gut bekannt, dass diese Stoffwechselstörung für Außenstehende vergleichsweise harmlos erscheint, während dem MCAD-Mangel und seinen potentiellen Auswirkungen (die sich nicht allzu sehr von einem falsch oder unbehandelten Diabetes unterscheiden) irgendwas Dunkles und Bedrohliches anhaftet. Daher gibt es doch gewisse Situationen, in denen die in Kauf zu nehmenden Nachteile für einen MCADler stärker ausfallen, als z.B. für einen Diabetiker.

  • Abschluss von Versicherungen: Egal ob Krankenzusatz-, Berufsunfähigkeits- oder Lebensversicherung… Menschen mit MCAD-Mangel haben es in diesem Punkt nicht leicht. Im Gegenteil! Es ist für ihre Eltern und später auch für sie selbst fast unmöglich, eine dieser Versicherungen abzuschließen. Es gibt jedoch einen wichtigen Tipp, der diesbezüglich weiterhelfen kann. Allerdings muss dieser gleich beim ersten Versuch eines Versicherungsabschlusses berücksichtigt werden. Da dies ein so wichtiges und so gut wie alle Eltern von Kindern mit MCAD-Mangel betreffendes Thema ist, wird dieser Tipp in einem separaten FAQs-Beitrag behandelt.

 

  • Betreuungsplatz: Während man im Verwandten- oder Freundeskreis viel Zeit hat, um den Leuten den MCAD-Mangel zu erklären, gibt es auch Situationen, in denen man meist nur eine einzige Chance hat. So z.B. bei der Suche nach einem Betreuungsplatz in der Kindertagesstätte, in der Krippe, oder bei einer Tagesmutter / einem Tagesvater. Wenn hier bei dem Gegenüber die Vorstellung aufkommt, man könnte vielleicht demnächst ein Kind anvertraut bekommen, das einem jederzeit unter den Fingern entgleisen und sterben könnte, wird es höchstwahrscheinlich nichts mit dem Betreuungsplatz. Wie fast alle Menschen wird auch dieser Gesprächspartner nicht die leiseste Ahnung vom MCAD-Mangel haben und sich auch nicht innerhalb einer Stunde umfassend hineindenken können. Die meisten Familien haben aber trotzdem die Erfahrung gemacht, dass es von Vorteil ist, den MCAD-Mangel bereits während des Kennenlerngesprächs anzusprechen und so umfassend wie nötig, aber auch so knapp wie möglich zu erklären, damit den potentiellen zukünftigen Betreuern von Anfang an klar ist, auf was sie sich einstellen müssen, aber dass sich der MCAD-Mangel im normalen Alltag üblicherweise nicht als Bedrohung darstellt. Es führt zu keinem guten Miteinander, wenn man erst nach der bestätigten Anmeldung mit einem “Ach, was ich noch sagen wollte… mein Kind hat eine sehr seltene Stoffwechselstörung und es kann ganz plötzlich ins Koma fallen und sterben, wenn es mal nicht genug Essen zu sich nimmt.” rausrückt. Mal ganz abgesehen davon, dass dies eine völlig überzogene und einen ganz falschen Eindruck vermittelnde Darstellung des MCAD-Mangels wäre. In den Downloads gibt es einen kleinen Leitfaden, wie man den MCAD-Mangel gegenüber dem Kita-Personal oder auch später in der Schule erklären kann, ohne ihn zu überdramatisieren, aber auch ohne die wirklich wichtigen Aspekte zu vergessen. Zusätzlich gibt es noch einen an die Daten des eigenen Kindes anpassbaren Info-Brief, der dazu gedacht ist, in den Unterlagen des Kindes zu verbleiben, damit sich die Erzieherinnen jederzeit noch mal kurz über die in bestimmten Situationen besonderen Erfordernisse des Kindes informieren können. Auf jeden Fall sollte man sich auf das Gespräch und die Darstellung des MCAD-Mangels gegenüber dem Gesprächspartner/der Gesprächspartnerin sorgfältig vorbereiten, um die Fakten entspannt und nüchtern auf den Tisch zu bringen und nicht so zu wirken, als würde man bei dem Gedanken, das eigene Kind bald jemand anderem anzuvertrauen, selbst ständig am Rand eines Nervenzusammenbruchs wandeln. Können die Eltern den Eindruck vermitteln, dass sie selbst mit dem MCAD-Mangel souverän umgehen können und dies auch dem Betreuungspersonal zutrauen, kommt dies deutlich besser an, als wenn man in dem Gespräch nur die potentiellen Gefahren und ihre diesbezüglichen Sorgen thematisiert. Auch sollte man sich bis dahin so gut mit dem MCAD-Mangel vertraut gemacht haben, dass man die vielleicht kommenden besorgten Rückfragen der Einrichtung in einer beruhigenden Weise beantworten kann.

 

  • Berufswunsch: Bis dahin ist es zwar vermutlich noch sehr lange hin, aber weil auch dies ein Punkt ist, über den man sich oft schon relativ früh nach der Bestätigung der Diagnose erste Gedanken macht, soll er auch schon mal angesprochen werden. Zuerst die Feststellung: dein Kind kann später mal (fast) alles werden, was es werden möchte, bis auf ganz wenige Berufe, bei denen eine hundertprozentige Gesundheit aufgrund der hohen Verantwortung oder der großen körperlichen Belastung unverzichtbar und meist schon Grundvoraussetzung ist. So wird dein Kind vermutlich weder Astronaut, Berufssoldat oder Verkehrspilot und auch nicht Angehöriger der Marine, der GSG9 oder sonstiger SEKs der Polizei werden können. Wie es mit der Zulassung zu normalem Polizeidienst aussieht, ist noch nicht so ganz klar. Das sind jetzt zwar für manche kleinen Kinder gerade die absoluten Traumberufe, aber objektiv betrachtet ist damit die spätere Berufswahl dann doch nur geringfügig eingeschränkt.

 

  • Schule, Klassenfahrten, Freizeiten, Vereine: In diesen Lebensbereichen gibt es nicht zwingend Probleme und Nachteile, aber wie überall im Leben hat man nie mit Institutionen, sondern mit einzelnen Menschen zu tun, und es hängt von diesen Menschen ab, wie sie den Umstand des vorhandenen MCAD-Mangels aufnehmen, verstehen, bewerten und in ihren Gedankenhorizont integrieren. So könnte es z.B. passieren, dass ein Lehrer während des Unterrichts überhaupt keine Probleme mit einem vom MCAD-Mangel betroffenen Kind hat (schließlich sind nach dem Unterricht ja auch schon wieder andere Erwachsene verantwortlich), für eine einwöchige Klassenfahrt dann aber doch zu große Bedenken hat, das Kind mitzunehmen. Ich erinnere mich auch andererseits an genügend Eltern aus dem Forum, die ihrerseits große Bedenken hatten, ihr Kind mit auf eine Klassenfahrt zu lassen, obwohl es seitens der Schule diesbezüglich keine Probleme gab. In allen diesen − und auch allen weiteren − Bereichen hilft nur das Gespräch zwischen allen beteiligten Personen, sodass man sich gegenseitig die Bedenken schildern, mit notwendigen Informationen versorgen und schließlich auch einig werden kann.Nachteile im Leben durch den MCAD Mangel

 

  • Sportliche Aktivitäten, Leistungssport: In diesem Punkt ist es tatsächlich mal ganz anders, als es manchen Eltern von ihren Stoffwechselärzten schon kurz nach der Geburt ihres Kindes in Aussicht gestellt wird, oder als die Eltern selbst aufgrund ihres anfänglich noch oberflächlichen Verständnisses des MCAD-Mangels für die Zukunft ihrer Kinder erwarten! Die Erfahrungen der früheren Forumsteilnehmer haben eines ganz deutlich gezeigt: Beim Sport ist so ziemlich alles möglich! Selbst Leistungssport mit mehreren Trainingseinheiten pro Woche ist kein Problem. Als einzige Bedingung muss nur grundsätzlich immer im Hinterkopf behalten werden, dass das Kind die dafür benötigte Energiemenge im Voraus zu sich nehmen und bei länger andauernden Aktivitäten auch in den Pausen oder auch während der Ausübung in Form von energiereichen Snacks oder Getränken wieder nachlegen können muss. Erfahrene Sportler machen das ohnehin, aber Kindern, Teenies und Jugendlichen fehlt oft noch lange die Einsicht, dass ihre Leistungsfähigkeit letztlich aus dem vor dem Sportunterricht gegessenen Pausenbrot oder der im Müsliriegel enthaltenen Energie kommt. Manchmal müssen die Eltern hier sehr klare Ansagen machen: “Wenn du diesen Sport weiter machen möchtest, iss vorher und in den Pausen deine Snacks! Sonst wirst du abgemeldet!” Solange der Energienachschub während des Sports aber sichergestellt werden kann, gibt es so gut wie keine Einschränkungen. Ich persönlich würde nur vom Tauchsport abraten, da ich aus eigener Erfahrung weiß, wie unglaublich viel Energie es verbraucht auch nur 60 oder 90 Minuten in einem See vermeintlich schwerelos unter Wasser zu schwimmen – und sowohl das Mitführen als auch das Essen irgendwelcher Snacks ist beim Tauchen kaum möglich. Unabhängig von der Art des ausgeübten Sports ist natürlich auch im Blick zu behalten, dass die als Energienachschub gereichten Snacks ungefähr den zu erwartenden Energiebedarf abdecken sollten. Wenn ein siebenjähriges Kind 20 Minuten Fußball spielt, reicht dafür ein einfacher Müsliriegel mit ca 100 kcal noch völlig aus. Für einen 17 jährigen Jugendlichen, der ein 90 minütiges intensives Handballtraining absolviert, wären diese 100 kcal ein Tropfen auf den heißen Stein und nach 10-15  Minuten verbraucht. Hier müsste also entsprechend oft nachgelegt, bzw. bereits im Voraus eine deutlich höhere Energiemenge aufgenommen werden. Zu allen diesen Fragen rund um benötigte Energiemengen sollten die ErnährungsberaterInnen in den Unikliniken entsprechende Berechnungen machen und Empfehlungen geben können.