Diese Frage lässt sich schwer beantworten, denn die Gesamtanzahl aller vom MCAD-Mangel betroffenen Menschen in Deutschland lässt sich nur grob schätzen. Einige wurden frühzeitig anhand des Screenings gefunden, andere bekamen die MCAD-Diagnose erst nach einer Stoffwechselentgleisung oder zumindest gesundheitlichen Problemen, wieder andere leben seit vielen Jahren völlig ahnungslos mit ihrem MCAD-Mangel, weil sie bisher keine Auffälligkeiten entwickelt haben und somit auch nie diagnostiziert wurden.
Über den Anteil der vom MCAD-Mangel betroffenen Kinder, die inzwischen dank des erweiterten Neugeborenenscreenings frühzeitig gefunden werden, liefern die jährlichen Screeningberichte der Deutschen Gesellschaft für Neugeborenenscreening e.V. (DGNS) einen ersten Anhaltspunkt. Aus den auf der Webseite verfügbaren Berichten der Jahre 2004 bis 2019 geht hervor, dass in diesen 16 Jahren insgesamt rund 1100 Neugeborene mit MCAD-Mangel diagnostiziert werden konnten. Dabei handelt es sich um die nach dem Recall (Kontrollscreening) übrig gebliebenen positiven Fälle. Pro Jahr kommen somit durchschnittlich etwa 68 neue, bestätigte MCAD-Fälle hinzu, was sich in dieser Größenordnung auch für die Jahre 2020 bis heute fortsetzen dürfte.
Da das um den MCAD-Mangel und ein paar andere seltene Störungen erweiterte Neugeborenenscreening schon 1999 in Bayern als Modellprojekt startete, und sich erst nach und nach die Screeningzentren weiterer Bundesländer anschlossen, wurden in den Jahren vor 2004 noch nicht alle Neugeborenen gescreent und somit auch nur ein Teil der betroffenen Kinder frühzeitig gefunden. Einige der nicht gescreenten Kinder wurden aufgrund erlittener Stoffwechselkrisen im Nachhinein noch mit dem MCAD-Mangel diagnostiziert, viele verstarben jedoch auch infolge einer solchen Krise.
Die tatsächliche Anzahl ist unbekannt
Man kann somit hochrechnen, dass es bis heute (Mitte 2023) etwa 1400 bis 1500 diagnostizierte MCAD-Betroffene in Deutschland geben dürfte. Da der MCAD-Mangel aber nicht erst seit 1999 existiert, sondern auch alle lebenden älteren Jahrgänge in gleicher Weise und mit vermutlich auch annähernd gleicher Häufigkeit davon betroffen sind, muss man bei der Frage, wie viele Menschen mit MCAD-Mangel insgesamt in Deutschland leben auch diejenigen berücksichtigen, die bisher nicht diagnostiziert wurden, und die somit auch überhaupt nichts von ihrer Betroffenheit ahnen. Diese Zahl ist nun wirklich nur noch ganz grob zu schätzen, denn je weiter zurück die Geburt der betroffenen Menschen liegt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es bei ihnen in der Vergangenheit irgendwann zu einer tödlich endenden Stoffwechselkrise kam. Auch wenn es schon in den letzten 90 Jahren pro Jahr bei 1 von 10000 Kindern zu einem MCAD-Mangel kam, wird die Anzahl der noch lebenden und nichts von ihrer Betroffenheit ahnenden Menschen mit steigendem Alter pro Jahrgang immer geringer werden. Meine persönliche Schätzung geht in die Richtung von derzeit vielleicht 2500 bis 3500 lebenden MCAD-Betroffenen in Deutschland, von denen aber nur die zuvor erwähnten 1400 bis 1500 diagnostizierten Patienten der letzten Jahre von ihrer Betroffenheit wissen.