Rund um den Energiebedarf beim MCAD-Mangel

Wenn es halt sonst keiner macht…

In vielen Artikeln zum MCAD-Mangel wird empfohlen, dass die Eltern eines betroffenen Kindes eine umfassende Schulung und Ernährungsberatung mitmachen sollten. Es hat sich jedoch gezeigt, dass in den zehn Jahren des Forums kaum einer der Teilnehmer eine wirklich gezielte Beratung zur Ernährung eines Kindes mit MCAD-Mangel, geschweige denn eine umfassende Schulung auch tatsächlich erhalten hat. Manch eine Familie hat zwar auch mal einen kurzen Termin bei der Ernährungsberatung der Stoffwechselambulanz, aber im Nachhinein stellen fast alle Eltern fest, dass die wenigen erhaltenen Tipps (wenn es überhaupt welche gab) im Alltag dann doch nicht so pauschal und allumfassend anwendbar sind, sondern immer wieder neue Fragen aufkommen. Aus diesem Grund werden in diesem Artikel die wesentlichen Grundlagen dieser Thematik behandelt.

Ist die Kalorienzählerei denn wirklich notwendig?

Eigentlich nicht. Dieser Artikel soll auch absolut nicht dazu führen, dass sich einzelne Eltern von Kindern mit MCAD-Mangel in eine enge Abhängigkeit von irgendwelchen Nährwert-Tabellen begeben und ab jetzt bei jeder Mahlzeit die Zutaten aufs Gramm nachmessen, um hinterher genau zu wissen, wieviele Kalorien dem Kind damit nun wirklich zugeführt wurden. Es hat sich bei den Diskussionen im Forum aber gezeigt, dass den betroffenen Eltern mit der lapidaren Aussage der Stoffwechselambulanzen: “Ernähren Sie ihr Kind einfach völlig normal und machen Sie sich um nichts Gedanken!” nicht wirklich geholfen wird − vor allem dann nicht, wenn ein Kind trotz vermeintlich ausreichender Essensmenge beim Frühstück und Mittagessen im weiteren Verlauf des Tages schon mal Anzeichen eines einsetzenden Energiemangels gezeigt hat.

Deshalb ist das Hauptanliegen dieses Artikels, allen Interessierten einen nachvollziehbaren Einblick in den Energieverbrauch eines Kindes und den Energiegehalt verschiedener gängiger Nahrungsmittel zu vermitteln. Im Lauf der Zeit sollte sich bei jedem ein Gespür dafür entwickeln, ob die täglichen Mahlzeiten den Energiebedarf des Kindes wirklich decken und eine sinnvolle und ausgewogene Vielfalt bieten, oder ob es sich im Gegensatz dazu vielleicht ständig an den falschen Sachen satt isst, die auf Grund des MCAD-Mangels keinen wirklichen Beitrag als Energielieferant leisten.

Bevor mit den eigentlichen Ausführungen begonnen werden kann, müssen aber erst ein paar grundlegende Sachverhalte geklärt werden:

Warum ist alles immer nur durchschnittlich zu sehen?

In den folgenden Abschnitten wird ganz oft darauf hingewiesen, dass es sich um “Durchschnittswerte” handelt. Warum wird das aber immer so betont?

Wie fast überall im Leben gibt es auch bei diesem Thema kein “So ist es!”, sondern allenfalls ein “In etwa dem Bereich spielt sich das ab!”. Sowohl der Energieverbrauch eines Menschen, als auch der Energiegehalt eines Nahrungsmittels ist völlig individuell zu sehen. Wenn unten z.B. der Ausdruck “bei durchschnittlicher Aktivität” verwendet wird, dann ist das ein notwendiger Kompromiss, um wenigstens irgendeinen Bezugspunkt für weitere Berechnungen nutzen zu können. Natürlich können dabei sowohl Kinder, die am liebsten die Wand anstarren, als auch Kinder, die den ganzen Tag nur rumtoben wollen, nicht gezielt berücksichtigt werden.

Kalorien, Kilokalorien, Joule − was denn nun?

Wenn man sich die kleinen Nährwerttabellen auf den Lebensmittelverpackungen ansieht, entdeckt man dort in der Zeile “Brennwert” immer zwei verschiedene Zahlen mit den Einheiten kcal und kJoule. Wen die Herkunft und die genaue physikalische Definition dieser beiden Einheiten interessiert, kann es gerne z.B. bei Wikipedia nachlesen. Für uns ist nur wichtig zu wissen, dass 1 Kalorie etwa 4,185 Joule entspricht (deshalb ist die kJoule-Zahl immer 4,185 mal größer als die kcal-Angabe). Im physikalischen Bereich wurde die Einheit Kalorie auf internationaler Ebene schon vor langer Zeit von der Einheit Joule abgelöst, trotzdem ist die Kalorie im deutschen Sprachgebrauch nach wie vor gang und gäbe und laut EU-Verordnung müssen die Nährwertangaben von Lebensmitteln immer beide Angaben enthalten. Allerdings beziehen sich diese Zahlen immer auf Kilojoule und Kilokalorien, also auf genau den 1000-fachen Wert. Trotzdem hört man selbst in den Medien oft noch fälschlicherweise den Begriff “x Kalorien”, obwohl damit eigentlich kcal gemeint sind.

Für die weiteren Betrachtungen ist dies aber relativ belanglos. Es sei hier nur vermerkt, dass wir uns in den folgenden Abschnitten in Bezug auf den täglichen Energiebedarf und den Brennwert verschiedener Lebensmittel immer an die Einheit “Kilokalorien” (kcal) halten werden, um eine gemeinsame Verständnisbasis zu legen.

Wie kommt der Brennwert, bzw. der Energiegehalt der Nahrungsmittel zustande?

Wie im Artikel “Was ist ein MCAD-Mangel?” bereits erwähnt, enthält jedes Nahrungsmittel in veränderlichen Anteilen die gleichen Nährstoffe: Kohlenhydrate, Eiweiße (=Proteine), Fette sowie Spurenelemente, Mineralstoffe und Vitamine.

Der Energiegehalt eines Lebensmittels berechnet sich aus den Kohlenhydraten, Eiweißen und Fetten. Die Mikronährstoffe haben dabei keine Bedeutung. Bei der vollständigen Verarbeitung dieser Nährstoffe im Zuge der Verdauung wird dem Körper Energie zur Verfügung gestellt.

Tabelle1: normaler kcal-Gehalt pro Gramm Nährstoff

Um auf den zu 100g eines Gerichts angegebenen Brennwert zu kommen, muss man die Angaben zu den einzelnen Nährstoffklassen mit dem jeweiligen Faktor multiplizieren.

Beispiel:

Auf einer Dose Ravioli werden folgende Angaben gemacht: 100g Ravioli enthalten 11g Kohlenhydrate, 3g Fett, 4g Eiweiß und einen Brennwert von 88kcal.

Rechnung: (11 x 4,1 kcal) + (3 x 9,3 kcal) + (4 x 4,1 kcal) = ca 89 kcal. Die kleine Ungenauigkeit entsteht durch die Rundung auf eine Nachkommastelle in der obigen Tabelle, kann aber vernachlässigt werden. Möglicherweise runden die Lebensmittelproduzenten bei den Brennwert-Berechnungen aber auch gerne mal großzügig ab.

Soweit also zu den grundlegenden Sachverhalten. Die beiden wesentlichen und im Folgenden behandelten Fragen lauten nun:

  1. Wie groß ist der tägliche Energiebedarf meines Kindes?
  2. Wie viel Energie nimmt mein Kind aufgrund seines MCAD-Mangels im Rahmen seiner Mahlzeiten tatsächlich zu sich.

Wie groß ist der tägliche Energiebedarf meines Kindes?

Jeder Mensch hat einen völlig individuellen Energieverbrauch, der sich sogar von Tag zu Tag unterscheidet. Die tatsächliche Höhe des täglichen Energiebedarfs hängt von einer ganzen Reihe innerer und äusserer Einflüsse ab.

Grundumsatz

Grundsätzlich hat jeder Mensch schon mal einen gewissen Grundumsatz. Damit wird die Energiemenge bezeichnet, die der Körper auch bei völliger Untätigkeit, z.B. im Schlaf, verbraucht, um einfach die “Maschine” am Laufen zu halten. Dafür werden schließlich ständig verschiedene lebensnotwendige Körperfunktionen benötigt. Das Herz schlägt rund um die Uhr, um den Blutkreislauf in Gang zu halten, die Atmung ist auch immer aktiv, das Gehirn arbeitet ständig, und unser Körper muss fortwährend auf seiner Betriebstemperatur von ca 37°C gehalten werden. Der mit diesen und weiteren Körperfunktionen verbundene Grundumsatz ist gar nicht mal wenig, denn jede noch so kleine Muskelaktivität verbraucht Energie. Man kann das mit einem an der Ampel wartenden Auto vergleichen. Es bewegt sich zwar nicht vorwärts, aber der Motor läuft im Leerlauf, die Heizung wärmt noch den Innenraum, das Radio spielt noch Musik − all das verbraucht Treibstoff, ohne dass man auch nur einen Meter vorankommt.

Bei einem erwachsenen Menschen mittleren Alters, der seinen Tag mit einer durchschnittlichen Aktivitätsmenge verbringt, beträgt der Grundumsatz alleine schon etwa 60% seines gesamten täglichen Energieverbrauchs. Für Erwachsene gibt es eine leicht zu merkende Faustformel zur ungefähren Berechnung des durchschnittlichen Grundumsatzes:

1 kcal pro Kilogramm Körpergewicht pro Stunde beim Mann, für Frauen zieht man dann vom Ergebnis etwa 10% wieder ab.

Somit hat ein 80kg schwerer Mann einen Grundumsatz von ca 80 kcal pro Stunde, entspricht 1920 kcal pro Tag. Es sei noch einmal angemerkt, dass dies der absolute Mindestverbrauch ist, der auch anfällt, wenn sich der betreffende Mann während der gesamten 24 Stunden nicht aus dem Bett erhebt und keinen einzigen Finger rührt.

Faktoren, die den Grundumsatz individuell beeinflussen, sind z.B. das Alter, das Geschlecht, die Größe, das Gewicht, das Verhältnis von Muskelmasse zu Fett, sowie eine Reihe äusserer Einflüsse, wie Hormone, Erkrankungen, Stress, Klima, Medikamente.

Leistungsumsatz

Zusätzlich zum Grundumsatz gibt es den leistungsabhängigen Energieverbrauch. Sofern man körperlich gesund ist, verbringt man normalerweise nicht den ganzen Tag schlafend im Bett, sondern erledigt eine Vielzahl mehr oder weniger kräftefordernder Tätigkeiten: stehen, umhergehen, Treppen steigen, Lasten tragen, aufrecht sitzen, kauen, fernsehen, sprechen, usw − all das verbraucht zusätzliche Energie! Selbst langes Autofahren ist sehr kräftezehrend, da das Gehirn während der ganzen Fahrt auf Hochtouren arbeiten und eine Unzahl an Eindrücken verarbeiten und bewerten muss. Auch die Verdauung, das Wachstum und jede noch so kleine Muskelbewegung benötigt eine gewisse Menge Energie. Es gibt nichts gratis!

Die folgende Tabelle bietet einen kurzen Überblick über den mit verschiedenen üblichen Tätigkeiten verbundenen Leistungsumsatz.

Tabelle 2: kcal-Verbrauch verschiedener Aktivitäten

Gesamtenergiebedarf

Der über den Tag anfallende Gesamtenergiebedarf setzt sich aus der Summe von Grundumsatz und Leistungsumsatz zusammen und wird, wie schon erwähnt, in kcal (oder in KJ) angegeben.

Sucht man im Internet nach Tabellen, die den Grundumsatz je nach Alter gestaffelt darstellen, findet man eine Menge entsprechender Seiten, nur beginnen alle diese Tabellen erst bei einem Alter von 15 bis 18 Jahren. Bei Kindern, oder gar Säuglingen tut man sich bisher anscheinend sehr schwer, die Grenze zwischen dem Grundumsatz und dem Leistungsumsatz zu bestimmen. Möglicherweise ist die Spannweite des individuellen Energiebedarfs bis zum Ende der Pubertät einfach noch zu groß, als dass man sich auf ungefähre Werte festlegen wollte.

Eine Faustformel zur annähernden Berechnung des täglichen Gesamtenergiebedarfs bei Kindern besagt, dass man etwa 70-100 kcal pro Kilogramm Körpergewicht rechnen sollte.

Die folgende Tabelle zeigt den auf einem angenommenen mittleren Gewicht basierenden durchschnittlichen Gesamtenergiebedarf für Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 19 Jahren. Bei besonders hoher oder niedriger Aktivität sind diese Werte um 10-15% nach oben oder unten zu korrigieren.

Gesamtenergiebedarf in kcal pro Tag
Jungen Mädchen
Säuglinge
0-4 Monate 500 450
4-12 Monate 700 700
Kinder
1-4 Jahre 1100 1000
4-7 Jahre 1500 1400
7-10 Jahre 1900 1700
10-13 Jahre 2300 2000
Jugendliche
13-15 Jahre 2700 2200
15-19 Jahre 3100 2500

Tabelle 3: Täglicher Gesamtenergiebedarf von Kindern und Jugendlichen
(Quelle: DACH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Umschau/ Braus, Frankfurt am Main, 2000)

Wie ist das beim Kind mit MCAD-Mangel?

Ein vom MCAD-Mangel betroffenes Kind hat genau den gleichen täglichen Energiebedarf wie jedes andere Kind. Der MCAD-Mangel wirkt sich weder auf den Grundumsatz, noch auf den Leistungsumsatz aus. Letzterer hängt, wie bei allen Kindern, einzig und alleine davon ab, wie aktiv das Kind den Tag über ist und kann mal höher und auch mal niedriger ausfallen.

Wenn ein Kind mit MCAD-Mangel zusammen mit anderen Kindern auf dem Spielplatz oder dem Fussballplatz herumtobt, verbraucht es genau so viel Energie, wie jedes der anderen Kinder. Was dies betrifft, gibt es überhaupt keinen Unterschied.

Ein gravierender Unterschied besteht jedoch darin, dass einem Kind mit MCAD-Mangel die für die folgenden Aktivitäten benötigte Energie immer im Voraus zugeführt werden sollte, damit es, z.B. während eines anstrengenden Spiels, möglichst nur die mit der letzten Mahlzeit aufgenommenen Nährstoffe verbraucht und nicht an seine Reserven gehen muss. Ein nicht vom MCAD-Mangel betroffenes Kind kann durchaus auch mal ohne Frühstück und Pausenbrote einen Schulvormittag überstehen (auch wenn das trotzdem nicht gesund wäre!), aber ihm passiert dabei nicht gleich was Schlimmes. Sein Stoffwechsel ist in der Lage, parallel zur Mobilisierung der in der Leber gespeicherten Glykogenreserven auch den Abbau der Fettsäuren aus dem Fettgewebe zu starten, so dass in der Kombination dieser beiden “Quellen” die Glukose-Vorräte möglichst lange für die Konstanthaltung des Blutzuckerspiegels genutzt werden können. Bei der nächsten ausgiebigen Mahlzeit werden dann auch die Leberdepots wieder gefüllt.

Für ein Kind mit MCAD-Mangel kann die gleiche Situation aber durchaus problematisch werden, wenn nämlich die Energieträger der letzten Mahlzeit bereits während des Schlafs verbraucht und auch die Leberreserven schon angebrochen wurden. Wenn dann das morgendliche Frühstück ganz ausfällt, oder nur eine geringe Menge an Kohlenhydraten enthält, die kaum den Grundumsatz der nächsten paar Stunden decken, dann ist im Laufe des Vormittags möglicherweise schon das absolute Ende der Fahnenstange erreicht und der Körper muss zwingend Fettreserven abbauen. Aus diesen kann er aber nicht die normale Menge an Energie gewinnen. Statt dessen führt der übermäßige Abtransport von mittelkettigen Fettsäureresten aus den Zellen auch zur Anhäufung dieser auf verschiedene Körperfunktionen toxisch wirkenden Acylcarnitine und gleichzeitig zu einem verstärkten Entleeren der Carnitin-Vorräte, so dass im Gegenzug bald nicht mehr genügend Carnitin im Zellplasma vorhanden ist, um weitere Fettsäuren in die Mitochondrien ein- und wieder auszuschleusen. Die Entgleisung nimmt ihren Lauf.

Deshalb ist es ganz entscheidend, dass ein vom MCAD-Mangel betroffenes Kind immer im Voraus die für die nächsten Stunden benötigte Energie zugeführt bekommt, und eventuell bei sehr kräftezehrenden Aktivitäten auch zwischendurch nochmal nachlegt.

Wieviel Energie kann ein Kind mit MCAD-Mangel tatsächlich aus den Lebensmitteln gewinnen?

In vielen meist sehr kurzen und teilweise auch sehr oberflächlichen Informationen zum MCAD-Mangel ist zu lesen, dass ein davon betroffener Mensch seine Energie ausschließlich aus den mit der Nahrung aufgenommenen Kohlenhydraten gewinnen kann und Fett völlig ungenutzt bleibt. Dies ist jedoch nicht korrekt. Bei jedem Schritt der Fettsäurenoxidation wird Energie freigesetzt. So können aus langkettigen Fettsäuren mit z.B. 18 Kohlenstoffeinheiten, durch die Wirkung des VLCAD-Enzyms noch 3 Zweiereinheiten (Ketonkörper) als Energielieferanten für z.B. das Gehirn abgespalten werden, bevor ab einer verbleibenden Kettenlänge von 12 Einheiten das nicht vorhandene, oder zumindest nicht voll funktionsfähige MCAD-Enzym übernehmen müsste. Tatsächlich ist aber der Leitwert für das Vorliegen eines MCAD-Mangels der stark erhöhte C8-Wert, welcher zeigt, dass eine große Menge an Carnitin gekoppelter Fettsäurenreste mit einer Kettenlänge von 8 Kohlenstoffeinheiten im Blut zu finden sind. Es werden also im Normalfall nicht nur 3, sondern sogar 5 Zweiereinheiten abgespalten, bevor die Verarbeitung bei einer Restlänge von 8 Kohlenstoffeinheiten zum Erliegen kommt.

Auch wenn es Mutationen des ACADM-Gens gibt, welche die Produktion des MCAD-Enzyms vollständig verhindern, bleibt durch die Überlagerung der Wirkungsbereiche der unterschiedlichen Dehydrogenasen auch im mittelkettigen Bereich noch ein gewisser Restnutzen durch die zuvor hauptsächlich im langkettigen Bereich aktive Long-Chain Acyl-CoA Dehydrogenase (siehe unter “Was ist ein MCAD-Mangel“). Genaugenommen können unter normalen Bedingungen 55% jeder einzelnen Fettsäure genutzt werden und 45% bleiben als Müll übrig.

Will man also den tatsächlich nutzbaren Energiegehalt verschiedener Lebensmittel bei bestehendem MCAD-Mangel untersuchen, muss somit zumindest der aus den langkettigen Fettsäuren stammende Kalorienanteil ebenfalls berücksichtigt werden. Um es mal deutlich auszudrücken: Auch bei einem MCADler reduzieren sich die alleine aus dem Fettanteil einer normalen Thüringer Bratwurst stammenden über 250 kcal nicht auf Null.

Bei der Bestimmung des verbleibenden Energiegehalts gibt es jedoch ein Problem: Die meisten Nahrungsfette sind langkettig, jedoch nicht alle. Gerade bei nur aus Fett bestehenden Produkten wie z.B. Margarine oder Frittierfett werden gewöhnlich eine ganze Reihe verschiedener Fette gemischt, um den gewünschten Geschmack, bzw die besonderen Brateigenschaften zu erzielen. Auch andere Produkte, vor allem Fertiggerichte, enthalten oft einen geringen Anteil mittelkettiger Fette. Der in der Nährwerttabelle verzeichnete Fettanteil unterscheidet jedoch nicht zwischen lang- und mittelkettig. Da aber auch aus den mittelkettigen Fettsäuren, wie oben beschrieben, meistens noch ein kleiner Rest an Energie gewonnen werden kann, wird für die weiteren Betrachtungen ganz einfach eine Annahme getroffen:

Annahme: Der Fettanteil jedes Lebensmittels kann von einem MCADler noch zu genau der Hälfte (50%) zur Energiegewinnung genutzt werden.

Anmerkung: Dies ist keine wissenschaftlich bestätigte Annahme, sondern einfach eine mir notwendig und auch plausibel erscheinende Vereinfachung des Sachverhalts, damit es uns überhaupt möglich wird, den von Kindern mit MCAD-Mangel aus verschiedenen Lebensmitteln nutzbaren Energiegehalt annähernd zu bestimmen. Ob es in Wirklichkeit 5% mehr oder weniger sind, sollen die Experten ruhig mal genau untersuchen. Solange es aber keine speziell den MCAD-Mangel berücksichtigenden genauen Nährwerttabellen für Lebensmittel gibt, hat diese vereinfachte Annahme durchaus ihre Berechtigung. Und letzten Endes hindert uns ja auch niemand daran, morgen schlauer zu sein als heute!

Auf Basis dieser Annahme wird den weiteren Ausführungen die folgende angepasste Umrechnungstabelle zugrunde gelegt:

1 Gramm  liefert
Kohlenhydrate ca 4,1 kcal
Fette ca 4,65 kcal
(die Hälfte der normalen 9,3 kcal)
Eiweiße (Proteine) ca 4,1 kcal

Tabelle 4: kcal-Gehalt pro Gramm Nährstoff unter
Berücksichtigung der eingeschränkten Fettverwertung
bei vorliegendem MCAD-Mangel

Um es noch einmal deutlich zu sagen: Diese ganzen Erläuterungen sollen keinesfalls dazu führen, dass man ab jetzt jede Mahlzeit, mit der Nährwerttabelle in der einen und dem Taschenrechner in der anderen Hand, auf einen genauen Kalorienwert zusammenbastelt − dazu sind diese Zahlen mit Sicherheit zu ungenau.

Vielmehr soll die folgende Tabelle aufzeigen, welche für “Normalverwerter” sehr nahrhaften Lebensmittel sich für MCADler − trotz gleicher Portionsgröße − in ihrem Energiegehalt teilweise drastisch reduzieren. Andere Lebensmittel, vor allem Gemüse, enthalten zwar viele Vitamine und Mineralstoffe (vor allem im rohen Zustand), häufig aber ansonsten einen generell sehr niedrigen Nährstoffanteil und können auch in großen Portionen nur sehr wenige kcal beisteuern.

Wenn ein Kind behauptet, es sei satt, sagt dies überhaupt nichts darüber aus, ob es genügend Kohlenhydrate, Proteine und Fette (oder allgemein kcal) für die nächsten Stunden zu sich genommen hat, sondern bedeutet vielleicht einfach nur, dass der Magen ausreichend gefüllt wurde. Mit anderen Worten: auch eine große Portion grüner Salat macht nach einigen Minuten satt. Die damit aufgenommene Energiemenge wird jedoch nur eine kurze Zeit vorhalten und schon gar nicht dazu führen, dass die eventuell bereits teilentleerten Glykogen-Reserven der Leber wieder aufgefüllt werden. Wichtig sind vor allem die mit einem hohen Kohlenhydratanteil ausgestatteten Sättigungsbeilagen (Nudeln, Reis), da diese schon bei relativ kleinen Portionsgrößen eine große Energiemenge beisteuern können. Gleiches gilt für die Brotwaren und Cerealien. Als Snack zwischendurch kann etwas Obst nie schaden.

Energiebedarf

Nährstoffgehalt verschiedener Lebensmittel

Die Spalte “bei MCAD-Mangel” enthält die anhand von Tabelle 4 neu berechneten kcal-Werte, die berücksichtigen, dass der Fettanteil nur zur Hälfte zur Energiegewinnung eingerechnet werden kann.

Gesamt-kcal bei
üblicher Portionsgröße
Nährstoffe
pro 100g
Name Portion (g/ml) normal bei MCAD- Mangel KH Eiweiß Fett
Sättigungsbeilagen
Kartoffel (1 mittelgroße) 95,0 86,6 86,1 20,1 1,9 0,1
Kartoffelpüree 100,0 67,9 63,3 12,4 1,9 1,0
Pommes Frites(McD) 150,0 461,4 356,8 37,0 4,0 15,0
Nudeln (ungekocht) 60,0 212,9 207,3 70,0 12,0 2,0
Vollkornnudeln (roh) 60,0 202,3 194,5 61,1 14,8 2,8
Reis (roh) 50,0 178,6 175,8 76,9 7,5 1,2
Vollkornreis (roh) 50,0 169,2 164,6 70,0 8,0 2,0
Brotwaren
Brötchen (Wasserweck) 65,0 170,3 169,1 55,0 8,0 0,4
Roggenbrötchen 65,0 138,6 138,6 45,0 7,0 0,0
Vollkornbrötchen 65,0 149,2 144,7 44,0 8,6 1,5
Rosinenbrötchen 65,0 201,7 172,7 46,3 7,6 9,6
Roggenbrot 50,0 121,5 119,2 51,0 6,0 1,0
Vollkornbrot 55,0 123,2 114,5 41,3 5,6 3,4
Pumpernickel 40,0 82,0 82,0 42,0 8,0 0,0
Weißbrot 40,0 95,1 95,1 50,0 8,0 0,0
Gemüse
Erbsen 100,0 70,7 68,3 12,2 3,9 0,5
grüne Bohnen 100,0 18,7 17,7 2,8 1,3 0,2
Möhren 100,0 24,6 24,6 5,0 1,0 0,0
Kürbis 100,0 28,0 27,5 6,5 0,1 0,1
Brokkoli 100,0 42,3 40,4 6,6 2,8 0,4
Rotkraut 100,0 24,8 23,9 4,5 1,1 0,2
Sauerkraut 100,0 18,5 18,5 3,0 1,5 0,0
Grüner Salat 100,0 21,2 19,8 3,3 1,2 0,3
Tomaten 50,0 8,1 7,6 2,5 1,0 0,2
Paprika 105,0 22,5 20,1 2,9 1,2 0,5
Spinat 150,0 22,4 18,9 0,5 2,0 0,5
Mais 100,0 83,1 78,5 15,0 3,0 1,0
Zucchini 100,0 16,8 15,0, 2,0 1,2 0,4
Obst
Apfel 125,0 74,6 73,4 13,8 0,3 0,2
Banane 120,0 115,4 114,3 22,0 1,0 0,2
Trauben, grün 100,0 55,8 55,8 13,0 0,6 0,0
Mandarinen 105,0 63,6 62,2 13,3 0,8 0,3
Orangen 130,0 67,4 66,2 11,5 0,7 0,2
Pfirsich 120,0 54,5 52,8 9,5 0,9 0,3
Kiwi 70,0 48,6 47,0 14,7 1,1 0,5
Getränke
Apfelsaftschorle 200,0 79,0 74,4 8,0 0,5 0,5
Fanta 200,0 82,8 82,8 10,1 0,0 0,0
Mineralwasser 200,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0
Punica Tee&Fruit 200,0 26,5 25,5 2,9 0,1 0,1
Milchprodukte
Milch (1,5%) 200,0 125,2 115,9 10,0 3,0 1,0
Babybel 20,0 63,7 40,0 0,1 22,0 24,5
Cerealien, Müsli
Haferflocken 50,0 186,9 168,3 63,0 10,0 8,0
Cornflakes 30,0 114,4 113,2 84,0 7,0 0,9
Fleischwaren
Bratwurst 150,0 520,2 297,0 0,0 12,0 32,0
Rindswurst 150,0 279,0 139,5 0,0 0,0 20,0
Bockwurst 105,0 295,8 173,7 0,0 12,0 25,0
Fleischkäse 100,0 309,6 179,4 0,0 12,0 28,0
Fisch
Fischstäbchen 150,0 303,6 247,1 18,0 13,0 8,1
Fette
Butter 10,0 77,3 39,2 2,0 0,5 82,0
Margarine 10,0 74,4 37,2 0,0 0,0 80,0
Süßwaren
Duplo 18,2 100,6 72,7 55,0 5,0 33,0
Frühstück
Ei 60,0 77,9 50,0 0,0 9,0 10,0
Kakaopulver 10,0 32,5 23,2 10,0 24,0 20,0
Nutella 20,0 105,8 77,9 54,0 7,0 30,0
Honig (für Kinder
unter 1 Jahr ungeeignet)
20,0 61,5 61,5 75,0 0,0 0,0

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich als Autor dieser Seiten größten Wert auf Korrektheit gelegt habe, aber ansonsten medizinischer Laie bin. Alle veröffentlichten Informationen wurden von mir anhand verschiedener verfügbarer Promotionen, Studienarbeiten, medizinischen Veröffentlichungen, MCAD-Broschüren, Merkblätter, Webseiten von Kliniken, Aussagen der Stoffwechselambulanz und sonstigen Erkenntnissen und Erfahrungen (eigenen und denen unserer Forumsteilnehmer) zusammengetragen und in inzwischen weit über 1000 Stunden Arbeitszeit gelesen, unzählige Male überdacht, sortiert und schließlich in der jetzigen Form hier niedergeschrieben. Das Lesen dieser Seiten darf aber auf keinen Fall den Besuch beim Arzt oder der Stoffwechselambulanz ersetzen, sondern soll lediglich dazu dienen, schon mal etwas besser über die ganze Thematik und Problematik Bescheid zu wissen!