12. Was mir wichtig ist

Wenigstens ist dadurch diese Seite hier entstanden!

Wie du vielleicht schon im Text unter dem Menüpunkt „Über mich und diese Seite“ gelesen hast, wurden wir damals, nach dem auffälligen Neugeborenenscreening meines Sohnes, seitens des Stoffwechselexperten unserer nächstgelegenen Uni-Klinik vermutlich mit bester Absicht, aber leider trotzdem völlig falsch informiert, beraten und behandelt. Während von Anfang an alle Befunde darauf hinwiesen (und es meinem späteren Verständnis nach auch deutlich genug ausdrückten), dass bei meinem Sohn überhaupt kein MCAD-Mangel, sondern ein reiner Carrier-Status vorlag, behauptete der Arzt mit aller Vehemenz, es sei eindeutig ein schwerer MCAD-Mangel nachgewiesen. Tägliche Carnitingaben und sofortiges Erscheinen in der Klinik zwecks Glucoseinfusionen bei jeder Art von Nahrungsverweigerung oder fieberhaftem Infekt seien für sein Wohlergehen folglich zwingend notwendig. Jede meiner Nachfragen, ob die vorliegenden Befunde denn nicht das genaue Gegenteil aussagten, wurden von ihm mit der Aussage abgebügelt, ich solle endlich aufhören, mich selbst mit dem Thema zu befassen, denn das nütze meinem Sohn überhaupt nichts. Er selbst habe schließlich über 20 Jahre Erfahrung mit dem MCAD-Mangel und deshalb dürfe ich schon sicher sein, dass er wisse, wovon er rede. Je mehr ich selbst aber darüber lernte, desto mehr wurde mir klar, dass alle von dem vermeintlichen Experten uns gegenüber gemachten Aussagen letztlich nichts anderes waren, als ein gutes Beispiel für „souveränes Auftreten bei weitreichender Ahnungslosigkeit“ – zumindest was den MCAD-Mangel betraf! Eines konnte er definitiv nicht − mir verbieten, mich selbst weiterhin intensiv mit dem MCAD-Mangel auseinanderzusetzen. Schließlich sollte dieser ja − seiner eigenen Aussage nach − das gesamte weitere Leben meines Sohnes, und damit für viele Jahre auch das von uns Eltern maßgeblich beeinflussen.

Den MCAD-Mangel lernt man nur langsam und mit viel Zeitaufwand kennen!

Es klingt in dem vorangegangenen Abschnitt vielleicht so, als hätte ich von Anfang an genau verstanden, was die Befunde aussagten und deshalb die Behauptungen des Arztes schon sehr frühzeitig angezweifelt, aber dem war absolut nicht so. Ich hatte keinerlei Hintergrundwissen und weder die Begriffe noch die Zahlenwerte in den Befunden sagten mir auch nur das Geringste. Da der sofort aufgesuchte Kinderarzt aber ebenfalls noch nie vom MCAD-Mangel gehört hatte, uns daher keinerlei Informationen geben konnte und uns nur an die Stoffwechselambulanz verwies, hatte ich mich lediglich notgedrungen direkt nach dem aufgekommenen MCAD-Verdacht sofort intensiv mit der Materie beschäftigt und Tag für Tag und Stunden über Stunden nach Informationen gesucht, um die genauen Hintergründe und Mechanismen dieser Stoffwechselerkrankung zu verstehen und die mir klar gewordenen Erkenntnisse auf dieser Seite aufzuzeichnen. Das war meine Methode, um mir die ganzen Inhalte zu merken. Bis nach über eineinhalb Monaten ohne jegliche ärztliche Information das Ergebnis der molekulargenetischen Untersuchung vorlag und wir dann auch endlich einen ersten Termin in der Stoffwechselambulanz bekamen, hatte ich schon ca. 200 Stunden Online-Recherchen und Notizen hinter mich gebracht. Manche Doktorarbeiten musste ich dabei vier- oder fünfmal lesen, bis mir endlich wieder ein weiteres Detail in Bezug auf die Befunde meines Sohnes eingeleuchtet hat.

Erste Zweifel an den Darstellungen unseres Stoffwechselarztes hatte ich nach vier Monaten, und bis ich auf diese Weise nach sieben Monaten absolut sicher war, dass mein Sohn keinen MCAD-Mangel − nicht mal einen milden − aufwies, hatte ich schon über 800 Stunden meiner Freizeit in dieses Selbststudium eingebracht. Meine Frau war deswegen auch zwischenzeitlich ziemlich genervt, weil sie selbst nicht mehr daran glaubte, dass sich an der laut dem Stoffwechselexperten ja felsenfest stehenden Diagnose nochmal etwas ändern könnte. Aber erst mit diesen mühevoll angeeigneten Kenntnissen war es mir möglich, meine Zweifel an der bestehenden Diagnose und die dagegen sprechenden Argumente in einer anderen Stoffwechselambulanz so überzeugend zum Ausdruck zu bringen, dass man dort weitere Untersuchungen durchführte, die letztlich alle meine Einschätzungen bestätigten, so dass die MCAD-Diagnose meines Sohnes wieder fallengelassen werden konnte. Im Zuge dieser Einholung einer zweiten Meinung forderte ich auch über das Sekretariat der ersten Stoffwechselambulanz Kopien aller dort vorliegenden Befunde an. In diesen Unterlagen war auch ein Zusatzbefund derjenigen Uni-Klinik enthalten, in der zuerst das Screening und danach die molekulargenetische Untersuchung durchgeführt worden waren. In dem Brief hatte man unserem ersten Stoffwechselarzt mitgeteilt, dass unter Einbeziehung aller Untersuchungsergebnisse einwandfrei feststünde, dass bei meinem Sohn nur eine Heterozygotie vorliege, er somit keinen MCAD-Mangel habe und eine Therapie daher nicht erforderlich sei. Diese schriftliche Aussage lag ihm seit dem zweiten Lebensmonat meines Sohnes vor. Er hatte uns kein Wort davon gesagt und war die ganzen folgenden Monate nicht von seiner Aussage abgerückt, es sei ein schwerer MCAD-Mangel einwandfrei festgestellt worden. Ich hoffe im Nachhinein, dass er diesen Zusatzbefund einfach nicht gelesen hatte − befürchte aber, dass ihm das, was „die anderen da“ festgestellt hatten, einfach egal war. Er hatte während unserer Gesprächstermine mehrfach sehr deutlich ausgedrückt, dass wir froh sein könnten, in genau dieser Stoffwechselambulanz betreut zu werden, da diese das einzig wahre MCAD-Kompetenzzentrum in Deutschland sei und die Kenntnisse an allen anderen Uni-Kliniken bestenfalls als „so lala“ zu bezeichnen seien. Eine Einstellung übrigens, die er − den Schilderungen mehrerer Familien im Forum zufolge − mit nicht gerade wenigen Ärzten anderer deutscher Uni-Kliniken teilte.

Nur nicht das Nachfragen verbieten lassen!

Entgegen seines mir gegenüber mehrfach geäußerten Vorwurfs (O-Ton: Ich kenne wirklich genügend Väter wie Sie, die die Krankheit ihres Kindes einfach nicht wahrhaben wollen, aber irgendwann stehen sie dann doch alle mit ihrem bewusstlosen Kind im Arm bei mir auf der Matte!), ging es mir die ganze Zeit über nicht im Entferntesten darum, eine absolut sichere Diagnose mit aller Macht in Frage stellen zu wollen, um bloß nicht als Vater eines kranken Kindes dastehen zu müssen. Ich wollte aber meinem Sohn eine ihm Zeit seines Lebens anhaftende Diagnose unter allen Umständen ersparen, wenn diese − wie ich irgendwann absolut sicher war − nicht zutreffend wäre. Das allein hat mich angetrieben, bis dann nach 14 Monaten der MCAD-Mangel mit dem Vermerk „widerlegt“ auch endlich wieder aus dem gelben U-Heft gestrichen werden konnte.

Nach sehr intensiven 10 Jahren, in denen ich mehr als 1000 Antworten in dem bis 2018 auf dieser Webseite enthaltenen Forum und weitere 1000 direkt an einzelne Teilnehmer gerichtete „Private Nachrichten“ zu verschiedensten Fragen von über 500 MCAD-Familien geschrieben habe, sind mir die meisten Aspekte rund um den MCAD-Mangel immer noch aus dem Effeff geläufig. Daher muss ich mir selbst immer wieder neu ins Bewusstsein rufen, dass die in ausgedruckter Form über 210 A4-Seiten ergebenden, umfangreichen Informationen dieser Seite − obwohl ich mich immer um eine einfache Ausdrucksweise bemüht habe − für neu betroffene Eltern nicht wirklich leicht zu verstehen sind. Selbst die grundlegenden Themen der FAQ-Seite können einen MCAD-Neuling schon deutlich überfordern. Wenn Du beim Lesen der Infos also das Gefühl hast, nur 5% zu verstehen und dir selbst davon nur die Hälfte merken zu können, dann kann ich dich trösten. Das ist ganz normal, wenn man mit der Materie noch nicht vertraut ist. Letzten Endes kommt niemand drumrum, sich über viele Stunden hinweg intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen, um die Zusammenhänge nach und nach zu verinnerlichen und daraus eine wachsende Sicherheit im täglichen Umgang mit der Stoffwechselstörung seines Kindes zu erlangen. Dabei möchte ich dich nach wie vor gerne unterstützen!

Vertraue deinem Stoffwechselarzt, dass er es gut mit dir meint, aber glaube ihm trotzdem nicht alles ungeprüft!

Seit Beginn dieser Seite im Jahr 2008 bis heute (2023) konnte ich zu meiner großen Freude Jahr für Jahr einigen Eltern von Kindern mit einem laut Auskunft ihrer Ärzte eindeutig schwerem MCAD-Mangel, den sich in der Folge jedesmal bestätigenden Rat geben, auf die Durchführung einer zusätzlichen Analyse der Enzymaktivität zu bestehen, und/oder sich an anderer Stelle eine zweite Meinung einzuholen, da die Werte aus den ihnen vorliegenden Befunden meinem Verständnis nach nur für einen milden, bzw. in mehreren Fällen (pro Jahr 2 bis 3 mal) sogar für überhaupt keinen MCAD-Mangel sprachen. Teilweise war zur Bestätigung dieser Einschätzung nicht mal der Wechsel an eine andere Stoffwechselambulanz erforderlich, sondern nur der von den Eltern gegenüber ihren Ärzten mit Nachdruck geäußerter Wunsch, wirklich alle vorliegenden Befunde in Kopie ausgehändigt zu bekommen. In diesen stand dann teilweise − so wie bei uns − schon tatsächlich ausführlich genug drin, dass der ursprüngliche MCAD-Verdacht absolut sicher ausgeschlossen werden konnte. Es spielt aber keine Rolle, an welchen Stoffwechselambulanzen sich diese unrühmlichen Fälle ereignet haben, denn ebenso wie Kompetenz ist auch Inkompetenz nuw. Ignoranz ausschließlich an Individuen und niemals an Institutionen gebunden. Dass sich alle der an manchen Kliniken häufig wechselnden Stoffwechselärzte untereinander austauschen und daher gleichermaßen gut mit der Materie auskennen, ist eine nette Wunschvorstellung, aber auch nicht mehr. Qualitätssicherung der medizinischen Behandlung hin oder her − man kann in ein und derselben Uni-Klinik an hinsichtlich des MCAD-Mangels sehr erfahrene oder auch weitgehend ahnungslose Ärzte geraten. Um die eine von der anderen Sorte unterscheiden zu können, muss man sich als Eltern selbst grundlegende Kenntnisse aneignen und die erhaltenen Empfehlungen immer wieder kritisch hinterfragen. Es führt kein Weg daran vorbei.

Es ist mir aufgrund meiner eigenen Erlebnisse ein großes Anliegen, dass kein einziges Kind fälschlicherweise mit der lebenslangen Belastung eines MCAD-Mangels aufwachsen muss, bloß weil ein vielleicht ansonsten hervorragender Diabetologe, mit dem MCAD-Mangel aber nur unzureichend vertrauter Arzt während der Diagnosephase die Befunde nicht richtig interpretieren konnte und lieber mit bester Absicht „auf Nummer Sicher“ ging.

Aber auch bei eindeutig nachgewiesenem MCAD-Mangel − und das ist auch wirklich die überwiegende Mehrheit − sollten die ersten Wochen nach der Geburt deines Kindes, wenn schon leider nicht von überschäumender Freude bestimmt, dann doch zumindest nicht von ständiger Angst und Sorge aufgrund vieler offener Fragen aufgrund dieser dir noch so unbekannten Stoffwechselstörung getrübt werden.

Scheue dich daher bitte nicht, mich über die Email-Adresse anzuschreiben − besonders wenn du Hilfe beim Verstehen der Befunde benötigst!

Ein großes Dankeschön

Zuletzt möchte ich in einem kurzen Gedenken an die zehnjährige Forumszeit nochmal herausstellen, dass trotz der vielen Teilnehmer mit ihren ganz unterschiedlichen Charakteren (ja, alle der in der „Es gibt Eltern„-Liste aufgeführten Typen waren wirklich im Forum vertreten!), unsere schriftlichen Unterhaltungen mit ganz wenigen Ausnahmen ausgesprochen harmonisch abliefen, was sicher nicht zuletzt dem Umstand geschuldet war, dass nur Teilnehmer in unserem Forum zugelassen wurden, die selbst in irgendeiner Weise vom MCAD-Mangel betroffen waren. Dadurch waren sowohl die in öffentlichen Foren sonst oft vertretenen und nur Unruhe stiftenden Trolle, als auch die zu allen beliebigen Themen ihren Senf dazugebenden Klugscheißer generell ausgesperrt. Auch bei den zu Beginn dieser Zeit vereinzelten regionalen Treffen habe ich nur nette, sympatische Eltern und fröhliche, aktive Kinder kennengelernt, die allesamt jedesmal eine tolle Zeit zusammen verbracht haben. Vielen Dank, dass ich euch alle schriftlich und zum Teil auch ganz persönlich kennenlernen durfte.

Falls ihr das hier lest, schreibt mir doch mal, wie es euch und euren Kindern inzwischen geht. Es interessiert mich wirklich.

Einen lieben Gruß und euch und euren Familien alles Gute
Magnus (im Januar 2020)

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