- Vorwort und Einführung
- Die wichtigsten FAQs
- 1. Was ist MCAD?
- 2. Woher kommt MCAD?
- 3. Wie wird MCAD diagnostiziert
- 4. Medizinische Behandlung
- 5. Ernährung bei MCAD
- 6. Leben mit MCAD
- 7. Fragen über Fragen...
- 8. Eine kleine Ernährungsschule
- 9. Infos zu bekannten Mutationen
- 10. Lohnende Gedanken
- zum Nachdenken
- Befundsammlung
- wichtige Studien
Vorwort und Einführung
- Details
-
Geschrieben von Wollachee
Zunächst ein kurzes Wort an die Ärzte:
Die in den folgenden Artikeln enthaltenen Informationen wurden von mir gezielt für vom MCAD-Mangel betroffene Familien zusammengestellt. Da es mir hauptsächlich auf die Verständlichkeit der Sachverhalte ankommt, habe ich zu Beginn meiner Recherchen in den Texten mit wenigen Ausnahmen auf die Angabe der dafür genutzten Quellen verzichtet. Trotzdem basieren alle hier zusammengetragenen Darstellungen auf entsprechenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen zum MCAD-Mangel (z.B >hier<) und auf von Ihnen als Stoffwechselexperten uns Eltern gegenüber gemachten und von uns anhand entsprechender Literatur auf Korrektheit, bzw. Sinnhaftigkeit überprüften Aussagen.
Obwohl sich in diesem speziellen und relativ jungen Forschungsbereich zwar noch nicht wirklich viel getan hat, gab es in den vergangen 25 Jahren doch immer wieder sich hinsichtlich der Schlussfolgerungen einander widersprechende Studien, sowie inzwischen völlig veraltete Erkenntnisse. Daher habe ich mich bei der Informationssammlung - soweit möglich - nur auf neuere medizinische Publikationen ab dem Jahr 2000 beschränkt und versucht, die in einzelnen Punkten nach wie vor bestehenden Uneinigkeiten aufzuzeigen.
Auch wenn Uni-Kliniken und Krankenhäuser nicht meine eigentliche Zielgruppe darstellen, werden die auf dieser und den folgenden Seiten zu findenden Informationen inzwischen doch von annähernd allen medizinischen (Stoffwechsel-)Einrichtungen aus dem deutschsprachigen In- und Ausland genutzt und teilweise auch an die eigenen MCAD-Patienten weitergeben. Somit schließt sich dieser Kreis. Ich kann die interessierten und einer solchen Initiative gegenüber aufgeschlossenen Ärzte nur darum bitten, die hier zusammengetragenen Informationen einfach in der bestehenden Form und auch ohne zu allen Punkten existierende detaillierte Quellenangaben zu akzeptieren. Ansonsten können Sie - falls Sie die damit verbundene Mühe und die bisher mehrere hundert Stunden Rechercheaufwand nicht scheuen - durch Nachverfolgung aller im Text und in der Linkliste genannten Veröffentlichungen, sowie den darin referenzierten Publikationen, sowie den wiederum darin referenzierten Arbeiten, usw... irgendwann alle hier gesammelten Aussagen in der dargestellten Form wiederfinden.
Bitte beachten Sie auch die unter den Menüpunkten "Fragen über Fragen..." und "Fragen an die Experten" zu findenden Seiten. Ich danke Ihnen für Ihr Interesse, wünsche Ihnen für ihre Arbeit viel Erfolg und freue mich, wenn Sie unserem Angebot positiv gegenüberstehen und diese Seite den von Ihnen betreuten MCAD-Familien weiterempfehlen.
Noch eine dringende Bitte zum Abschluss: Wenn Sie das hier lesen, wird es sie höchstwahrscheinlich nicht selbst betreffen, denn Ihnen ist der MCAD-Mangel anscheinend zumindest ansatzweise ein Begriff. Aber es kommt immer noch vereinzelt vor, dass Eltern, die mit ihrem seit Stunden nichts mehr bei sich behaltenden Kind mit MCAD-Mangel in der Notaufnahme eines Krankenhauses oder einer Uni-Klinik erscheinen, von hinsichtlich des MCAD-Mangels völlig ahnungslosen Ärzten nach Hause geschickt werden, die sich von den vermeintlich einfach nur hysterischen Eltern nicht sagen lassen wollen, was dem Kind fehlt, und wie es schnellstmöglich behandelt zu werden hat.
Verehrte Ärzte! Jeder Mensch weiß, dass es den meisten Ärzten - egal welcher Fachrichtung - missfällt, wenn ihnen die Patienten sagen wollen, was zu tun ist. Aber eines sollten Sie verstehen: Es geht einzig und alleine um das Wohl des Kindes! Und da es sich bei dem MCAD-Mangel nun mal um eine wirklich sehr seltene Stoffwechselstörung handelt, können die das Kind rund um die Uhr erlebenden Eltern meistens sehr viel besser als die meisten Ärzte einschätzen, ob gerade eine riskante Situation vorliegt, oder nicht. Niemand begibt sich mit seinem Kind gerne in die Klinik, auch MCAD-Eltern nicht. Wenn diese also vor Ihnen stehen, und Sie um sofortige Versorgung ihres Kindes gemäß der Angaben im Notfallausweis bitten, schieben Sie bitte, falls es noch im Wege stehen sollte, Ihr Ego beiseite, und tun Sie sofort, was die Eltern Ihnen sagen. Selbst wenn Ihnen der MCAD-Mangel nicht viel sagt - diese Eltern wissen genau, wovon sie reden, und Sie sollten unbedingt auf sie hören!
Einführung in das Thema
Wenn von MCAD gesprochen wird, ist streng genommen immer ein MCAD-Mangel (engl. MCAD-Deficiency, abgekürzt MCADD) gemeint. Die Abkürzung MCAD steht für das Enzym Medium Chain Acyl-CoA Dehydrogenase, welches im menschlichen Stoffwechsel für die Verarbeitung mittelkettiger Fettsäuren zuständig ist. Die eigentliche Stoffwechselstörung besteht in einem durch einen Defekt des ACADM-Gens verursachten Mangel genau dieses Enzyms. Aus diesem Grund ist die in verschiedenen Informations-Materialien und auch von Ärzten oft gleichwertig verwendete Bezeichnung "MCAD-Defekt" etwas irreführend und in den folgenden Ausführungen wird immer deutlich zwischen dem in der Bevölkerung sehr häufig auftretenden MCAD-Gen-Defekt und dem möglicherweise daraus folgenden und sehr seltenen MCAD-Enzym-Mangel unterschieden.
MCAD spricht sich in medizinischen Fachkreisen übrigens "Em-Kad" aus. Mit dieser relativ unwichtigen Information weißt Du jetzt vermutlich schon mehr über diese Stoffwechselstörung, als die Vielzahl der niedergelassenen Kinderärzte. Bisher ist der MCAD-Mangel nämlich nur einem sehr geringen Teil der Weltbevölkerung und auch nur sehr wenigen Fachärzten bekannt. Die meisten Menschen wissen nicht einmal, dass es eine solche Stoffwechselstörung überhaupt gibt.
Da unsere Mitglieder aber für eine rege Verbreitung dieser Seite, sowohl unter ihren eigenen Kinderärzten, als auch deren bisher nicht mit MCAD-Fällen konfrontierten Kollegen sorgen, besteht eine große Chance, dass sich der Umfang und die Qualität der Erstinformation von betroffenen Eltern durch ihren Kinderarzt in Zukunft deutlich verbessert. An dieser Stelle vielen Dank für euer Engagement!
Die Ursache für den selbst unter Ärzten noch so geringen Bekanntheitsgrad liegt darin, dass ein Vorliegen des MCAD-Mangels erst seit wenigen Jahren mit dem sogenannten "erweiterten" Neugeborenen-Screening annähernd flächendeckend gezielt getestet wird. Als bei einem Patienten identifizierte Stoffwechselstörung wurde der MCAD-Mangel erstmals im Jahr 1976 beschrieben. Der dem MCAD-Mangel zugrunde liegende Gendefekt ist natürlich nicht neu und es gibt höchstwahrscheinlich eine ganze Reihe Jugendliche und Erwachsene, die diese Stoffwechselstörung in sich tragen, ohne es bisher bemerkt zu haben - zu ihrem Glück. Seit der Erweiterung des vorher nur wenige Stoffwechselstörungen umfassenden Basisscreenings in Deutschland, wurde der MCAD-Mangel durchschnittlich bei nur einem von 10000 Neugeborenen gefunden. Die relative Häufigkeit schwankt von Bundesland zu Bundesland ein wenig. Eine über mehrere Jahre andauernde bayerische Studie zum Neugeborenenscreening hat z.B. eine Häufigkeit von rund 1:8500 ergeben, was deutlich über dem Durchschnitt liegt. Von dem Durchschnittswert ausgehend kann man es sich so vorstellen, dass in einem Krankenhaus mit rund 1000 Geburten pro Jahr, innerhalb von 10 Jahren im Mittel also nur ein einziges Kind mit MCAD-Mangel geboren wird. Unter Berücksichtigung der derzeitigen Geburtenrate in Deutschland (2009: ca. 665.000 Geburten laut Stat. Bundesamt), kommen somit jährlich ca. 65 vom MCAD-Mangel betroffene Kinder neu hinzu.
Aufgespürt wurde der MCAD-Mangel bis vor wenigen Jahren nur in den Fällen, wenn ein Säugling oder Kleinkind im Rahmen eines Infekts mit schweren Krampfanfällen oder bei Bewusstlosigkeit in die Klinik eingeliefert wurde. Auch bei einigen anscheinend am unerklärlichen plötzlichen Kindstod verstorbenen Kleinkindern, bzw. deren Eltern, konnte der dem MCAD-Mangel zugrunde liegende Gendefekt im Nachhinein diagnostiziert und als Ursache angesehen werden. Für viele Kinder kam die Erkenntnis bisher leider schon zu spät, obwohl die schlimmen Folgen leicht zu verhindern gewesen wären - hätten die Eltern nur etwas von dieser unsichtbaren Bedrohung geahnt und sich auf den Ernstfall entsprechend vorbereitet.
Auch wenn die Diagnose "MCAD-Mangel" bei unserem Kind für uns als Eltern im ersten Moment eine Schock gewesen sein wird, können wir dennoch froh und dankbar sein, dass es überhaupt so früh gefunden wurde und wir uns nun entsprechend informieren und auf ein Leben mit dem MCAD-Mangel einstellen können. Was haben wir auch für eine andere Wahl? Auch wenn uns die Sorgen vielleicht nie ganz verlassen werden, so haben wir doch die meiste Zeit über ein völlig gesundes Kind. Es kann alles tun und lassen, hat genau so viel Freude an Unternehmungen und erlebt alles mit genau so viel Spaß und Spannung wie ein Kind ohne MCAD-Mangel. Wenn man es sich dann mal genau überlegt, ist es damit sehr viel besser dran, wie die vielen Kinder mit häufig auftretenden, daher weithin bekannten und vermeintlich harmloseren Erkrankungen, die aber teilweise wirklich zu einer stark eingeschränkten Lebensqualität führen. In den ersten paar Monaten nach der MCAD-Diagnose wird sich uns als Eltern diese Sichtweise noch ziemlich verschliessen, aber im Lauf der Zeit tritt bei jedem eine stetig zunehmende Sicherheit und damit auch Gelassenheit im Umgang mit dem MCAD-Mangel ein.
Es gibt ein paar Situationen im Leben, die für unser Kind gefährlich werden können, und genau auf diese müssen wir uns als Eltern intensiv vorbereiten, damit unser Kind sie unbeschadet überstehen kann. Dazu ist es enorm wichtig, bestens über die bei unserem Kind vorliegende äußerst seltene Stoffwechselstörung informiert zu sein und zu wissen, wie wir im Fall der Fälle reagieren müssen. Vielleicht wurde Dir bei der Mitteilung des ersten auffälligen Befundes von einem extrem schlecht über den MCAD-Mangel informierten Krankenhausmitarbeiter schon gleich durch Schreckensmeldungen wie "Krampfanfälle, Koma, Hirnschädigungen und plötzlicher Kindstod" der Boden unter den Füßen weggezogen? Dann möchte ich eine Aussage ganz entschieden dagegen setzen: Dein Kind ist schon jetzt sehr viel besser dran, denn Du weißt um den Befund deines Kindes! Die zuvor genannten schlimmen Auswirkungen des MCAD-Mangels traten fast ausschließlich bei Kindern auf, deren Eltern zu dem Zeitpunkt noch nichts vom Vorliegen dieser Stoffwechselstörung ahnten, weshalb sowohl sie selbst, als auch die behandelnden Ärzte in vielen Fällen nicht schnell genug, und oft auch nicht richtig auf die vorliegende Situation reagierten.
Leider sind der Allgemeinheit zugängliche nützliche Informationen rund um den MCAD-Mangel nur sehr vereinzelt und mit viel Mühe bzw. einem hohen Zeitaufwand zu finden.
Genau zu diesem Zweck - damit wir uns alle gemeinsam immer wieder anhand aktueller Informationen und wertvoller Erfahrungen anderer betroffener Eltern auf dem Laufenden halten können - wurde diese Webseite ins Leben gerufen. Auf den folgenden Seiten werden alle von uns bislang zusammengetragenen Informationen gebündelt und vielleicht auch mit deiner Mithilfe immer wieder aktualisiert.
Ich versuche die Erklärungen einfach zu halten, den Fokus auf das Wesentliche zu richten und weitgehend auf medizinische Fachbegriffe zu verzichten, denn die Informationen sollen in erster Linie verständlich sein. Wissenschaftliche Abhandlungen mit kilometerlangen Texten voller unverständlicher Begriffe gibt es genug
Abschreckendes Beispiel: "Die Translation der MCAD erfolgt an freien cytoplasmatischen Polysomen zunächst als 421 aa umfassendes Vorläuferprotein, dessen 25 aminoterminale Reste die vergleichsweise basische Signalsequenz darstellen. Die Translokation in die mitochondriale Matrix selbst ist von einer elektrischen Potentialdifferenz abhängig und erfolgt unter Abspaltung der Signalsequenz auf der Matrixseite. Ebenso findet dort das Assembly der Monomere sowie die Oligomerisierung zum nativen, tetrameren Enzym statt." |
Während Ärzte an solche Formulierungen gewöhnt sind - was nicht bedeutet, dass sie sie auch selbst verstehen - können normale Menschen mit so einem Kauderwelsch überhaupt nichts anfangen. Da sich hier aber vor allem Menschen ohne tiefergehende medizinische Kenntnisse informieren, beschreiben die folgenden Artikel die teilweise recht komplizierten Sachverhalte notwendigerweise auf einer etwas vereinfachenden und abstrahierenden Ebene, ohne dabei den Anspruch zu erheben, die ganzen genetischen und biochemischen Vorgänge bis ins kleinste Detail darzustellen.
Vor allem das Forum soll dazu beitragen, dass wir uns untereinander austauschen und gegenseitig mit Rat (und Tat?) unterstützen können.
Denn die Hauptverantwortung für das Wohlergehen unserer Kinder liegt nicht bei den Ärzten - sie liegt bei uns!
Eines ist aber ganz wichtig:
Gut informiert zu sein ist zwar ein ganz wesentlicher Punkt, wenn es darum geht, die früher oft schlimmen Auswirkungen des MCAD-Mangels beim eigenen Kind zu vermeiden, aber es ist ist nur EIN Punkt. Eine fundierte weiterführende fachärztliche Untersuchung und Beratung, sowie die persönliche Vorstellung in einem Stoffwechselzentrum und bei einer Ernährungsberatung sind unumgänglich. Nur dann hat man alles Mögliche zum Wohl des Kindes getan.
Die wichtigsten FAQs
- Details
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Geschrieben von Wollachee
Die in den noch folgenden Info-Artikeln (über 170 A4-Seiten) ausführlich behandelten Themen sind zwar möglichst einfach dargestellt, aber dadurch auch so detailiert ausgeführt, dass sie einen MCAD-Neuling, der zunächst einmal nur eine Handvoll dringender Fragen hat, weit überfordern können. Bevor es ans Eingemachte geht, werden deshalb in diesem vorangestellten Bereich gezielt einige ausgewählte Fragen beantwortet, die sich in den Forumsbeiträgen seit Bestehen dieser Website als häufigste und dringlichste herauskristallisiert haben.
Diese und viele weitere Fragen werden in den anderen Artikeln der MCAD-Informationen und in einer ganzen Reihe von Forumsbeiträgen noch ausführlich behandelt.
Übersicht der behandelten Fragen:
bzgl. der Diagnose...
- Ich habe gerade vom auffälligen NG-Screening erfahren! Kann es sich noch um einen Irrtum handeln?
- Was bedeuten die im Screening ermittelten Werte?
- Auf welche Variante des MCAD-Mangels weisen die Screening-Ergebnisse hin?
- Bei meinem Kind wurde ein milder MCAD-Mangel diagnostiziert. Was bedeutet das?
- Bei meinem Kind wurde ein klassischer MCAD-Mangel diagnostiziert. Was bedeutet das?
- Der Befund meines Kindes sagt nichts über die Variante, bzw. Schwere des MCAD-Mangels aus. Was hat es denn nun?
- Wie viele andere Menschen mit MCAD-Mangel gibt es überhaupt in Deutschland?
bzgl. der weiteren Aussichten...
- Ist es wirklich wahr, dass mein Kind aufgrund des MCAD-Mangels ein erhöhtes Risiko für den plötzlichen Kindstod hat?
- Wird mein Kind aufgrund des MCAD-Mangels nicht automatisch dick werden, wenn es seine Fettreserven nicht verwerten kann?
- Wird mein Kind den MCAD-Mangel an seine eigenen Kinder vererben?
- Ich lese im Forum so häufig von Entgleisungen und bin dadurch sehr beunruhigt. Kommen Entgleisungen wirklich so häufig vor?
bzgl. der Behandlung...
- Gibt es ein Medikament gegen den MCAD-Mangel?
- Seit einiger Zeit bemerke ich an meinem Kind einen fischigen Geruch. Woher kommt das?
- Reicht es nicht aus, wenn ich in Krankheitsphasen regelmäßig den Blutzuckerspiegel überprüfe?
- Was passiert im Körper während einer akuten Entgleisung?
bzgl. der Ernährung
- Wie ist das mit den einzuhaltenden Nüchternzeiten?
- Gibt es bestimmte Lebensmittel/Nährstoffe, die mein Kind nicht zu sich nehmen darf?
bzgl. des sozialen Umfelds
Ich habe gerade vom auffälligen NG-Screening erfahren! Kann es sich noch um einen Irrtum handeln?
Ja, die Chancen, dass es sich noch als falscher Alarm herausstellt, stehen zum jetzigen Zeitpunkt noch sehr gut, nämlich bei etwa 62%. Soll heißen: für durchschnittlich etwa 62 von 100 Kindern, bei denen jedes Jahr das Neugeborenenscreening durch irgendwie auffällige Werte den Verdacht auf einen möglicherweise vorliegenden MCAD-Mangel aufgebracht hat, kann bereits nach dem nun durchzuführenden Kontrollscreening ("Konfirmations-Screening") Entwarnung gegeben werden, wenn die dann gemessenen Werte in den zugrundegelegten Normbereichen liegen. In konkreten Zahlen: In den letzten Jahren wurden in Deutschland jährlich im Mittel rund 690.000 Kinder geboren. Jedes Jahr kam für im Mittel etwa 176 dieser Kinder im erweiterten Neugeborenenscreening der Verdacht auf einen MCAD-Mangel auf. Im danach durchgeführten Konfirmationsscreening (Recall) wurde dieser Anfangsverdacht für durchschnittlich 67 dieser 176 Kinder bestätigt, für 109 Kinder jedoch widerlegt, was den oben genannten 62% entspricht. In manchen Jahren war die Quote der bestätigten Fälle noch etwas niedriger, in anderen Jahren ein wenig höher, doch es bleibt festzuhalten, dass sich generell für weit mehr als die Hälfte der hinsichtlich des MCAD-Mangels auffälligen Erstscreenings dieser Anfangsverdacht bereits mit dem Kontrollscreening wieder zerschlägt.
Um einen Irrtum, also eine falsch durchgeführte Analyse oder gar eine aufgrund von Schlampigkeit verwechselte Probe, wird es sich mit großer Sicherheit nicht handeln, aber es gibt doch einige Erklärungen für kurz nach der Geburt (leicht) erhöhte Werte. So weisen z.B. Frühgeborene oft erhöhte Acylcarnitinwerte auf, die den Verdacht auf einen MCAD-Mangel begründen könnten. Dies hängt auch mit der speziellen Frühgeborenennahrung zusammen, die in manchen Produkten, aufgrund der besseren Verdaubarkeit, einen hohen Anteil mittelkettiger Fette (MCT-Öl) enthält.
Sehr viel häufiger aber liegt die Situation vor, dass ein Kind tatsächlich von einem seiner Elternteile ein defektes MCAD-Gen vererbt bekommen hat. Damit ist es, genau wie der betreffende Elternteil, Anlagenträger oder "Carrier". Es hat aber selbst keinen MCAD-Mangel, denn dieser setzt voraus, dass es von beiden Elternteilen - die dann beide zwingend zumindest Carrier sind - jeweils die defekte Genkopie vererbt bekommen hat. Eine einzige defekte Genkopie ist klinisch ohne Bedeutung, denn die vom anderen Elternteil geerbte intakte Kopie kann MCAD-Enzyme in ausreichender Anzahl bilden. In den ersten Lebenstagen ist der Stoffwechsel eines Neugeborenen aber noch nicht vollständig eingespielt. Wenn das Neugeborene dann noch relativ geringe Nahrungsmengen zu sich nimmt, kann es passieren, dass die auf einen MCAD-Mangel hindeutenden Blutbestandteile ("Acylcarnitine") vorübergehend oberhalb des als unauffällig geltenden Normbereichs liegen. Dies kann vor allem dann auftreten, wenn das Neugeborene von Anfang an nur gestillt und nicht zugefüttert wird, und das Nahrungsangebot somit während der ersten zwei bis drei Tage noch entsprechend knapp ist. Gerade bei Erstgeborenen dauert es üblicherweise ein paar Tage bis zum Milcheinschuss, und aufgrund der bis dahin oft deutlichen Gewichtsabnahme des Neugeborenen können sich die im Screening hinsichtlich des MCAD-Mangels getesteten Werte vorübergehend in leicht auffälliger Weise erhöhen.
Wenn sich die aufgenommene Nahrungsmenge nach ein paar Tagen deutlich gesteigert hat, und das Baby anfängt, wieder an Gewicht zuzulegen, normalisieren sich die bis dahin erhöhten Werte wieder, so dass meistens bereits das Kontrollscreening Entwarnung bringen kann.
In 38% der anfangs auffälligen Screenings zeigt allerdings auch noch die zweite Untersuchung weiterhin erhöhte Werte, was den Verdacht auf einen MCAD-Mangel erhärtet. Doch auch hier sind die Würfel noch nicht endgültig gefallen, denn es gibt Defekte des MCAD-Gens, bei denen das Gen einen gewissen Restnutzen behält, während andere, seltenere Defekte, zu einem völligen Funktionsverlust der betroffenen Genkopie führen. Auch letztere sind bei heterozygotem Vorliegen (nur von einem Elternteil vererbt) klinisch irrelevant, jedoch dauert die Einpendelung des Stoffwechsels, bis hin zur dauerhaften Normalisierung der Acylcarnitine, unter Umständen ein paar Tage länger, so dass sich die Werte vielleicht erst nach zwei bis drei Wochen im normalen Bereich bewegen. Bis der Stoffwechsel eines Neugeborenen wirklich in stabilen Bahnen verläuft, können generell bis zu vier Wochen vergehen. In jedem Fall ist ein hinsichtlich der mittelkettigen Acylcarnitine und deren Ratios (Quotienten) unauffälliger Befund - egal ob nach einer oder erst nach 10 Wochen - als Widerlegung des Anfangsverdachtes zu sehen, denn er drückt aus, dass der Stoffwechsel des Kindes auch in Hinsicht auf das MCAD-Enzym inzwischen rund läuft. Im Gegensatz dazu lassen sich bei Menschen mit tatsächlich als solchem zu bezeichnenden MCAD-Mangel zeitlebens in charakteristischer Weise erhöhte Werte nachweisen. Selbst wenn bei ihnen in Zeiten optimaler Ernährung die reinen Acylcarnitinwerte (C8, C10, usw.) tatsächlich mal innerhalb ihrer jeweiligen Normbereiche liegen können, zeigen doch die daraus gebildeten Ratios immer noch den Funktionseinbruch der Fettsäurenoxidation ab einer bestimmten Restkettenlänge an.
Was passiert als nächstes?
Falls es nicht schon geschehen ist, steht als nächstes eine weitere Blutentnahme für ein zweites Screening auf dem Plan. Das kann beim Kinderarzt, oder auch schon in der Stoffwechselambulanz der nächstgelegenen Uni-Klinik erfolgen. Möglicherweise werden zu diesem Zeitpunkt auch schon ein paar Milliliter Blut entnommen, die zur Durchführung der molekulargenetischen Untersuchung benötigt werden. Meistens wird das aber erst dann gemacht, wenn auch das zweite Screening noch erhöhte Werte aufweist. Bei der genetischen Untersuchung - über deren Zweck die Eltern vom Arzt genau aufzuklären sind, und zu der sie ihr schriftliches Einverständnis geben müssen - wird innerhalb des DNA-Codes des MCAD-Gens nach bekannten, aber auch neuen Mutationen gesucht, die für die Verursachung des MCAD-Mangels in Frage kommen. Es ist genau bekannt, an welchen Stellen der DNA sich die weit verbreiteten Mutationen befinden. Daher wird dort zuerst gesucht. Wird keine der bekannten Mutationen gefunden, erfolgt die Sequenzierung des gesamten Gens. Den Erfahrungen zufolge kann es einige Wochen oder sogar Monate dauern, bis das Ergebnis dieser Untersuchung feststeht. Erst alle diese Befunde zusammen werden letztlich ein relativ klares Bild darüber ermöglichen, ob bei deinem Kind tatsächlich ein MCAD-Mangel vorliegt, und falls ja, in welcher Ausprägung.
Was kann bzw. muss ich jetzt tun?
Zunächst einmal: Ruhe bewahren! Wie oben beschrieben, handelt es sich bisher lediglich um einen allerersten Verdacht. Der Tandem-Massenspektrograph, eine völlig ohne menschliches Zutun arbeitende computergesteuerte Anlage, hat die mit Fersenblut betropfte Trockenblutkarte deines Kindes analysiert und hinten eine Reihe von Zahlen ausgespuckt, verbunden mit der Feststellung, dass ein paar Werte ausserhalb des Normbereichs liegen. Was bei deinem Kind tatsächlich vorliegt, weiß zu diesem Zeitpunkt noch niemand, denn bis zu einer auf sicheren Beinen stehenden Diagnose werden noch eine Reihe weiterer Untersuchungen notwendig.
Dennoch wirst du natürlich von Anfang an kein Risiko für dein Kind eingehen wollen! Das einzige, was du jetzt machen kannst, ist schlicht und einfach auf regelmäßiges Füttern zu achten. Die Empfehlungen bzgl. der maximalen Zeitabstände unterscheiden sich von Stoffwechselklinik zu Stoffwechselklinik. Ein ganz gutes Mittelmaß für die ersten Wochen ist sicherlich, die Mahlzeitenabstände 4 Stunden nicht überschreiten zu lassen. Früher geht immer! Vor allem dann, wenn du nicht nach starren Zeiten, sondern nach Bedarf stillen oder füttern willst, werden diese 4 Stunden Abstand ohnehin meist nicht erreicht. Mach dir aber aber bitte bzgl. dieser 4 Stunden keine zu großen Gedanken oder gar Sorgen. In diese, und die für ältere Kinder empfohlenen maximalen Zeitspannen zwischen den Mahlzeiten, wurde von den Stoffwechselexperten ein großer Sicherheitspuffer einkalkuliert, so dass man sich bei strikter Beachtung dieser Zeiten immer weit im sicheren Bereich befindet. Im bildlichen Sinne balanciert man mit diesen 4 Stunden also beileibe nicht am Rande der Klippe, so dass man schon mit einem kleinen Fehltritt hinabstürzen könnte, sondern hält zu dem Klippenrand immer noch einen mehrere Meter breiten Sicherheitsabstand ein.
Ansonsten geniesse dein Kind und beobachte es einfach mit etwas erhöhter Aufmerksamkeit. Bleierne Müdigkeit ist bei Neugeborenen ganz normal, aber wenn dir irgendetwas nicht mehr normal, oder sogar besorgniserregend erscheint, dann zögere nicht, in der Stoffwechselambulanz der nächstgelegenen Uni-Klinik anzurufen und mit dem Hinweis, bei deinem Kind läge der Verdacht auf MCAD-Mangel vor, um Rat zu fragen.
Was bedeuten die im Screening ermittelten Werte?
Wesentlicher Indikator für das Vorliegen eines MCAD-Mangels ist ein erhöhter Octanoylcarnitin-Wert (C8-Wert) im Acylcarnitin-Profil. Dieser Wert gibt an, dass in der untersuchten Blutprobe eine über dem normalen Maß liegende Menge an aktivierten Fettsäurenresten mittlerer Länge festgestellt wurde. Normalerweise werden Fette in Form von Fettsäuren zu den einzelnen Körperzellen transportiert und dort stückchenweise verarbeitet. Dies geschieht vor allem in der Leber. Durch verschiedene Enzyme werden die Fettsäuren, die als Molekülketten in einer Länge von normalerweise 18 oder 20 Kohlenstoffmolekülen vorliegen, häppchenweise um jeweils 2 Moleküle verkürzt, bis die gesamte Kette verbraucht ist.
Ein erhöhter C8-Wert zeigt nun an, dass die Verarbeitung einer solchen Molekülkette bei einer Restlänge von 8 Kohlenstoffmolekülen zumindest teilweise abgebrochen wurde. Dieser Umstand ist ein Indiz dafür, dass es mit dem MCAD-Enzym, welches für Kettenlängen von 8-12 Molekülen zuständig ist, ein Problem gibt. Die Funktionsbereiche der Enzyme überlagern sich dabei zu einem gewissen Teil, so dass der größte auffällige Wert erst bei C8 zu erwarten ist.
Wenn ein Kind in den ersten Lebenstagen noch sehr wenig Nahrung zu sich nimmt, baut es viele Fettreserven ab, damit bleiben viele Fettsäurenreste mit 8er-Länge übrig. Diese können nicht mehr weiter verwertet werden, sondern würden in dieser Form als Stoffwechselzwischenprodukte sogar toxisch auf verschiedene Organe und das Zentrale Nervensystem wirken. Daher werden sie mit Hilfe des Transporterstoffes Carnitin aus den Zellen heraus- und zu den Nieren transportiert, wo sie aus dem Blut herausgefiltert und mit dem Urin ausgeschieden werden.
Eine in dieser Zeit entnommene Blutprobe wird im Screening mit einem relativ hohen C8-Wert auffallen. Nimmt das Kind dagegen schon annähernd regelmäßig Nahrung zu sich, werden weniger Fettreserven abgebaut, da ihm meistens "frische" Kohlenhydrate zur Energiegewinnung zur Verfügung stehen. Daher bleiben weniger Fettsäuren mit 8er Länge übrig, und die einige Tage nach dem ersten Screening durchgeführte Untersuchung wird einen schon deutlich weniger erhöhten C8-Wert aufweisen.
Der absolute C8-Wert ermöglicht daher keine endgültige Aussage über das Vorliegen des MCAD-Mangels, denn er variiert sowohl mit dem Geburtsgewicht , als auch mit dem Alter des Kindes bei der Blutentnahme. Aus diesem Grund gibt es einige Verhältniswerte (Quotienten, auch "Ratios" genannt), die aufzeigen, wie deutlich der C8-Wert aus seiner Umgebung heraussticht.
Dazu werden die Konzentrationen weiterer Molekülkettenlängen bestimmt (z.B. C2, C4, C6, C10, C12,...) und verschiedene Quotienten daraus gebildet. Besonders wegweisend hat sich dabei der Quotient C8/C10 erwiesen, denn er bleibt bei Kindern mit echtem MCAD-Mangel über einen längeren Zeitraum hinweg annähernd konstant, selbst wenn die absoluten Werte von C8 und C10 dazwischen bereits deutlich abfallen sollten. Ein hoher C8/C10-Wert (>5) ist daher ein ziemlich sicherer Indikator für das Vorliegen eines echten und klinisch relevanten MCAD-Mangels, während Werte unter 5 auf eine mildere Ausprägung hinweisen können.
Gleiches gilt für den Quotienten C8/C12, der im Mittel auch annähernd konstant bleibt, selbst wenn sich zwischen Erst- und Zweitscreening die absoluten C8- und C12-Werte deutlich verringert haben sollten.
Auf welche Variante des MCAD-Mangels weisen die Screening-Ergebnisse hin?
Die Diagnose des MCAD-Mangels ist wie ein aus vielen Teilen bestehendes Puzzlespiel. Erst wenn genügend Teile zusammengesetzt wurden, zeichnet sich ein einigermaßen klares Bild ab, ob tatsächlich ein MCAD-Mangel vorliegt, und welche Ausprägung dieser hat.
Manchmal spricht schon das Ergebnis des Neugeborenenscreenings eine klare Sprache, in vielen Fällen mit grenzwertig auffälligen Analysewerten kann man aber erst nach weiteren Untersuchungen eine auf stabileren Beinen stehende Diagnose erstellen.
Während jedoch vor Gericht "im Zweifelsfall ist der Angeklagte freizusprechen!" gilt, wird es bei einem aufgekommenen Verdacht für das Vorliegen einer Stoffwechselstörung wie dem MCAD-Mangel genau andersherum gehandhabt: Entwarnung wird nur gegeben, wenn aus Sicht der behandelnden Ärzte zweifelsfrei nachgewiesen wurde, dass kein MCAD-Mangel vorliegen kann. Leider scheint für manche Ärzte der Fall bereits nach dem ersten auffälligen Befund des Neugeborenenscreenings vollkommen klar und das Interesse an weiterer Abklärung erloschen zu sein: wenn auffällige, wenn auch nur leicht erhöhte Werte festgestellt wurden, kann ja wohl irgendetwas nicht stimmen, also geht man doch besser gleich von einer schweren, also potenziell gefährlichen Variante des MCAD-Mangels aus. Sicher ist sicher - und dann erübrigen sich eigentlich auch weitere Untersuchungen zur genaueren Abklärung. Wenn die Eltern des Kindes zeitlebens vom schlimmsten Fall ausgehen, werden sie wenigstens nicht zu lasch - und fangen auch nicht an, irgendwann die Empfehlungen ihres Stoffwechselarztes womöglich in Frage zu stellen.
Wenn du an einen so denkenden Arzt gerätst, dann wechsele nach Möglichkeit die Stoffwechselambulanz, selbst wenn das einen etwas weiteren Anreiseweg bedeuten sollte. Der MCAD-Mangel ist eine im Leben des betroffenen Menschen zeitlebens präsente Stoffwechselstörung, die regelmäßige Kontrollen in der Uni-Klinik und daher ein auf lange Zeit angelegtes Arzt-Patienten-Verhältnis bedingt. Man sollte unbedingtes Vertrauen in seinen betreuenden Arzt setzen können, was aber voraussetzt, dass auch von ärztlicher Seite aus alles getan wird, um dieses Vertrauen aufzubauen. Eine "Wir wissen zwar auch nicht, was genau bei ihrem Kind vorliegt, tun aber einfach mal so, als ob!" -Haltung trägt nicht zur Vertrauensbildung bei, sondern erzeugt bei den Eltern ein Gefühl des nicht Ernst-genommen-werdens.
Wenigstens eine hieb- und stichfeste Diagnose des MCAD-Mangels sollte vorliegen, und zwar so, dass Ihr als Eltern diese Diagnose auch nachprüfen und nachvollziehen könnt. Dazu ist es unbedingt notwendig, dass Ihr Euch von Beginn an (angefangen mit dem genauen Befund des NG-Screenings) alle Befundunterlagen in Kopie für eine eigene Akte aushändigen lasst.
Dann ist es "nur" noch notwendig, die in den Befunden genannten Zahlen und Begriffe auch zu verstehen. Dazu soll dieser Abschnitt Hilfestellung leisten.
Neugeborenenscreening:
Die Trockenblutkarte deines Kindes wurde als auffällig klassifiziert, weil einige Blutwerte erhöht waren, die auf das Vorliegen eines MCAD-Mangels hinweisen können. Leider gibt es keine scharfen Abgrenzungen zwischen den verschiedenen Bereichen, sondern mehr oder weniger große Überschneidungen, in denen eine Aussage bzgl. des zu erwartenden Gesamtergebnisses zu diesem frühen Zeitpunkt auf wackligen Beinen stehen würde. Allerdings gibt es - abgesehen von diesen Schnittmengen - doch Bereiche, in denen die gemessenen Werte schon sehr deutlich in eine bestimmte Richtung weisen.
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Ein stark erhöhter C8-Wert (größer 5) und ein gleichzeitig stark erhöhter Quotient C8/C10 (größer 5) deutet mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auf einen sich in den weiteren Untersuchungen herausstellenden klassischen, also schweren MCAD-Mangel hin. Vermutlich liegt die Mutation c.985a>g in homozygoter Form vor, d.h. dein Kind hat diesen am häufigsten vorkommenden MCAD-Gendefekt von beiden Elternteilen vererbt bekommen. Selbst wenn sich in der molekulargenetischen Untersuchung zeigen sollte, dass wenigstens eine der beiden beteiligten Mutationen anders lautet, ist von einer vergleichbaren Auswirkung und somit auch Schwere auszugehen.
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C8-Werte zwischen 0,7 und etwa 3 in Verbindung mit C8/C10-Ratios von 1,5 bis 3 legen die Aussicht auf eine milde(re) Ausprägung des MCAD-Mangels nahe. Untermauert würde diese Vermutung dann durch das Auffinden einer Mutationskombination, die als milde Form bekannt ist. Dies bedeutet, dass sie in den molekulargenetischen Untersuchungen relativ häufig gefunden wird, aber dass sie trotzdem noch nie zuvor im Zusammenhang mit erfolgten Stoffwechselentgleisungen zutage getreten ist. Für dein Kind werden seitens der Stoffwechselärzte dann zwar annähernd die gleichen Empfehlungen bzgl. maximaler Nüchterntoleranzzeiten und deines Verhaltens im Krankheitsfall gegeben, aber es kann schon beruhigend sein, zu wissen, dass noch nie zuvor ein Kind mit dieser Form des MCAD-Mangels jemals eine gefährliche Entgleisung erlitten hat - und das, obwohl die meisten Menschen mit dieser Ausprägung überhaupt nicht wissen, dass sie nach heutigen Erkenntnissen eigentlich einen MCAD-Mangel haben. Milde (med. "benigne" = gutartige) Ausprägungen des MCAD-Mangels werden hauptsächlich von compound-heterozygoten Mutationskombinationen hervorgerufen. Beide Eltern sind dabei Anlagenträger für unterschiedliche MCAD-Gendefekte und haben jeweils diesen Defekt an das Kind vererbt. Jede Mutation für sich kommt deshalb nur einmal vor (heterozygot), allerdings gemeinsam (compound) mit der anderen.
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Nur gering über dem Normbereich liegende C8-Werte (kleiner 0,7) und gleichzeitig kleine C8/C10-Ratios (kleiner 1,5) sind ein starkes Indiz für einen falsch-positiven Befund. Mit hoher Wahrscheinlichkeit liegt bei deinem Kind ein heterozygoter MCAD-Gendefekt vor, d.h. es hat ihn entweder von der Mutter oder vom Vater geerbt, aber nicht von beiden. Somit ist dein Kind - so wie der betreffende Elternteil - nur Anlagenträger ("Carrier"), aber nicht selbst von einem MCAD-Mangel betroffen. Möglicherweise haben sich die in diesem Befund noch auffälligen Werte beim Kontrollscreening, oder bei einer wenige Wochen später durchgeführten Blutuntersuchung schon vollkommen normalisiert. Dies wäre dann als eindeutige Widerlegung des Anfangsverdachts zu werten. Die vermutlich ebenfalls noch durchgeführte Genanalyse kann dann mit dem Auffinden einer einzigen Mutation noch den letzten Beweis für den reinen Carrier-Status deines Kindes erbringen.
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Alle weiteren Werte liegen in den Überlappungsbereichen zwischen Carrier und milder Form, bzw. zwischen milder und schwerer Form, so dass sich erst mit den Ergebnissen der weiteren Befunde ein deutlicheres Bild ergeben wird.
Einflussgrößen
Wie auch beim folgenden Kontrollscreening, kann es schon im Neugeborenenscreening Störfaktoren bzw. besondere Umstände geben, die Auswirkungen auf die bei dem Neugeborenen gemessenen Werte haben, so dass z.B. trotz eines vorliegenden schweren MCAD-Mangels nur geringfügig erhöhte Acylcarnitinwerte gefunden werden, die zunächst mal auf einen milden MCAD-Mangel hindeuten können. Dies kann beispielsweise passieren, wenn ein Kind aufgrund eines deutlich zu frühen Geburtstermins, einer Neugeboreneninfektion oder irgendeines anderen Umstands, von Beginn an mit Infusionen versorgt wird. Dadurch kann sich in der Zeit bis zur Blutentnahme gar keine so deutliche katabole Stoffwechsellage einstellen, wie es bei einem von Anfang an ausschließlich gestillten Kind der Fall ist. Das Neugeborene verbraucht aufgrund der Infusionen kaum Körperfett und die Acylcarnitinwerte sind deshalb nur geringfügig erhöht. Der MCAD-Mangel wird aufgrund der trotzdem etwas erhöhten C-Werte gefunden, aber die Werte aus dem NG-Screening-Befund lassen noch keine zuverlässige Voreinschätzung in schwere oder milde Variante zu. Umgekehrt kann ein Frühchen, dem eine spezielle, leichter verdauliche Frühgeborenennahrung zugeführt wird (diese enthält oft einen höheren Anteil an mittelkettigen Fetten) erhöhte C8-Werte aufweisen, die fälschlicherweise den Verdacht auf einen MCAD-Mangel nahelegen, obwohl das Kind vielleicht dann doch nur Carrier ist.
Auch können Neugeborene von sich überwiegend vegetarisch oder vegan ernährenden Müttern aufgrund dieses Umstands selbst ebenfalls einen erniedrigten Carnitinspiegel haben, usw...
Die zuverlässigsten Vorabeinschätzungen lassen sich aus den Screening-Befunden ableiten, wenn das Kind in der Zeit bis zur Blutentnahme gesund war, ausschließlich gestillt wurde, und dabei erwartungsgemäß erst einmal ein paar hundert Gramm Gewicht verloren hat. Die größte Gewichtsabnahme, und somit auch die schon deutlichsten Screeningwerte sind bei Erstgeborenen zu erwarten, da bis zum richtigen Milcheinschuss bei der Mutter dann noch 2-3 Tage vergehen, und das Neugeborene somit besonders stark von seinen Reserven zehrt. Fast immer lässt sich dann schon aus dem ersten Screening eine ganz deutliche Eingruppierung in Carrier, milden oder schweren MCAD-Mangel ableiten, die von den folgenden Untersuchungen nur noch weiter bestätigt wird.
Kontrollscreening und weitere Acylcarnitinprofile:
Im zweiten Screening und allen weiteren Blutuntersuchungen wird der im NG-Screening noch stark erhöhte C8-Wert schon deutlich abgesunken sein. Selbst C8-Werte im Bereich von größer 10 können nach einigen Tagen schon nur noch 2-3 betragen. Dies ist für den MCAD-Mangel völlig normal, sobald das Kind anfängt größere Mengen an Nahrung zu sich zu nehmen. Im Gegensatz dazu bleibt aber der Quotient C8/C10 über einen langen Zeitraum annähernd konstant. Dies sagt aus, dass nun zwar insgesamt weniger Fettsäuren in den Zellen verwertet werden, als in den ersten Tagen aufgrund der zu dem Zeitpunkt noch bestehenden Nahrungsknappheit (daraus ergibt sich der niedrigere C8-Wert), aber dass es auch auf diese geringere Menge an Fettsäuren bezogen, bei deren Verwertung einen starken Funktionseinbruch bei einer Kettenrestlänge von 8 Kohlenstoffmolekülen gibt. Ein somit nach wie vor deutlicher Indikator für einen schweren, oder auch milden MCAD-Mangel.
Es gelten die gleichen Unterteilungen, wie im Abschnitt "Neugeborenenscreening", allerdings mit Anpassung der C8- und Beibehaltung der C8/C10-Werte.
- Ein erhöhter C8-Wert (größer 1,5) und ein gleichzeitig stark erhöhter Quotient C8/C10 (größer 5): Hinweis auf einen schweren MCAD-Mangel
- noch gering über dem Normbereich liegende C8-Werte (kleiner 0,7) in Verbindung mit C8/C10-Ratios von 1,5 bis 3: Hinweis darauf, dass zwar kein Carrier-Status, aber doch gute Chancen auf das Vorliegen einer als mild anzunehmenden MCAD-Mangel-Ausprägung bestehen.
- Im Normbereich liegende C8-Werte und gleichzeitig kleine C8/C10-Ratios (kleiner 1,5): Sehr starkes Indiz, dass nur ein Carrier-Status vorliegt. Selbst wenn in der Genuntersuchung doch zwei (seltene oder bislang unbekannte) Mutationen gefunden werden sollten, haben diese mit großer Sicherheit keinen Krankheitswert. Da zwei gefundene Mutationen in den meisten Fällen jedoch als Bestätigung eines MCAD-Mangels angesehen werden, kann in einem solchen Fall eine Residualaktivitätsanalyse in den Lymphozyten über die tatsächliche Leistungsfähigkeit der im Körper des Kindes gebildeten MCAD-Enzyme Aufschluss darüber geben, ob doch ein klinisch relevanter MCAD-Mangel vorliegen könnte, oder ob das Kind - vergleichbar einem reinen Carrier - stoffwechseltechnisch gesund ist.
- Alle weiteren Werte liegen in den Überlappungsbereichen zwischen Carrier und milder Form, bzw. zwischen milder und schwerer Form, so dass sich erst mit den Ergebnissen der Genuntersuchung und ggf. noch einer Enzym-Restaktivitätsanalyse ein deutlicheres Bild ergeben wird.
Manche MCAD-Ausprägungen lassen sich trotz aller möglichen Untersuchungen nicht klar einordnen, sondern bleiben in einem dieser Graubereiche. In diesen Fällen sollte man zur Sicherheit des Kindes tatsächlich von der jeweils schwereren Alternative ausgehen und entsprechend vorsichtig und aufmerksam vorgehen.
Wenn dagegen tatsächlich alle Befunde eindeutig auf das Vorliegen eines reinen Carrier-Status und somit keinen MCAD-Mangel hinweisen, gibt es auch keinen Grund, ein solches Kind zwanghaft krank zu reden. Sollte sich der betreuende Stoffwechselarzt nicht auf diese Sichtweise einlassen wollen (teilweise zum reinen Selbstschutz), habt ihr als betroffene Eltern immer die Möglichkeit, euch zwecks zweiter Meinung an eine andere Stoffwechselambulanz zu wenden. In Deutschland ist man zum Glück (noch) nicht auf Gedeih und Verderb an den ersten Arzt, den man aufgesucht hat, gebunden, sondern hat die freie Wahl.
Bei meinem Kind wurde ein milder MCAD-Mangel diagnostiziert. Was bedeutet das?
Die Diagnose eines milden MCAD-Mangels basiert auf zwei wesentlichen Feststellungen als Resultat der erfolgten Untersuchungen:
-
Die in den Screenings gemessenen Acylcarnitinwerte und deren Quotienten lagen deutlich unterhalb der für die bekannten schweren Ausprägungen angenommenen Wertebereiche, und
-
die in der molekulargenetischen Untersuchung gefundenen MCAD-Genmutationen sind dafür bekannt, dass sie - zumindest in dieser Kombination - zu einer milden Ausprägung zu führen scheinen. Das setzt wiederum voraus, dass diese Mutationskombination niemals zuvor im Rahmen einer aufgetretenen Stoffwechselentgleisung in Erscheinung trat. Ausserdem müssen sie inzwischen mit einer gewissen Häufigkeitkeit gefunden werden, so dass man von einer relativ weiten Verbreitung auch schon vor Einführung des erweiterten Neugeborenenscreenings ausgehen kann, und die Einschätzung einer milden Ausprägung somit nicht nur auf einer Handvoll bekannter Fälle beruht
- Bei seltenen oder bislang sogar noch ganz unbekannten neuen Mutationen im für das MCAD-Enzym zuständigen ACADM-Gen des Kindes, kann es notwendig, oder zumindest sinnvoll sein, die Leistungsfähigkeit dieses Enzyms mittels einer Residualaktivitätsanalyse in den Lymphozyten (weißen Blutkörperchen) überprüfen zu lassen
Besonders die Feststellung, dass es bei Kindern mit der gleichen Mutationskombination noch nie zu einer Stoffwechselentgleisung gekommen ist - und das selbst zu Zeiten, als noch nicht frühzeitig gescreent wurde, und somit die Eltern in Krankheitsphasen auch nicht peinlich genau auf regelmäßiges Füttern ihrer Kinder achteten, und kein Mensch daran dachte, bei Nahrungsverweigerung zwecks Infusion in die Klinik zu fahren - sollte geeignet sein, dir ein paar der momentan vielleicht noch bestehenden Sorgen über die Zukunft deines Kindes zu erleichtern.
Mit der schriftlichen Mitteilung, dass die Befunde deines Kindes auf eine milde Variante des MCAD-Mangels hindeuten, und der sich daraus möglicherweise für dich selbst ergebenden psychischen Beruhigung, ist es dann aber leider auch schon getan! In Bezug auf die Behandlungen durch die euch betreuenden Ärzte in der Stoffwechselambulanz, die regelmäßigen Kontrolltermine und ihre Empfehlungen hinsichtlich der Nüchterntoleranzzeiten (also der maximalen Abstände zwischen den Mahlzeiten des Kindes), der eventuellen täglichen Zuführung von Carnitin und dem Rat, bei Anzeichen von Nahrungsverweigerung sofort in die Klinik zu kommen, um das Kind während dieser Phase per Glukoseinfusion ernähren und somit bloß nicht hungern zu lassen, ändert sich nämlich mit großer Wahrscheinlichkeit überhaupt nichts. Eine hundertprozentige Sicherheit für die Unbedenklichkeit einer bestimmten MCAD-Variante gibt es nämlich nicht, und wird es mit noch so vielen unauffälligen Beispielen auch niemals geben. Während es nämlich sehr einfach festzustellen ist, ob eine bestimmte Mutationskombination ein Risiko birgt (ein einziger bestätigter Entgleisungsfall reicht aus, um diese Mutationskombi als riskant einzustufen), funktioniert dies in entgegengesetzter Richtung leider nicht.
Die bekannteste milde MCAD-Genmutation
Als Beispiel sei die häufige MCAD-Genmutation c.199t>c (p.Y67H) genannt. Diese Mutation - und viele andere - wurde erst mit der Einführung des erweiterten Screenings gefunden, und war bis dahin völlig unbekannt. Dies bedeutet aber nicht, dass es sich dabei erst um einen in den letzten Jahren verbreiteten MCAD-Gendefekt handelt. Aufgrund der Häufigkeit, mit der diese Mutation inzwischen in homozygoter Form (c.199t>c/c.199t>c) und in compound heterozygoter Form (vor allem in Kombination mit der als riskant bekannten Mutation K329E / c.985a>g) gefunden wird, kann man davon ausgehen, dass sie schon seit mehreren hundert Jahren, also über viele Generationen hinweg, im Umlauf ist.
Schon vor 2004 durchgeführte genauere Analysen dieser Mutation und ihrer Auswirkungen haben gezeigt, dass die Funktion des entstehenden MCAD-Enzyms nur geringfügig beeinflusst wird, und das Enzym unter normalen Bedingungen fast ohne Einschränkung arbeitet. Wie es unter Krankheitsbedingungen aussieht, wird in letzter Zeit vermehrt wissenschaftlich untersucht, mit dem Ziel in Zukunft vielleicht sogar für Kinder, bei denen diese Mutation selbst in Kombination mit K329E gefunden wird, die Diagnose MCAD-Mangel wieder vollständig fallen lassen zu können. Bis zu gesicherten Studienergebnissen wird allerdings noch einige Zeit vergehen.
Momentan lässt sich ein hieb- und stichfester Beweis dafür leider noch nicht erbringen, denn dazu müsste man Kinder mit diesem Gendefekt in homozygoter oder compound-heterozygoter Form gezielt über einen längeren, und normalerweise für den MCAD-Mangel kritischen Zeitraum hinweg hungern lassen. Dieses Risiko werden aber weder Ärzte noch Eltern eingehen wollen, und selbst wenn in einer Studie mit 100 Kindern herauskäme, dass es bei einem solchen Fastentest zu keinen MCAD-typischen Auffälligkeiten oder gar einer Entgleisung kam, würde dies nicht als Garantie dafür ausreichen, dass auch dem 101. oder 102. Kind in ähnlicher Situation nichts passieren könnte.
Im Allgemeinen, d.h. mit Ausnahme dieser einen Mutation Y67H (c.199t>c), basiert die (vorsichtige) Diagnose "milder" MCAD-Mangel daher auch nicht auf den ermittelten Mutationen, sondern auf dem klinischen Gesamtbild eines Kindes. Dazu zählt u.a. wie lang das Kind nüchtern sein kann, bevor es zu einer feststellbaren Unterzuckerung oder anderen klinischen Symptomen kommt, ob es die üblichen Kinderkrankheiten ohne spezielle Maßnahmen überstanden hat, oder ob es aufgrund einer Erkältung schon mal ins Krankenhaus musste. Braucht es eine kohlenhydratreiche Nachtmahlzeit, um morgendliche Unterzuckungen zu verhindern, oder übersteht es die Nächte auch ohne Nachtmahlzeit problemlos? Aber selbst dieses klinische Gesamtbild lässt sich nicht ohne weiteres aufstellen, denn die wichtigste Maßnahme beim MCAD-Mangel ist und bleibt nun mal die Vermeidung jedes noch so kleinen Risikos.
Kein wesentlicher Unterschied in der Behandlung zwischen "milder" und "normaler" Variante
Ein als mild (med. "benigner"=gutartig) eingestufter MCAD-Mangel wird daher seitens der Stoffwechselärzte identisch wie eine klassische, d.h. für ihr Entgleisungsrisiko bekannte Variante behandelt. Je nach behandelndem Arzt, und dabei hängt es wirklich rein von seiner persönlichen Meinung ab, wird vielleicht noch die maximale Nüchterntoleranzzeit um 1 bis 2 Stunden erhöht, aber auch diese soll dann nicht überschritten werden. Es wird weiterhin regelmäßige Kontrolluntersuchungen in der Stoffwechselambulanz geben, vielleicht mit etwas größeren zeitlichen Abständen, als bei Kindern mit den schweren MCAD-Varianten. Und auch im Fall der Nahrungsverweigerung, oder des wiederholten Erbrechens sollen sich die Eltern, aufgrund der nicht 100%igen Unbedenklichkeitsgarantie dieser milden Ausprägung, auf kein riskantes Spiel einlassen, sondern ihr Kind lieber in der Klinik per Infusion über die vielleicht doch nicht ganz unkritische Zeit bringen lassen.
Auf diese Weise wird sich natürlich leider auch nicht feststellen lassen, ob dieser ganze "Aufwand" tatsächlich gerechtfertigt ist, oder das Kind - und damit auch die ganze Familie - auch ohne die nächtlichen Fütterungen, Carnitingaben und zeitweisen Klinikaufenthalte problemlos und weitgehend unbelastet leben könnte. Von ärztlicher Seite aus geht es ausschließlich um Risikominimierung - nicht nur für die Kinder, auch für sich selbst, denn sie werden zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sich ihre Empfehlungen im Nachhinein als Fehler herausstellen! Die Verantwortung für ihr Kind tragen aber letztlich die Eltern, und sie werden im Laufe der Zeit ein feines Gespür dafür entwickeln, wie sich ihr Kind in dieser oder jener Krankheitssituation verhält, wann sie die Lage selbst im Griff zu haben glauben, und wann sie sich doch wohler fühlen, wenn ihr Kind zur Sicherheit in der Klinik versorgt wird.
Bedeutet die Feststellung eines milden MCAD-Mangels, dass ich das ganze Thema vergessen kann?
Auf gar keinen Fall! Ein diagnostizierter MCAD-Mangel ist ein MCAD-Mangel, egal ob er als mild oder als normal eingestuft wird! Es gibt zwar die begründete Vermutung, jedoch keine Garantie, dass es bei einer als mild angenommenen Variante niemals zu einer Entgleisung kommen wird. Einzige Ausnahmen sind laut einer Studie der Uni-Klinik Düsseldorf aus dem Jahr 2012 diejenigen Varianten, bei denen wenigstens eine Y67H- und der E43K-Mutation beteiligt ist. Die Residualaktivitätsanalyse ergab bei Carrieren dieser Mutationen eine Enzymaktivität vergleichbar derjenigen bei völlig gesunden Testpersonen und bei compound-heterozygoten Varianten konnte man Aktivitäten messen, die im Bereich der Restaktivitäten von heterozygoten Carrieren der beteiligten schweren Mutationen lagen. Man kam in der Studie zu dem Schluss, dass MCAD-Varianten mit Beteiligung von Y67H oder E43K allen Beobachtungen und Ergebnissen zufolge keine klinische Relevanz besitzen. Bislang sind dies aber die einzigen beiden so deutlich hervorstechenden Ausnahmen aus dem Pool der vielen milden Varianten.
Es gibt bei den unterschiedlichen Stoffwechselstörungen die verschiedensten Trigger, die eine Krise auslösen können - und kein Kind ist wie das andere. Trigger können z.B. Fiebertemperaturen, körperliche Erschöpfungszustände nach anstrengendem Sport, äußere Temperaturen, irgendwelche Medikamenteneinnahmen, Nahrungsmittel, u.v.m. sein. Z.B. könnte eine nach vielen Jahren erstmals auftretende extreme Sommerhitze bei einem bis dahin völlig unauffälligen Kind mit vermutetem mildem MCAD-Mangel als Auslöser für eine beginnende Entgleisung wirken, während ein anderes Kind mit der gleichen Mutationskombination diese Temperatur ohne die geringsten Probleme wegsteckt, aber vielleicht Jahre später auf einen ganz anderen Trigger erstmals auffällig reagiert.
Was für eine positive psychische Wirkung man als Eltern aus der Erkenntnis gewinnt, dass es sich um eine (vermutlich) milde Variante handelt, bleibt letztlich jedem selbst überlassen. Vielleicht wirkt alleine schon das Wissen etwas beruhigend, dass zumindest keine der bereits durch eindeutige Entgleisungen in Erscheinung getretene Mutationskombinationen vorliegt. Im Interesse des Kindes darf eine solche Mitteilung jedoch niemals dazu führen, dass die nun mal diagnostizierte Stoffwechselstörung seitens der Eltern (und auch der behandelnden Ärzte!) nicht ernst genommen wird!
Vielleicht wird die medizinische MCAD-Forschung in einigen Jahren soweit sein, dass die Schwellwerte, ab denen ein Screeningergebnis oder ein Acylcarnitinprofil als auffällig gilt, angehoben werden, oder die Datenbasis für einzelne Mutationskombinationen deutlich angewachsen sein. Vielleicht werden dann einige der heute noch mit "milder, aber behandlungsbedürftiger MCAD-Mangel-Ausprägung" diagnostizierte Kinder, dann schon im NG-Screening als unauffällig gelten, und überhaupt keine MCAD-Verdachts-Mitteilung erhalten. Aber bis dahin ist ein diagnostizierter MCAD-Mangel, und sei es auch eine als noch so mild angenommene Variante, dennoch ein MCAD-Mangel, der seitens der Eltern jederzeit ernst genommen und seitens der Ärzte in den Kliniken immer gemäß der im Notfall-Ausweis beschriebenen Maßnahmen behandelt werden muss.
Bei meinem Kind wurde ein klassischer MCAD-Mangel diagnostiziert. Was bedeutet das?
Vor der Einführung des "Erweiterten Neugeborenenscreenings" wurde der MCAD-Mangel ausschließlich bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen diagnostiziert, die aufgrund schwerster Krankheitssymptome, deren Ursache zunächst meist völlig unklar war, ins Krankenhaus eingeliefert worden waren. Auch bei einer Anzahl von Fällen von plötzlichem Kindstod (wenn die Todesursache unbekannt ist, wird immer eine Obduktion zur genauen Feststellung der Todesumstände durchgeführt), wurde im Nachhinein ein MCAD-Mangel festgestellt.
Bei der Suche nach Gendefekten, die als Verursacher dieser schweren metabolischen Stoffwechselentgleisungen in Frage kämen, stiessen die Wissenschaftler fast immer auf die gleiche Genmutation im für die Bildung des MCAD-Enzyms zuständigen ACADM-Gen (ACADM="Acyl-CoenzymA Dehydrogenase, Mittelkettig").
Diese in fast allen Fällen gefundene Mutation c.985a>g (andere Bezeichnung: K329E) führt nach den Erkenntnissen der letzten 40 Jahre vor allem bei homozygotem Vorliegen - wenn ein Kind diese Mutation sowohl von seiner Mutter, als auch von seinem Vater vererbt bekommen hat - zu einer schweren Form des MCAD-Mangels. Ein solches Kind ist extrem gefährdet, eine Stoffwechselentgleisung zu erleiden, wenn es - besonders in Krankheitszeiten mit Nahrungsverweigerung - zu große Mahlzeitenpausen macht, oder aufgrund von Magen-Darm-Infekten mit Erbrechen oder Durchfall zu wenig Energie in Form von Kohlenydraten bei sich behalten und sinnvoll verwerten kann. Warum es aus dem Fettanteil der aufgenommenen Nahrung keinen großen Nutzen ziehen kann, lies bitte in den MCAD-Informationen in dem Artikel "Was ist ein MCAD-Mangel?" nach, denn hier würde dies zu weit führen.
Was bedeutet das für die Zukunftsaussichten meines Kindes?
Im ersten Moment wird dich das Lesen von so schlimmen und manchmal sogar tödlich endenden Entgleisungen sicherlich erschrecken, aber dein Kind ist schon jetzt viel besser dran! Ihr als Eltern wisst nämlich bereits, dass - obwohl man es eurem Kind nicht ansehen kann - da doch irgendetwas an ihm ist, was unter bestimmten Voraussetzungen ein hohes Gesundheitsrisiko für euer Kind darstellen kann.
Zu allen diesen schlimmen Entgleisungen mit teilweise tödlichem Ausgang in der Vergangenheit kam es nur deshalb, weil die Eltern dieser Kinder nicht das Geringste von dem bei ihnen vorliegenden MCAD-Mangel ahnten. Hätten Sie, oder die Ärzte der Notfallaufnahmen etwas geahnt, wäre es wahrscheinlich in allen diesen Fällen gut ausgegegangen, bzw. in den meisten Situationen gar nicht erst zu einer Entgleisung gekommen. Dies ist jedenfalls eine der wesentlichen Erkenntnisse, zu der eine Langzeituntersuchung zum MCAD-Mangel schon gekommen ist.
Wie habe ich mich jetzt also zu verhalten?
Die Maßnahmen zur Vermeidung einer solchen Notfallsituation sind einfach und mit wenigen Worten auf den Punkt gebracht:
- Vermeide unter allen Umständen, dass dein Kind zu lange keine, oder zu wenig Nahrung zu sich nimmt!
Das ist in einem kurzen Satz eigentlich schon alles, was es zu beachten gilt! Alles weitere sind Feinheiten, wie dieses Ziel in der einen oder anderen Situation zu erreichen ist.
Die für dein Kind in seinem jeweiligen Alter geltenden maximalen Mahlzeitenabstände, die es aus Sicherheitsgründen nicht zu überschreiten gilt, werden dir vermutlich schon von der Stoffwechselambulanz mitgeteilt worden sein. Ansonsten kannst du im Artikel "Wie wird der MCAD-Mangel behandelt?" eine Tabelle mit Zeitvorschlägen finden, die unter den deutschen SAs weit verbreitet sind.
Nachts empfiehlt es sich einen Wecker zu stellen, um dein Kind nach spätestens diesem empfohlenen Zeitraum wieder zu stillen, oder mit einem Fläschchen zu füttern.
Keine Angst! Die in der Tabelle aufgeführten Zeiten sind immer noch sehr kurz gewählt, um auf jeden Fall auf der sicheren Seite zu bleiben. Nach einer ordentlichen Mahlzeit kommt dein Kind bei normalem Gesundheitszustand besonders nachts auch locker noch ein paar Stunden länger ohne erneutes Füttern aus, ohne dass sich bei ihm gleich eine Entgleisung anbahnt. Fast alle in der Vergangenheit bei unbekanntem MCAD-Mangel erfolgten nächtlichen Entgleisungen traten nämlich im Zusammenhang mit einem Magen-Darm-Infekt auf, wenn das Kind schon am Abend keinen Appetit mehr hatte, oder seine letzte Mahlzeit fast vollständig wieder erbrochen hatte. Während der vorangegangenen Monate oder gar Jahre hatten diese Kinder auch keine Probleme mit den nächtlichen Mahlzeitenpausen. Oftmals sahen es die Eltern ihrem Kind beim Zubettbringen aber auch noch gar nicht an, dass es etwas ausbrütete! Daher ist es wichtig, bei der Beachtung dieser Zeiten nicht nachlässig zu werden.
Für euch als Eltern werden die Nächte mit einem zuverlässig klingelnden Wecker aber sehr viel entspannter verlaufen. Fast alle Eltern machen trotzdem bereits innerhalb der ersten Monate die Erfahrung, wie schrecklich man sich fühlt, wenn man irgendwann mal vor lauter Müdigkeit den klingelnden Wecker einfach abschaltet und sofort wieder einschläft - und dann aus dem Schlaf aufschreckt, um voller Panik festzustellen, dass man den spätestens fälligen Fütterungszeitpunkt bereits um eine oder mehr Stunden überschritten hat. Daher empfiehlt es sich wirklich, nicht nur einen, sondern sogar zwei Wecker kurz nacheinander klingeln zu lassen. Alternativ kann man auch den Wecker soweit weg platzieren, dass man sich zum Abschalten vollständig aus dem Bett erheben muss.
Der Befund meines Kindes sagt nichts über die Variante, bzw. Schwere des MCAD-Mangels aus. Was hat es denn nun?
Sofern aus den Befunden zweifelsfrei hervorgeht, dass tatsächlich ein MCAD-Mangel vorliegt, spielt diese Frage vordergründig nur eine ganz untergeordnete Rolle. Wie oben, bei der Frage, was eine milde Variante bedeuet, beantwortet wurde, macht die Differenzierung zwischen mild und schwer hinsichtlich der Behandlung des Kindes durch den Stoffwechselarzt, die euch genannten maximalen Fütterungsintervalle, sowie alle weiteren Vorsichtsmaßnahmen, keinen wesentlichen Unterschied. Sehr viel mehr als einen erleichterten Stoßseufzer und eine kleine Reduzierung der besonders am Anfang oft noch großen Ängste und Sorgen um die Zukunft des Kindes, hat man als Eltern nicht davon. Dennoch kann genau dies schon eine gewaltige psychische Entlastung für die so kurz nach der Geburt mit einer so erschreckenden Nachricht konfrontierten Eltern bedeuten. Daher ist es ein verständlicher und begründeter Wunsch der Eltern, möglichst ausführlich zu erfahren, was es mit dem MCAD-Mangel des eigenen Kind nun genau auf sich hat.
Leider können viele Ärzte diesen Wunsch nicht nachvollziehen, sondern haben die Haltung "Da sich an der Behandlung ohnehin nichts ändern wird, spielt es für mich - und damit auch für die Eltern - überhaupt keine Rolle, ob es sich um eine schwere oder möglicherweise milde Form handelt." So ließ sich auch unser eigener Stoffwechselarzt - trotz eines über alle Befunde hinweg eindeutig nachgewiesenem Carrierstatus meines Sohnes - nicht von seiner Haltung abbringen, dass wir einfach mal von einem schweren MCAD-Mangel ausgehen sollten.
Aber bloß weil der Stoffwechselarzt den Eltern gegenüber sagt "Ob es sich eher um eine schwere oder eine milde Form handelt, braucht Sie nicht zu interessieren!", bedeutet das nicht, dass sich dieser Wunsch nach detailierterer Information und das Bedürfnis, endlich etwas mehr Klarheit über den genauen Befund des Kindes zu bekommen, einfach so im Gehirn der Eltern ausknipsen lässt!
Sollte es dir genauso gehen, bleibt dir eigentlich nur, dich selbst intensiver mit dem Thema zu befassen, um dir diese und andere Fragen irgendwann selbst beantworten zu können. Das erfordert aber u.U. einigen Aufwand, denn alleine schon die Frage nach der anzunehmenden Schwere/Milde des bei deinem Kind vorliegenden MCAD-Mangels lässt sich nicht so ohne weiteres beantworten! Hierzu müssen alle vorliegenden Befunde in ihrer Gesamtheit betrachtet werden. Angefangen mit dem Bericht des Neugeborenenscreenings, über die Ergebnisse des/der Kontrollscreenings, bis hin zu den in der molekulargenetischen Untersuchung gefundenen Mutationen, und ggf. auch noch die ermittelten Restaktivitäten des Enzyms.
Je mehr Befunde vorliegen, desto deutlicher wird das sich daraus ergebende Gesamtbild. Allerdings erfordert es auch noch etwas Erfahrung, um diese Zahlen in ihrer Gesamtheit zu deuten, und selbst dann wird die Frage nach der groben Eingruppierung des vorliegenden MCAD-Mangels in manchen Fällen letzten Endes unbeantwortet bleiben müssen.
Sollte für dich das Thema MCAD-Mangel noch neu sein, empfehle ich dir, die dir vorliegenden Daten (Zahlen und Aussagen der Befunde) einfach mal in einem der geschützten Forumsbereiche mitzuteilen, so dass wir sie gemeinsam analysieren und bewerten können. Eine andere Möglichkeit wäre, mir die Daten per PN oder Email (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!) zuzuschicken.
Ansonsten gibt es in den Befunden natürlich auch einige typische Begriffe, die dir in Verbindung mit den unter der Frage "Auf welche Variante des MCAD-Mangels weisen die Screeningergebnisse hin?" zu findenden Erklärungen eine Vorstellung ermöglichen sollten.
Eindeutige Hinweise auf eine schwere Form liegen vor, wenn folgende Begriffe auftauchen:
- "klassischer MCAD-Mangel": eindeutig die schwere Version, denn als "klassisch" werden nur die bekannte Hochrisikovariante c.985a>g (K329E) homozygot und andere bereits durch Entgleisungsfälle in Erscheinung getretene Varianten bezeichnet.
- "c.985a>g homozygot" oder "K329E homozygot": Wenn diese Mutationen im Befund genannt wurden, besteht ebenfalls kein Zweifel daran, dass es sich um eine schwere Form handelt.
- "gefunden wurde die häufigste Mutation in homozygoter Ausprägung": dies ist ebenfalls eine Umschreibung von c.985a>g homozygot. Keine andere Mutationskombination wird so oft gefunden, wie diese.
Deutliche Hinweise auf eine milde Form liegen dagegen vor, wenn die Mutation c.199t>c (Y67H)
- homozygot oder
- compound heterozygot mit c.985a>g (K329E)
gefunden wurde.
Alle anderen Mutationskombinationen sind im Vergleich dazu so selten, dass es keine ausreichende Datenbasis gibt, die eine auf den Erfahrungen betroffener Patienten aufbauende Klassifizierung in schwer oder mild ermöglicht. Eine MCAD-Mangel-Ausprägung kann allerdings schwerlich als mild im Sinne von "gutartig" bezeichnet werden, wenn eine Person mit dieser Mutationskombination schon mal eine Stoffwechselentgleisung erlitten hat. Anhaltspunkte zur Einstufung einiger der rund 70 bekannten Mutationen sind im Artikel "Infos zu den Mutationen" zu finden.
Am ehesten lassen sich zur Klassifizierung der individuellen Ausprägung eines MCAD-Mangels noch die reinen Acylcarnitinwerte (C-Werte, vor allem C8) und deren Quotienten aus den Screenings heranziehen, auch wenn diese selbst nur einen Verdacht begründeten und noch keine endgültige Diagnose darstellten. Trotzdem sind das die deutlichsten Werte, da sich die Neugeborenen zum Zeitpunkt dieser ersten Blutprobenentnahme normalerweise in einer stark katabolen Stoffwechsellage befanden. Wenn die in der Antwort zu "Auf welche Variante des MCAD-Mangels weisen die Screeningergebnisse hin?" behandelten Werted eines Kindes deutlich auf eine schwere Form hinweisen, sind die gefundenen Mutationen irrelevant, und eine eventuell durchgeführte Restaktivitätsanalyse des Enzyms wird diese Einschätzung mit hoher Wahrscheinlichkeit nur bestätigen, statt sie zu widerlegen. Lediglich in den Graubereichen, in denen die Acylcarnitinwerte eine klare Eingruppierung in Carrier<->milde Form<->schwere Form nicht direkt zulassen, können diese Untersuchungen ein kleines Stück mehr Klarheit verschaffen.
Hin und wieder kommt es allerdings auch vor, dass die Genanalyse nur eine Mutation hervorbringt, die Screeningwerte zuvor aber sehr deutlich auf einen MCAD-Mangel (egal ob mild oder schwer) hingewiesen haben. Dies ist nicht als Hinweis darauf zu verstehen, dass selbst Carrier, die nur von einem Elternteil einen MCAD-Gendefekt geerbt haben, einen MCAD-Mangel ausprägen können, sondern dass bei dem betreffenden Kind - und dem anderen Elternteil - eine mit der angewendeten Analysemethode noch nicht ermittelbare zweite Mutation vorliegt, die in Kombination mit der bereits gefundenen Mutation diese nachweisbare Einschränkung des MCAD-Enzyms ausgelöst hat. Zum Beispiel können mit der Methode zur Ermittlung von "Punktmutationen", also einzelner ausgetauschter Basen im DNA-Strang, keine "Deletions", also Löschungen größerer DNA-Teilstränge gefunden werden. Umgekehrt taugt die Methode zur Ermittlung von Deletions nicht zum Auffinden von Punktmutationen. Oftmals beschränken sich die Labore bei der Suche nach den auslösenden Mutationen jedoch auf die erste Methode, sodass eine vom zweiten Elternteil eventuell beigesteuerte andere Mutationsart schlicht und einfach nicht gefunden werden kann, obwohl sie aufgrund der Werte des Kindes zwingend existieren muss.
Haben die Screeningwerte bereits den Verdacht auf einen reinen Carrierstatus nahegelegt? Dann wäre als Beweis dafür anzusehen, wenn nur eine einzelne heterozygote Mutation gefunden wurde. Bei dagegen deutlich erhöhten Werten hat das Auffinden nur einer Mutation jedoch keine Bedeutung.
Wie viele andere Menschen mit MCAD-Mangel gibt es überhaupt in Deutschland?
Diese Frage lässt sich schwer beantworten, denn die Gesamtanzahl aller vom MCAD-Mangel betroffenen Menschen in Deutschland lässt sich nur grob schätzen. Einige wurden frühzeitig anhand des Screenings gefunden, andere bekamen die MCAD-Diagnose erst nach einer Stoffwechselentgleisung oder zumindest gesundheitlichen Problemen, wieder andere leben seit vielen Jahren völlig ahnungslos mit ihrem MCAD-Mangel, weil sie bisher keine Auffälligkeiten entwickelt haben und somit auch nie diagnostiziert wurden.
Über den Anteil der vom MCAD-Mangel betroffenen Kinder, die inzwischen dank des erweiterten Neugeborenenscreenings frühzeitig gefunden werden, liefern die jährlichen Screeningberichte der Deutschen Gesellschaft für Neugeborenenscreening e.V. (DGNS) einen ersten Anhaltspunkt. Aus den auf der Webseite verfügbaren Berichten der Jahre 2004 bis 2013 geht hervor, dass in diesen 10 Jahren insgesamt rund 670 Neugeborene mit MCAD-Mangel diagnostiziert werden konnten. Dabei handelt es sich um die nach dem Recall (Kontrollscreening) übrig gebliebenen positiven Fälle. Pro Jahr kommen somit durchschnittlich etwa 67 neue, bestätigte MCAD-Fälle hinzu, was sich in dieser Größenordnung auch für die Jahre 2014 bis heute fortsetzen dürfte.
Da das um den MCAD-Mangel und ein paar andere seltene Störungen erweiterte Neugeborenenscreening schon 1999 in Bayern als Modellprojekt startete, und sich erst nach und nach die Screeningzentren weiterer Bundesländer anschlossen, wurden in den Jahren vor 2004 noch nicht alle Neugeborenen gescreent und somit auch nur ein Teil der betroffenen Kinder frühzeitig gefunden. Einige der nicht gescreenten Kinder wurden aufgrund erlittener Stoffwechselkrisen im Nachhinein noch mit dem MCAD-Mangel diagnostiziert, viele verstarben jedoch auch infolge einer solchen Krise.
Man kann somit hochrechnen, dass es bis heute (Mitte 2016) etwa 900 bis 1000 diagnostizierte MCAD-Betroffene in Deutschland geben dürfte. Da der MCAD-Mangel aber nicht erst seit 1999 existiert, sondern auch alle lebenden älteren Jahrgänge in gleicher Weise und mit vermutlich auch annähernd gleicher Häufigkeit davon betroffen sind, muss man bei der Frage, wieviele Menschen mit MCAD-Mangel insgesamt in Deutschland leben auch diejenigen berücksichtigen, die bisher nicht diagnostiziert wurden, und die somit auch überhaupt nichts von ihrer Betroffenheit ahnen. Diese Zahl ist nun wirklich nur noch ganz grob zu schätzen, denn je weiter zurück die Geburt der betroffenen Menschen liegt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es bei ihnen in der Vergangenheit irgendwann zu einer tödlich endenden Stoffwechselkrise kam. Auch wenn es schon in den letzten 90 Jahren pro Jahr bei 1 von 10000 Kindern zu einem MCAD-Mangel kam, wird die Anzahl der noch lebenden und nichts von ihrer Betroffenheit ahnenden Menschen mit steigendem Alter pro Jahrgang immer geringer werden. Meine persönliche Schätzung geht in die Richtung von derzeit vielleicht 2000 bis 3000 lebenden MCAD-Betroffenen in Deutschland, von denen aber nur die zuvor erwähnten 800 bis 1000 diagnostizierten Patienten der letzten Jahre von ihrer Betroffenheit wissen.
Ich habe gelesen, bzw. gesagt bekommen, dass mein Kind durch den MCAD-Mangel ein erhöhtes Risiko für einen plötzlichen Kindstod aufweist! Jetzt bin ich total beunruhigt!
Es ist richtig, dass man den MCAD-Mangel in eine gewisse Beziehung mit ein paar wenigen Fällen (ca. 1%-3%) von plötzlichem Kindstod bringen kann. Allerdings nur in der Form, dass man im Nachhinein eine aufgrund eines unentdeckten MCAD-Mangels aufgetretene nächtliche Stoffwechselentgleisung, bzw. die sich in deren Folge einstellende Unterzuckerung und die daraus folgende Mangelversorgung des Gehirns und weiterer lebenswichtiger Organe als Todesursache identifizieren konnte.
Der "plötzliche Kindstod" (auch als Krippentod, Säuglingstod, oder englisch als SIDS = sudden infant death syndrome bezeichnet) ist keine eigenständige Todesursache, sondern eine Ausschlussdiagnose. In der „San Diego-Definition“ wird er beschrieben "als der plötzliche, unerwartete Tod eines Kindes, das jünger als ein Jahr ist. Das fatale Ereignis geschieht vermutlich während des Schlafes. Auch nach eingehender Untersuchung, einschließlich der Durchführung einer vollständigen Autopsie und der Begutachtung der Todesumstände sowie der medizinischen Vorgeschichte, bleibt der Tod ungeklärt.“ [Krous et al., 2004]. Die Diagnose "plötzlicher Kindstod" ist somit die Verlegenheitsbezeichnung des Umstandes, dass man trotz Überprüfung aller denkbaren Todesursachen die tatsächliche Ursache für das Versterben des Kindes nicht herausfinden konnte.
In den Jahren nach der Entdeckung des MCAD-Mangels als eigenständige Stoffwechselstörung aber vor der Einführung des erweiterten Neugeborenenscreenings war den Eltern der bei ihrem Kind vorliegende MCAD-Mangel gänzlich unbekannt, so dass sie eine während der Nacht eintretende Entgleisung (aufgrund einer viel zu großen Nahrungspause in Verbindung mit einer Krankheitssituation) völlig unvorbereitet traf. In einigen Fällen war eine Entgleisung so früh und so heftig eingetreten, dass das Kind bis zum Auffinden durch die Eltern bereits verstorben war, was von den Ärzten dann zunächst meist als plötzlicher, unerwarteter Kindstod angesehen wurde. In der folgenden Autopsie konnte dann aber anhand des Acylcarnitinprofils, bzw. der Genanalsye nachträglich die Diagnose MCAD-Mangel gestellt, und als Todesursache angesehen werden. Im Rückblick auf die Zeiten vor der Entdeckung des MCAD-Mangel kam man damit zu dem Schluss, dass ein gewisser Anteil der damals noch als unerklärlicher plötzlicher Kindstod diagnostizierten Todesfälle ebenfalls mit einem unbekannten MCAD-Mangel zusammenhingen.
Insofern stimmt es schon, dass der MCAD-Mangel etwas mit dem plötzlichen Kindstod zu tun hat(te), allerdings wurde genau dieses Risiko durch die frühzeitige Diagnose dieser Stoffwechselstörung und die sich daraus ergebende erhöhte Wachsamkeit der Eltern weitestgehend beseitigt.
Leider machen manche (kurze) MCAD-Mangel-Definitionen auf den Webseiten einiger Uni-Kliniken keine Unterscheidung zwischen den vollkommen unterschiedlichen Situationen vor und nach der Einführung des erweiterten Screenings, denn da heißt es lapidar, dass zu den Symptomen des MCAD-Mangels neben Krampfanfällen, Unterzuckerungen, Hypoketonurie, Koma, usw. auch der plötzliche Kindstod gehören kann. Somit entsteht der falsche Eindruck, dass das eigene Kind vielleicht sogar trotz Einhaltung kurzer Fütterungsabstände sowie aller anderen Sicherheitsmaßnahmen, einfach aufgrund der Tatsache des bestehenden MCAD-Mangels, ganz plötzlich und unerwartet von einer Minute zur anderen während des Schlafs versterben könnte.
Dieser falsche Eindruck wird verstärkt durch vereinzelt zu findende Berichte, wie z.B. eine Dissertation zum SIDS im Bereich der Rechtsmedizin, die ohne den MCAD-Mangel auch nur ein einziges weiteres Mal im gesamten Text zu behandeln, die Aussage stehen lässt, es gäbe Genmutationen, die den plötzlichen Kindstod direkt verursachten, wie z.B. Defekte des Medium-Chain AcylCoA Dehydrogenase-Gens. Wumms! Hat der MCAD-Gendefekt also doch ein regelrechtes Todesgen produziert, welches völlig ohne Vorwarnung und von einer Minute zur anderen das Leben eines Säuglings ausknipsen kann?
Nein! Erst im Zusammenhang der weiteren Ausführungen wird klar, dass damit dann doch nur gemeint war, dass es sich beim MCAD-Gendefekt um einen aus einer ganzen Reihe möglicher Gendefekte mit Auswirkungen auf den Stoffwechsel handelt, dessen spezielle Wirkung im Bereich der Energiebereitstellung unter gewissen Umständen zu einem lebensbedrohlichen Energiemangel führen kann. Also genau das, was allgemein bekannt ist, und was es mit etwas erhöhter Aufmerksamkeit zu verhindern gilt. Diesen Risikofaktor eines unter gewissen Umständen auftretenden Energiemangelzustands weisen Kinder ohne MCAD-Mangel, bzw. ohne ähnliche den Stoffwechsel beeinträchtigende Gendefekte natürlich nicht auf. Unter diesem - und nur unter diesem - Gesichtspunkt ist die in der obigen Frage enthaltene Behauptung zutreffend.
Es besteht aber kein Grund zur übermäßigen Besorgnis! Wenn Du dies hier liest, bedeutet dies, dass Du um den MCAD-Mangel deines Kindes weißt, und alleine dadurch ist dieser früher nur aufgrund seines Unbekanntseins bestehende Risikofaktor für einen plötzlichen Kindstod schon so gut wie ausgeschaltet. Bei Einhaltung der weiteren Vorsichtsmaßnahmen, die zur Vermeidung eines SIDS empfohlen werden (möglichst nicht Bauch- sondern Rückenlage, Zimmer und Schlafkleidung nicht zu warm, um einer Überhitzung vorzubeugen, keine weichen Kissen oder Decken, die das Gesicht des Kindes bedecken können, usw.) ist das Risiko generell sehr gering, und jedenfalls nicht höher, als bei jedem anderen Kind auch. Verschiedene Untersuchungen haben festgestellt, dass generell das anscheinend geringste Risiko bei denjenigen Kindern besteht, die in einem eigenen Bett im Elternzimmer schlafen. Auch aufgrund der Notwendigkeit des regelmäßigen nächtlichen Fütterns, bietet sich daher z.B. ein am Elternbett befestigter Babybalkon als gut geeignete Lösung an.
Wird mein Kind aufgrund des MCAD-Mangels nicht automatisch dick werden, wenn es seine Fettreserven nicht verwerten kann?
Nein, dein Kind wird nicht automatisch dick werden - zumindest nicht wegen des MCAD-Mangels! Dessen Auswirkung besteht nicht darin, dass dein Kind seine Fettreserven nicht verwerten könnte, sondern vielmehr darin, dass bei der Verwertung dieser Fettreserven nur ein geringer Anteil der gespeicherten Energie wieder freigesetzt wird, um deinem Kind zur Deckung seines Energiebedarfs zur Verfügung zu stehen. Während jedes Gramm reines Fett normalerweise einen Energiegehalt von etwa 9,3kcal enthält, die beim Abbau für die Versorgung des Körpers (vor allem des Gehirns) wieder freigesetzt werden, kann ein Kind mit MCAD-Mangel davon in gesunden Zeiten nur etwa die Hälfte nutzen. Im Fettgewebe gespeichertes Fett enthält übrigens pro Gramm Masse "nur" etwa 7kcal, da bei der Einlagerung in die Fettzellen auch gleichzeitig Wasser mit gebunden wird, das somit einen Teil der Gesamtmasse ausmacht, aber keinen Energieträger darstellt.
Das bedeutet aber nicht, dass es ihm daher besonders schwer fiele, sein Gewicht zu halten, oder gar zu reduzieren. Möglicherweise trifft sogar das Gegenteil zu! Unter dem Menüpunkt "Fragen an die Experten" ist eine Theorie formuliert, nach der es Kindern mit MCAD-Mangel sogar wesentlich leichter fallen dürfte, normalgewichtig zu bleiben, als allen anderen Kindern, da zwar auch bei ihnen der Fettanteil aus der Currywurst mit Pommes zunächst mal in den Fettreserven landet, dieses "Pölsterchen" aber mit der Hälfte des Aufwands, den Kinder ohne MCAD-Mangel treiben müssten, wieder abgebaut werden kann, da die verbleibende Hälfte jeder einzelnen Fettsäurenkette nicht weiter genutzt werden kann, sondern ausgeschieden werden muss.
Selbst wenn diese Theorie nicht zutreffen sollte (dazu wurden anscheinend bislang noch keine gezielten Untersuchungen angestellt), zeigt das Ergebnis der bayerischen Langzeitbeobachtung der an der betreffenden Studie teilnehmenden Kinder und Jugendlichen mit MCAD-Mangel, dass der unter ihnen zu findende Anteil normalgewichtiger Kinder unter 10 Jahren vollkommen mit dem deutschen Durchschnitt (ca 85%) übereinstimmt, und es auch nicht mehr leicht und stark übergewichtige Kinder gibt, wie unter ihren Altersgenossen. In der Altersgruppe der Jugendlichen war der Anteil der normalgewichtigen Kinder mit MCAD mit 91,5% sogar deutlich über dem deutschen Durchschnitt von 85,3%.
Vielleicht kann man das als Indiz für die Richtigkeit obiger Theorie ansehen, vielleicht liegt es auch einfach nur daran, dass die Eltern der vom MCAD-Mangel betroffenen Kinder von Anfang an auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung der Kinder zu achten versuchen - wie weit sich das tatsächlich realisieren lässt, ist eine ganz andere Frage. Auf jeden Fall zeigt dieses Ergebnis deutlich, dass der MCAD-Mangel keinesfalls dazu führt, dass davon betroffene Kinder im Lauf ihres Lebens immer dicker und dicker werden, sondern dass sie sich völlig normal entwickeln.
Wie jedes andere Kind, kann aber selbstverständlich auch ein Kind mit MCAD-Mangel etwas pummelig, oder sogar sehr dick werden, wenn es übermäßig viel Nahrung zu sich nimmt, weil es von seinen besorgten Eltern weit über Bedarf mit Naschereien und kohlenhydrathaltigen oder fettreichen Lebensmitteln vollgestopft wird. Ein Kind mit MCAD-Mangel benötigt aber nicht MEHR Nahrung als andere Kinder, denn es verbraucht aufgrund seiner Aktivitäten auch nur genau so viel Energie, wie jedes andere Kind auch. Wichtig ist deshalb nicht eine größere Nahrungsmenge, sondern dass die gleiche Tages-Energiemenge einfach nur in regelmäßigen Intervallen zugeführt wird, und keine zu großen Pausen dazwischen liegen.
Der Fettanteil der täglichen Speisen sollte gegenüber dem, was man als Familie sonst vielleicht als normal betrachtet, ein wenig zugunsten des Kohlenhydratanteils reduziert sein. Wenn man den Fettanteil nämlich unverändert beibehält, und den Kohlenhydratanteil noch zusätzlich durch Malto, Speisestärke oder zuckerhaltige Limos aufstockt, wird dem Kind insgesamt zuviel Energie zugeführt, und dann können sich auf Dauer auch deutlich sichtbare Speckpolster aufbauen. Dies liegt dann aber, wie oben beschrieben, nicht am MCAD-Mangel, sondern an einer fortwährenden Überfütterung.
Wird mein Kind den MCAD-Mangel an seine eigenen Kinder vererben?
Nein, den MCAD-Mangel selbst kann dein Kind überhaupt nicht weitervererben! Es selbst hat den MCAD-Mangel auch nur dadurch bekommen, dass es von seinen beiden Eltern jeweils deren eine defekte Genkopie vererbt bekam. Da jeder Mensch von jeder genetischen Anlage immer zwei Kopien besitzt (eine auf dem von der Mutter geerbten Chromosomenanteil und eine auf dem väterlichen Anteil) enthalten die Spermien oder die Eizellen immer eine Mischung sämtlicher Anlagen in einfacher Ausprägung, also entweder die eine Genkopie oder die andere.
Dein Kind wird daher immer die Anlage zum MCAD-Mangel vererben, denn da bei ihm beide Genkopien einen MCAD-Gendefekt aufweisen, werden deshalb auch alle seine Spermien oder Eizellen entweder die eine oder die andere defekte Kopie transportieren. Kinder mit der Mutationskombination K329E homozygot können an ihre eigenen Kinder immer nur genau diese Anlage vererben - was anderes haben sie ja nicht, so dass ihre Kinder wenigstens Träger (Carrier) dafür werden. Kinder mit compound heterozygoten Mutationskombinationen (z.B. K329E/Y67H) werden entweder die schwere (K329E) oder die milde Anlage (Y67H) vererben, und es hängt einzig und alleine davon ab, welche dieser beiden Genkopien in dem Sieger-Spermium oder in der gerade reifen Eizelle enthalten sein wird.
Für die andere Genhälfte deiner Enkel ist der spätere Partner deines Kindes verantwortlich. Und da stehen die Chancen sehr gut, dass dieser ihm keine zweite Anlage vererbt. Schließlich ist nur rund jede 60. Person in Deutschland Carrier eines MCAD-Gendefekts. Somit können 59 von 60 Männern oder auch 59 von 60 Frauen gar keine MCAD-Mangel-Anlage vererben, d.h. von einem solchen Mann oder einer solchen Frau werden deine Enkel nur ein intaktes Gen vererbt bekommen und damit selbst nur Träger sein, so wie fast alle MCAD-Eltern weltweit - "fast alle" deshalb, weil es einen kleinen Anteil an Eltern gibt, die selbst einen MCAD-Mangel haben, weil zufälligerweise auch ihre beiden Elternteile schon Carrier waren und diese defekte Genkopie vererbt hatten .
Sollte dein Kind aber ausgerechnet mit diesem 60. Mann oder dieser 60. Frau, die selbst Carrier sind, ein Kind zeugen, dann besteht eine Chance von 50%, dass das Kind von diesem Elternteil das für die Ausbildung des MCAD-Mangels benötigte zweite defekte Gen vererbt bekommt.
Die Gesamtwahrscheinlichkeit für diesen Fall ist somit 1/60 * 1/2 = 1/120, und das sind 0,83%. Umgekehrt wird es deutlicher: mit 99,17%iger Wahrscheinlichkeit werden die Kinder deines Kindes keinen MCAD-Mangel haben.
In der Generation deiner Urenkel kann bei einem Teil der Nachkommen sogar die Anlage für den MCAD-Mangel wieder vollständig aus dem Erbgut verschwunden sein, wenn nämlich deine Enkel an ihre Kinder den intakten Chromosomenanteil vererben, und diese vom anderen Elternteil auch ein Chromosom mit intaktem MCAD-Gen erhalten.
Ein paar Eltern haben in der Vergangenheit zwar schon von ihrem Arzt gesagt bekommen, dass ihr Kind seinen MCAD-Mangel höchstwahrscheinlich auch an seine eigenen Kinder weitergeben würde, jedoch ist diese Aussage, wie oben gezeigt, nicht zutreffend. Es gibt lediglich die Anlage weiter, jedoch nicht die vollständige Stoffwechselstörung. Möglicherweise hängt diese falsche Ansicht auch mit dem vermischten und somit missverständlichen Gebrauch des Begriffs "MCAD-Defekt" zusammen, den manche Ärzte leider anstelle der korrekten Bezeichnung MCAD-Mangel benutzen - wodurch andere, mit diesem Gebiet selbst wenig vertraute Ärzte verwirrt werden. Ja, einer der beiden MCAD-(Gen-)Defekte eines Menschen mit MCAD-Mangel wird in jedem Fall an die eigenen Kinder vererbt, so dass diese zwingend auch einen "MCAD-Defekt" (also die Anlage!) haben! Allerdings ist das dann nur ein einseitiger Gendefekt und noch lange kein MCAD-Mangel, denn der erfordert zwingend einen zweiten geerbten "MCAD-Defekt" vom anderen Elternteil. Ein Grund mehr, weshalb sowohl Ärzte, als auch Eltern von Anfang an darauf achten sollten, diese Begriffe sauber auseinander zu halten.
Ich lese im Forum so häufig von Entgleisungen und bin dadurch sehr beunruhigt. Kommen Entgleisungen wirklich so häufig vor?
Schon vor einigen Jahren formulierte eine Teilnehmerin ihre beim Lesen anderer Forumsbeiträge aufgekommenen Sorgen mit folgendem Satz:
"Wenn ich sonst so im Forum stöbere, lese ich die vielen Berichte über Stoffwechselentgleisungen und mir ist es bisher so vorgekommen, als ob alle Kinder mit MCAD-Mangel regelmäßig entgleisen." |
Damit war sie bei weitem nicht die einzige. Auch andere Teilnehmer - vor allem erst neu mit der MCAD-Diagnose konfrontierte Eltern - hatten sich teilweise sehr schnell wieder aus dem Forum zurückgezogen, weil sie sich durch die (vermeintlich) häufig von Entgleisungen handelnden Beiträge der anderen Teilnehmer stark beunruhigt fühlten.
Dieser Eindruck täuscht jedoch. Von den rund 220 registrierten MCAD-Teilnehmern (Mitte 2016) haben etwa 210 noch nie von irgendwelchen riskanten Situationen, geschweige denn Entgleisungen berichtet, auch wenn wirklich hin und wieder von Krankenhausaufenthalten zu lesen ist. Das sind aber alles lediglich Vorsichtsmaßnahmen während Krankheitsphasen mit problematischer Nahrungsaufnahme, um von vorneherein auf der sicheren Seite zu sein. Vorsorgliche Krankenhausaufenthalte mit Infusionen gehören beim MCAD-Mangel zur Prävention nun mal leider dazu. Es bedeutet aber fast nie, dass es schon zu Ansätzen einer Entgleisung gekommen ist, sondern als Eltern fühlt man sich damit - zumindest in den ersten paar Jahren - einfach sicherer.
Dass trotzdem der Eindruck entsteht, hier werde sehr oft von Entgleisungen geschrieben, ist vielmehr ein Beispiel selektiver Wahrnehmung. Durchstöbert man das Forum mittels der Suchfunktion nach dem Begriff "Entgleisung", wird man auch fündig, denn es gibt natürlich schon ein paar Mitglieder, die davon berichtet haben. Dazu gehören 4-5 Familien mit bereits älteren Kindern (oder selbst vom MCAD-Mangel betroffene Mitglieder), auf deren MCAD-Mangel man vor längerer Zeit durch das Eintreten einer Entgleisung überhaupt erst aufmerksam wurde. Hätte man es bereits von Anfang an gewusst, wäre es durch die dann gesteigerte Alarmbereitschaft und Vorsicht möglicherweise niemals dazu gekommen. Aus diesem Grund sind diese berichteten Fälle mit der heutigen Situation nicht vergleichbar. Es sind aus den Reihen und dem Bekanntenkreis der Mitglieder auch drei am MCAD-Mangel verstorbene Kinder bekannt, aber auch bei diesen wurde der MCAD-Mangel leider nicht rechtzeitig diagnostiziert.
Darüber hinaus sind hier aber tatsächlich auch ein paar Kinder vertreten, deren MCAD-Mangel im NG-Screening frühzeitig erkannt wurde, und die trotzdem schon ein oder zwei Situationen erlebt haben, in denen eine beginnende Entgleisung festzustellen war. In allen diesen Fällen konnten die Eltern das bereits etwas apathisch wirkende Kind aber mit Zuführung von ein wenig Saft, Maltolösung oder Traubenzucker schnell wieder zu einem Normalzustand zurückführen. In dem einen oder anderen Fall schloss sich dann auch ein kurzer Krankenhausaufenthalt an, um das Ergehen des Kindes weiter zu beobachten. Hinter diesen Berichten stecken allerdings nicht viele, sondern nur (man möge dieses "nur" bitte entschuldigen, aber bei manchen Lesern hat sich ein ziemlich verzerrtes Bild bezüglich der Mengenrelationen gebildet) 5-6 Mitglieder, die aber in einer ganzen Reihe von Forumsbeiträgen mehrfach von ihren diesbezüglichen Erlebnissen berichtet haben. Da man als neues Mitglied meist noch nicht den Überblick hat, zu wem welches Kind gehört, erkennt man auch nicht ohne weiteres, dass es sich dabei immer um die gleichen 5-6 Entgleisungssituationen handelt, und auch nur Kinder mit der bekannten Risikovariante K329E homozygot, oder (in einem Fall) einer vergleichbar schweren Mutationskombination betroffen waren. Wie gesagt soll das Erlebnis der betroffenen Mitglieder mit dem aufgestellten Mengenvergleich (6 von 220 sind 2,7%) nicht verharmlost, geschweige denn als "die paar Fälle zählen doch nicht" abgetan werden. Es soll nur verdeutlichen, dass sich durch das frühzeitige Feststellen des MCAD-Mangels sehr vieles zum Besseren gewendet hat und es selbst bei Vorliegen der Risikovariante nur noch zu extrem wenigen Fällen echter Entgleisungen kommt - und selbst diese können aufgrund der allzeit gesteigerten Aufmerksamkeit der informierten Eltern in den meisten Fällen schnell selbst behandelt und schon im Anfangsstadium unterbrochen werden.
Im übrigen sind es oft gar nicht die Berichte der anderen betroffenen Familien, sondern die Schilderungen der betreuenden Stoffwechselärzte, die bei den Eltern die heutzutage längst nicht mehr so begründete Angst vor der Stoffwechselentgleisung oder gar -krise schüren. Immer wieder berichten Teilnehmer davon, dass sie bei jedem der regelmäßigen Kontrolltermine aufs Neue Geschichten von Entgleisungsfällen oder gar durch den MCAD-Mangel verursachten Todesfällen aufgetischt bekommen, sobald sie gegenüber ihrem Arzt auch nur ansatzweise zu verstehen geben, dass sie sich inzwischen im Umgang mit dem MCAD-Mangel ihres Kindes schon relativ sicher fühlen. Leider bleibt bei diesen erschreckenden Schilderungen ihnen gegenüber meistens der wichtige Punkt unerwähnt, ob es sich dabei um Entgleisungen von bereits frühzeitig diagnostizierten Kindern handelt, die trotz der erhöhten Aufmerksamkeit ihrer Eltern eingetreten sind (heutzutage sehr selten), oder ob es sich dabei immer noch um Personen handelt, deren MCAD-Mangel all die Jahre bis zum Eintritt dieser einen auslösenden Situation völlig unbekannt war. Dies dürften auch heute noch die meisten ernsten Entgleisungsfälle sein, aber diese Fälle sind, wie oben schon erwähnt, nicht mit der Situation der seit einigen Jahren frühzeitig diagnostizierten Kinder und Jugendlichen vergleichbar und sollten daher nicht ständig neu zur anscheinend für notwendig erachteten "Verunsicherung" der sich langsam sicher fühlenden Eltern herangezogen werden.
Nachtrag 2018: Ein weiterer Grund, weshalb auch im MCAD-Forenbereich in letzter Zeit wieder vermehrt von Entgleisungen zu lesen ist, ist der Umstand, dass es die genutzte Forumssoftware nicht ermöglicht, Benutzer gezielt bestimmten Forenbereichen zuzuordnen. Das ist leider ein sehr großes Manko, denn so kommt es inzwischen auch bei Diskussionen im MCAD-Forum zu einer starken Beteiligung von Teilnehmern, deren Kinder von den langkettigen Störungen LCHAD/MTP/VLCAD-Mangel betroffen sind, die aber im Forum nicht als solche zu erkennen sind. Die üblichen Auswirkungen und Komplikationen dieser Störungen sind weitaus schwerer, als der eigentlich sehr einfach und unkompliziert zu händelnde MCAD-Mangel. Bei Kindern mit LCHAD- oder MTP-Mangel kommt es im Gegensatz zu Kindern mit MCAD-Mangel schon in vergleichsweise harmlosen Krankheitssituationen sehr häufig zu einer Entgleisung, bzw. zu einer starken Erhöhung des "CK-Wertes", der als Indiz für eine beginnende Entgleisung gewertet werden kann.
Gibt es ein Medikament gegen den MCAD-Mangel?
Leider nein, so schön und angenehm es auch wäre. Genetisch bedingte Stoffwechselstörungen gehören zu einer Klasse von Krankheiten, gegen die man größtenteils nicht medikamentös vorgehen kann. Es gibt zwar aktuelle Bestrebungen in den Forschungsbereichen der Bio- und Gentechnik, die Funktionsfähigkeit der Enzyme bei z.B. PKU und MCAD-Mangel durch hochdosierte Zuführung sogenannter "Kofaktoren" zu verbessern, jedoch betrifft dies nur solche Ausprägungen, bei denen die Einschränkungen der Enzymfunktion auf eine falsche Proteinfaltung zurückzuführen sind. Darüber hinaus wurden erste Erfolge bislang fast nur bei den "milden" Ausprägungen der PKU festgestellt, während die schweren Ausprägungen nur in Einzelfällen und dann auch nur geringfügig auf die Behandlung ansprachen.
Im Zusammenhang mit dem MCAD-Mangel wurde in ein paar Studien eine leichte positive Wirkung einer auf lange Zeit angelegten täglichen Gabe von Riboflavin (Vitamin B2) auf die Aktivität des MCAD-Enzyms beobachtet, allerdings sind diese gemessenen Aktivitätssteigerungen bislang vor allem für die Forscher interessant, haben aber noch keine nennenswerte Bedeutung für das tägliche Leben der selbst vom MCAD-Mangel betroffenen Menschen. Riboflavin ist somit nicht als Medikament zu betrachten, denn es hilft keineswegs, einen schweren MCAD-Mangel in einen milden zu verwandeln, oder gar vollständig zu heilen.
Es ist im Übrigen sehr zweifelhaft, dass es jemals ernsthafte Bestrebungen geben wird, ein auf welche Weise auch immer den MCAD-Mangel heilendes oder zumindest unterdrückendes Medikament zu entwickeln und in den Handel zu bringen. Dazu gibt es einfach zu wenige Betroffene in der Bevölkerung, und deren Behandlung ist zu kostengünstig, wenn man es mal mit den Betroffenen anderer Stoffwechselstörungen vergleicht, für deren Überleben fortwährend sehr aufwändige Behandlungen notwendig sind, die die Krankenkassen sehr viel Geld kosten. Menschen mit MCAD-Mangel müssen für ein weitgehend unbeschwertes Leben dagegen "nur" auf regelmäßige Nahrungsaufnahme achten, und die paar präventiven Glukoseinfusionen während schwieriger Krankheitsphasen rechtfertigen für niemanden die Investition hoher Summen in die Entwicklung eines dann womöglich selbst noch extrem teuren und dauerhaft einzunehmenden Medikaments, das in der Lage wäre, die Auswirkungen des MCAD-Mangels zu korrigieren, oder wenigstens abzumildern. Auch das inzwischen nur noch von wenigen Stoffwechselärzten zur täglichen Einnahme verordnete Carnitin fällt mit seinem relativ hohen Preis da nicht wesentlich ins Gewicht.
Man braucht somit vermutlich keine Hoffnungen in ein zukünftig auf den Markt kommendes Medikament zu setzen, denn auch selbst, wenn die Pharmaindustrie es tatsächlich wollte - die Erkenntnisse auf den Gebieten der Bio- und Gentechnik sind noch lange nicht weit genug, um so etwas zu realisieren.
Sowohl für Eltern von betroffenen Kindern, als auch für die Betroffenen später selbst, als auch für die mit Stoffwechselstörungen befassten Ärzte ist deshalb das Begreifen der Physiologie, also den mit dem (Fett-)Stoffwechsel in Verbindung stehenden physikalischen und biochemischen Vorgängen in den Zellen und Organen, das A und O, um den MCAD-Mangel erfolgreich behandeln und seine möglichen Auswirkungen vermeiden zu können! Dies ist die wichtigste Feststellung überhaupt, und genau deshalb ist es für jede betroffene Familie von größter Bedeutung, sich selbst ausgiebig über den MCAD-Mangel zu informieren.
Seit einiger Zeit bemerke ich an meinem Kind einen fischigen Geruch. Woher kommt das?
Sicher nimmt dein Kind Carnitin ein, oder? Der zunächst in der Windel, aber möglicherweise auch im Schweiß feststellbare fischige Geruch kommt vom Trimethylamin (TMA). Dabei handelt es sich um die Substanz, die auch alten Fisch zum Müffeln bringt. TMA befindet sich am Ende des Carnitin-Moleküls, und wird normalerweise durch das in der Leber und auch sonst im Körper zu findende Enzym TMA-Oxidase zu TMAO (Trimethylamin-Oxid) umgebaut, welches selbst wieder geruchlos ist. Bei manchen Menschen liegt nun durch einen genetischen Defekt ein Mangel dieses Enzyms vor, so dass das TMA nicht in ausreichendem Maß zu TMAO verarbeitet werden kann. Diese Menschen leiden am sogenannten "Fischgeruchs-Syndrom". Dieses liegt bei deinem Kind jedoch mit großer Sicherheit nicht vor. Jedoch kann das Enzym TMA-Oxidase auch einfach durch zu große Mengen an TMA überfordert werden. Wie auch immer - wenn aus dem Darm heraus mehr TMA in den Körper gelangt, als durch das Enzym verarbeitet werden kann, wird es auf anderen Wegen ausgeschieden. Vor allem im Urin und im Schweiß.
Nur 15% des durch den Mund (oral) aufgenommenen Carnitins (z.B. in Form von BioCarn) wird auch als Carnitin vom Körper absorbiert. Der Rest wandert durch den Magen in den Darm und wird dort von bestimmten Bakterien in seine Bausteine aufgespalten. Dabei wird das TMA freigesetzt. Ein Teil davon verbleibt im Darm und führt zum fischigen Geruch in der Windel, ein anderer Teil wird von der Darmschleimhaut aufgenommen und zur Leber transportiert. Wird das dieses TMA zu TMAO verarbeitende Enzym in der Leber durch die Menge an TMA überfordert, gelangt das überschüssige TMA in den Blutkreislauf und wird im gesamten Körper verteilt. Dann ist der fischige Geruch auch in allen Körperausdünstungen enthalten.
Stellt man bei einem Kind auf Carnitintherapie diesen fischigen Geruch fest, ist dies ein deutliches Zeichen dafür, dass mehr Carnitin verabreicht wird, als sein Körper zu verarbeiten in der Lage ist. Erste Maßnahme ist, die tägliche Carnitindosis auf mehrere kleinere Portionen aufzuteilen. Falls selbst das zu keiner Verbesserung führt, sollte in Absprache mit dem Stoffwechselarzt die tägliche Dosis verringert werden.
Der fischige Geruch an sich ist nicht schädlich, aber doch sehr unangenehm - und selbst wenn du dich über kurz oder lang an den "Geruch" deines Kindes gewöhnen und ihn nicht mehr in dem Maße als unangenehm empfinden wirst, nehmen ihn andere Menschen - auch gleichaltrige Kinder im Kindergarten oder in der Schule - doch sehr viel deutlicher wahr. Im Interesse der Gesellschaftsfähigkeit deines Kindes sollte deshalb auch der Stoffwechselarzt bereit sein, geeignete Maßnahmen zur Reduzierung dieses Problems zu ergreifen. Eine Aussage wie "Der Fischgeruch ist ja wohl das kleinere Übel!" ist absolut nicht zu akzeptieren! Fortwährende Hänseleien und gesellschaftliche Ausgrenzung sind für Menschen jeden Alters, aber besonders für Kinder sehr viel schlimmer, als irgend so eine ominöse Stoffwechselstörung, an der sie nach anderer Leute Aussage angeblich leiden sollen, von der sie aber in ihrem normalen Leben üblicherweise überhaupt nichts merken.
Die geringe Absorptionsfähigkeit des oral aufgenommenen Carnitins (die oben erwähnten max 15%) ist Fakt, und es wurde in Studien nachgewiesen, dass es auf diesem Weg grundsätzlich Wochen und Monate dauert, um den körpereigenen Carnitinpool langsam aufzufüllen, egal wie hoch die tägliche Carnitindosis auch sein mag. Je mehr ins Kind reingefüllt wird, desto mehr wird einfach wieder ausgeschieden und desto mehr TMA wird freigesetzt. Daher ist es empfehlenswert in Absprache mit dem Stoffwechselarzt eine auf die tatsächlichen Bedürfnisse des Kindes angepasste Carnitindosis auszutesten, denn die wird seinen Carnitinpool ebenso schnell auffüllen, aber zu weniger unangenehmen Nebenwirkungen führen, denn neben dem fischigen Geruch können zu hohe Carnitindosen auch zu Durchfall und Bauchschmerzen führen.
Sollte die Verordnung der täglichen Carnitingabe übrigens ohne triftigen medizinischen Grund erfolgt sein (in manchen SAs macht man das einfach so, weil man es dort halt so macht), und bisher nichts auf einen sich auch nur ansatzweise abzeichnenden Carnitinmangel hindeuten (vor allem, wenn bei deinem Kind die bekannte milde MCAD-Variante K329E/Y67H, bzw c.985a>g/c.199t>c vorliegt, ist es sehr unwahrscheinlich, dass es zu einem Carnitinmangel kommen könnte), wäre ggf. die Einholung einer zweiten Meinung in einer anderen Stoffwechseleinrichtung zu empfehlen.
Reicht es nicht aus, wenn ich in Krankheitsphasen regelmäßig den Blutzuckerspiegel überprüfe?
Nein, obwohl viele Menschen, die sich erstmals mit dem MCAD-Mangel beschäftigen, eine starke Unterzuckerung (Hypoglykämie) zunächst als alleinige und unter allen Umständen zu verhindernde Hauptgefahr ansehen. Selbst manche Ärzte, die sich noch nicht tiefergehend mit dem Thema befasst haben, sehen darin das eigentliche Problem. Nur so ist jedenfalls zu erklären, dass es bereits mehrere MCAD-Familien gab, die von ihren Stoffwechselärzten ein Blutzuckermessgerät verschrieben bekamen und mit der Anweisung nach Hause geschickt wurden, in Krankheitsphasen (oder generell mehrfach pro Tag) regelmäßig den Blutzuckerwert des Kindes zu messen, und erst in die Klinik zu kommen, wenn er unter einen bestimmten Wert abgefallen wäre. Solange er noch über diesem Wert läge, sei alles bestens, und die Eltern müssten sich um den Zustand ihres Kindes keine Gedanken machen.
Wenn dein Stoffwechselarzt auch zu den so denkenden Menschen gehört, solltest du nach Möglichkeit die Stoffwechselambulanz, oder zumindest den Arzt wechseln. Abgesehen davon, dass diese Blutzucker-Mess-Tortur lediglich dem Kind zerstochene Fingerkuppen und den Eltern eine gewaltigen psychischen Stress beschert, erlaubt die Messung des Blutzuckerwertes keine verlässliche Aussage über den aktuellen Gesundheitszustand des Kindes. Natürlich ist klar: wenn der Blutzuckerwert bei einer Messung tief im Keller ist, kann mit dem Kind etwas nicht stimmen, und vermutlich wird man das auch an weiteren körperlichen Symptomen bereits sehen können. Der Umkehrschluss ist jedoch nicht zutreffend: ein trotz längerer Nüchternphase noch normaler Blutzuckerspiegel ist keinesfalls ein sicheres Zeichen dafür, dass mit dem Kind noch alles in Ordnung ist.
Je nachdem, was der Körper des Kindes in einer bestimmten Situation benötigt, wird er hauptsächlich Fett und Glukose oder nur Fett verbrauchen. Kommt es während einer kräfteraubenden sportlichen Betätigung zu einem nahezu vollständigen Verbrauch der Glukose und Glykogenreserven, wird das Gehirn auf die Nutzung von Ketonen umschalten, die immer noch beanspruchten Muskeln verbrauchen jedoch weiterhin Glukose und Fett. Als Folge können in so einer Situation die Glykogenspeicher schnell vollständig verbraucht werden und somit der Blutzuckerspiegel rasch abfallen, was dann auch mit einem BZ-Messgerät deutlich feststellbar wäre. Kommt es dagegen während der Nacht oder im Laufe einer Krankheit mit stark verminderter Nahrungsaufnahme zu einem Energiemangel, wird ebenfalls das Gehirn auf die Nutzung der Ketone umschwenken, jedoch verbrauchen die Muskeln fast keine Energie, und somit auch keine großen Mengen an Glukose. Auch wenn das Kind dann schon MCAD-typische Symptome zeigt, kann der Blutzuckerspiegel trotzdem noch lange auf normalem Niveau bleiben, denn der Körper kann die dann von den Muskeln weiterhin benötigte Glukose durch den Prozess der Glukoneogenese für eine ganze Weile auch noch selbst bilden.
Es empfiehlt sich daher, nicht eine mögliche Hypoglykämie als das alleinige große Problem des MCAD-Mangels zu betrachten, sondern ganz allgemein den bei zu langer Nüchternzeit auftretenden Energiemangel, der sich nicht immer auch am Blutzuckerspiegel zeigt!
Ein Beispiel für lange über den Beginn der Symptome hinaus noch unauffällige Blutzuckerwerte ist in folgender Grafik (Stanley et al, 1990) dargestellt.
Die Werte der unteren Achse zeigen die Anzahl der Stunden, über die der beobachtete MCAD-Patient nüchtern blieb. Die drei Kurven stellen über die Stunden hinweg den Verlauf des Blutzuckers (Glucose), der im Blut nachweisbaren freien Fettsäuren (Free Fatty Acids) und der aus diesen Fettsäuren in den Mitochondrien der Leber gebildeten und im Blut zum Gehirn transportierten Ketonkörper (Ketones) dar.
Nach einer Nüchternzeit von 12 Stunden (es handelte sich bei dem im Jahr 1990 untersuchten Patienten um einen Jungen nicht näher benannten Alters, dessen MCAD-Mangel zu dem Zeitpunkt noch nicht bekannt war) waren die Glykogenreserven des Patienten soweit aufgebraucht, dass nun die Fettreserven in den Körperspeichern aktiviert wurden. Die Menge der im Blut zu findenden freien Fettsäuren stieg erwartungsgemäß sprunghaft an, was zeigt, dass nun eine bedeutende Menge aus dem Fettgewebe gelöste Fettsäuren durch das Blut zu den verschiedenen Organen (hauptsächlich die Leber) transportiert wurde, um das auftretende Energiedefizit zu kompensieren. Typisch für den MCAD-Mangel ist nun, dass der Verlauf der Ketonkurve nicht dem Anstieg der freien Fettsäuren folgte, wie es bei Menschen ohne MCAD-Mangel der Fall wäre, sondern weiterhin auf seinem niedrigen Niveau blieb. Die direkte Verknüpfung zwischen einerseits der als Energieträger bereitgestellten Fettsäuren und andererseits der daraus gebildeten Ketone ist hier unterbrochen. Genau hierin zeigt sich das Wesen einer Fettsäuren-Oxidations-Störung!
Der gemessene Blutzuckerwert fiel zwar nach den ersten 12 Stunden Nüchternzeit ein wenig ab, blieb aber weiterhin innerhalb eines gewissen Bereichs relativ konstant und man konnte für die gesamten 32 Stunden, während denen der Patient unter Beoachtung stand, keine als solche zu bezeichnende "Hypoglykämie" (Werte unter 50mg/dL) feststellen. Bis einschließlich der Messung in der 30. Stunde war der Blutzuckerwert für einen so lange nüchternen Menschen sogar als durchaus normal zu betrachten.
Trotz dieses die ganze Zeit annähernd normalen Blutzuckerverlaufs zeigten sich bereits ab der 14. Stunde MCAD-typische Symptome (Bewusstseinsstörungen, Apathie, Schläfrigkeit), wie sie auch bei anderen Patienten mit gleichzeitig vorliegender Hypoglykämie beobachtet werden konnten. Besonders das Gehirn, welches zu dem Zeitpunkt auf die Verwertung von Ketonen umschwenkte, war durch den Energiemangelzustand stark unterversorgt.
Wie kommt es aber zu solchen Symptomen, wenn doch der Blutzuckerspiegel über lange Zeit noch annähernd stabil und normal bleiben kann?
Im Körper eines Menschen mit MCAD-Mangel passiert nach einer zu langen Nüchternzeit sehr viel mehr, als "nur" eine Unterzuckerung. Eine Entgleisung wirkt sich auf eine ganze Reihe weiterer Vorgänge im menschlichen Körper aus. Was dabei alles aus der "Schiene springt", wird in der folgenden Frage behandelt.
Was passiert im Körper während einer akuten Entgleisung
Alle seitens der Stoffwechselexperten genannten Empfehlungen bzgl. maximaler Nüchternzeiten, Carnitingaben, Krankenhausaufenthalte mit Infusionen im Krankheitsfall, usw. verfolgen nur ein Ziel: die im folgenden aufgeführten Entgleisungseffekte zu vermeiden, da diese im Zusammenspiel zu sehr schweren Krankheitsverläufen mit Bewusstlosigkeit, Koma, Organversagen und schließlich auch dem Tod führen können. Diese Symptome können bei Auftreten eines Energiemangels schon lange vor einem per Blutzuckermessgerät feststellbaren Absinkens des Blutzuckerspiegels und einer als solche zu bezeichnenden Hypoglykämie einsetzen.
Toxische Stoffwechselzwischenprodukte
Auch wenn durch den MCAD-Mangel nur wenige Ketone (siehe vorangegangene Frage) erzeugt werden können, werden doch eine große Menge Fettsäuren aus dem Fettgewebe gelöst und "angeknabbert". Die übrig bleibenden mittelkettigen Reste werden an Carnitin gekoppelt, und als mittelkettige "Acylcarnitine" aus den Mitochondrien abtransportiert, in den Blutkreislauf abgegeben und somit überallhin transportiert. Diese Acylcarnitine wirken toxisch - besonders auf Gehirnzellen. Je länger so ein Carnitin-Fettsäuren-Molekül ist, desto größer die Toxizität. Die massive Anhäufung mittelkettiger Acylcarnitine führt während einer über längere Zeit nicht gezielt behandelten Entgleisung schließlich zum Koma und bleibenden Gehirnschädigungen.
Verlust von Coenzym A und Carnitin
Ein weiteres Problem mit dem MCAD-Mangel stellt sich jedoch schon etwas früher ein. Bevor die in die Mitochondrien transportierten Fettsäuren überhaupt "angeknabbert" werden können, müssen sie mit einem bestimmten chemischen Stoff, dem Coenzym A ("CoA") aktiviert werden. Dieses CoA-Molekül wird normalerweise nach getaner Arbeit wieder abgespalten und steht im Körper wieder für eine Vielzahl weiterer chemischer Vorgänge an verschiedenen Stellen zur Verfügung. Beim Abbruch der Fettsäurenaufspaltung bei mittelkettiger Länge werden diese Fettsäurenreste mitsamt des zu dem Zeitpunkt noch daran gekoppelten CoAs an Carnitin gebunden und wie zuvor beschrieben als toxisches Acylcarnitin in Umlauf gebracht. Nicht nur das für den Transport durch die Mitochondrienmembran benötigte Carnitin kann auf diese Weise zu Neige gehen, sondern auch das wichtige Coenzym A.
Anstauung von Ammoniak
Damit ist es allerdings noch nicht getan. Im menschlichen Körper werden mit der Nahrung aufgenommene, aber nicht direkt benötigte Proteine, im Gegensatz zu Zucker und Fett nicht gespeichert, sondern ausgeschieden. Dies geschieht dadurch, dass sie zunächst in Ammonium (Ammoniak) aufgespalten, und dann über einen größeren Zyklus zu Harnstoff umgewandelt werden. Ammonium selbst ist hoch toxisch für das Gehirn und wird z.B. zur Bildung der Aminosäure Glutamat benötigt, aus der wiederum andere Aminosäuren synthetisiert werden können. Die sich im Körper anstauenden Acylcarnitine stören jedoch bereits den ersten Schritt des Ammonium->Harnstoff-Stoffwechsels, so dass das toxisch wirkende Ammoniak nicht abgebaut wird, sondern sich im Körper ansammelt und zur Anschwellung des Gehirns führt.
Rapider Muskelzerfall
An dieser Stelle kann man sich die Frage stellen, woher denn die zu Ammoniak verarbeiteten Proteine kommen sollen, wenn "Nüchternphase" ja gerade bedeutet, dass ein MCAD-Patient überhaupt nichts isst. Auch wenn man über längere Zeit keine Nahrung zu sich nimmt, hat der Körper nach einigen Stunden wieder neuen Bedarf an Proteinen, da diese, wie zuvor erwähnt, nicht gespeichert werden. Zu diesem Zweck holt sich der Körper dann einfach die Proteine von den Stellen, an denen sie noch vorhanden sind - er baut Muskeln ab und transportiert die freiwerdenden Proteine zu den Stellen, an denen sie benötigt werden. Während einer laufenden Entgleisung erfolgt dieser Muskelabbau jedoch nicht bedarfsangepasst, sondern völlig unkontrolliert. Es kommt zu einem regelrechten Muskelzerfall, und die dabei freigesetzten viel zu großen Mengen an Proteinen werden wiederum zu Ammoniak umgewandelt. Der Muskelzerfall (Rhabdomyolyse) erstreckt sich vor allem auf die "quergestreiften" Muskelfasern, wie sie in der Skelettmuskulatur, dem Herzen und dem Zwerchfell vorliegen. Ein schon deutlich fortgeschrittener Muskelzerfall zeigt sich z.B. an einer Braunfärbung des Urins, die von der Freisetzung des in den zersetzten Muskelfasern vorhandenen Farbstoffs Myoglobin herrührt.
Leberverfettung
Darüber hinaus stören die Acylcarnitine den ohnehin schon aufgrund des MCAD-Mangels eingeschränkten Fettstoffwechsel in der Leber. Dieser zusätzlichen Beeinträchtigung der normalen Leberfunktion versucht der Körper durch verstärkte Ausschüttung von Leber-Enzymen entgegenzuwirken. Diese bewirken einen ständig steigenden Transport von Fettsäuren in die Leber hinein, so dass es innerhalb weniger Stunden zu einer massiven Leberverfettung kommt. Diese ist jedoch reversibel, wenn rechtzeitig die notwendigen Gegenmaßnahmen getroffen werden.
Alles kommt zusammen!
Alles das zusammen macht die Gefährlichkeit einer Stoffwechselentgleisung aus: Der Energiemangel an sich, die Anreicherung toxischer Stoffwechselzwischenprodukte, der sich möglicherweise noch dazu einstellende Carnitinmangel, der übermäßige Verbrauch von CoenzymA durch den weitere Enzyme und Stoffwechselvorgänge im Bereich der Glukoseerzeugung beeinträchtigt werden, die Ansammlung des giftigen Ammoniaks, der dies begleitende Muskelzerfall und die rasante Verfettung der Leber.
Das klingt alles jetzt sehr dramatisch, und genauso ist es auch! Die gute Nachricht ist, dass es aufgrund der frühzeitigen Information der Eltern über den bei ihrem Kind vorliegenden MCAD-Mangel in den letzten Jahren zu fast gar keinen auch nur annähernd so schweren Stoffwechselkrisen mehr gekommen ist. Die aufgezählten schlimmen Folgen werden aber nicht durch regelmäßige Blutzuckermessungen verhindert, sondern dadurch, dass die Eltern beim ersten Auftreten offensichtlicher Symptome möglichst schnell den Notarzt verständigten, und sich nicht erst noch auf die nutzlose Suche nach dem Blutzuckermessgerät machen, um sich durch vermeintlich noch gute Werte viel zu lange in Sicherheit zu wiegen.
Die einfachste und zugleich wirksamste Maßnahme um ein Auftreten der Symptome im Vorfeld zu verhindern, besteht darin, darauf zu achten, dass das Kind, der Jugendliche, der Erwachsene mit MCAD-Mangel niemals zu lange nüchtern ist, sondern regelmäßig Nahrung zu sich nimmt, um nie in einen Energiemangelzustand zu geraten. Dies schließt auch vorsorgliche Krankenhausaufenthalte zwecks Infusionen mit ein.
Wie ist das mit den einzuhaltenden Nüchternzeiten?
Sicher hast du bereits von einem Arzt oder auch beim Lesen dieser Seiten erfahren, dass die wichtigste Maßnahme zur Verhinderung der früher oft schwerwiegenden Auswirkungen des MCAD-Mangels darin besteht, die Mahlzeitenabstände nicht zu groß werden zu lassen.
Die folgende Tabelle zeigt ein mögliches Beispiel der empfohlene Nüchternzeiten für Kinder unterschiedlichen Alters.
Alter |
maximale Nüchternzeit, also max. Mahlzeitenabstand |
|
nachts |
tagsüber | |
Neugeborene | 3 Stunden | 3 Stunden |
Säuglinge < 3 Monate | 3-4 Stunden | 4 Stunden |
Säuglinge 3 bis 6 Monate | 4-6 Stunden | |
Säuglinge > 6 Monate | 6-8 Stunden | |
1 Jahr - 3 Jahre | 8-10 Stunden | |
4 - 99 Jahre | 10-12 Stunden |
Falls du von deinem Stoffwechselarzt die Milupa-Broschüre zum MCAD-Mangel ausgehändigt bekommen hast, unterscheiden sich im Vergleich dazu sowohl die aufgeführten Altersbereiche, als auch die angegebenen maximalen Nüchternzeiten. Eventuell hast du aber auch eine von deiner Stoffwechselambulanz selbst zusammengestellte Tabelle erhalten, die wiederum andere Altersbereiche und Zeitabstände nennt.
In den Forumsdiskussionen zeigt sich immer wieder, dass sich aufgrund der Verwirrung über die unterschiedlichen Tabellen und überhaupt wegen der teilweise stark voneinander abweichenden Nüchternzeiten bei den Eltern eine ganze Reihe von Missverständnissen festsetzen, die nach einiger Zeit nur noch schwer wieder überwunden werden können. Teilweise werden diese Missverständnisse sogar durch die betreuenden Stoffwechselärzte selbst hervorgerufen, da diese oft selbst ein etwas verzerrtes Bild von der Bedeutung dieser Tabellen haben. Aus diesem Grund soll an dieser Stelle auf die gravierendsten Missverständnisse eingegangen werden.
1. Missverständnis: Es handelt sich bei den angegebenen Zeiten um einzuhaltende Mahlzeitenabstände
Nein, sondern es handelt sich um maximale Zeitabstände, die nach Belieben unterschritten werden können, aber nach Möglichkeit nicht überschritten werden sollten. Leider gibt es in fast jedem Bekannten- oder auch Freundeskreis immer wieder andere "wohlmeinende" Mütter, die sich mit Kommentaren wie "Na, mit 6 Monaten muss ein Kind ja wohl in der Lage sein, schon mal 8 Stunden am Stück zu schlafen! Meines konnte das jedenfalls!" nicht zurückhalten können. Diese Einstellung solltest du im Interesse deines Kindes nicht für dich selbst übernehmen. Auch wenn laut Tabelle für Säuglinge >6 Monate 8 Stunden Nüchternzeit durchaus zulässig zu sein scheinen, bedeutet dies nicht, dass ein Kind dann auch darauf trainiert werden muss, diese 8 Stunden tatsächlich nüchtern zu bleiben. Sollte dein Kind zu den wenigen Exemplaren gehören, die tatsächlich schon mit 6 Monaten 8 und mehr Stunden am Stück und ohne zwischenzeitliche Nahrungsaufnahme durchschlafen wollen, bedeuten diese Zeiten nur, dass es spätestens nach diesen 8 Stunden von dir geweckt werden sollte, um ihm neue Nahrung zuzuführen.
2. Missverständnis: Laut Milupa-Broschüre gelten tagsüber und nachts die gleichen maximalen Nüchternzeiten!
Da die Tabelle in der Milupa-Broschüre pro Altersbereich nur eine zeitliche Angabe aufführt, kann dieser Eindruck wirklich entstehen - vor allem dann, wenn man den Textabschnitt, in den die Tabelle eingebettet ist, nicht sorgfältig liest. Daraus geht nämlich hervor, dass die in der Tabelle genannten Zeiten sich auf die nicht zu überschreitenden nächtlichen Nahrungspausen beziehen.
Zwischen Abendessen und Frühstück liegt im Normalfall ein deutlich größerer Abstand (>12 Stunden), als zwischen Frühstück und Mittagessen oder zwischen Mittag- und Abendessen, wobei die Pausen zwischen diesen Mahlzeiten meist ohnehin noch durch Zwischenmahlzeiten wie Obst oder andere Snacks ausgefüllt werden. All dies ist aber während des Nachtschlafs nicht gegeben. Daher weist die Milupa-Broschüre mit dieser Tabelle ausdrücklich darauf hin, dass insbesondere nachts die angegebenen Zeiten nicht überschritten werden sollten. Es ist deshalb angeraten, eine Spät- oder sogar Nachtmahlzeit zur Sicherheit von Anfang an als festen Bestandteil jeder Nacht einzurichten.
Auf die tagsüber im Auge zu behaltenden maximalen Nüchternzeiten geht die Milupa-Broschüre jedoch überhaupt nicht ein, da man wohl annahm, dass kritische Energiemangelzustände tagsüber aufgrund der Haupt- und Zwischenmahlzeiten ohnehin nicht eintreten werden und die Eltern vor allem auch sehr schnell merken werden, wenn das Kind apathisch wirkt oder sich sonstwie eigenartig verhält. Sie sind dann in der Lage entsprechend mit neuer Nahrung gegensteuern zu können. Während des Nachtschlafs sieht man dem Kind dagegen nicht an, wenn es in einen kritschen Energiemangelzustand abgleitet. Deshalb legt die Broschüre mit dieser Tabelle den besonderen Augenmerk auf die nach Möglichkeit nicht zu überschreitenden und für das jeweilige Alter als sicher geltenden nächtlichen maximalen Nüchternzeiten.
Es wird aber jedem einsichtig sein, dass ein Kind, Jugendlicher und auch Erwachsener während des Tages und somit der wachen und körperlich aktiven Zeit deutlich mehr Energie verbraucht, als während des Nachtschlafs, wenn alle Körperfunktionen auf Sparflamme laufen und der gesamte Anteil des Leistungsumsatzes (siehe dazu diesen Artikel) wegfällt. Wenn die Milupa-Tabelle somit die maximalen Nüchternzeiten während der Nacht nennt (und genau darauf weist sie ausdrücklich hin), müssen die für tagsüber anzusetzenden Zeiten dem hinzukommenden Energiebedarf aufgrund des Leistungsumsatzes Rechnung tragen und folglich etwas verkürzt werden (siehe die obige Tabelle).
Die Tabelle der Milupa-Broschüre enthält deshalb nicht, wie es von vielen Eltern und auch Ärzten verstanden wird, eine deutlich großzügigere Regelung für die während des Tages im Blick zu behaltenden Nüchternzeiten, sondern sie unterlässt es einfach nur, hierzu eine deutliche Aussage zu machen.
3. Missverständnis: Die Zeitangaben in den Tabellen sind für mich verbindliche Regeln
Aus dem oben formulierten 1. Missverständnis in Kombination mit dem Vorliegen der Milupa-Broschüre resultiert oft auch eine große Unsicherheit - nämlich genau dann, wenn entweder der Tag erreicht ist, an dem das Kind laut Tabelle von dem einen Altersbereich in den nächsten rutscht, oder wenn man bei einem der regelmäßigen Kontrolltermine in der SA mitgeteilt bekommt, dass das Kind aufgrund seines Alters jetzt plötzlich nachts zwei Stunden länger schlafen kann.
Lass dir nichts einreden! Dein Kind könnte laut Aussage der Tabelle nun vermutlich bedenkenlos bis zu zwei Stunden länger schlafen, aber es muss nicht! Ganz oft schildern betroffene Eltern, dass für ihr Kind jetzt eine um zwei Stunden längere Nüchternzeit "gelte", sie sich mit dem Gedanken aber nicht so richtig anfreunden könnten, sondern lieber bei den bis jetzt geltenden Zeiten bleiben würden, weil sie sich damit inzwischen gut und sicher fühlen. Manche dieser Eltern stellen die nächtliche Weckzeit dann aber auch wirklich von heute auf morgen um zwei Stunden vor, und haben wochen- und monatelang ein schlechtes Gefühl dabei; andere wiederum erhöhen den zeitlichen Abstand erst einmal nur um eine halbe Stunde oder auch gar nicht, und haben dabei ebenfalls ein schlechtes Gewissen - weil es der Arzt doch anders angeordnet hatte!
Beide Haltungen resultieren aus einem falschen Verständnis über die Bedeutung und die Verbindlichkeit der in den Tabellen genannten Zeiten, und dieses falsche Verständnis gilt es frühzeitig abzulegen!
Die in den Tabellen oder vom Stoffwechselarzt genannten Zeiten sind lediglich Empfehlungen, keine verbindlichen Regeln. In deiner Rolle als Rat suchendes Elternteil hast du den Arzt gefragt, was du beachten musst, damit deinem Kind nichts passiert, und der Arzt hat dir daraufhin eine Tabelle oder eine Stundenangabe an die Hand gegeben, bei deren Nichtüberschreitung es der Erfahrung der letzten Jahre nach zu keinen Stoffwechselentgleisungen gekommen ist. Mehr ist es nicht. Die Tabelle, bzw. die darin enthaltenen Zeiten spiegeln Erfahrungswerte und somit Empfehlungen einzelner Ärzte oder Kliniken wieder (halt derjenigen, die eine entsprechende Tabelle letztlich veröffentlicht haben), die dir lediglich helfen sollen, ein Gefühl für den sicheren Umgang mit dem MCAD-Mangel zu bekommen. Es handelt sich nicht um Anweisungen, die es zu befolgen gilt, und bei deren Nichtbefolgung du mit berechtigtem Tadel durch deinen Arzt, oder sogar mit rechtlichen Konsequenzen zu rechnen hättet. Insofern ist es völlig dir überlassen, ob du die für das Alter deines Kindes laut Erfahrungen der Ärzte problemlos sicheren Zeiten bis zum Ende ausreizt, oder ob du sie "eigenmächtig" um ein oder mehr Stunden verkürzt. Sogar verlängern könntest du die Zeiten - aber wer macht das schon?
Es kann großen Sinn machen, das Kind von Anfang an langsam an eine immer zur genau gleichen Zeit erfolgende nächtliche Zwischenmahlzeit zur Auffrischung der Kohlenhydratvorräte zu gewöhnen, z.B. um 2 Uhr nachts. Es wäre völlig unsinnig, diese Nachtmahlzeit irgendwann auf 4 Uhr zu verschieben, bloß weil das Kind laut Tabelle nun 2 Stunden mehr abkönnen müsste, oder weil das Kind sein Abendessen inzwischen immer zu einem späteren Zeitpunkt zu sich nimmt. Zeitliche Verschiebungen würden sowohl bei deinem Kind als auch bei dir zu unnötigem Stress und schlechtem Schlaf führen. Führe lieber ein Ritual bzw. einen festen Zeitpunkt für die Nachtmahlzeit ein, an dem dein Kind auch in späteren Jahren noch festhalten kann - selbst wenn der zeitliche Abstand zum Abendessen dann nur 6 Stunden beträgt, und dein Kind laut Tabelle schon 10 Stunden verkraften könnte.
Der Vorteil der obigen Tabelle im Vergleich zu der Tabelle aus der Milupa-Broschüre
Besonders groß sind die Unterschiede zwischen den kursierenden Tabellen ja überhaupt nicht, aber auch kleine Details können in der Praxis zu großen Problemen führen. Stell dir dich selbst in der folgenden Situation vor: laut Aussage deines Stoffwechselarztes solltest du dein Kind bis zum Alter von 6 Monaten auf keinen Fall länger als 6 Stunden nüchtern lassen. Du hast also den Wecker nachts nach dem letzten Füttern immer um 6 Stunden weiter gestellt. Nach diesen 6 Monaten bekommst du beim neuen Termin in der Stoffwechselambulanz vom Arzt gesagt, dass dein Kind ab jetzt immer bis zu 8 Stunden nüchtern bleiben könne. Was hat sich von gestern auf heute geändert? Das Kind ist einen Tag älter geworden, sonst nichts! Es darf aber plötzlich zwei Stunden länger nüchtern bleiben. Warum durfte es das dann gestern noch nicht? Und warum "gelten" diese 8 Stunden dann laut Milupa-Broschüre bis zum Ende des dritten Lebensjahres - und dann sind es bis zum Ende des 7. Lebensjahres maximal 10 Stunden. Was verändert sich bei dem Kind am Tag des vierten Geburtstags, so dass es da wieder zwei Stunden mehr sein dürfen.
Von einem Tag zum anderen sind die bei deinem Kind stattfindenden körperlichen Veränderungen natürlich sehr gering und kaum wahrnehmbar. Die Tabelle der Milupa-Broschüre fasst deshalb zur reinen Vereinfachung die verschiedenen Altersabschnitte zusammen und nennt als maximale Nüchterntoleranzzeit einen Mittelwert. Ob dieser Mittelwert aber am Anfang des Alterszeitraumes, an seiner Mitte oder am Ende ausgerichtet wurde, ist aus der Tabelle jedoch nicht zu ersehen. Wenn die angegebenen Zeiten, so wie es im Text klingt, tatsächlich die maximale zeitliche Ausbaustufe für einen bestimmten Altersbereich darstellen, ist es schwer verständlich, weshalb dann plötzlich von heute auf morgen zwei weitere Stunden Nüchternzeit in Ordnung sein sollten.
Die obige Tabelle drückt den tatsächlichen Sachverhalt etwas besser aus. Zusätzlich zu den ergänzend aufgenommenen Empfehlungen für Neugeborene (die ersten 3-4 Wochen) und Säuglinge innerhalb der ersten 3 Monate, für die 6 Stunden Nüchternzeit alleine schon vom persönlichen Gefühl her viel zu lang erscheinen, sind auch für die restlichen Altersbereiche keine festen Stundenangaben, sondern Zeitbereiche genannt. Diese sollen verdeutlichen, dass es z.B. für einen Säugling ab 3 Monate einfach mit den zuvor als maximale Grenze empfohlenen 4 Stunden weitergehen kann und die Eltern diese Zeitspanne bis zum Ende des 6. Monates allmählich auf bis zu 6 Stunden ausdehnen können. Zu Beginn des nächsten Altersbereichs (6-12 Monate) geht es mit diesen 6 Stunden weiter, und wenn Eltern und Kind dazu bereit sind, können sie nach eigenem Tempo die Zeiten bis zum ersten Geburtstag langsam auf bis zu 8 Stunden strecken - müssen sie aber nicht. Diese Tabelle drückt somit etwas besser die eigentlich lineare Steigerungsmöglichkeit der maximalen Nüchternzeiten aus, als die Milupa-Tabelle mit den abrupten 2-Stunden-Sprüngen.
Zusätzlich verdeutlicht diese Tabelle noch, dass die als wirklich wichtigste Maßnahme im Auge zu behaltenden maximalen Nüchternzeiten nicht mit dem Erreichen des Schulalters bedeutungslos werden, sondern das ganze Leben lang beibehalten werden müssen, um immer auf der sicheren Seite zu sein.
4. Missverständnis: Jenseits der "maximalen" Zeiten wird das Kind sehr schnell in eine Entgleisung rutschen.
Dieses Missverständnis resultiert manchmal aus dem eigentlich korrekten Verständnis der 1. Aussage - nämlich, dass es sich bei den in der Tabelle angegebenen Zeiten nicht um einzuhaltende Mahlzeitenabstände, sondern um maximale Nüchternzeiten handelt. Der Begriff "maximale" erweckt dabei aber den Eindruck, dass es sich dabei um die alleräusserste Grenze handelt und die Kinder selbst bei ganz kurzen Überschreitungen dieser Zeiten sofort in eine riskante Stoffwechselkrise abrutschen könnten. Es scheint, dass diese auf das jeweilige Alter bezogenen Zeiten immer den am Rande der Klippe entlang des Abgrundes führenden Weg beschreiben würden und die kleinste Abweichung zur falschen Seite sofort den Absturz nach sich ziehen könnte.
Vermutlich jedes Elternpaar erlebt am Anfang seines Weges mit dem MCAD-Mangel die Situation, dass man nachts einmal aufgrund eigener Erschöpfung den für das rechtzeitige Füttern des Kindes gestellten Wecker einfach wieder abschaltet und sofort erneut einschläft. Irgendwann wacht man dann mit einem riesigen Schrecken auf, steht förmlich im Bett, blickt ungläubig auf die Uhrzeit und realisiert voller Panik, dass man die "zulässige" maximale Nüchternzeit um ein bis mehrere Stunden überschritten hat. Man rennt zum Bettchen des Kindes, voller Angst, dass es aufgrund dieses einmaligen Versehens bereits verstorben sein könnte.
Diese Angst ist aber eigentlich unnötig. Obwohl man den MCAD-Mangel nicht auf die leichte Schulter nehmen und deshalb die Nichtüberschreitung der empfohlenen Zeitabstände immer im Blick behalten sollte, enthalten diese Zeiten, bezogen auf ein gerade rundum gesundes Kind, einen sehr großen Sicherheitspuffer. Man bewegt sich mit einer maximalen Nüchterntoleranzzeit von z.B. 8 Stunden also im Normalfall nicht direkt am Rand der Klippe, sondern auf einem Weg, der mehrere Meter vom Abgrund entfernt entlangführt.
Die ganzen Zeitempfehlungen basieren auf statistischen Auswertungen von einzelnen an unterschiedlichen Kliniken durchgeführten Fastenversuchen, sowie aus der medizinischen Fachliteratur zusammengetragenen Berichten von festgestellten Entgleisungen der vergangenen Jahre (größtenteils aus der Zeit vor dem Neugeborenenscreening) und den daraus ermittelten Ergebnissen für sichere und unsichere Zeiten.
zum Verständnis: Sichere und unsichere Zeiten
Als sichere Zeiten betrachtet man diejenigen Wertepaare (Alter des Kindes / Nüchternzeit), bei denen bis zum erneuten Füttern keinerlei Symptome oder deutlich sinkende Blutzuckerwerte aufgetreten sind. Die dabei gemessenen Zeiten zwischen 8 und 24 Stunden bedeuten aber nicht, dass es bei den betreffenden Kindern nur bis zu dem jeweiligen Zeitpunkt gut lief, und der Stoffwechsel unmittelbar danach gekippt wäre. Manche dieser Fastenversuche waren von Beginn an für eine bestimmte Zeitspanne angesetzt, manche wurden auch nach einer gewissen Zeit von den Eltern abgebrochen, weil man den nach Nahrung verlangenden Säugling oder das Kleinkind einfach nicht mehr länger im Dienste der Wissenschaft hungern lassen wollte. Die in den Versuchen ermittelten sicheren Zeiten bedeuten somit ganz einfach nur: Das Kind hat während des Experiments für eine bestimmte Zeit keine Nahrung zu sich genommen, und es ist ihm nichts passiert.
Für die Aufstellung von Empfehlungstabellen zu maximalen Nüchterntoleranzzeiten sind diese teilweise sehr langen sicheren Zeiten aber relativ belanglos, denn an anderen Tagen, mit anderer Zusammensetzung der vorangegangenen Mahlzeit oder anderem Gesundheitszustand könnte das Ergebnis bei diesen Kindern auch anders ausgesehen haben. Nützlich sind daher vor allem die Ergebnisse aus Versuchen oder in der Literatur berichteten Entgleisungsfällen, bei denen sich nach einer gewissen Zeit dann doch erste im Verhalten des Kindes erkennbare Energiemangelsymptome oder ein abfallender Blutzuckerspiegel zeigten. Diese Symptome traten den Studien zufolge bei den untersuchten Kindern bis 30 Monate hauptsächlich im Bereich zwischen 13 bis 20 Stunden auf, es gab aber auch Ausnahmen, bei denen erst jenseits der 30 Stunden erste Auffälligkeiten festgestellt wurden. Ziel der Empfehlungstabellen ist es jedoch, mit der auf einen bestimmten Altersbereich bezogenen maximalen Nüchterntoleranzzeit grundsätzlich deutlich unter der kürzesten dabei gemessenen Zeitspanne zu bleiben. Da es weltweit nur wenige dieser Fastentests gab, kann aus den daher auch nur wenigen statistisch auswertbaren Daten nicht sicher geschlussfolgert werden, dass 13 Stunden für ein Alter von 12 Monaten tatsächlich die unterste Grenze sind und es nicht bei einem anderen, nicht untersuchten Kind vielleicht auch schon nach 11 oder 12 Stunden zu Symptomen gekommen wäre. Daher liegen die empfohlenen maximalen Nüchterntoleranzzeiten je Altersbereich immer deutlich - also mehrere Stunden - unterhalb der kürzesten bisher getesteten Zeitspanne, ab der erste Symptome aufgetreten sind.
Diagramm mit in Fastentests ermittelten sicheren (blau) und unsicheren (rot) Nüchternzeiten
An dieser Stelle soll aber auch nochmal auf die Bedeutung der zuvor beschriebenen sicheren Zeiten zurückgekommen werden. Auch wenn die verschiedenen kursierenden Tabellen der maximalen Nüchterntoleranzzeiten es suggerieren - es gibt keine harte Grenze zwischen sicheren und unsicheren Zeiten. Bei den meisten Säuglingen und Kleinkindern sind in diesen überwachten Versuchen auch lange nach Überschreitung der üblichen empfohlenen Zeiten noch keinerlei Symptome aufgetreten.
Diese letzte Feststellung soll aber keineswegs zur Unachtsamkeit oder gar absichtlichen Ausdehnung der Mahlzeitenabstände über die empfohlenen Zeiten hinweg ermuntern. Sie soll lediglich zur Beruhigung beitragen, dass sich das eigene Kind bei Nichtüberschreitung der maximalen Nüchterntoleranzzeiten - insbesondere in gesunden Zeiten, also ohne Vorliegen einer Krankheit mit erhöhtem Energiebedarf oder Nahrungsverweigerung - sehr weit im sicheren Bereich befindet und kein Grund zur Sorge besteht.
Fazit
Manche Eltern empfinden die in den Tabellen genannten Zeiten für die maximalen Nüchterntoleranzzeiten über Jahre hinweg als warnend erhobenen Zeigefinger, als von den Ärzten auferlegt Vorschrift für das tägliche Leben oder gar als ständig präsente Bedrohung ("wenn ich auch nur einmal unachtsam bin und die Zeiten überschreite, passiert meinem Kind was - denn jenseits der x Stunden befindet sich der Abgrund.")
Diese Sichtweise basiert jedoch auf möglicherweise vorliegenden Missverständnissen, wie oben aufgezeigt, denn diese Tabellen sollen nicht dazu dienen, die Eltern und später die Kinder selbst mit Vorschriften zu knechten, sondern ihnen einen möglichst unbeschwerten Umgang mit dem MCAD-Mangel im täglichen Leben ermöglichen. Sie sind nicht als "wenn du das nicht penibel einhältst, passiert was Schlimmes!" zu verstehen, sondern als "wenn du dein Kind einfach nur innerhalb der Zeiten dieser Tabelle fütterst, ist es nach allen bisherigen Erfahrungen völlig sicher. Mach dir keinen überflüssigen Stress."
Gibt es bestimmte Lebensmittel/Nährstoffe, die mein Kind nicht zu sich nehmen darf?
Hinsichtlich dieser Frage gibt es unter den deutschen Stoffwechselärzten sehr unterschiedliche Ansichten und letztlich bleibt es jeder von einem MCAD-Mangel betroffenen Familie selbst überlassen, welche dieser Ansichten man am besten nachvollziehen kann und welcher man sich letztlich anschließen will.
Die einfachste von einigen Stoffwechselärzten geäusserte Ansicht muss man nicht weiter ausführen, denn an "Ihr Kind kann alles essen, Sie müssen überhaupt nichts beachten!" gibt es nicht viel herumzudeuten. Worüber man lediglich diskutieren könnte, ist die Frage, ob diese Aussage aus einer bereits erfolgten tiefergehenden Beschäftigung mit den beim MCAD-Mangel gestörten Stoffwechselvorgängen resultierte, oder ob es sich um eine reine Vermutung aufgrund nur geringfügiger MCAD-Kenntnisse handelt.
Um sich dem Thema zu nähern, muss man sich noch einmal ganz grob vor Augen halten, was beim MCAD-Mangel nicht richtig funktioniert, und welche Seiteneffekte dies haben kann.
Ganz extrem vereinfacht dargestellt, bewirkt der MCAD-Mangel, dass die Verwertung von Fettsäuren im Körper eines davon betroffenen Menschen nach den ersten paar Verarbeitungsschritten bei mittelkettiger Restlänge endet, weil für die weitere Aufspaltung der Kohlenstoffketten das benötigte MCAD-Enzym einen "Mangel" aufweist.
Die meisten in der natürlichen Nahrung vorkommenden Fette bestehen aus langkettigen Fettsäuren, von denen durch die vor dem MCAD-Enzym an die Reihe kommenden Enzyme noch einige Stücke abgespalten und zur Energiegewinnung genutzt werden können. Nur ganz wenige Lebensmittel enthalten neben den langkettigen auch einen Anteil von vorneherein nur mittelkettiger Fettsäuren.
Jede Fettsäurenkette wird aufgrund des MCAD-Mangels im Laufe ihrer Verwertung irgendwann bei mittelkettiger Restlänge enden, mit Hilfe von Carnitin aus den Mitochondrien als Acylcarnitin ausgeschleust und schließlich über die Nieren ausgeschieden werden. Das zum Abtransport aus den Mitochondrien angekoppelte Carnitin geht dabei verloren, denn es verlässt den Körper und steht damit nicht zur weiteren Verwendung zur Verfügung. Diesbezüglich macht es keinen Unterschied, ob ein Lebensmittel ausschließlich langkettige Fettsäuren enthält oder ob es auch einen gewissen Anteil mittelkettiger Fettsäuren aufweist. Jede einzelne in den Mitochondrien verwertete Fettsäure, egal ob aus der gerade aufgenommenen Nahrung oder aus dem gespeicherten Körperfett, wird als mittelkettiger Rest mitsamt eines Carnitinmoleküls ausgeschieden.
Der Unterschied besteht einfach darin, dass bei der Verarbeitung von langkettigen Fettsäuren ein gewisser Restnutzen durch die zunächst noch abgespaltenen 2er Kohlenstoffketten besteht, während eine zur Verwertung in die Mitochondrien transportierte mittelkettige Fettsäure nur zu einem Carnitinverlust führt, ohne zuvor noch etwas zur Energiegewinnung beizusteuern. In diesem Zusammenhang spielt nur das direkt verwertete Nahrungsfett der täglichen Mahlzeiten eine Rolle, denn das nicht benötigte und per Lipogenese in Körperfett umgewandelte Nahrungsfett wird grundsätzlich in Form von langkettigen Fettsäuren gespeichert, so dass von den Fettspeichern aus kein mittelkettiges Fett mehr in die Mitochondrien gelangen kann.
Soweit die zu berücksichtigenden Hintergründe. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint es logisch, dass zur Vermeidung von unnützem Carnitinverlust der Anteil der mittelkettigen Fettsäuren in der täglichen Ernährung möglichst gering gehalten werden sollte. Dies erfordert allerdings keinen großen Aufwand, wenn man ein paar simple Informationen im Hinterkopf behält:
1. von allen natürlichen Produkten enthalten lediglich Kokosöl und Palmkernöl einen großen Anteil mittelkettiger Fettsäuren. In Kokosfett ist der Anteil dagegen deutlich geringer, aber immer noch bei ungefähr 10% der gesamten Fettsäurenmenge. Im Gegensatz zum Palmkernöl wird Palmöl/Palmfett trotz des ähnlich klingenden Namens nicht aus den Kernen, sondern aus dem Fruchtfleisch der Früchte der Ölpalme gewonnen und besteht fast ausschließlich aus langkettigen Fettsäuren.
2. Das ausschließlich aus mittelkettigen Fettsäuren bestehende MCT-Fett, bzw. MCT-Öl sollte vollständig vermieden werden. Dieses spezielle Produkt wird industriell aus dem bereits erwähnten Kokosöl oder Palmkernöl extrahiert. Man findet es in speziellen Babynahrungsprodukten, die vor allem bei Durchfallproblemen zur Anwendung kommen. Ausserdem wird es als MCT-Öl in Reformhäusern verkauft und stellt für Menschen mit VLCAD- oder LCHAD-Mangel einen wichtigen Nahrungsbestandteil dar, da diese keine langkettigen Fettsäuren verarbeiten können, und entsprechende Fette in der Nahrung nach Möglichkeit vermeiden müssen. Bezüglich des Vorkommens in der Nahrung kommt regelmäßig die Frage auf, ob die normale verwendete Babynahrung nicht unbemerkt ebenfalls MCT-Öl enthalten könne, wenn z.B. mit einer besonders guten Verdaubarkeit geworben wird. Die Verwendung von MCT-Öl wird aber seitens aller Hersteller als besonderes Merkmal herausgestellt und deshalb auf den dieses Fett enthaltenen Produkten mit besonders auffälliger Erwähnung auf der Verpackung hervorgehoben. Sofern eine Verpackung also nicht ausdrücklich und ganz deutlich erwähnt, dass MCT enthalten ist, braucht man sich keine Gedanken darum machen, ob es vielleicht doch drin sein könnte.
Abschließend zu diesem Punkt muss aber eines noch ganz deutlich herausgestellt werden: Die Aufnahme von mittelkettigen Fetten stellt für Kinder mit MCAD-Mangel keine Gefahr dar und man muss keine Angst davor haben, seinem Kind durch vielleicht versehentlich oder unbewusst in der Nahrung enthaltene mittelkettige Fette schwer zu schaden. Weder Kokosöl, Kokosfett, Palmkernöl oder sogar reines MCT-Öl sind unmittelbar schädlich, wenn diese gelegentlich mit der Nahrung aufgenommen werden. Sie werden auch keine Entgleisung begünstigen oder gar hervorrufen. Wie oben erwähnt, werden im Verlauf der Fettsäurenverwertung grundsätzlich alle Fette irgendwann zu mittelkettigen Fettsäuren verkürzt. Im Hinterkopf behalten sollte man nur den Umstand, dass die von vorneherein nur mittelkettig vorliegenden Fettsäuren selbst keinen Restnutzen zur Energiebereitstellung leisten können, sondern zwecks Ausscheidung lediglich Carnitin verbrauchen.
Wie erkläre ich (z.B. in der Kita) möglichst einfach und verständlich, was mit meinem Kind los ist?
Wer die Situation nicht selbst schon hinter sich hat, wird sie in nicht allzu ferner Zukunft mit Sicherheit selbst erleben. Spätestens wenn dein Kind in den Kindergarten kommt, siehst du dich der Herausforderung ausgesetzt, den Erzieherinnen in relativ kurzer Zeit und doch ausführlich genug erklären zu müssen, was sich hinter diesem ihnen höchstwahrscheinlich völlig unbekannten MCAD-Mangel verbirgt, an dem dein Kind vermeintlich "leidet".
Selbst wenn du es schaffst, ihnen die bei deinem Kind gestörten Stoffwechselvorgänge und daraus resultierenden möglichen Risiken auf sehr niedrigem Niveau zu erläutern (dazu gibt es im Downloadbereich unter "Hilfsmittel" einen auf dein Kind anpassbaren Infobrief), wird bei den meisten Menschen doch nur eine Erkenntnis hängen bleiben: das Kind ist irgendwie krank.
Dies ist auch sehr verständlich, denn wenn man sich an an die ersten Tage und Wochen nach der Befundmitteilung über den MCAD-Mangel des eigenen Kindes zurückerinnert, wird man feststellen, dass man nach der Erstinformation zunächst mal auch das Verständnis hatte, dass das Kind krank, vielleicht sogar schwer krank sei. Dass es aber "nur" eine Stoffwechselstörung hat, und dies schon alleine aus medizinischer Sicht etwas völlig anderes ist, als eine chronische Krankheit, ist eine Sichtweise, zu der man erst einmal selbst gelangen musste. Dieser Schwenk von "mein Kind ist krank" zu "mein Kind hat zwar eine Stoffwechselstörung, aber ist nicht chronisch krank" erforderte eine gewisse Reifung, die ein paar Wochen, oder sogar Monate dauerte. So etwas werden die Erzieherinnen der Kita jedoch nicht erleben, denn sie haben weder die Zeit, noch die Motivation, sich so intensiv mit den medizinischen Hintergründen des - äh, wie hieß die Krankheit nochmal - zu befassen, dass sich bei Ihnen von selbst dieser Wechsel der Sichtweise einstellen könnte.
Wo liegt überhaupt das Problem?
Nun, genaugenommen kann es dir eigentlich egal sein, ob die Erzieher im Kindergarten, oder später die Lehrer in der Schule die wahre Natur des MCAD-Mangels verstehen, oder nicht, solange sie nur wissen, wie sie im Notfall zu reagieren haben, und ansonsten dein Kind ganz normal, also wie jedes andere auch behandeln.
Es haben aber Eltern auch schon die Erfahrung gemacht, dass ihr Kind vom ersten Moment bei den Erzieherinnen den "dieses Kind ist krank"-Stempel aufgedrückt bekam, weil dies nun mal das Verständnis war, das sich aus dem Vorgespräch bei ihnen eingebrannt hatte. Ein Kind mit MCAD-Mangel ist aber im medizinischen Sinne nicht in einem dauerhaft kranken Zustand, daher sollte ihm auch nicht ungerechtfertigter Weise von Dritten dieser Stempel aufgedrückt werden. Schon gar nicht sollte dieses falsche Verständnis dazu führen, dass das Kind innerhalb der Kita-Gruppe oder der Schulklasse als "das kranke Kind" herausgestellt wird, aufgrund dessen ihm eine Sonderbehandlung gewährt werden muss. Das hat es nun wirklich nicht verdient, und das ist auch nicht gerechtfertigt.
Ein Kind mit MCAD-Mangel ist nicht krank, sondern hat nur eine Funktionsstörung!
Das Vorhandensein einer Stoffwechselstörung bedeutet, dass im Körper eines davon betroffenen Menschen etwas nicht ganz so, wie bei den meisten anderen Menschen funktioniert. Das trifft aber z.B. auch auf einen blinden Menschen zu, dessen Sehsinn - aus welchem medizinischen Grund auch immer - nicht funktioniert. Dies bezeichnet man dann zwar als Behinderung, aber nicht als Kranksein, und auch kein blinder Mensch würde von sich selbst sagen, dass er sich durch die Blindheit krank fühle. Natürlich muss er mit den ihm verbleibenden Sinnen vermehrt auf seine Umgebung achten und Vorsichtsmaßnahmen treffen, um sich nicht zu verletzen oder durch einen Unfall zu schaden zu kommen, aber alleine der Umstand blind zu sein, bedeutet nicht, dass man auch krank sei.
So bedeutet auch das Vorliegen des MCAD-Mangels im Körper eines davon betroffenen Kindes für sich selbst genommen nicht, dass dieses Kind deshalb krank ist. Etwas verwirrend ist in diesem ganzen Zusammenhang allerdings schon, dass der in engem Zusammenhang stehende Begriff "Krankheit" definiert wird als "Störung der Funktion eines Organs, der Psyche oder des gesamten Organismus." Nach dieser Definition ist jegliche Abweichung von der optimalen Gesundheit eine Krankheit, und auch der zuvor erwähnte Blinde würde insofern an einer Krankheit leiden, auch wenn er sich selbst nicht als krank empfindet.
In diesem rein medizinischen Sinne kann der MCAD-Mangel also durchaus als Krankheit im Sinne der Störung einer gewissen organischen Funktion bezeichnet werden. Dies bedeutet allerdings nicht, dass ein davon betroffener Mensch als chronisch und somit ständig krank zu bezeichnen wäre. Normalerweise ist nämlich selbst ein Kind mit MCAD-Mangel so gesund, wie jedes andere Kind auch, kann genau das gleiche leisten und genauso herumtoben, wie alle seine im Vergleich zu ihm vermeintlich "gesunden" Altersgenossen. Vor allem aber ist es nicht "ansteckend"! Auch das ist etwas, was vor allem kleine Kinder mit dem Kranksein in Verbindung bringen. Wenn sie krank sind, müssen sie zu Hause bleiben, damit sie andere Kinder in Kita oder Schule nicht anstecken - sonst werden die auch krank. Oder noch schlimmer - sie selbst sind jetzt krank geworden, weil ein anderes Kind in ihrer Gruppe krank ist oder war, und sie sich bei ihm angesteckt haben. Ein Kind, was von den Erziehern gegenüber der Gruppe pauschal als krank dargestellt wird, ist immer irgendwie anders. Vor allem dann, wenn es jeden Tag auch zwischendurch mal ein Brötchen oder einen Müsliriegel essen darf, was den anderen Kindern der Gruppe vielleicht nicht zugestanden wird. Wenn diese dann nachfragen, warum der und nicht sie, und sie dann zur Antwort bekommen: "Der X. ist krank, der darf das!" wird diese ungerechtfertigte und falsche Herausstellung der kleinen Besonderheit des Kindes ständig wieder neu aufgefrischt.
Dein Kind ist nicht krank, sondern normalerweise absolut gesund. Es kann wie jedes andere Kind durch Krankheitserreger krank werden, und aufgrund des MCAD-Mangels kann es unter gewissen Gegebenheiten auch sehr viel kränker werden, als andere Kinder, aber dies ist eine ganz seltene Ausnahme und nicht der Normalzustand.
Wie kann man diese viel mehr den Tatsachen entsprechende Sicht der Dinge aber anderen Personen vermitteln, die über so gut wie kein Hintergrundwissen verfügen, und auch längst nicht die Zeit haben, um durch eigene Überlegungen zu dieser gänzlich anderen Sichtweise zu gelangen?
Erkläre den MCAD-Mangel anhand eines genau entgegengesetzten Beispiels - einer Allergie.
Ist der MCAD-Mangel eine Allergie? Nein, er ist gewissermaßen genau das Gegenteil, aber wenn man Menschen ohne jegliche Vorkenntnis den MCAD-Mangel erklären will, ist es sinnvoll, sie anhand etwas allgemein bekanntem gedanklich abzuholen und von dort aus den dann sehr viel leichter nachvollziehbaren Schwenk zu den Besonderheiten des MCAD-Mangels durchzuführen.
Von Allergien sind sehr viele Menschen betroffen. Es ist ein sehr häufig und sehr ausführlich in den Medien behandeltes Thema, mit dem die Allgemeinheit somit bestens vertraut ist. Daher dürfte niemand Probleme damit haben, die folgende Eklärung nachzuvollziehen, mit der Du die kleine Besonderheit deines Kindes in einem Gespräch mit den Erzieherinnen verdeutlichen könntest:
Variante 1: Erklärung für Erwachsene
Hat jemand eine Allergie auf z.B. Erdnüsse, dann wird er krank (im hier verwendeten umgangssprachlichen Sinn), wenn er Erdnüsse zu sich nimmt. Es kann für ihn dann aufgrund der Erdnüsse sogar richtig gefährlich werden. Solange er aber ganz gezielt und bewusst auf das Essen von Erdnüssen verzichtet, ist er nicht im geringsten krank, sondern völlig gesund - so gesund, wie jeder andere Mensch auch. So verhält es sich bei jeder Form von Allergie oder Unverträglichkeit. Kommt der Allergiker mit dem für ihn allergieauslösenden Stoff in Berührung, wird er krank. Solange er diesen Stoff konsequent meidet, ist er - zumindest in dieser Hinsicht - so gesund, wie man nur sein kann.
Bei deinem Kind ist es nun genau entgegengesetzt. Eine Stoffwechselstörung wie der MCAD-Mangel ist gewissermaßen genau die Umkehrung einer Allergie. Dein Kind ist normalerweise völlig gesund - so gesund wie alle anderen Kinder in der Kita auch. Damit das aber auch ganz sicher so bleibt, muss es (im Gegensatz zum Nahrungsallergiker, der auf gewisse Lebensmittel gezielt verzichten muss, und trotzdem nicht "krank" ist) aber regelmäßig bestimmte Sachen essen, dazu gehören z.B. Brötchen, Müsliriegel, Obst, gesüßte Getränke usw. Nur dann, wenn es das nicht macht, kann es unter gewissen Umständen (z.B. stark anstrengende Aktivitäten und dabei ausbleibende Nahrungsaufnahme) passieren, dass ihm die Energie ausgeht, und es infolgedessen "krank" wird.
Du solltest gegenüber den Erzieherinnen auch ausdrücklich erwähnen, dass diese mit dem MCAD-Mangel zusammenhängenden, schon von jeher nur seltenen Krankheitssituationen, heutzutage bei fast keinem davon betroffenen Kind mehr auftreten, da man inzwischen sehr genau weiß, wie einfach und wirksam die Prävention ist. Allergiker müssen bestimmte Nahrungsmittel gezielt vermeiden, Menschen mit MCAD müssen zwischendurch mal was essen.
Dass sich dieses "zwischendurch mal was essen" erfahrungsgemäß in manchen Phasen gar nicht so einfach darstellt, wie es sich anhört, muss man in dem Zusammenhang ja nicht auch noch erwähnen.
In gleicher Weise kann man den MCAD-Mangel auch kleinen Kindern erklären, allerdings sollte dies dann anhand eines oder mehrerer konkreter und bekannter Beispiele erfolgen und nicht anhand eines abstrakten Allergiebegriffs. Im günstigsten Fall gibt es in der Kita-Gruppe deines Kindes noch andere Kinder, die aufgrund einer Allergie oder Nahrungsmittelunverträglichkeit auf bestimmte Lebensmittel verzichten müssen.
Die Erzieherinnen könnten dann beispielsweise im morgendlichen Stuhlkreis das Thema auf folgende Weise ansprechen:
Variante 2: Erklärung für Kinder
Ihr wisst ja alle, dass Alina keine Milch trinken darf, weil es ihr sonst nicht gut geht, und ihr schlecht werden kann. Ihr anderen könnt Milch trinken, und euch wird davon nicht schlecht. Und Bastian darf nichts essen, wo Eier drinnen sind, sonst geht es ihm auch nicht mehr gut. Und Carolin hat bei Geburtstagen immer Muffins aus Dinkelmehl dabei, weil sie von Brot oder Kuchen mit Weizenmehl nichts essen darf, weil diese Sachen nicht gut für sie sind.
Bei Dustin ist das so ähnlich, aber während Alina, Bastian und Carolin bestimmte Sachen nicht essen dürfen, weil es ihnen sonst nicht mehr gut geht, oder ihnen davon schlecht wird, muss Dustin zwischendurch bestimmte Sachen essen, z.B. ein Brötchen oder auch mal einen Müsliriegel, sonst kann es passieren, dass es ihm auch nicht mehr gut geht.
Das ist schon alles. Mehr müssen die Kinder nicht wissen, und auf diesem Niveau können es selbst Kindergartenkinder problemlos verstehen und auch akzeptieren. Weil es oft auch in der Familie, in der Verwandtschaft, oder auch im Freundes- oder Bekanntenkreis so häufig vorkommt, dass jemand gegen irgendetwas allergisch ist, oder eine Unverträglichkeit gegen bestimmte Nahrungsbestandteile hat, sind die meisten Kinder schon mal irgendwo mit diesem Thema in Berührung gekommen und haben meist keinerlei Problem damit, dass es auch in ihrer Kindergartengruppe einzelne Kinder gibt, die bestimmte Sachen nicht essen dürfen - und die gelten unter ihnen und den Erzieherinnen nicht im geringsten als "krank".
Auch kleine Kinder erkennen schon den deutlichen Unterschied zwischen den Aussagen "damit es dem Kind auch weiter gut geht, muss es zwischendurch was essen" und "das Kind ist krank und muss deshalb zwischendurch immer was essen".
Der Text zu dieser Frage ist als PDF-Datei im Downloadbereich (Abteilung "Hilfsmittel") zu finden.
1. Was ist MCAD?
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Geschrieben von Wollachee
Der MCAD-Mangel verursacht eine Störung im Fett-Stoffwechsel. Um zu verstehen, was dabei genau gestört ist, soll hier zunächst darauf eingegangen werden, wie der menschliche Stoffwechsel funktioniert, bzw. was das überhaupt ist.
Als Stoffwechsel bezeichnet man die Verarbeitung und Verwertung von Nährstoffen im menschlichen Körper, sowie die damit verbundenen Aufbau- und Abbauvorgänge. Normalerweise funktionieren diese Vorgänge automatisch und völlig reibungslos, solange man sich einigermaßen gesund und ausgewogen ernährt. Bei Menschen mit einer der im Allgemeinen nur selten vorkommenden Stoffwechselstörungen, kann es aber Situationen geben, in denen das normalerweise sehr stabile Gefüge aus dem Gleichgewicht, bzw. aus der Bahn gerät und gewissermaßen "entgleist".
Ebenso, wie ein entgleister Zug nicht in der Lage ist, wieder von alleine auf die Schienen zurück zu gelangen und seine Fahrt fortzusetzen, können sich auch die Stoffwechselvorgänge im menschlichen Körper während einer laufenden Entgleisung nicht mehr selbst zu einem stabilen Zustand hin regulieren, sondern es müssen von aussen geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Zu diesem Zweck sollten die Eltern, und später auch die vom MCAD-Mangel betroffenen Kinder, wenigstens in Grundzügen über die Stoffwechselvorgänge im Körper Bescheid wissen, denn dann lassen sich problematische Situationen mitunter schon im Vorfeld erkennen und wirkungsvoll vermeiden.
Was ist der Stoffwechsel und wie funktioniert er?
Jedes Lebensmittel, bzw. jede Mahlzeit enthält in unterschiedlichen Mengenanteilen die gleichen Nährstoffe:
- Kohlenhydrate, die z.B. in Form von Zucker oder Stärke vorliegen
- Fette, z.B. in Form von Öl
- Eiweiß ("Proteine"), die besonders in Fleisch, Fisch, Milchprodukten und Eiern in großen Mengen enthalten sind
- Mikronährstoffe, dazu gehören Mineralstoffe, Spurenelemente und Vitamine
- Wasser
Alle diese Stoffe werden während der Verdauung im Magen und im Darm verarbeitet und zu immer kleineren Bestandteilen zerlegt.
Aus Eiweiß werden die Aminosäuren, die das Baumaterial des Körpers bilden. Die Mikronährstoffe haben Helferfunktionen bei allen Vorgängen im Körper. Kohlenhydrate werden zu verschiedenen Zuckern verarbeitet und aus Fetten werden Glycerin und Fettsäuren.
Zucker und Fettsäuren dienen den Organen und besonders dem Gehirn unmittelbar als Energiequellen. Kommt es durch zu reichliche Nahrungsaufnahme aber zu einem Überangebot an Energielieferanten, werden diese für möglicherweise zukünftig folgende schlechte Zeiten aufbewahrt und in Form von Fett im Unterhautfettgewebe und teilweise auch in den Organen eingelagert. Es bilden sich die allseits so unbeliebten Pölsterchen.
Anabolismus und Katabolismus
An dieser Stelle müssen zwei Begriffe eingeführt werden, von denen im Zusammenhang mit dem MCAD-Mangel immer wieder mal die Rede ist. Als Anabolismus bezeichnet man die Phase, während der sich der Körper im Aufbau befindet. Dies ist bei Kindern der Normalzustand, solange sie gesund sind und regelmäßig Nahrung aufnehmen. Der ganze Körper ist auf Wachstum, Kräftigung und Reifung ausgerichtet.
Jeder kennt aber auch die Zeiten der Krankheiten, in denen genau das Gegenteil der Fall ist. Man liegt nur noch schlapp und müde im Bett, hat keinen Appetit mehr und kann, z.B. während eines Magen-Darm-Infekts, auch so gut wie keine Nahrung mehr bei sich behalten.
Wenn dem Körper somit nicht mehr genügend Nahrung zugeführt wird, muss er notwendigerweise an seine Reserven gehen. Die Muskelmasse und die im Fettgewebe gespeicherten Fette werden nach und nach wieder abgebaut und zu der in den Organen und besonders im Gehirn so dringend benötigten Energie umgewandelt. Der Stoffwechsel funktioniert jetzt gewissermaßen in genau der umgekehrten Richtung. Der ganze Körper schaltet auf Abbau um. Diesen Vorgang nennt man Katabolismus.
In dieser Abbau-Phase kann sich jetzt ein MCAD-Mangel negativ auswirken. Deshalb ist oft davon die Rede, dass es während einer katabolen Stoffwechsellage (wenn sich der Körper also gerade in der Abbauphase befindet) zu einer Krise kommen kann.
Eine katabole Phase kann aber auch ohne Krankheit entstehen, z.B. während einer aufgrund des Schlankheitswahnes selbst auferlegten Hungerdiät, einer ärztlich angeordneten längeren Nüchternphase vor einer Operation, oder einfach einer sehr langen Pause zwischen zwei Mahlzeiten, z.B. zwischen Abendessen und Frühstück.
Die Energiegewinnung während der Abbauphase geschieht zunächst durch die Verwertung der in der Leber und in den Muskelzellen gespeicherten Glykogen-Reserve. Deren Aufgabe besteht normalerweise hauptsächlich darin, den Blutzuckerspiegel zwischen den einzelnen Mahlzeiten auf annähernd konstantem Niveau zu halten. Beim erwachsenen Menschen kann das Glykogen einen Energiegehalt von ca 1900kcal speichern (zum Vergleich: die im Fettgewebe gespeicherte Energiemenge beträgt dagegen etwa 130.000kcal). Betrachtet man die aus Glykogen freisetzbare Energiemenge isoliert, ist sie beim Erwachsenen nach maximal 16 Stunden aufgebraucht. Um diese Reserve nicht zu schnell zu verbrauchen, werden nach einigen Stunden auch die Fettspeicher mobilisiert. Bei der Zerlegung des Fettes in seine Bestandteile entstehen wieder die bereits oben erwähnten Fettsäuren. Diese bestehen aus kettenförmig aneinander gereihten Kohlenstoffeinheiten unterschiedlicher Länge. Kurzkettige Fettsäuren enthalten nur 4-6 Kohlenstoffeinheiten, mittelkettige haben eine Länge von 8-12 und langkettige bestehen aus mehr als 12 Einheiten. Das in den meisten natürlichen Nahrungsmitteln enthaltene Fett besteht ebenso wie das Körperfett hauptsächlich aus langkettigen Fettsäuren mit einer Länge von 18 bis 20 Kohlenstoffeinheiten (oder 16 bis 18, je nachdem, welche Infobroschüre man zu Rate zieht). Auch dabei gibt es ein paar Ausnahmen. Kokosfett und Palmkernfett beispielsweise bestehen zwar auch überwiegend aus langkettigen, jedoch auch zu einem beachtlichen Teil aus mittelkettigen Fettsäuren und ihre flüssigen Varianten Kokosöl und Palmöl dienen der Industrie als Rohstoff zur Herstellung von reinem MCT-Fett. Mehr dazu im Artikel "Ernährung".
Zur Energiegewinnung aus den Fettsäuren werden diese durch verschiedene Enzyme (u.a. die "Dehydrogenasen") schrittweise um 2er Einheiten verkürzt. Diese 2er Einheiten (Acetyl-CoA) werden in anderen Stoffwechselzyklen weiterverarbeitet, können aber auch Ketonkörper bilden, die direkt als Energielieferanten für das Gehirn dienen.
Die vier Dehydrogenasen
An dem Prozess der Fettsäurenverarbeitung sind neben einer ganzen Reihe anderer Enzyme mit Unterfunktionen auch die vier in Folge arbeitenden "Dehydrogenasen" VLCAD (Very Long Chain Acyl-CoA Dehydrogenase), LCAD (Long Chain Acyl-CoA Dehydrogenase), MCAD (Medium Chain Acyl-CoA Dehydrogenase) und SCAD (Short Chain Acyl-CoA Dehydrogenase) beteiligt. Das VLCAD-Enzym war Anfang der 90er Jahre noch unbekannt, daher wurden damals noch einige Menschen fälschlicherweise mit dem LCAD-Mangel diagnostiziert, und es stellte sich erst Jahre später heraus, dass sie in Wirklichkeit von einem VLCAD-Mangel betroffen waren.
Diese vier Enzyme haben in Bezug auf die Fettsäurenketten unterschiedliche Wirkungsbereiche. Jedoch ist es nicht so, dass es zwischen den einzelnen Enzymen feste Grenzen gibt, auch wenn das in einigen vereinfachten Beschreibungen so dargestellt wird. Jedes Enzym hat seinen Hauptwirkungsbereich mit der größten Aktivität, überlagert aber mit seinen "Ausläufern" auch noch einen Teil der Funktionsbereiche der Vorgänger- und Nachfolger-Enzyme.
Die Funktionsbereiche der einzelnen Enzyme stellen sich folglich nicht so dar:

sondern viel mehr so, in Form sich teilweise überlagernder Kurven:

So beginnt die Verarbeitung der Fettsäuren mit VLCAD, welches sich hauptsächlich auf Kettenlängen mit mehr als 16 Kohlenstoffeinheiten konzentriert, jedoch hat es auch im näheren Bereich kleiner gleich 16 noch eine gewisse Restaktivität. Es folgt LCAD mit einem großen Funktionbereich von 10 bis 18 Kohlenstoffeinheiten, danach MCAD mit Aktivität von 4er bis 14er Länge, wobei sich die Hauptaufgabe auf den Bereich von 6 bis 10 konzentriert, und die Verarbeitung endet mit SCAD für 4er und 6er Ketten. Die Grafiken oben sind allerdings nur schematische Darstellungen zur Verdeutlichung der Überlagerungen, und nicht die genau ermittelten Enzymaktivitäten bei den entsprechenden Kettenlängen.
Erblich bedingte Veränderungen in diesen Enzymen führen zum VLCAD-, MCAD- oder SCAD-Mangel.
Das "unbekannte" LCAD-Enzym
Unbekannt deshalb, weil dieses Enzym in der MCAD-Broschüre von Milupa, die den meisten MCAD-Patienten von Seiten der Stoffwechselambulanzen als einziges Informationsmaterial ausgehändigt wird, sowie einigen anderen Zusammenfassungen nicht erwähnt wird. Trotzdem existiert es, und nimmt, wie im vorangegangenen Abschnitt beschrieben, seine Funktion in der Aufspaltung von Fettsäuren mit 18er bis 10er Länge wahr. Die Fettsäuren werden daher nicht, wie in der MCAD-Broschüre dargestellt, in drei gleich großen Abschnitten (SCAD, MCAD und VLCAD) mit je 6 Kohlenstoffeinheiten verarbeitet, auch wenn dies für den Einstieg ins Thema eine akzeptable Vereinfachung der Sachverhalte darstellt. Um die Mechanismen und Zusammenhänge jedoch genauer nachvollziehen zu können, muss man die Aufteilung in 4 Dehydrogenasen und deren überlappende Wirkungsbereiche betrachten.
Aufgrund der Tatsache, dass sich mit der Entdeckung des VLCAD-Enzyms in den 90er Jahren die bis dahin als LCAD-Mangel diagnostizierten Fälle als VLCAD-Mangel-Fälle herausstellten, gibt es bisher weltweit keine einzige Person mit eindeutig nachgewiesenem "echtem" LCAD-Mangel. Ebenso wurden - mangels betroffener Patienten - bislang keine spezifischen Mutationen in dem zugrunde liegenden Gen identifiziert. Der Umstand, dass es tatsächlich keinen Menschen mit klinisch auffälligem LCAD-Mangel zu geben scheint, ist für die Mediziner erstaunlich, da es schließlich kritische, oder zumindest zu Auffälligkeiten führende Mutationen in allen anderen Mitgliedern dieser Genfamilie und somit auch entsprechende Stoffwechselstörungen gibt. Dies hat unter Wissenschaftlern die Frage aufgeworfen, welche Rolle das LCAD-Enzym in der Verarbeitung der langkettigen Fettsäuren wirklich spielt, und ob an dieser Stelle eine Stoffwechselstörung überhaupt entstehen kann. Manche Mediziner gehen sogar so weit, aufgrund des Fehlens echter LCAD-Mangel-Fälle die Existenz einer LCAD-Dehydrogenase gänzlich zu bezweifeln. Genau deshalb beschränken sich einige Darstellungen der mitochondrialen Abläufe auf die Aufführung von VLCAD, MCAD und SCAD (siehe Milupa-Broschüre zum MCAD-Mangel), während andere wissenschaftliche Darstellungen (auch neuen Datums!) LCAD in diesen Ablauf sehr wohl einreihen. Die Existenz dieser Dehydrogenase ist seit Jahrzehnten nun mal eindeutig belegt. An Labormäusen - bei denen es einen LCAD-Mangel aufgrund gezielter Züchtung auch wirklich gibt - wurden die unterschiedlichen Auswirkungen von VLCAD- und LCAD-Mangel auch schon untersucht.
Erst unter Berücksichtung dieses zusätzlichen LCAD-Enzyms ist auch verständlich, weshalb anstelle eines C12- oder sogar C14-Wertes erst ein stark erhöhter C8-Wert für die Diagnose des MCAD-Mangels ausschlaggebend ist: die sonst noch in den MCAD-Bereich fallenden C10 bis C14 können zumindest zum Teil auch noch vom LCAD-Enzym aufgespalten werden, und erst auf die 8er Ketten kann nur noch das MCAD-, jedoch nicht mehr das LCAD-, und noch nicht das SCAD-Enzym einwirken.
Die Auswirkung des MCAD-Mangels
Das Problem bei Menschen mit MCAD-Mangel besteht nun darin, dass ihr Körper nicht oder nur sehr eingeschränkt in der Lage ist, das MCAD Enzym zu bilden, oder dass das erzeugte Enzym nur eine sehr eingeschränkte Leistungsfähigkeit aufweist. Es handelt sich um einen angeborenen genetischen Defekt, der fest in der DNA, dem Bauplan des Körpers, programmiert ist.
Somit endet die Zerlegung der Fettsäuren und die damit verbundene Energiegewinnung weitgehend nach dem Wirken von VLCAD und LCAD bei einer Kettenlänge von 8 Einheiten, also etwa der Hälfte des normalen Vorganges. Dies betrifft sowohl den Abbau der Fettsäuren aus dem gespeicherten Körperfett, als auch den Abbau des mit den Mahlzeiten aufgenommenen Nahrungsfettes. In letzterem Fall fällt die auf die Hälfte beschränkte Energiegewinnung aus dem Fett jedoch nicht ins Gewicht, weil üblicherweise gleichzeitig genügend Kohlenhydrate aufgenommen werden, um die Organe mit dem daraus gewonnenen Zucker zu versorgen.
Während einer längeren Hungerphase, wenn der Stoffwechsel also auf Abbau der Reserven umgeschaltet hat, ist diese zu früh endende Fettsäurenzerlegung jedoch gefährlich für die Betroffenen. Besonders das Gehirn benötigt eine Menge Energie und die wenigen von den VLCAD- und LCAD-Enzymen erzeugten Ketone (gebildet aus einem Teil der bis zur mittelkettigen Restlänge abgespaltenen 2er-Kohlenstoffketten) werden schnell verbraucht. Somit wird auch der Glykogen-Speicher in der Leber schnell aufgebraucht und dem Körper droht ein dramatischer Abfall des Blutzuckerspiegels, in dessen Folge das Gehirn nun wirklich nicht mehr ausreichend versorgt wird. Bleibende Hirnschädigungen können die Folge sein, wenn nicht schnellstens mit einer geeigneten Behandlung gegengesteuert wird. Man spricht dann von einer Stoffwechselentgleisung, die sich im schlimmsten Fall zu einer lebensbedrohenden "Krise" ausweiten kann.
Carnitinmangel - ein gefährlicher Nebeneffekt
Die Aufspaltung der Fettsäuren (ß-Oxidation) innerhalb der Zellen erfolgt in den sogenannten Mitochondrien. Dort befinden sich die dafür benötigten unterschiedlichen Enzyme. Etwa 2000 dieser winzigen "Kraftwerke" kommen in jeder einzelnen Körperzelle vor. Die Mitochondrien sind von zwei Membranen umschlossen, die jedoch nur von kurz- und mittelkettigen Fettsäuren unmittelbar durchdrungen werden können. Damit (sehr-)langkettige Fettsäuren in die Mitochondrien gelangen können, müssen sie an einen Transporterstoff gekoppelt werden - das Carnitin. Carnitin wird sowohl durch die Nahrung, vor allem beim Verzehr von Fleisch aufgenommen, als auch im Körper selbst gebildet. Nach der Durchdringung der Mitochondrienmembranen wird das Carnitin im Normalfall wieder abgetrennt und steht für weitere Transporte zur Verfügung. Da die Fettsäuren aber infolge des MCAD-Mangels nicht vollständig abgebaut werden können, müssen die übrig gebliebenen Reste der aktivierten Fettsäuren in Form der 12er, 10er und 8er Kohlenstoff-Ketten die Mitochondrien, die Zellen und schließlich auch den Körper unbedingt wieder verlassen. Auch dafür wird wieder Carnitin benötigt, da die verbleibenden mittelkettigen Fettsäuren die Membran der Mitochondrien sonst nicht nach aussen durchdringen könnten. Die Fettsäuren gehen mit dem Carnitin eine chemische Verbindung ein, können dann gemeinsam mit ihm die Zellen verlassen, mit dem Blut zu den Nieren transportiert und dann über den Urin ausgeschieden werden. Bei Menschen mit MCAD-Mangel enthält der Urin daher größere Mengen von an Carnitin gekoppelte mittelkettiger Fettsäurenreste (Acylcarnitin), was bei Menschen ohne MCAD-Mangel nur in sehr geringem Umfang der Fall ist.
Das an die Fettsäuren-Reste gekoppelte Carnitin verlässt den Körper somit vollständig und steht danach nicht mehr innerhalb des Stoffwechsel-Regelkreises zur Verfügung. Wird es nicht in ausreichendem Maße ersetzt, kann sich daraus u.U. ein sekundärer Carnitinmangel entwickeln. Durch den, wie gerade beschrieben, ohnehin erhöhten und besonders in katabolen Phasen besonders stark gesteigerten Carnitinbedarf bei Menschen mit einem MCAD-Mangel, können die im Körper vorhandenen Vorräte schnell zur Neige gehen. In Folge dessen können einerseits nicht mehr genügend langkettige Fettsäuren in die Mitochondrien eingeschleust werden, um wenigstens noch für eine geringe Energiegewinnung zu sorgen, und andererseits werden die Fettsäurenreste nicht mehr aus den Zelle abtransportiert, stauen sich in den Mitochondrien an, blockieren ihre Funktion und führen schließlich zur Entstehung von auf das zentrale Nervensystem toxisch wirkenden Stoffwechselzwischenprodukten, bzw. sogar zum Absterben der Zelle. Während einer Stoffwechselentgleisung geschieht dies in großem Umfang, was die oftmals sehr schweren bleibenden Schädigungen des Gehirns nach einer nicht frühzeitig, bzw. nicht korrekt behandelten Entgleisung erklärt. Bei einem Menschen mit MCAD-Mangel sollen deshalb weitere Untersuchungen von Blut und Urin zeigen, ob zur Vermeidung eines drohenden Carnitin-Mangels auch eine tägliche Ration Carnitin, z.B. in Form eines Sirups, gegeben werden sollte. Über die Nützlichkeit dieser Maßnahme waren und sind sich die Experten seit langer Zeit uneinig. In manchen Stoffwechselambulanzen ist die vorsorgliche unterstützende Gabe einer täglichen kleinen Dosis Carnitin eine der ersten verordneten Maßnahmen, wenn bei einem Neugeborenen ein MCAD-Mangel diagnostiziert wird. Mehr zu diesem Thema im Artikel "Wie wird der MCAD-Mangel behandelt?"
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich als Autor dieser Seiten größten Wert auf Korrektheit gelegt habe, aber ansonsten medizinischer Laie bin. Alle veröffentlichten Informationen wurden von mir anhand verschiedener verfügbarer MCAD-Broschüren, Merkblätter, Webseiten, Aussagen der Stoffwechselambulanz und sonstigen Erkenntnissen und Erfahrungen (eigenen und denen unserer Forumsteilnehmer) zusammengetragen. Das Lesen dieser Seiten darf aber auf keinen Fall den Besuch beim Arzt oder der Stoffwechselambulanz ersetzen, sondern soll lediglich dazu dienen, schon mal etwas besser über die ganze Thematik und Problematik Bescheid zu wissen!
2. Woher kommt MCAD?
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Geschrieben von Wollachee
Kommt Dir das bekannt vor? Die Frage nach dem "Warum?" werden sich vermutlich alle Eltern in der ersten Zeit nach der Diagnose vermehrt stellen. Die Nachricht kommt im Normalfall völlig unerwartet und muss erst einmal verarbeitet werden.Wieso hat gerade unser Kind einen MCAD-Mangel? Wie konnte es bloß dazu kommen? Wenn es doch durchschnittlich nur bei einem von zehn- bis fünfzehntausend Kindern gefunden wird, warum dann gerade bei meinem Kind?
Vielleicht können Dir dabei ein paar Denkanstöße helfen, die in dem Artikel "Lohnende Gedanken" behandelt werden. An dieser Stelle hier geht es allerdings zunächst mal um die medizinischen, bzw. biologischen Hintergründe.
Wo kommt dieser Gendefekt so plötzlich her?
Das Auftreten eines genetischen Defekts, wie dem, der die Bildung des MCAD-Enzyms stört, kann zwei unterschiedliche Gründe haben. Entweder handelt es sich um eine spontane Mutation des Erbguts, die rein zufällig auf genau diesem Chromosom und genau diesem Gen aufgetreten ist, oder aber die Mutation wurde von den Eltern an das Kind vererbt.
Aber Moment mal! Bei uns Eltern ist in der Kindheit nie etwas passiert! Wir hatten auch die ganzen üblichen Infekte und ein Dutzend Mal Brechdurchfall, und trotzdem haben wir nie so etwas wie eine Stoffwechselkrise erlebt. Auch die eine oder andere ungesunde Radikaldiät haben wir problemlos überstanden.
Das sind verständliche Einwände, aber trotzdem können Kinder einen MCAD-Mangel von ihren Eltern vererbt bekommen, obwohl diese selbst keinen haben, bzw. es bei ihnen niemals bemerkt wurde. Wie hätte er auch festgestellt werden sollen, wird der Schnelltest auf die auch den MCAD-Mangel einschließenden zusätzlichen Stoffwechselstörungen doch erst seit wenigen Jahren bundesweit durchgeführt. Rein rechnerisch betrachtet, hat im Durchschnitt auch höchstens eins von 100-120 der heutigen Elternteile selbst einen MCAD-Mangel von seinen eigenen Eltern vererbt bekommen. Der tatsächliche Anteil ist vermutlich deutlich niedriger, denn da der MCAD-Mangel während unserer eigenen Kindheit wie erwähnt noch nicht frühzeitig getestet werden konnte und somit die bei einer Entgleisung auftretenden Symptome oft nicht richtig eingeschätzt wurden, sind sicher einige der damaligen davon betroffenen Kinder, die heute im Erwachsenenalter und selbst Eltern wären, während einer frühen Krise bereits verstorben.
Die Übertragung des MCAD-Gendefekts durch Vererbung scheint nach den Erfahrungen der letzten Jahre der übliche Weg zu sein. Die spontane Mutation kann zwar rein theoretisch auch vorkommen, ist aber extrem selten, und führt dabei wiederum mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer der sogenannten "milden" Varianten des MCAD-Mangels, oder dazu, dass die betreffende Person nur Träger ("Carrier") des Gendefekts ist, aber selbst keinen MCAD-Mangel hat (siehe unten). Natürlich können auch spontane Mutationen später an die eigenen Kinder vererbt und somit über die folgenden Generationen hinweg verbreitet werden.
Um nun den Weg über die Vererbung näher zu betrachten, müssen wir uns an den Biologieunterricht in der Schule zurück erinnern.
Die Vererbungslehre nach Mendel
Jeder Mensch hat in seinen Zellkernen den vollständigen Chromosomensatz in doppelter Ausführung. Die eine Hälfte der Chromosomen mit allen darauf kodierten Merkmalen bekam er von seiner Mutter, die andere Hälfte von seinem Vater vererbt. Bei der Verschmelzung von Eizelle und Spermium entstand eine erste Zelle mit dem doppelten Chromosomensatz, welcher durch die fortschreitende Zellteilung in jede neue Zelle weitergegeben wurde.
Die Chromosomen werden zur einfacheren Unterscheidung der Größe nach durchnummeriert und in 2 Klassen unterteilt. Jeder Mensch hat 44 Autosomen (2 mal 22) und 2 Gonosomen (2 mal 1). Autosomen enthalten die allgemeinen Merkmale, wie z.B. die Augen- oder Haarfarbe, während die beiden Gonosomen das Geschlecht des Menschen und alle daran gekoppelten speziellen Merkmale festlegen. Hier spricht man von X-Chromosom und Y-Chromosom. Eizellen enthalten stets das X-Chromosom, und die Spermien der Männer transportieren entweder ein X- oder ein Y-Chromosom. Treffen in der befruchteten Eizelle zwei X-Chromosomen aufeinander, entwickelt sich daraus ein Mädchen, bei einem X- und einem Y-Chromosom wird daraus ein Junge.
Die meisten Stoffwechselstörungen werden autosomal rezessiv vererbt - so auch der MCAD-Mangel. Autosomal bedeutet einfach nur, dass sich das Merkmal zur Bildung des MCAD-Enzyms auf einem der Autosomen und nicht auf einem Gonosom befindet. Von dem Gendefekt können also Mädchen und Jungen gleichermaßen betroffen werden. Im Gegensatz dazu gibt es auch gonosomale Erbgänge, z.B. die Bluterkrankheit, bei der sich das betreffende Merkmal auf dem X-Chromosom befindet. Von der Bluterkrankheit sind mehr Männer als Frauen betroffen, da Männer nur ein X-Chromosom besitzen, und sich dessen fehlerhafte Anlage somit unmittelbar auswirkt. Frauen können mit ihren zwei X-Chromosomen den Fehler der einen Genkopie durch die intakte zweite Genkopie ausgleichen. Dies ist das Entscheidende bei der rezessiven Vererbung.
Rezessiv versus Dominant
Die 22 von der Mutter erhaltenen Autosomen enthalten genau die gleichen Gene wie die 22 vom Vater beigesteuerten Autosomen, aber die Ausprägung dieser Gene kann sich voneinander unterscheiden. Man bezeichnet die einander entsprechenden, aber nicht unbedingt gleich ausgeprägten Gene als "Allele".
Bekommt ein Kind z.B. von der Mutter das Allel für blaue Augen und vom Vater das Allel für braune Augen vererbt, wird es selbst braune Augen bekommen, weil das Braun-Allel dominant gegenüber dem untergeordneten (rezessiven) Blau-Allel ist. Das Allel für blaue Augen ist aber nach wie vor in seinen Chromosomen enthalten und kann bei der Fortpflanzung an das eigene Kind weitergegeben werden. Damit ist klar, das jeder Mensch mit blauen Augen zwingend zwei Allele für blaue Augen in seinem Erbmaterial mit sich führen muss und auch nur die Anlage für die Augenfarbe Blau an sein Kind weitergeben kann. Haben beide Eltern blaue Augen, kann das Kind auch nur blaue Augen bekommen und auch nur diese Augenfarbe an spätere eigene Kinder weitergeben. Haben dagegen beide Eltern braune Augen, kann ihr Erbgut trotzdem ein rezessives blau-Allel enthalten, so dass das gemeinsame Kind am Ende möglicherweise doch blaue Augen hat. Dieses 1907 von Davenport für die Vererbung der Augenfarbe aufgestellte 1-Gen-Modell ist nicht ganz zutreffend, da man heute weiß, dass an der Augenfarbe mindestens 3 Gene beteiligt sind, deren Zusammenspiel man noch nicht richtig kennt, aber dieses vereinfachte Modell verdeutlicht den Unterschied zwischen dominanten und rezessiven Allelen trotzdem ganz gut.
Schon 1909 hat William Bateson (Cambridge University) festgestellt, dass dominant vererbte Erkrankungen anscheinend grundsätzlich daher rühren, dass dem menschlichen Körper durch die Auswirkung einer genetischen Mutation irgendeine neue "Zutat" hinzugefügt wurde, z.B. irgendeine körpereigene chemische Substanz, deren Vorhandensein diesen Krankheitseffekt auslöst. Im Gegensatz dazu lässt sich bei rezessiv vererbten Krankheiten beobachten, dass dem Körper durch einen Gendefekt irgendetwas normalerweise vorhandenes genommen wurde. Das Nichtvorhandensein einer bestimmten Substanz, bzw. das Fehlen deren Funktion, löst die rezessiv vererbte Krankheit aus. In beiden Fällen gilt aber der wichtige Grundsatz: "Funktion dominiert über Funktionsmangel!" Wie das zu verstehen ist, wird im folgenden Abschnitt erklärt.
Wie wird der MCAD-Mangel vererbt?
Auch der für den MCAD-Mangel verantwortliche Gendefekt wird den bisherigen Erkenntnissen nach ausschließlich rezessiv vererbt. Ist ein Allel mutiert, gibt es im Normalfall immer noch seine "Sicherheitskopie" in Form des entsprechenden Allels auf dem vom zweiten Elternteil beigesteuerten Chromosom. Die ordnungsgemäße Funktion dieses "Wildtyps" ersetzt, bzw. dominiert über den Funktionsmangel des mutierten Allels. Somit kann die betreffende Person trotz einseitigem Gendefekt ein voll funktionstüchtiges MCAD-Enzym in ausreichender Menge bilden. Sie ist nur Anlagenträger, also "Carrier".
Damit ist verständlich, weshalb sich der MCAD-Gendefekt bereits über Generationen innerhalb einer Familie vererbt haben kann, ohne dass jemals irgendwelche Auswirkungen davon zu bemerken waren. Alle Personen waren nur Carrier, also Überträger des mutierten Allels, aber nicht selbst am MCAD-Mangel erkrankt, da sie vom anderen Elternteil immer ein normales Allel beigesteuert bekamen.
In irgendeiner Generation kann es aber passieren, dass zufälligerweise sowohl der Vater als auch die Mutter Träger des Defekts sind und beide ausgerechnet jeweils den von dem Defekt betroffenen Chromosomenanteil an ihr Kind weitergeben. Wenn also weder das väterliche noch das mütterliche Allel in der Lage sind, ein voll funktionsfähiges MCAD-Enzym zu bilden, hat das Kind einen echten MCAD-Mangel. Die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten dieses Falles liegt unter den genannten Voraussetzungen (beide Eltern sind Carrier) bei 25%.
Bekommt es dagegen nur von einem der beiden Carrier-Elternteile ein mutiertes Allel vererbt (50%-Chance), wird es selbst zum Carrier, ist aber selbst nicht direkt von einem drohenden MCAD-Mangel betroffen. Bei ihm liegt der Gendefekt "heterozygot", also nur auf einem Allel vor.
Bekommt es von beiden Elternteilen das Chromosom mit dem nicht-mutierten Gen vererbt (25%-Chance), trägt das Kind den MCAD-Gendefekt nicht in seinem Erbmaterial und kann ihn somit auch nicht an die eigenen Kinder weitergeben.
Unterscheidung der Begriffe MCAD-Defekt und MCAD-Mangel, wie sie auf diesen Seiten hier verwendet werden
Anhand der vorausgegangenen Ausführungen wurde vielleicht schon verständlich, warum in diesem und den weiteren Artikeln immer deutlich zwischen den Begriffen "MCAD-Defekt" und "MCAD-Mangel" unterschieden wird, auch wenn dies in den deutschen Uni-Kliniken längst nicht so sorgfältig gehandhabt wird. Alle Carrier, zu denen auch wir als Eltern eines Kindes mit nachgewiesenem MCAD-Mangel zwingend gehören, tragen ebenfalls einen MCAD-Defekt in den Genen, der jedoch nicht zum Entstehen eines MCAD-Enzym-Mangels führt. Dieser resultiert erst aus dem Vorliegen eines doppelten MCAD-Defekts, wenn sowohl der von der mütterlichen, als auch der väterlichen Seite geerbte Chromosomenanteil ein mutiertes, also "defektes" Gen aufweist.
Der MCAD-(Gen-)Defekt ist gewissermaßen die Ursache und der bei doppelter Ursache entstehende MCAD-Mangel die Wirkung.
In einigen den MCAD-Mangel behandelnden, hauptsächlich deutschen Informationen und vor allem auch im Sprachgebrauch vieler deutscher Ärzte werden diese beiden Begriffe jedoch nicht sauber auseinander gehalten, sondern gleichbedeutend verwendet und mit der Behauptung, das sei doch dasselbe, ganz nach Belieben durcheinander geworfen. In englischsprachigen Artikeln - selbst wenn diese von deutschen Medizinern verfasst wurden - wird bzgl. dieser Stoffwechselstörung dagegen nie von MCAD-defect, -failure, -damage oder -fault (dies wären mögliche Übersetzungen für einen "Defekt"), sondern ausschließlich von MCAD-Deficiency (Mangel, Fehlmenge, Defizit, Unzulänglichkeit) gesprochen. Möglicherweise rührt die Unsitte, in einigen deutschen Kliniken von MCAD-Defekt zu sprechen daher, dass die englische Bezeichnung MCAD-Deficiency auch oft als MCADD abgekürzt wird. Um dieses letzte "D" wieder mit einen deutschen Begriff zu füllen, bietet sich Defekt nun mal eher an als Mangel. Die offizielle Bezeichnung dieser Stoffwechselstörung ist jedoch MCAD-Deficiency, bzw. MCAD-Mangel!
Man kann sich nun die Frage stellen, wo überhaupt das Problem liegt. Der eine Begriff ist doch so gut wie der andere... Die Erfahrungen der Vergangenheit haben jedoch schon sehr deutlich gezeigt, dass das Durcheinanderwerfen dieser Begriffe zu anhaltenden Missverständnissen führen kann - nicht nur bei den Eltern eines Kindes mit MCAD-Verdacht, sondern auch bei den behandelnden Ärzten, die oftmals über nur sehr geringe Hintergrundkenntnisse zum MCAD-Mangel verfügen.
Da man nämlich nie weiß, ob und wie ernsthaft die einzelnen Institutionen zwischen diesen Begriffen unterscheiden, führt dies möglicherweise zu einiger Verwirrung. Meldet das Screeningzentrum in dem ersten Befund z.B. den Verdacht auf einen "MCAD-Defekt", kann dies zwar einen angenommenen und behandlungsbedürftigen MCAD-Mangel bedeuten, möglicherweise meint man es aber auch tatsächlich genau so, wie man es geschrieben hat und vermutet aufgrund relativ schwach erhöhter Werte auch nur das Vorliegen eines heterozygoten Gendefekts, der zwar noch genau abgeklärt werden sollte, sich aber höchstwahrscheinlich nicht in Gestalt eines MCAD-Mangels auswirken wird. Gegebenenfalls sollte man als Eltern mit Hilfe des Kinderarztes einfach noch mal genau nachfragen, was mit dem im Befund genannten Begriff "MCAD-Defekt" genau gemeint wurde.
Zu besonders schweren Missverständnissen führt das Durcheinanderwürfeln dieser Begriffe dann, wenn den behandelnden Ärzten das Prinzip der rezessiven Vererbung selbst nicht so ganz klar zu sein scheint. Es gab nämlich schon mehrere Fälle, in denen bei einem Kind mit im Screening aufgekommenem MCAD-Verdacht, trotz vollständiger Sequenzierung nur ein heterozygoter MCAD-Gendefekt gefunden wurde. -ebenso bei einem Elternteil, beim anderen aber nichts. Aussage des Arztes: "Dann haben Sie also das gleiche wie ihr Kind, nur dass es bei ihrem Kind eine schwere Form ist, und bei Ihnen was mildes." Wenn jemand so etwas behauptet, dann hat er die beim MCAD-Mangel zur Auswirkung kommende rezessive Vererbung nicht verstanden, denn der bei dem Kind möglicherweise vorliegende MCAD-Mangel ist immer die Summe aus den vererbten Genen beider Eltern, niemals von nur einem einzelnen Elternteil. Umgekehrt können die Eltern unmöglich den gleichen MCAD-Mangel wie das Kind haben, denn dazu fehlt ihnen einfach der vom jeweils anderen Elternteil beigesteuerte Chromosomenanteil, der den MCAD-Mangel des Kindes erst zu einem solchen machte. Wenn der behandelnde Arzt aber selbst nicht verstanden hat, was der Unterschied zwischen einem heterozygoten MCAD-Gendefekt und einem bei homozygotem oder compound heterozygotem Gendefekt entstehenden MCAD-Mangel ist, dann kommt es leider zu solchen falschen Auskünften gegenüber den Eltern, die dadurch dann vollends verwirrt werden. Die einzige Möglichkeit, in der ein Elternteil wirklich genau "das Gleiche" wie das Kind haben könnte, wäre die, dass der andere Elternteil wirklich keinen Gendefekt beigesteuert hat, und somit Mutter und Kind, oder Vater und Kind beide definitiv nur Carrier sind. Dann haben sie aber beide keinen MCAD-Mangel! Selbst wenn Mutter oder Vater selbst einen MCAD-Mangel von ihren beiden Eltern vererbt bekommen haben sollten, kann das Kind nicht das Gleiche haben, denn auch der selbst vom MCAD-Mangel betroffene Elternteil gibt immer nur eine seiner beiden defekten Genkopien weiter, niemals aber beide zusammen.
Ebenso ist die schon mehrfach gegenüber Forumsmitgliedern geäusserte Behauptung, das Kind würde seinen "MCAD-Defekt" später einmal an seine eigenen Kinder weiter vererben, nicht zutreffend - zumindest dann nicht, wenn der betreffende Arzt mit diesem Begriff mal wieder den MCAD-Mangel meinte, was leider auch meistens der Fall ist. Auch ein Kind mit MCAD-Mangel, das also über zwei defekte Genkopien verfügt, kann immer nur eines dieser beiden defekten Gene (bzw. Allele) an seine eigenen Kinder weitergeben. Deren zweite Genkopie wird vom anderen Elternteil beigesteuert, also entweder im Spermium des Vaters oder der Eizelle der Mutter. Da nur etwa jede 60. Person in Deutschland Träger eines einzelnen defekten MCAD-Gens ist, sind die Chancen mit über 98% doch relativ groß, dass auch die Kinder eines selbst vom MCAD-Mangel betroffenen Menschen nur Träger sein werden. MCAD-Betroffene vererben später also niemals den MCAD-Mangel, sondern nur dessen Anlage, also einen einzelnen MCAD-Gendefekt, der für sich allein genommen erst einmal keine Bedeutung hat.
Solche schon mehrfach in den Reihen der Forumsmitglieder aufgetretenen Missverständnisse hätten sich nahezu problemlos vermeiden lassen, wenn man die Begriffe MCAD-Mangel für die Stoffwechselstörung und MCAD-Gendefekt ordentlich auseinander halten, und den missverständlichen und weder das eine noch das andere - oder auch beides - beschreibenden Begriff MCAD-Defekt aus dem Sprachgebrauch schnell wieder streichen würde.
Arten von Mutationen
Polymorphismen
Nicht alle genetischen Veränderungen des Erbguts werden als Mutation bezeichnet. Es kommt dabei auf die Verbreitungshäufigkeit an. Als Polymorphismen bezeichnet man in der Medizin diejenigen genetischen Abweichungen vom Wildtyp, für die in der Bevölkerung eine relativ große Verbreitung nachgewiesen wurde. Gemäß Definition muss eine solche Abweichung bei mehr als 1% der Bevölkerung vorkommen, damit von einem Polymorphismus gesprochen werden kann. Abweichungen, die bei weniger als 1% der Bevölkerung auftreten, werden dagegen als Mutationen bezeichnet. Polymorphismen haben meist keinen Krankheitswert, bzw werden ihre Auswirkungen aufgrund der hohen Verbreitungshäufigkeit als normal angesehen.
Stille Mutationen
Zu den vorgenannten Polymorphismen werden auch die sogenannten "stillen" Mutationen gezählt. Es gibt nämlich 64 (4 hoch 3) verschiedene Kombinationen von Tripletts aus den vier verschiedenen Basen, die jedoch für nur insgesamt 20 verschiedene Aminosäuren kodieren. Die meisten dieser Aminosäuren werden somit von mehr als einer möglichen Dreierkombination der Basen festgelegt. Bei einer stillen Mutation wird zwar durch den Austausch einer Base in der DNA ein anders lautendes Triplett gebildet, welches jedoch für die gleiche Aminosäure codiert, wie die ursprüngliche Basensequenz. Aus diesem Grund haben stille Mutationen meist keinen eigenen Krankheitswert, sie können im Zusammenspiel mit anderen Mutationen auf dem gleichen Allel aber durchaus eine Bedeutung haben. So hat eine Untersuchung aus dem Jahr 2007 ergeben, dass beispielsweise die durch die Mutation c.362c>t hervorgerufenen negativen Splicingeffekte bei gleichzeitigem Vorliegen der stillen Mutation c.351a>c erstaunlicherweise weitgehend vermieden wurden.
Missense Mutations
Die im ACADM-Gen, sowie in jedem anderen Gen auftretenden Mutationen können unterschiedlicher Ausprägung sein. Am häufigsten sind die sogenannten missense mutations. Diese bewirken, dass eine bestimmte Aminosäure durch den Austausch eines einzelnen Nukleotids falsch gebildet wird, und infolge dessen das entstehende Protein (auch das MCAD-Enzym besteht aus Protein) möglicherweise nur eingeschränkt funktionsfähig wird. Die in westlichen Ländern am häufigsten gefundene Mutation K329E ist eine solche missense mutation und führt zur reduzierten Produktion eines instabilen Proteins, beeinflusst aber andererseits kaum die eigentliche Aktivität des Enzyms. Da die gesamte Mutation darin besteht, dass an einem bestimmten Punkt im Code eine einzelne Base durch eine andere Base ersetzt wird, bezeichnet man diese Art von Mutationen auch als "Punktmutationen".
Nonsense Mutations bzw. Stop-Mutationen
Jede Gensequenz, auch die für die Bildung des MCAD-Enzyms verantwortliche, beginnt mit einem genau definierten Start-Codon (dem Basentriplett ATG, welches die Aminosäure "Methionin" codiert, die anzeigt, dass ab hier die Beschreibung für ein neues Protein beginnnt) und endet mit einem von drei möglichen Stop-Codons (TAA, TAG, TGA). Durch eine genetische Mutation kann nun z.B. aus einem irgendwo in dieser Sequenz angeordneten "harmlosen" Glutamin-Codon (CAA) durch den Austausch von C nach T ein solches Stop-Codon (TAA) werden. Das Gleiche kann auch einem Lysin-Codon (AAA) passieren, wenn dort ein Austausch von A nach T stattfindet. Eine nonsense mutation führt zur Erzeugung eines solchen vorzeitigen Stop-Codons (oder Nonsense-Codons) im genetischen Code und damit wird die Bildung des betreffenden Proteins weitgehend verhindert. Gewissermaßen wird die Bauphase beendet, bevor das Enzym fertig gebildet wurde.
Deletions und Insertions
Deletions löschen den DNA-Code an einer bestimmten Stelle. Insertions fügen stattdessen ein oder mehrere zusätzliche Basen in den Code ein. In beiden Fällen verschiebt sich das Leseraster ab der betreffenden Position bis zum Ende des Gens um eine, oder mehrere Stellen. Dies ist insofern problematisch, da immer drei Basen zusammen ein Basentriplett bilden, mit dem eine der 20 möglichen Aminosäuren codiert ist, aus denen sich das Protein zusammensetzt. Fehlt nun z.B. durch eine Deletion eine dieser Basen, rutscht eine Base aus dem nächsten Dreierblock nach, so dass ab der betroffenen Stelle alle folgenden Basentripletts eine falsche Aminosäure codieren. In so einem Fall entsteht meist ein völlig falsches Protein und daraus resultierend auch ein weitgehend nutzloses MCAD-Enzym. Im günstigsten Fall werden bei einer Deletion oder Insertion gleich eine durch drei teilbare Anzahl an Basen gelöscht oder eingefügt, sodass alle weiteren Aminosäuren trotzdem korrekt codiert werden. Das entstehende Protein ist dann zwar auch fehlerhaft, das Enzym kann aber möglicherweise noch einen deutlichen Restnutzen aufweisen. Die Verschiebung des Leserasters um ein oder zwei Stellen führt meist zu einem kurz nach der betreffenden Position entstehenden Stop-Codon, an dem die Verarbeitung abbricht, so dass gar nicht erst ein zuviel Murks anrichtender Proteinabschnitt entstehen kann.
Splicing Mutations
Die meisten Mutationen liegen auf den nicht für die Codierung des Proteins zuständigen Zwischenbereichen des Gens, den sogenannten Introns. Im DNA-Strang werden die das Protein beschreibenden (codierenden) Abschnitte, die sogenannten Exons, an mehreren Stellen durch diese Introns unterteilt. Insgesamt bestehen ca 45% des menschlichen Genoms aus diesen nicht für die Erzeugung der Proteine/Enzyme benötigten Introns. Während der Bildung der mRNA aus der anhand der DNA erzeugten RNA (Ribonukleinsäure) fallen diese Introns weg, und die den Code enthaltenden Exons verbinden sich miteinander. Dieser Vorgang wird als Splicing oder Spleissen bezeichnet. Daher haben auf den Introns liegende Genmutationen, von denen es im menschlichen Genom eine große Menge gibt, normalerweise keine wesentliche Bedeutung, da sie in den gebildeten Enzymen ohnehin nicht mehr enthalten sind. Einzelne dieser Mutationen können jedoch zu einem falschen Ablauf des Splicings führen, so dass in der entstehenden mRNA z.B. eines der an das betreffende Intron angrenzenden Exons fehlt, oder sich die Exons in irgendwie gearteter fehlerhafter Weise aneinanderreihen. Manche Intron-Mutationen zerstören auch die Anfangs- oder Ende-Kennungen der Intron-Abschnitte, so dass Teile dieser eigentlich zu entfernenden Codesequenzen mit in das letzten Endes gebildete Protein eingearbeitet werden. Dies kann z.B. vollständig funktionslose, aber in manchen Fällen auch Proteine mit sogar schädlichen Auswirkungen zur Folge haben.
Bekannte Mutationen
Die am weitesten verbreitete und in der Vergangenheit häufig nach einer Stoffwechselentgleisung gefundene MCAD-Mutation, in der Literatur oft als "prävalent" (vorherrschend) bezeichnet, trägt die Bezeichnung K329E. Eine andere Bezeichnung, die den erfolgten Basenaustausch beschreibt, lautet c.985A>G. In englischen Artikeln wird diese Mutation oft auch in der alten Nomenklatur K304E beschrieben, bei der mit der Zählung ein paar Stellen weiter hinten begonnen wird. Es handelt sich aber um die gleiche Mutation. Sie wurde bislang bei etwa 80% der von einer Stoffwechselentgleisung betroffenen Patienten im Rahmen der daraufhin durchgeführten molekulargenetischen Untersuchung homozygot gefunden. Homozygot bedeutet, dass die Mutation auf beiden Chromosomen zu finden ist, es in diesem Fall also keine intakte Wildtyp-Sicherheitskopie gibt. In weiteren 18% der erst nach einer Stoffwechselentgleisung gefundenen Fälle liegt K329E compound heterozygot mit einer anderen Mutationen vor. Compound heterozygot bedeutet, dass beide Allele unterschiedliche Mutationen aufweisen, die aber jede für sich die ordnungsgemäße Bildung des MCAD-Enzyms einschränken. Mehr dazu, wie diese Prozentangaben genau zu verstehen sind, ist im Info-Artikel "Diagnose - Wie wird ein MCAD-Mangel nachgewiesen?" erläutert. Die Carrier-Häufigkeit für eine den MCAD-Mangel auslösende Mutation innerhalb der deutschen Bevölkerung, liegt grob geschätzt irgendwo im Bereich von 1/60, was bedeutet, dass etwa jeder sechzigste Deutsche - größtenteils unwissend - eine solche Mutation in wenigstens einem seiner Chromosomen mit sich führt und möglicherweise auch an seine Kinder weitergibt. Bislang wurden über 340 verschiedene und teilweise sehr seltene Mutationen des ACADM-Gens identifiziert, von denen aber längst nicht alle zu einer schweren Funktionsstärung des aus dem betreffenden Gencodes gebildeten Enzyms führen.
Es gibt auch untersuchte Fälle, in denen auf ein und demselben Chromosom gleich zwei Mutationen in einem Allel auftreten ("cis-Stellung"), das Allel auf dem vom anderen Elternteil beigesteuerten Chromosom aber den Wildtyp aufweist. Somit liegt bei diesen Patienten kein MCAD-Mangel vor und man kann nicht feststellen, wie sich diese beiden Mutationen auswirken würden, befänden sie sich nicht gemeinsam auf einem, sondern verteilt auf beiden Chromosomen ("trans-Stellung"). Im Rahmen der Gensequenzierung werden dann u.U. zwar beide Mutationen gefunden, in manchen Fällen kann dann aber erst die genetische Untersuchung der Eltern wirklich Klarheit bringen. Werden beide Mutationen auch bei einem der Elternteile gefunden, während der andere Elternteil diesbezüglich unauffällig ist, wird es sich auch bei den genetischen Mutationen des Kindes um eine "cis-Stellung" handeln, wodurch es lediglich MCAD-Carrier sein kann.
Der "Founder-Effekt" am Beispiel der K329E-Mutation
Die Häufigkeit, mit der speziell die K329E-Mutation weltweit auftritt, verteilt sich sehr unterschiedlich. Während sie in den nordwestlichen Bereichen Europas (durchschnittlich 1:10000 für die homozygote Variante, Carrier ist etwa jede 50. Person), in den USA und besonders in Großbritannien (1:6400, etwa jeder 40. ist Carrier) sehr häufig zu finden ist, zeigt sie sich in den südeuropäischen und afrikanischen Ländern nur sehr selten bis gar nicht. Aufgrund dieser Verteilung nimmt man an, dass speziell diese Mutation von einem einzigen Mitglied eines früheren germanischen Volkes stammt und von diesem an seine Nachkommen vererbt wurde. Somit wird diese Mutation, und damit verbunden der MCAD-Mangel, auch in all den Gegenden besonders häufig angetroffen, in denen sich die Nachfahren dieses ersten "Founders" niedergelassen haben.
Zur Erklärung des Stammbaumes: Der Founder-Theorie zu Folge begann es vor sehr langer Zeit mit einem Ehepaar, von dem ein Partner als erster Mensch der Welt die K329E-Mutation aufgrund einer spontanen Mutation auf einer Genkopie aufwies und an einige seiner Kinder als Carrier weitergab. Entweder erbten bereits bei diesem Paar, oder bei einem ihrer Nachkommen, gleich zwei oder mehr Kinder den Gendefekt. Aus diesen Kindern entstanden jeweils sich völlig getrennt voneinander entwickelnde Familien (blauer und gelber Bereich). Aufgrund der in früheren Zeiten noch üblichen sehr großen Anzahl von Kindern, gab es neben vielen nicht betroffenen Nachkommen aber auch immer wieder Kinder, die den heterozygoten Gendefekt von einem ihrer Elternteile vererbt bekamen. Alle entstehenden Familien bewirkten eine weitere Verzweigung des Stammbaums. Bei vielen Familien-"Zweigen" ergab sich über die Generationen hinweg immer irgendein Vererbungspfad, auf dem die K329E-Mutation erhalten blieb. In irgendeiner Generation ergab es sich dann, dass zufällig ein Carrier-Mitglied der "blauen" Familie mit einem Carrier-Mitglied der "gelben" Familie Kinder zeugte (roter Kreis). Aus dieser Verbindung gingen die ersten Kinder mit echtem MCAD-Mangel hervor. Deren Nachkommen waren auf jeden Fall wieder Carrier und in irgendeiner der folgenden Generationen wiederholte sich dieser Vorgang möglicherweise erneut. Somit kann man schlussfolgern, dass sich die Stammbäume aller Menschen, welche die K329E-Mutation in homozygoter oder heterozygoter Form in sich tragen, zu einem mehr oder weniger weit zurückliegendem Zeitpunkt in einem gemeinsamen Vorfahren treffen müssen.
In gleicher Weise entstanden auch alle anderen Mutationen des ACADM-Gens, so dass es inzwischen auch häufig zu Mischformen, den compound-heterozygoten MCAD-Mangel-Varianten kommt. Manche Mutationen werden im Laufe der Zeit aufgetreten und auch wieder verschwunden sein, da sie nur an sehr wenige Nachkommen durchgereicht wurden. Je häufiger und verbreiteter eine einzelne Mutation inzwischen nachgewiesen werden kann, desto früher muss sie in der Menschheitsgeschichte erstmals aufgetreten sein. Der Ursprung der K329E-Mutation liegt daher vermutlich weit über 2000 Jahre zurück. Andere, seltene Mutationen könnten dagegen auch erst vor wenigen Generationen neu hinzugekommen sein.
Was haben die Kaukasier mit dem MCAD-Mangel zu tun?
Im Zusammenhang mit der Verteilung und Carrier-Häufigkeit des MCAD-Mangels, insbesondere der K329E-Mutation, wird vor allem in englischen MCAD-Abhandlungen häufig betont, dass diese Mutation hauptsächlich bei Europäern ("European Caucasians") und Nordamerikanern kaukasischer Abstammung auftritt. Dazu muss man aber wissen, dass es dabei nicht speziell um aus dem Kaukasus stammende Menschen geht, sondern dass dieser etwa um 1800 von Johann Friedrich Blumenbach geprägte Begriff auf die von ihm und anderen Anthropologen dieser Zeit aufgestellte Theorie zurückgeht, nach welcher sie versuchten - basierend auf verschiedenen Merkmalen, z.B. Schädelform und Hautfarbe - alle Völker in unterschiedliche "Menschenrassen" zu unterteilen. Diese Rassentheorie wurde seitdem vielfach kritisert und gilt heute als völlig veraltet, jedoch wird der damals geprägte Begriff "kaukasischer Typ" im englischen Sprachraum heute noch als Synonym für grundsätzlich alle europäischen, nordamerikanischen und sonstigen hellhäutigen Menschen gebraucht, da man Anfang des 19. Jahrhunderts den Ursprung all dieser Völker noch im kaukasischen Raum vermutete. Die sehr zweifelhafte Rassentheorie ist Geschichte, der Begriff "kaukasischer Typ" für alle hellhäutigen Europäer und Nordamerikaner hat sich im englischen Sprachgebrauch jedoch gehalten. Aus heutiger Sicht aber hat der MCAD-Mangel also überhaupt nichts mit der Bevölkerung des Gebirges zwischen dem Schwarzen Meer und dem Kaspischen Meer zu tun - auch wenn sich die Behauptung, der MCAD-Mangel beträfe vor allem Menschen kaukasischer Abstammung, inzwischen auch in deutschsprachigen Artikeln vermehrt wiederfindet. Deren Quellen bestehen natürlich hauptsächlich in englischer Literatur, und die deutschen Autoren, die diese Aussagen übernommen haben, wissen vermutlich selbst nichts von der veralteten Rassentherorie des frühen 19. Jahrhunderts als Ursprung dieses Begriffs.
Wo überall auf der Welt gibt es MCAD-Betroffene?
Wenn Du das hier liest, weißt Du schon, dass Du mit dem MCAD-Mangel nicht alleine auf der Welt bist, wie es manchen Eltern in der ersten Zeit nach der Mitteilung des Verdachts bzgl. dieser anfangs noch unbekannten Stoffwechselsörung scheint. MCAD-Carrier und somit auch Kinder und Erwachsene mit MCAD-Mangel gibt es überall auf der Welt, auch wenn ihre Häufigkeit auf einigen Kontinenten sehr viel geringer ist, als hier in Europa, oder in den USA. Verbreitet ist der MCAD-Mangel z.B. in Deutschland, Schweiz, Österreich, Niederlande, Belgien, Dänemark, Frankreich, Italien, Finnland, Griechenland, Ungarn, Großbrittannien, Spanien, Türkei, Island und allen weiteren europäischen Ländern von Russland bis Bulgarien, auch wenn bei den östlicher gelegenen Ländern teilweise andere Genmutationen als die häufige K329E gefunden werden. In allen US-Staaten finden sich Kinder mit MCAD-Mangel, ebenso in Kanada, Argentinien, Australien...
In manchen dieser Länder gibt es nur sehr wenige bekannte Fälle. Allerdings muss dabei immer berücksichtigt werden, dass es in den meisten Ländern der Welt auch noch kein Neugeborenenscreening, geschweige denn ein erweitertes Neugeborenenscreening auf MCAD gibt. Die wenigen bekannten Fälle in diesen Ländern werden daher oft nur aufgrund einer vorangegangenen Entgleisung gefunden, und viele in Wirklichkeit auf den MCAD-Mangel zurückzuführende Todesfälle werden dort vermutlich nach wie vor fälschlicherweise mit dem Reye-Syndrom erklärt oder einfach nur als plötzlicher Kindstod (SIDS) diagnostiziert.
Schweregrade von Mutationen
Der Schweregrad einer ACADM-Mutation lässt sich nur grob einschätzen. Manche missense-Mutationen, von denen jeder Mensch vermutlich gleich ein paar in den verschiedensten Genen - auch dem ACADM-Gen - aufweist, sind so "gut" positioniert, dass sie zu überhaupt keiner feststellbaren Funktionseinschränkung des Enzyms führen (Polymorphismen, s.o.). Allerdings werden solche Kinder dann auch nicht im Screening gefunden. Andere Mutationen wiederum führen zu einem mehr oder weniger reduzierten Restnutzen des Gens. Während und nach der Proteinsynthese faltet sich das erzeugte Protein normalerweise an bestimmten Positionen und bildet eine genau definierte dreidimensionale Molekülstruktur, um dadurch als Enzym wirken zu können (Abbildung 1).
Einzelne missense-Mutationen können nun dazu führen, dass sich das Molekül an einer falschen Stelle oder im falschen Winkel faltet (Abbildung2). Das Resultat ist dann ein nicht voll funktionsfähiges oder instabiles Enzym, dessen Struktur möglicherweise im Zuge eines Infekts mit erhöhter Körpertemperatur kollabiert. Hierzu ist allerdings anzumerken, dass dies eine weitgehend hypothetische Annahme ist, da ein Strukturzerfall mit einhergehendem Aktivitätsverlust des Enzyms nur im Laborversuch mit deutlich über normalem Fieber liegenden Temperaturen festgestellt werden konnte. Die Beobachtungen zeigten, das ein MCAD-Enzym mit der im weiteren noch beschriebenen häufigsten K329E-Mutation dabei erst bei einer Temperatur von etwa 52°C seine verbleibende Aktivität zur Hälfte eingebüßt hat. Bei Vorliegen einer anderen selteneren Mutation (T168A) trat ein entsprechender Strukturzerfall aber bereits bei 41°C auf und nach ca 20 Minuten Inkubationszeit bei dieser Temperatur hatte das MCAD-Enzym seine Aktivität vollständig eingebüßt. Während eines normalen fieberhaften Infekts werden diese Körpertemperaturen aber nicht erreicht, so dass ein aufgrund der erhöhten Körpertemperatur eintretender Strukturzerfall des Enzyms als Auslöser einer Stoffwechselentgleisung weitgehend ausscheidet. Problematisch ist dagegen oft die den Infekt begleitende Appetitlosigkeit bei gleichzeitig erhöhtem Energiebedarf des Körpers.
Ausser den üblichen ACADM-Mutationen, die zu einer reduzierten MCAD-Aktivität führen, gibt es auch solche, die den Wirkungsbereich des Enzyms verändern. In diesem Bericht aus dem Jahr 1999 werden zwei nahezu identische ACADM-Mutationen verglichen. Die erste führt zu einer reduzierten Enzymaktivität, die sich jedoch über den gleichen Wirkungsbereich wie die Wildtyp-Variante erstreckt. Die zweite Mutation, die an der gleichen Genposition ansetzt und sich nur in Bezug auf den erfolgten Basenaustausch unterscheidet, weist ebenfalls eine deutlich reduzierte Restaktivität auf, aber verschiebt darüber hinaus den Wirkungsbereich des entstehenden Enzyms vom mittelkettigen in den langkettigen Bereich, so dass seine größte Aktivität nicht bei C8, sondern bei C14 und C16 auftritt. Ein Restnutzen bei C8 ist somit fast nicht mehr vorhanden.
Nonsense-Mutationen (Stop-Mutationen) führen, wie zuvor schon erwähnt, zu einem vollständigen Abbruch des Proteinaufbaus und die Schwere dieser Mutationen hängt vereinfacht ausgedrückt davon ab, wieviel DNA-"Programmcode" vor dem Abbruch noch ordnungsgemäß abgearbeitet werden konnte. Eine zu Beginn der Aminosäuren-Sequenz auftretende Stop-Mutation ermöglicht nur die Bildung eines extrem verkürzten Proteins. Befindet sie sich relativ weit hinten im Bereich des ACADM-Gens, kann das MCAD-Enzym aufgrund des fast vollständig gebildeten Proteins eine vergleichsweise hohe Restaktivität aufweisen. Eine absolut verlässliche Aussage über die tatsächlich zu erwartenden Auswirkungen einer solchen Mutation lässt sich aus diesen Erkenntnissen dennoch nicht ableiten.
MCAD-Mangel-Ausprägungen werden ganz grob in drei unterschiedliche Schweregrade unterteilt:
Schweregrad 1: die sogenannten "milden" Varianten. Diese wurden erst nach der Einführung des erweiterten Neugeborenenscreenings gefunden und zeichnen sich durch hohe Residualaktivitäten der MCAD-Enzyme, vergleichbar denen von reinen Carriern aus. Die im Acylcarnitin-Profil gemessenen Werte sind selbst in Krankheitszeiten und nach längeren Nüchternzeiten nur geringfügig erhöht. Bei dem Schweregrad 1 zugeordneten Varianten ist es fraglich, ob es sich dabei überhaupt um einen als solchen zu bezeichnenden MCAD-Mangel handelt. Da der letzte Beweis der Unbedenklichkeit aber schwer erbracht werden kann, werden auch diese Varianten in den meisten Stoffwechselambulanzen als "normaler" MCAD-Mangel behandelt.
Schweregrad 2: die sogenannten "intermediären" Varianten. Die Risikoeinschätzung dieser MCAD-Ausprägungen ist am kompliziertesten, da sich weder hinsichtlich der Screeningwerte, der Acylcarnitin-Profile, der Mutationen, der Residualaktivitäten noch sonstiger Kriterien eine eindeutige Tendenz in die milde oder in die schwere Richtung erkennen lässt. Die biochemischen Parameter, angefangen mit den Screeningwerten, liegen irgendwo in der Mitte zwischen den typischen milden und den typischen schweren Bereichen, die Residualaktivität des Enzyms wird ebenfalls im mittleren Bereich ermittelt. Größtenteils sind neue Mutationen beteiligt, die auch erst mit der Einführung des erweiterten Neugeborenenscreenings gefunden wurden.
Es gibt aber auch vereinzelte Berichte über Kinder mit erfolgter Entgleisung, deren biochemische Werte ansonsten im Vergleich mit den Werten von schweren Varianten deutlich besser waren, so dass sie von den beteiligen Ärzten als anscheinend "milderer", also nicht ganz so schwerer MCAD-Mangel eingestuft werden. Das ist aber eine hauptsächlich für die Ärzte interessante medizinische Spitzfindigkeit. Ganz allgemein kann man einen "intermediären" MCAD-Mangel in der Form beschreiben, dass es sich um keine der bekannten schweren Varianten handelt, jedoch die in allen Aspekten im mittleren Bereich liegenden Parameter ein eventuelles Risiko unter ganz bestimmten ungünstigen Umständen trotzdem als wahrscheinlich erscheinen lassen.
Schweregrad 3: die bekannten Risikovarianten. Hierzu zählt vor allem der klassische MCAD-Mangel (K329E homozygot), sowie eine Reihe weiterer Mutationskombinationen, die ebenfalls in der Vergangenheit mit Entgleisungsfällen dokumentiert wurden. Die beteiligten Mutationen führen zu gravierenden Schäden des MCAD-Enzyms, was sich auch durch extrem niedrige, quasi nicht vorhandene Residualaktivitäten bestätigt.
Vereinfacht ausgedrückt lässt es sich in folgender Form auf den Punkt bringen: Grad 1 - man weiß es nicht, geht aber davon aus, dass keine Gefährdung besteht; Grad 2 - man weiß es nicht, geht aber davon aus, dass eine Gefährdung bestehen könnte; Grad 3 - man weiß, dass eine Gefährdung besteht, da die beteiligten Mutationskombinationen bereits zu Entgleisungsfällen geführt haben.
Was ist eine Pseudohomozygotie?
In seltenen Fällen wird bei einem Kind scheinbar eine vorliegende Homozygotie für eine genetische Mutation gefunden, obwohl bei der Untersuchung seiner Eltern nur ein Elternteil diese Mutation aufweist, der andere Elternteil jedoch nicht. In solchen Fällen kann es sich um eine sogenannte Pseudohomozygotie handeln. Wie kommt diese zustande, bzw. wieso wird eine Mutation anscheinende homozygot gefunden, obwohl sie doch nur auf einer Genkopie vorliegt?
Genetische Mutationen werden z.B. dadurch gefunden, dass die in der untersuchten Probe enthaltenen DNA-Stränge, bzw. darin enthaltene zu überprüfende Bereiche, mittels des Verfahrens der Polymerase Chain Reaction (PCR) millionenfach vervielfältigt und danach in kurze Abschnitte zerstückelt werden. Danach kann - ganz vereinfacht ausgedrückt - mit der Waage bestimmt werden, in welcher Menge jeder dieser DNA-Abschnitte vorliegt. Auf der väterlichen und der mütterlichen Genkopie in gleicher Weise existierende Abschnitte werden dabei in "normaler" Menge gefunden. Dagegen findet man von Abschnitten, die sich in der mütterlichen und väterlichen Kopie unterscheiden, jeweils nur die halbe Menge. Wird bei einer solchen Messung eine Mutation nur in halber Menge gefunden (im Vergleich zu den Mengen der um den betreffenden Bereich herum liegenden Abschnitte), dann kann man davon ausgehen, dass diese Mutation nur heterozygot vorliegt. Wird sie aber in der gleichen Menge gefunden, wie die sie umgebenden und mit in die Analyse einbezogenen Abschnitte des DNA-Strangs, dann muss man davon ausgehen, dass diese Mutation auch auf beiden Genkopien existiert und somit homozygot vorliegt.
Es gibt allerdings auch genetische Spielweisen, in denen eine Mutation nur anscheinend in normaler Menge, also vermeintlich homozygot, vorliegt, in Wirklichkeit aber doch nur auf einer Genkopie existiert.
Eine dieser Spielweisen ist eine Sonderform der zuvor schon erwähnten cis-Stellung. Diese liegt vor, wenn durch einen genetischen Defekt ein ganzer Abschnitt eines Allels innerhalb eines Chromosoms verdoppelt wurde. Handelte es sich dabei ausgerechnet um den die Mutation enthaltenden Abschnitt, liegt diese Mutation zwar nur einseitig, aber nun ebenfalls doppelt vor und könnte bei einer molekulargenetischen Untersuchung daher auch nicht nur in halber, sondern in normaler Menge gefunden werden, was dann zunächst zur Annahme einer Homozygotie führen würde. Klarheit kann dann nur die genetische Untersuchung der Eltern schaffen. Findet man bei einem Elternteil ebenfalls beide Mutationen anscheinend homozygot, beim anderen Elternteil dagegen nichts, ist bewiesen, dass es sich um eine Pseudohomozygotie handelt. Der betreffende Elternteil und das Kind sind dann nur Carrier. Eine solche Doppelmutation kann wieder weiter vererbt werden, so dass es in der Bevölkerung neben den "normalen" Versionen des Gendefekts auch die Doppelvariante geben kann, ohne dass es sich dabei um eine die betreffende Stoffwechselstörung auslösende Homozygotie handelt.
Kommt für ein Kind im Neugeborenenscreening aber aufgrund deutlich erhöhter Acylcarnitinwerte ein MCAD-Verdacht auf, ist es nahezu ausgeschlossen, dass es sich bei einer danach homozygot gefundenen Mutation um eine der ohnehin extrem seltenen Pseudohomozygotien aufgrund einer Verdoppelung eines DNA-Abschnitts handeln könnte. Lediglich bei nur minimal erhöhten Acylcarnitinwerten, die von Beginn an eher auf einen Carrierstatus, als auf einen MCAD-Mangel hindeuteten, macht es Sinn, nach einer wider Erwarten gefundenen Homozygotie auch die Eltern hinsichtlich einer möglicherweise vorliegenden Pseudohomozygotie zu untersuchen. Passen dagegen alle vorliegenden Screeningwerte, Acylcarnitinprofile, Sequenzierungsergebnisse und sonstigen Beobachtungen ins Bild eines eindeutigen MCAD-Mangels, ist die Überprüfung einer Pseudohomozygotie unnötig. Ob es im Zusammenhang mit dem MCAD-Mangel überhaupt schon mal einen solchen Fall gegeben hat, ist zweifelhaft - zumindest nicht bezüglich der klassischen K329E-Variante.
Manchmal liegt ein mutierter Abschnitt des DNA-Strangs aber auch deshalb in normaler Menge und somit anscheinend homozygot vor, weil der gesamte vervielfältigte und zerstückelte Bereich der DNA nur von einer einzigen Genkopie (Vater ODER Mutter) herrührt, und es kein entsprechendes Vergleichsmaterial von der Genkopie des anderen Elternteils gibt. In diesem Fall handelt es sich um eine große Deletion, also Lücke auf der zweiten Genkopie, so dass alle hinsichtlich ihrer Menge gemessenen DNA-Stückchen in nur halber Menge vorliegen, dies aber als normale Menge erscheint, und die Mutation somit als Homozygotie angenommen wird. In einem solchen Fall handelt es sich zwar nicht um eine echte Homozygotie, aber trotzdem um einen echten MCAD-Mangel, da auch die zweite Genkopie aufgrund ihrer großen Deletion keine funktionsfähigen Enzyme produzieren kann.
Warum manchmal schon eine einzige Mutation auszureichen scheint
Der Umstand, dass in manchen Gensequenzierungen nur eine einzige Mutation (z.B. eine einzelne K329E) gefunden wird, obwohl die biochemischen Werte des Kindes deutlich auf einen MCAD-Mangel hinweisen, scheint im krassen Widerspruch zu der Aussage zu stehen, dass der Carrierstatus medizinisch ohne Relevanz ist, und ein solches Kind keinen MCAD-Mangel hat.
Um diesen scheinbaren Widerspruch auflösen zu können, muss man sich etwas näher mit den verschiedenen Methoden zur Analyse eines Gendefekts befassen. Es ist nun mal nicht so, dass man sich die im Erbgut eines Kindes enthaltenen, von Vater und Mutter geerbten Genkopien einfach mal unter dem Mikroskop Stück für Stück anschaut und dann sofort sieht, wo es Abweichungen vom Wildtyp gibt. Zur Analyse bedient man sich einer ganzen Reihe hochkomplizierter chemischer Verfahren, die jedes für sich genommen, für eine ganz bestimmte Analyseaufgabe entwickelt wurden. Je nach angewendetem Verfahren können bestimmte Arten von Gendefekten gefunden werden, andere aber nicht.
Die üblicherweise zur Mutationsbestimmung durchgeführte Form der Gensequenzierung kann z.B. keine Deletions detektieren. Deletions sind, wie oben beschrieben, kleinere oder größere Lücken innerhalb des DNA-Strangs, so dass im fortlaufenden Code eine einzelne oder auch mehrere zusammenhängende Basen fehlen. Es sind Fälle bekannt, in denen sich eine Deletion über mehrere Exons ausgedehnt hat. In der Gensequenzierung fand man zwar die häufige K329E-Mutation, jedoch nur heterozygot, denn die andere Genkopie wies an der Stelle die Wildtyp-Basensequenz auf. Die Untersuchung der anderen Exons brachte keine weiteren abweichenden Basensequenzen zutage. Es konnte mithilfe der Gensequenzierung jedoch nicht gezeigt werden, dass in der vom anderen Elternteil vererbten Genkopie eine riesige Lücke vom ersten bis zum sechsten Exon vorlag. Letztendlich kann die Gensequenzierung nur das sequenzieren, was auch da ist. Lücken auf einer Genkopie können nicht sequenziert werden, und daher lassen sich dann an diesen Stellen auch keine Abweichungen zur anderen Genkopie feststellen.
Nicht immer sind die Deletions so groß, aber auch kleinere Deletions werden meist erst gefunden, wenn man aufgrund des nicht zufriedenstellenden Ergebnisses der Gensequenzierung noch andere Verfahren, z.B. die aCGR (array-based Comparative Genomic Hybridization) anwendet. Dieses Verfahren taugt nun wiederum überhaupt nicht zur Feststellung und Benennung einzelner Mutationen, kann aber auf einer Art DNA-Zählbrett im Vergleich mit einer Referenz-DNA sehr genau aufzeigen, in welchen Bereichen die zu untersuchende DNA Deletions aufweist. Neuere Untersuchungen legen die Vermutung nah, dass es sich bei den manchmal mit der Gensequenzierung nicht auffindbaren zweiten Mutationen häufig um kleine oder größere Deletions handelt, denen man mit anderen Verfahren nachspüren müsste.
Solche weiterführenden Untersuchungen werden aber in den seltensten Fällen durchgeführt, denn sie sind ebenfalls sehr aufwändig, zeitintensiv und daher auch teuer. Für die MCAD-Diagnose reicht es den Uni-Kliniken in den meisten dieser ohnehin nur seltenen Fälle, wenn die biochemischen Werte einen MCAD-Mangel vermuten lassen, und dies durch die Auffindung wenigstens einer bekannten MCAD-Mutation unterstützt wird. Es muss dann zwar zwingend noch ein Defekt an der vom zweiten Elternteil beigesteuerten Genkopie existieren, aber die Suche danach wird in den meisten Fällen als nicht mehr notwendig angesehen.
Milde Verlaufsformen
Schon Mitte der 90er Jahren haben entsprechende Forschungen gezeigt, dass auch im compound-heterozygoten Fall, also beim Vorliegen zweier unterschiedlich mutierter Allele, das Prinzip "Funktion dominiert über Funktionsmangel" gilt. Die Mutation A mit der höheren Restleistung dominiert über die schwerwiegendere Mutation B, so wie das Wildtyp-Allel im rein heterozygoten Fall grundsätzlich über das mutierte Allel dominiert. Selbst wenn die schwerere Mutation B zu einer kompletten Funktionseinbuße des entstehenden Enzyms führen würde, wirkt sie sich in so einem Fall nicht aus, und die resultierende Form des MCAD-Mangels wird bei dem Patienten nur durch die mildere Mutation A bestimmt. In den Untersuchungen der vergangenen Jahre wurde deshalb festgestellt, dass bestimmte Mutationen eine harmlosere Ausprägung eines MCAD-Mangels erwarten lassen, als beispielsweise die klassische Variante K329E homozygot. Medizinisch wird dieser Zustand als "Non-Disease" (Nicht-Krankheit) bezeichnet. Fest macht man diese Vermutung vor allem daran, dass die den auffälligen Neugeborenen-Screenings folgenden Genanalysen inzwischen eine ganze Reihe Mutationen des ACADM-Gens aufgezeigt haben, die bislang nicht in Form einer Stoffwechselentgleisung in Erscheinung getreten sind, obwohl bei den gefundenen Mutationen oft K329E compound heterozygot beteiligt ist.
Zum Beispiel verursachen die Mutationen Y67H compound heterozygot mit K329E, G267R homozygot, S245L homozygot und weitere seltene Mutationen eine vermutlich milde (genauer: benigne = gutartige) Variante des MCAD-Mangels [Quelle]. Gerade bei den beiden zuletzt genannten Mutationen ist diese Einschätzung aber mit äusserster Vorsicht zu genießen, da diese Annahmen in beiden Fällen auf bisher jeweils lediglich einem einzigen untersuchten Fall eines Kindes mit zudem noch blutsverwandten Eltern zu beruhen scheinen. In compound heterozygoter Form ist zumindest die G267R in der weiter zurückliegenden Vergangenheit bereits mehrfach im Rahmen schwerer Entgleisungen zu Tage getreten.
Im Allgemeinen ist eine milde Form dadurch charakterisiert, dass zwar eine für den MCAD-Mangel typische deutliche Verringerung der Aktivität des MCAD-Enzyms messbar ist (unter 50% der Aktivität des Enzyms bei Personen ohne MCAD-Mangel), aber die im Screening ermittelten Werte C8:0 (Octanoylcarnitin) und C8:0/C10:0 (Verhältnis von Octanoylcarnitin zu Decanoylcarnitin), sowie weitere Sekundärparameter nur verhältnismäßig leicht über dem zugrunde gelegten Normbereich liegen. Besonders das Verhältnis von C8:0 zu C10:0 ist beim klassischen MCAD-Mangel normalerweise sehr groß (in einer niederländischen Studie ermittelte man dafür Werte zwischen 8,4 und 18,4, während die milden Ausprägungen nur zwischen 1,4 und 2,3 lagen).
Das medizinische Dilemma mit den milden Varianten
Das erweiterte Neugeborenenscreening auf eine Reihe zusätzlicher Stoffwechselstörungen ist genaugenommen nichts weiter als der Versuch einer frühestmöglichen Vorhersage über möglicherweise im weiteren Leben auftretende gesundheitliche Probleme. Ob diese vermuteten gesundheitlichen Probleme auch wirklich eintreten würden, ist nicht im Geringsten sicher. Aus den bisher untersuchten Fällen kann man nur eine Reihe von Indizien dafür ableiten, wie wahrscheinlich es ist, dass bei dem Neugeborenen ein behandlungsbedürftiger MCAD-Mangel vorliegt. Besonders beim Auffinden der als riskant bekannten Mutationskombinationen ist aufgrund der bisherigen Erfahrungen davon auszugehen, dass es ohne diese frühzeitige Erkennung und entsprechend ausgerichtete Behandlung, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit früher oder später zu einer Krankheitssituation mit einhergehender Stoffwechselentgleisung kommen würde. Die frühe Diagnose kann bezogen auf diese Kinder also durchaus als lebensrettend angesehen werden. Dem gegenüber steht die große Zahl der aufgrund der notwendigerweise sehr niedrigen Schwellwerte gefundenen, vermutlich milden Varianten. Diese stellen zwar sowohl genetisch, als auch enzymatisch betrachtet unbestreitbar einen "echten", d.h. im Labor biochemisch nachweisbaren MCAD-Mangel dar, in ihrer realen Ausprägung führen sie jedoch fast immer zu keinerlei spürbaren Einschränkungen im Leben eines betroffenen Menschen. Den Ärzten ist bewusst, dass die Mitteilung einer solchen, lediglich auf Laborwerten basierenden Diagnose, für das Kind und seine Familie mehr Nach- als Vorteile bringen kann, da es höchstwahrscheinlich selbst ohne die nun mal bereits erfolgte Frühdiagnose niemals in die Gefahr einer Entgleisung geraten würde. Wurde die Mitteilung über den vermutlich vorliegenden MCAD-Mangel jedoch erst einmal ausgesprochen, werden sowohl das Kind, als auch seine Eltern ihr Leben lang von dieser ständig über ihnen schwebenden Ahnung begleitet, die sich in verschiedenen Situationen zu einer starken psychischen Belastung ausweiten kann. Im Gegensatz dazu gibt es höchstwahrscheinlich unzählige Menschen in Deutschland und auf der Welt, die hervorragend mit ihrem milden MCAD-Mangel leben - ohne davon zu wissen und ohne sich die geringsten Gedanken darüber zu machen. Um dies anhand von ein paar angenommenen Zahlen zu verdeutlichen:
In Deutschland dürfte es aufgrund der derzeit angenommen Häufigkeit des MCAD-Mangels quer durch alle Altersgruppen zwischen 5500 und 8000 Menschen geben, die von dieser Stoffwechselstörung in ihrer milden oder normalen Ausprägung betroffen sind. Da das erweiterte Screening aber erst seit wenigen Jahren durchgeführt wird, wissen davon aber hauptsächlich nur diejenigen Kinder, die ab dem Jahr 2000 geboren wurden, und selbst damals wurde nur im Rahmen von Modellversuchen das Screening auf den MCAD-Mangel ausgedehnt. Bei einer durchschnittlichen Geburtenrate von rund 700.000 Kindern pro Jahr in ganz Deutschland, und somit zwischen 50 und 70 neuen MCAD-Fällen pro Jahr, wissen bis zum heutigen Tag also gerade mal 500 bis 700 Menschen, dass sie vom MCAD-Mangel (in milder oder normaler Ausprägung) betroffen sind. Unter den vor 2000 geborenen Deutschen wissen also - mit wenigen Ausnahmen - 5000 bis 7500 Personen gar nicht, an was sie im medizinischen Sinne eigentlich "leiden". Da man davon ausgehen muss, dass rund die Hälfte aller mit aktuellen Methoden aufgespürten Betroffenen die Risikovariante des MCAD-Mangels aufweist, wird es unter diesen früheren Jahrgängen viele Betroffene gegeben haben, die tatsächlich bereits in frühester Kindheit in Folge einer nicht als solche erkannten Stoffwechselkrise verstorben sind. Trotzdem bleiben immer noch mindestens 2500-3500 Personen mit unerkanntem milden MCAD-Mangel, die auch ohne dieses Wissen schon als Kleinkind sehr gut lebten und sich nicht die geringsten Gedanken darüber machen, wie lange sie nachts schlafen, oder was sie essen, oder wie lange die Pausen zwischen ihren Mahlzeiten sein dürfen.
Verschiedene Länder praktizieren hinsichtlich dieses Dilemmas unterschiedliche Herangehensweisen [Zschocke 2008,"Dominant vs recessive: Molecular mechanisms in metabolic disease"]. In manchen Ländern werden die Ergebnisse des Neugeborenen-Screenings sehr viel zurückhaltender behandelt und als mild angenommene Varianten den Eltern gegenüber auch deutlich weniger dramatisiert mitgeteilt. In anderen Länder herrscht eine generell größere Vorsicht, so dass dort annähernd alle im Screening aufgefundenen Varianten des MCAD-Mangels von Anfang an als gleichermaßen kritisch angesehen und entsprechend konsequent behandelt werden.
Wie sich eine milde Form im Leben eines davon betroffenen Menschen genau äussert, und ob das Risiko für eine Stoffwechselentgleisung tatsächlich deutlich geringer ist, als im klassischen Fall, ist zwar anzunehmen, aber noch nicht ausreichend erforscht. Entsprechende Studien werden z.B. in Deutschland nämlich schon alleine dadurch erschwert, dass hier die allgemeinen Empfehlungen genau wie bei den riskanten MCAD-Varianten dahin gehen, grundsätzlich größere Fastenperioden zu vermeiden. Momentan ist es aufgrund des medizinischen Kenntnisstandes einfach noch die klügere Entscheidung, sich auch hinsichtlich der milden Varianten auf der sicheren Seite zu bewegen - allerdings kommt man dann mit den diesbezüglichen Erkenntnissen natürlich auch nicht weiter, was letztlich auf Kosten der Kinder und ihrer Familien geht.
Aus dem Genotyp folgt nicht der Phänotyp!
Würde man die Gesamtheit der Gene eines einzelnen Lebewesens entschlüsseln, könnte man daraus theoretisch eine Liste der Merkmale erstellen, die bei ihm gemäß genetischer Programmierung vorliegen müssen. Die Gesamtheit dieser durch die Gene vorgegebenen Eigenschaften bezeichnet man als "Genotyp". Wie sich diese Eigenschaften bei dem Lebewesen aber tatsächlich ausprägen, wird durch alle möglichen Umwelteinflüsse während seiner Entwicklung beeinflusst.
Mit Umwelteinflüssen sind dabei nicht nur klimatische Bedingungen gemeint, sondern der gesamte Lebensraum, bzw die Lebensumstände des betreffenden Individuums. Natürlich wird es sich auf einen Menschen unterschiedlich auswirken, ob er am Nordpol, am Äquator oder mittendrin wohnt; ob er sich hauptsächlich von Fisch, Fleisch oder Gemüse ernährt; ob er sich täglich an einen reich gedeckten Tisch setzen kann oder ob er sich sein Essen mit großer körperlicher Anstrengung selbst jagen oder sammeln muss; ob er bei einer Erkrankung Medikament A, Medikament B oder gar keins bekommt. Es sind unzählige Einflüsse, die sich alle in irgendeiner Weise auf den Menschen als komplexen Organismus auswirken.
Diese Umwelteinflüsse sind aber nicht grundsätzlich negativ zu werten. Manche haben sicherlich schädliche Folgen, andere wiederum positive Auswirkungen. Wieder andere können weitgehend neutral bewertet werden. Die Gesamtheit aller dieser Einflüsse, die von Zeitpunkt der Zeugung an zeitlebens auf den Menschen einwirken, führen zu seiner ganz individuellen Ausprägung der genetisch programmierten Merkmale. Diese individuelle Ausprägung bezeichnet man als "Phänotyp". Z.B. haben eineiige Zwillinge zeitlebens den gleichen Genotyp, da bei ihnen alle genetischen Eigenschaften identisch sind, im Lauf der Zeit kann sich ihr Phänotyp aber deutlich unterscheiden - besonders dann, wenn sie in Umgebungen mit sehr unterschiedlichen Umweltbedingungen leben, bzw aufwachsen. Sie sind zwar nach wie vor deutlich als Zwillinge erkennbar, lassen sich aber anhand vieler individueller Merkmalsausprägungen unterscheiden. Man kann also von einem Genotyp ausgehend lediglich vage Vermutungen über den dazugehörigen Phänotyp anstellen, ihn aber nicht hundertprozentig genau vorhersagen.
Genau so verhält es sich den wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge auch mit der individuellen Ausprägung des MCAD-Mangels. Würde man mehrere (gleichaltrige) Kinder, die alle den gleichen Gendefekt (z.B. K329E homozygot) haben, über einen längeren Zeitraum hinweg beobachten, könnte man feststellen, dass sich der aus diesem Defekt resultierende MCAD-Mangel bei allen diesen Kindern in unterschiedlicher Weise ausprägt. Ein Kind übersteht Nachtnüchterheitsphasen von 12 Stunden grundsätzlich problemlos, bei einem anderen Kind würde sich schon nach 8 Stunden ein Energiemangel anbahnen. Ein in einer Gegend mit nachweisbar sauberer Luft lebendes Kind hat möglicherweise noch nie auch nur die leichtesten Anzeichen einer Unterzuckerung gezeigt, während ein in der Großstadt aufwachsendes Kind schon mehrfach aufgrund einer simplen Erkältung eine Glucose-Infusion benötigte.
Diese zuletzt genannten Situationen sind aber nur zur Verdeutlichung des Sachverhalts herangezogene Beispiele und keine nachgewiesenen positiven oder negativen Umwelteinflüsse. Fest steht jedoch, dass man genetisch festgelegte Merkmale nicht isoliert betrachten kann, sondern dass jeder Mensch das individuelle Gesamtresultat aus allen seinen Merkmalen und den auf ihn einwirkenden Einflüssen ist, so dass die phänotypische Ausprägung des MCAD-Mangels bei verschiedenen Kindern, selbst bei Geschwistern, trotz diesbezüglich gleichem Genotyp drastisch voneinander abweichen kann und wird. Auch die Ergebnisse regelmäßiger Blut- und Urinuntersuchungen können bei allen diesen Kindern stark unterschiedlich ausfallen. Selbst dann, wenn ein Kind eine lange bekannte und häufige ACADM-Mutation aufweisen sollte, müssen die behandelnden Ärzte diesem Umstand Rechnung tragen und dürfen nicht strikt nach Schema f vorgehen. Jedes Kind mit MCAD-Mangel sollte einer individuell abgestimmten Diagnose und Therapie zugeführt werden. Dies ist jedoch nur unser aller Wunschdenken - in der Realität werden oft alle Kinder nahezu gleich behandelt, egal welche Variante von MCAD-Mangel sie aufweisen und wie stark oder schwach er sich bei ihnen auswirkt.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich als Autor dieser Seiten größten Wert auf Korrektheit gelegt habe, aber ansonsten medizinischer Laie bin. Alle veröffentlichten Informationen wurden von mir anhand verschiedener verfügbarer MCAD-Broschüren, Merkblätter, Webseiten, Aussagen der Stoffwechselambulanz und sonstigen Erkenntnissen und Erfahrungen (eigenen und denen unserer Forumsteilnehmer) zusammengetragen. Das Lesen dieser Seiten darf aber auf keinen Fall den Besuch beim Arzt oder der Stoffwechselambulanz ersetzen, sondern soll lediglich dazu dienen, schon mal etwas besser über die ganze Thematik und Problematik Bescheid zu wissen!
3. Wie wird MCAD diagnostiziert
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Geschrieben von Wollachee
Das "erweiterte" Neugeborenenscreening
Eine erste Untersuchung erfolgt im Normalfall bereits kurz nach der Geburt. Am zweiten oder dritten Lebenstag wird dem Neugeborenen etwas Blut aus der Ferse entnommen und auf die Filterfelder einer Trockenblutkarte ("Guthrie"-Karte) getropft. Diese Karte wird mit den Daten des Kindes versehen und an das zuständige Screeningzentrum geschickt. Dort erfolgt die Analyse der im Blut enthaltenen Acylcarnitine mittels eines Verfahrens namens Tandem-Massenspektrometrie. Liegen die aus dem Trockenblut ermittelten Werte ausserhalb des definierten Normbereichs gesunder Probanden, ergibt sich daraus ein erster Verdacht. Zu diesem frühen Zeitpunkt stellt das Testergebnis aber wirklich noch keine verlässliche Diagnose, sondern lediglich einen Verdacht dar, der durch weitere Untersuchungen abgeklärt werden muss.
Das Screening ist ein kostengünstiger Schnelltest, nicht mehr. Es ist vergleichbar mit der Sicherheitskontrolle der Passagiere am Flughafen. Beim Durchschreiten des Metalldetektorbogens leuchtet oben ein rotes Licht auf, wenn der kontrollierte Passagier noch metallene Gegenstände am Körper bei sich trägt. Ob das aber ein in der Hosentasche vergessener harmloser Schlüsselbund ist, oder doch eine Waffe, ist anhand dieses Schnelltests nicht festzustellen, aber die Sicherheitskontrolleure werden durch das rote Licht darauf aufmerksam gemacht, dass nun noch einmal genauer hingeschaut werden muss. Genauso verhält es sich mit dem ersten Ergebnis des Screenings. Eine Diagnose wird daraus erst, wenn durch die zueinander passenden Ergebnisse aller weiteren und sehr viel genaueren Untersuchungen das Vorliegen des MCAD-Mangels zweifelsfrei bestätigt wird, oder zumindest mit sehr großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist.
Die hinsichtlich des Ausschlusses oder Auffindens eines MCAD-Mangels im Screening auf ihre Konzentrationen hin überprüften Acylcarnitine C6, C8, C10 und C12, sowie verschiedene Quotienten dieser Werte, sind - vereinfacht ausgedrückt - die an Carnitin gekoppelten, aus den Zellen abtransportierten mittelkettigen Fettsäurenreste mit 6er, 8er, 10er oder 12er Länge. Diese konnten aufgrund des MCAD-Mangels nicht verarbeitet werden und müssen nun aufgrund ihrer ansonsten toxischen Wirkung auf verschiedene Organe den Körper auf dem Weg über die Nieren unbedingt wieder verlassen. Überschreitet die Konzentration dieser Substanzen im Blut den zugrunde gelegten Normbereich, deutet dies darauf hin, dass die Verarbeitung der mittelkettigen Fettsäuren innerhalb der Zellen nicht vollständig funktioniert. Dies begründet dann den Verdacht auf einen vorliegenden MCAD-Mangel. Richtungsweisend ist hier primär der deutlich erhöhte C8-Wert.
Ein für den MCAD-Mangel typisches Acylcarnitinprofil sieht z.B. so aus:

zur Erläuterung: an der Größenachse stehen bewusst keine Zahlenwerte, da die Konzentration von C8 bei jedem MCAD-Patienten völlig unterschiedlich ausfallen kann. Auffällig ist aber grundsätzlich der gegenüber den umgebenden C6 und C10 deutlich hervorstechende Ausschlag der Messwerte beim C8 (Octanoylcarnitin). C6 und C10 sind üblicherweise auch nachweisbar erhöht und unterhalb von C6 finden sich nur noch sehr geringe Konzentrationen. Ein "normales" Acylcarnitinprofil hat dagegen sehr niedrige Werte bei C6, C8 und C10, während gleichzeitig ein sehr hoher Ausschlag bei C2 und ein leichter bei C4 existiert. Dies zeigt, dass die ursprünglich langkettigen Fettsäuren bereits nahezu vollständig in die 2er Kohlenstoffketten (Ketonkörper) aufgespalten wurden. |
Das Screeningzentrum übermittelt den Befund der Trockenblutkarte zurück an den Einsender - also die Person oder Einrichtung, welche für die "Betropfung" der Karte verantwortlich war. Dabei kann es sich um die Säuglingsstation des Krankenhauses, aber auch um den Kinderarzt oder um die von den Eltern alleine für die Geburtsbegleitung beauftragte Hebamme handeln. Diese müssen rund um die Uhr erreichbar sein, da sie danach für die sofortige Mitteilung des auffälligen Befundes an die Eltern des betreffenden Kindes verantwortlich sind. Üblicherweise werden Eltern nur dann informiert, wenn das Screening ein auffälliges und somit kontrollbedürftiges Ergebnis erbracht hat. Unauffällige Befunde gehen zwar auch zurück an den Einsender, werden den Eltern aber nur auf gezielte Nachfrage hin mitgeteilt. Haben sich Auffälligkeiten im Screening gezeigt, wird der Befund auch sofort an den von den Eltern benannten Kinderarzt weitergeleitet, mit dem man sich dann möglichst schnell zwecks Kontrolluntersuchung in Verbindung setzen sollte. Keine Panik! Solange das Kind gesund ist, und schon annähernd regelmäßig trinkt, macht es nichts, wenn sich dieser Termin noch um ein paar Tage verzögert. Nur die Nerven der zu dem Zeitpunkt üblicherweise noch sehr wenig oder sogar völlig uninformierten Eltern werden bis dahin möglicherweise schon auf eine harte Geduldsprobe gestellt.
Bitte nicht nachmachen!
Zur Durchführung einer Genanalyse bei einem Kind, zwecks Abklärung einer Stoffwechselstörung, ist das schriftliche Einverständnis der Eltern erforderlich. Leider gibt es doch immer wieder Eltern, die diese Zustimmung verweigern. Vielleicht fürchten sie sich vor der letzten Bestätigung der Diagnose und ziehen es deshalb vor, im Ungewissen zu bleiben: Man weiß es ja nicht wirklich, also hat das Kind auch nichts! "Alle meine Freunde und auch mein xyz-Arzt sagten mir doch immer, dass mein Kind vollkommen gesund aussieht!" ist vermutlich einer der häufigsten Sätze, den die Ärzte der Stoffwechselzentren dann irgendwann zu hören bekommen. Das ist das große Problem! Man sieht Kindern den MCAD-Mangel nicht an, sondern kann ihn nur durch aufwändige Untersuchungen nachweisen. Und selbst dann ist es noch ausgesprochen schwer, wirklich daran zu glauben, dass da tatsächlich etwas sein soll!
Messung der Enzymaktivität
Zur alternativen Kontrolle der Enzymfunktion gibt es z.B. den Hexanoyl-CoA-Substrat- oder Phenylpropionsäuretest. Weitere Verfahren sind z.Zt. in der Erprobung bzw. bereits in der Zulassungsphase. Ähnlich dem Zuckerbelastungstest, den manche Frau während der Schwangerschaft aufgrund des Verdachts auf einen Gestationsdiabetes machen lässt, wird damit getestet, ob vom kindlichen Organismus MCAD-Enzyme gebildet werden, bzw. wie groß deren Aktivität im Vergleich zu den Normwerten bei Kindern ohne MCAD-Mangel ist. Im Normalfall werden dann nämlich die von dem Kind zu schluckenden 25-50mg/kg Hexanoyl-CoA-Substrat oder Phenylpropionsäure durch das MCAD-Enzym aufgespalten. Besteht tatsächlich ein MCAD-Mangel, wird die Phenylpropionsäure an Glycin gekoppelt und im Urin als nachweisbares Phenylpropionglycin ausgeschieden.
Der Test wird für gewöhnlich morgens durchgeführt. Vor der Verabreichung der berechneten Dosis Phenylpropionsäure wird zunächst eine Vorher-Urinprobe genommen. Da die Testsubstanz einen unangenehmen Zimtgeschmack hat, kann sie in Tee eingerührt, oder z.B. auch mit etwas Marmelade vermischt werden. Danach darf das Kind ganz normal essen und trinken. Der Urin wird über einen Zeitraum von 6 bis 12 Stunden nach der Einnahme gesammelt und auf das Vorhandensein der entsprechenden organischen Säuren hin analysiert. Der Test wurde heute fast vollständig durch die Tandem-Massenspektrometrie abgelöst, da mit dieser äusserst sensibel eingestellten Analysemethode inzwischen schon mehrere "milde" MCAD-Varianten im Nachhinein diagnostiziert wurden, die bei einem zuvor durchgeführten Phenylpropionsäuretest unentdeckt geblieben waren.
Präzisere Testmethoden für die Feststellung der Restaktivität des MCAD-Enzyms werden zur Zeit in Deutschland z.B. im Klinikum der Unis Freiburg, Düsseldorf und Heidelberg an den dort betreuten MCAD-Patienten durchgeführt und weiterentwickelt. Anhand der gemessenen Enzymaktivitäten lässt sich oftmals relativ sicher zwischen milden und schweren Ausprägungen des MCAD-Mangels unterscheiden. Nach wie vor macht aber das Ergebnis für die meisten Stoffwechselärzte keinen Unterschied bzgl. der den Eltern empfohlenen Behandlungsweise des Kindes aus.
Manchmal kann auch die Kombination von Tandem-Massenspektrometrie (TMS) und anschließender Mutationsanalyse (s.u.) keine eindeutige Diagnose liefern, z.B. dann, wenn das Neugeborenenscreening anscheinend ein für den MCAD-Mangel typisches Acylcarnitinprofil aufweist, bei der anschließenden Gensequenzierung aber nur eine heterozygote Mutation gefunden werden kann und weitere Screenings ein sich zunehmend normalisierendes Ergebnis zeigen. In diesen widersprüchlichen Fällen sollte man als Eltern auf die zusätzliche Durchführung eines Enzymfunktionstests (s.o.) bestehen, denn nur damit kann dann wirklich festgestellt werden, ob MCAD-Enzyme gebildet werden, und was diese zu leisten in der Lage sind. Manche deutsche Ärzte halten diese weitere Abklärung zwar für überflüssig, für die betroffenen Eltern kann es aber sehr wichtig und vor allem beruhigend sein, endlich Klarheit über den Befund ihres Kindes zu bekommen - egal wie das Ergebnis am Ende ausfällt. In den Niederlanden ist die Messung der Enzymaktivität nach wie vor ein wichtiger Standard-Diagnoseschritt und wird üblicherweise gleich nach einem auffälligen Screeningbefund durchgeführt, noch bevor man nach irgendwelchen Mutationen des ACADM-Gens sucht.
Ganz allgemein führen auch rein heterozygote Mutationen bei rezessiv vererbbaren Enzymdefekten bereits zu einer deutlichen Aktivitätsminderung des betreffenden Enzyms. Im Vergleich zu der bei nicht betroffenen Personen messbaren "normalen" Aktivität liegt sie bei heterozygoten Carriern nur bei etwa 50-80%, je nach Schwere des jeweiligen Gendefekts. Diese verminderte Enzymleistung reicht aber vollkommen aus, so dass diese Menschen niemals Gefahr laufen, selbst eine Stoffwechselentgleisung zu erleiden. Das kommt daher, dass im Normalfall die meisten Enzyme im menschlichen Körper in einer Konzentration weit über dem tatsächlich benötigten Maß zur Sicherstellung eines ausgeglichenen Stoffwechsels vorliegen. Dadurch führt auch eine Aktivitätsminderung um 50% noch zu einem weitgehend völlig normalen metabolischen Durchlauf, der sich kaum von dem eines Menschen mit zwei Wildtyp-Allelen unterscheidet. Die dennoch bestehenden kleinen Unterschiede lassen sich nur mit aufwändigen Untersuchungsmethoden herausfinden, spielen im Leben des Carriers aber keine Rolle.
Viele falsch-positive Befunde beim Neugeborenenscreening
Aufgrund der hohen Sensitivität der TMS führt das Neugeborenenscreening jedoch auch sehr häufig zu einem vermeintlich auffälligen MCAD-Befund, der sich oft schon durch ein nach einigen Tagen erfolgendes Kontrollscreening mit dann unauffälligem Ergebnis als unbegründet herausstellt. Meist handelte es sich dabei um Verdachtsfälle, bei denen die im Erstscreening ermittelten Acylcarnitinwerte auch schon nur geringfügig über den zugrunde gelegten Normbereichen lagen.
Die Proben für das Neugeborenenscreening werden zu einem relativ frühen Zeitpunkt, etwa 36-72 Stunden nach der Geburt, abgenommen. Dies ist auch notwendig, da in dem Screening gleichzeitig noch eine ganze Reihe weiterer Stoffwechselstörungen getestet werden, für die später entnommene Blutproben keine ausreichende Diagnosegenauigkeit mehr erlauben würden. Da sich zu diesem Zeitpunkt ein beträchtlicher Anteil der Neugeborenen noch in einer deutlichen katabolen Stoffwechselsituation befindet, ist besonders die bei Carriern zu erwartende niedrigere MCAD-Enzymaktivität oft nicht ausreichend, um eine vollständig normale Fettsäuren-Homöostase aufrecht zu erhalten. Dadurch werden auch solche Kinder manchmal im ersten Screening (vereinzelt auch noch im Kontrollscreening) aufgrund leicht erhöhter Werte auffällig, obwohl bei ihnen kein MCAD-Mangel vorliegt, die Fettsäuren-Verarbeitung schon nach wenigen Tagen völlig normal ablaufen wird und vermutlich zu keinem Zeitpunkt die Gefahr einer Stoffwechselentgleisung besteht.
Da man aber zu diesem frühen Zeitpunkt eine zwar milde, aber trotzdem behandlungsbedürftige Variante des MCAD-Mangels als Ursache für leicht erhöhte Screeningwerte nicht sicher ausschließen kann, müssen alle diese Fälle in einem Zweitscreening, und bei weiterhin bestehendem Verdacht auch mittels einer molekulargenetischen Untersuchung abgeklärt werden.
Eigene Erfahrung:
Im Geburtsvorbereitungskurs wurden wir von unserer Hebamme davor gewarnt, dass die Säuglingsschwestern im Krankenhaus vermutlich sofort aufs Zufüttern mit der Flasche drängen würden, um ein schreiendes Kind nachts zur Ruhe zu bringen. Aufgrund der völlig anderen Saugeigenschaften eines Flaschenschnullers kann dies zu einem so frühen Zeitpunkt aber zu einer nur noch sehr schwer korrigierbaren Saugverwirrung führen, in deren Folge das eigentlich angestrebte vollständige Stillen des Kindes extrem erschwert wird. Statt dessen empfahl die Hebamme das Kind einfach öfter anzulegen. Diesem Rat folgend haben wir das von den Schwestern tatsächlich vehement geforderte Zufüttern konsequent abgelehnt. Unser Sohn wurde also von Anfang an nur gestillt und hat in den ersten drei Tagen, dem noch geringen Nahrungsangebot entsprechend, deutlich an Gewicht verloren.
Im Rückblick ist damit das knapp über dem Normbereich liegende Acylcarnitinprofil im NG-Screening erklärbar. Das Zusammenwirken des noch nicht eingespielten Stoffwechsels mit der stark katabolen Stoffwechsellage und der reduzierten MCAD-Enzymaktivität (aufgrund des inzwischen nachgewiesenen Carrier-Status) musste sich fast zwangsläufig in irgendeiner Weise äussern. Hätten wir dem Drängen der Schwestern nachgegeben und zugefüttert, wäre das Screeningergebnis in unserem Fall wahrscheinlich völlig unauffällig ausgefallen und wir hätten nicht aus unserer eigenen Initiative heraus eine 16-monatige Ärzteodyssee bis zur endgültigen Widerlegung der Erstdiagnose absolvieren müssen. Trotzdem sind wir nach wie vor sicher, alles richtig gemacht zu haben - immerhin entstand aus diesem Anlass auch diese Webseite!
Wie eine niederländische Studie (Artikel) über zwei Jahre zeigte, kann der beim Screening untersuchte C8:0-Wert (Octanoylcarnitin-Konzentration) zwischen dem ersten und dem zweiten Screening auch bei Vorliegen eines echten MCAD-Mangels beträchtlich absinken, jedoch bleibt z.B. der ebenfalls bestimmte Quotient C8:0/C10:0 (Verhältnis von Octanoylcarnitin zu Decanoylcarnitin) dann trotzdem auf einem deutlich erhöhten Wert. Damit lassen sich in den meisten Fällen die falsch-positiven Befunde (kein MCAD-Mangel) von den wahr-positiven Befunden (MCAD-Mangel) unterscheiden. Letzte Sicherheit kann aber oft nur die molekulargenetische Mutationsbestimmung bringen.
Besonders heterozygote Carrier ohne MCAD-Mangel fallen oft durch leicht erhöhte Screeningwerte auf!
In Hochrechnungen zufolge rund 70% der falsch-positiven Befunde handelt es sich um die zuvor schon beschriebenen Kinder mit zwar nachweisbarer, aber rein heterozygoter ACADM-Mutation. Auch dabei liefert das Neugeborenenscreening meist zunächst geringfügig erhöhte Acylcarnitin-Werte, jedoch sind diese Kinder lediglich Carrier, also Träger des Defekts - wie etwa jeder 60. Deutsche und auch wenigstens eines seiner Elternteile - aber haben selbst keinen MCAD-Mangel. Der rein heterozygote Carrierstatus ist ohne jegliche klinische Relevanz.
Es scheint jedoch ein selbst bei vielen Stoffwechselärzten verbreiteter Irrtum zu sein, dass bei rein heterozygotem Vorliegen eines MCAD-Gendefekts auch zwingend alle Screeningergebnisse unauffällig sein müssten. Der Gedankengang "Carrier haben keinen MCAD-Mangel, daher werden sie im Screening auch nicht gefunden! Wenn über dem Normbereich liegende Werte festgestellt werden, kann es sich daher nicht um einen Carrier mit heterozygotem und damit harmlosem Gendefekt handeln!" ist daher nicht zutreffend. Carrier können im Screening unauffällig sein, genausogut können sie aber auch mit leicht erhöhten Werten in die Gruppe der auffälligen Befunde geraten. Meistens haben sich die Werte im wenige Tage später folgenden Kontrollscreening bereits normalisiert, manchmal aber auch nicht.
Auf diese in grenzwertigen Fällen noch häufig bestehende Unsicherheit hinsichtlich der Deutung der mittels der TMS gefundenen Analyseergebnisse, wird im Artikel "Fragen über Fragen..." noch genauer eingegangen. An dieser Stelle soll aber festgehalten werden, dass sich ein großer Teil der (leicht) auffälligen TMS-Erstscreenings nach weiteren Untersuchungen als falscher Alarm herausstellt.
Im Abschlussbericht zum Modellprojekt zur Neuordnung des Neugeborenenscreenings in Bayern (Linkliste) wurde festgestellt, dass sich von den ursprünglich 107 auffälligen und kontrollbedürftigen MCAD-Befunden des Erstscreenings ganze 73 als falsch-positiv herausstellten. Bei 34 Kindern bestätigte sich der ursprüngliche Verdacht anhand weiterer Untersuchungen. Der sich aus dem Screening ergebende positive Vorhersagewert bzgl. des tatsächlichen Vorliegens eines MCAD-Mangels lag dieser Studie zufolge bei ca 32%. Im Gegenzug besteht daher eine große Chance, dass sich der beim NG-Screening aufgekommene MCAD-Verdacht noch als unbegründet herausstellt.
In den meisten dieser sich als falsch-positiv herausstellenden Fällen dürfte es sich um Carrier-Kinder handeln. Dies kann jedoch nur vermutet werden, da es bei diesen Kindern - mit sehr wenigen Ausnahmen - gar nicht erst zu einer molekulargenetischen Untersuchung kommt, in der der rein heterozygot vorliegende Gendefekt festgestellt werden könnte.
Die in vielen Publikationen erwähnte verschwindend geringe Prozentzahl der im Screening gefundenen falsch-positiven MCAD-Verdachtsfälle rührt daher, dass diese Fälle in Statistiken meist in Relation zur Gesamtanzahl aller gescreenten Neugeborenen gesetzt werden und nicht nur zu denjenigen, bei denen das Screening den Verdacht auf einen MCAD-Mangel überhaupt erst hat aufkommen lassen. Wie bei allen Statistiken muss man immer ganz genau darauf achten, was die betreffende Aufstellung ausdrücken soll. Die Zuverlässigkeit des Screening ist insgesamt sehr groß, denn es werden bei ca 700.000 pro Jahr gescreenten Kindern weniger als 0,02% falsch-positive MCAD-Verdachtsfälle aufgestellt. Dies bedeutet aber nicht, dass ein aufgekommener MCAD-Verdacht mit fast 100%iger Wahrscheinlichkeit zutreffend ist, sondern dass bei "nur" etwa 140 dieser 700.000 Kinder (0,02%) der MCAD-Verdacht fälschlicherweise gemeldet wurde. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass das NG-Screening insgesamt aber ohnehin nur etwa 200 MCAD-Verdachtsfälle (ca 0,03%) aufgebracht hat, ist auf diese bezogen die Anzahl der falsch-positiven Fälle nun doch wieder als sehr groß zu betrachten.
Klassifizierung des Screeningergebnisses
Genaugenommen liefert die Analyse des Acylcarnitinprofils erst einmal nur eine Reihe von Zahlen, die in ihrer Gesamtheit interpretiert werden müssen. Wegweisend für die Diagnose eines MCAD-Mangels ist zwar ein deutlich erhöhter C8-Wert, jedoch existieren dafür möglicherweise auch andere Gründe. Z.B. kann es auch bei völlig MCAD-freien Frühgeborenen im Zuge der künstlichen Ernährung zu einem Ansteigen des C8-Levels kommen, da die speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Nahrung oftmals einen hohen Anteil mittelkettiger Fettsäuren (MCT-Fette) enthält.
Die sichere Feststellung, ob ein Kind nun tatsächlich einen MCAD-Mangel aufweist, nur Carrier ist, oder die auffälligen Werte eine andere Ursache haben könnten, ist eine komplizierte Angelegenheit. Die Spannbreite der bisher im NG-Screening gefundenen auffälligen C8-Werte ist auch bei gleichen genetischen Mutationen sehr groß und zwischen den verschiedenen Gruppen, in die man die verschiedenen Fälle unterteilen könnte, gibt es gewisse Überlappungsbereiche. Damit ist sowohl die Unterscheidung zwischen normalen und milden MCAD-Ausprägungen, als auch zwischen milden Ausprägungen und Carrieren oder überhaupt nicht Betroffenen, die nur aufgrund der MCT-haltigen Ernährung auffällig Werte zeigen, oft sehr schwer.
Schon seit einigen Jahren suchen und testen die Wissenschaftler aus dem Acylcarnitinprofil ableitbare Merkmale, anhand derer sich ein MCAD-Mangel bereits im NG-Screening möglichst früh und sicher erkennen lassten sollte. Da erhöhte Level bei C6, C8, C10 usw. unter Umständen auch aus ganz anderen Gründen auftreten und im Zuge der regelmäßigen Nahrungsaufnahme nach einigen Tagen auch bei Vorliegen eines MCAD-Mangels deutlich absinken können, greift man dabei vor allem auf Verhältniswerte zwischen einzelnen Acylcarnitinkonzentrationen zurück und hofft, bei der Eintragung dieser Quotienten in ein Diagramm bestimmte Muster auszumachen, die jederzeit eine möglichst sichere Klassifizierung ermöglichen. Anhand einer größeren Anzahl untersuchter MCAD-Fälle mit nachgewiesenen genetischen Mutationen kann man dann beispielsweise ein solches Diagramm aufstellen:

Anhand dieses Diagramms fällt dann z.B. auf, dass sich alle untersuchten Fälle mit zwar compound heterozygoten Mutationen, aber gleichzeitig nur gering erhöhten C8-Werten (offene Dreiecke), in Kombination mit dem C8/C10-Quotienten zu einer Wolke im linken unteren Bereich formen, während die nachgewiesenen K329E homozygot-Fälle (blaue Quadrate) auch bei relativ niedrigen C8-Werten ein dennoch großes C8/C10-Verhältnis aufweisen. Die dazwischen liegenden compound heterozygoten Varianten mit deutlich auffälligen biochemischen Werten (geschlossene Dreiecke) können anhand dieses Diagramms je nach Lage mehr den bekannten Risikovarianten oder den vermutlich milderen Ausprägungen zugerechnet werden.
Während das C8-Level alleine noch keine Klassifizierung zulässt, kann man unter Hinzunahme des C8/C10-Quotienten eine genauere Unterteilung vornehmen. Andere Verhältniswerte werden ebenfalls untersucht und verwendet, jedoch scheint hinsichtlich der Diagnose des MCAD-Mangels - insbesondere der riskanteren Varianten - hauptsächlich C8/C10 hilfreich zu sein, die anderen Quotienten können dem Experten aber in den trotzdem noch möglichen Grenzfällen zu weiteren Absicherung der Diagnose dienen.
Vorsicht bei Fastentests!
Gerade dann, wenn wie beim MCAD-Mangel eine Krankheit nur aufgrund irgendwelcher auffälliger Laborwerte diagnostiziert wird, und sich bei dem Kind keinerlei äusserlich sichtbare Auffälligkeiten finden lassen, fällt es den Betroffenen verständlicherweise zunächst sehr schwer, auch tatsächlich an diesen Befund zu glauben, denn der hoffnungsvolle Gedanke "vielleicht wirkt es sich bei meinem Kind ja ganz anders aus" bleibt lange, wenn nicht gar für immer bestehen. Oft ist die Abklärung des Befundes in der Klinik auch nicht so umfangreich und hieb- und stichfest, wie man es sich als Eltern wünscht. Trotzdem sollte an den "Extremtest", also das Kind gezielt hungern zu lassen, um zu beobachten, ob und was mit ihm nach einigen Stunden passiert, nicht einmal gedacht werden! Wenn überhaupt, liese sich das nur unter ärztlicher Aufsicht in der Stoffwechselklinik mit vollständig vorbereiteten Notfallmaßnahmen durchführen und selbst damit könnte nicht hundertprozentig garantiert werden, dass die Stoffwechselentgleisung am Ende noch rechtzeitig gestoppt und das Kind gerettet werden könnte - und dies, ohne dass es bleibende Schäden davonträgt.
Eine wissenschaftliche Veröffentlichung aus dem Jahr 2002 (Fatty acid oxidation disorders, P.Rinaldo, D.Matern) fordert als sicheren Beweis eines milden MCAD-Mangels zuerst die Feststellung einer normalen klinischen und labormedizinischen Reaktion auf langes Fasten von mindestens 24 Stunden. Erst dann könne bei dem betreffenden Patient, bzw. der vorliegenden Mutationskombination, von einer milden Variante ausgegangen werden. Da man jedoch nie ausschließen kann, dass ein solcher Versuch nicht doch in einer akuten metabolischen Krise endet, verzichten die meisten Ärzte trotz des vorliegenden Verdachts einer milden Variante auf eine entsprechende weiterführende Abklärung der Diagnose und behandeln diese Patienten wie bei Vorliegen eines normalen MCAD-Mangels, selbst wenn es bei ihnen auch ohne Behandlung vielleicht niemals zu einer Stoffwechselentgleisung kommen würde.
Als Mittel zur Feststellung, ob bei einem Kind tatsächlich ein MCAD-Mangel vorliegt - oder vielleicht doch keiner? - ist dieses Fasten-Verfahren strikt abzulehnen und wird vermutlich auch von keinem Arzt in Erwägung gezogen.
Trotzdem kann es vorkommen, dass den Eltern eines vom MCAD-Mangel betroffnen Kindes von ihrer SA ein Austesten der noch "sicheren" maximalen Mahlzeitenabstände vorgeschlagen wird. Mittels kontinuierlicher Kontrolle der Blutzuckerkonzentration und sichtbarer klinischer Symptome soll dabei festgestellt werden, nach welcher Zeitspanne ohne Nahrungsaufnahme die Zuckerreserven der Leber aufgebraucht sind und der Blutzuckerspiegel in kritischer Weise abfällt. Eine entsprechende niederländische Studie an MCAD-Patienten im Alter von 2,5 Monaten bis 20 Jahren hat gezeigt, dass sich in rund 20% der Tests klinische Symptome zeigten, noch bevor eine Unterzuckerung festgestellt werden konnte. Dies läßt sich damit erklären, dass der Körper bereits zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt mit der Mobilisierung der Fettreserven beginnt, um die vollständige Entleerung der Glycogenvorräte zu verhindern, oder wenigstens möglichst weit hinauszuzögern. Während einer längeren Hungerphase ist ein normaler Blutzuckerspiegel folglich kein Beweis dafür, dass noch alles "im grünen Bereich" ist, denn es kann sich schon längst eine katabole Stoffwechsellage eingestellt haben. Eltern, denen solch ein Austesten empfohlen wird, sollten daran denken, dass sie diesem Vorschlag keineswegs zustimmen müssen, und sie selbst es sind, die letztlich die Verantwortung für ihr Kind und die eventuellen Folgen eines solchen Versuchs zu tragen haben werden.
Auch dient so ein Fastentest mehr zur Generierung statistischer Daten, als zur tatsächlichen Feststellung, wie lange die Nahrungspausen bei einem Kind wirklich sein dürfen. Denn auch wenn während eines unter ärztlicher Aufsicht stattgefundenen Tests eine verlängerte Nüchternphase von z.B. 10 Stunden, statt der möglicherweise noch empfohlenen 8 Stunden ohne Auswirkungen blieb, bedeutet dies nicht, dass man sich auf dieses Einzelergebnis grundsätzlich verlassen kann. Wie lange die im Körper vorhandenen Kohlenhydrate tatsächlich ausreichen, hängt von vielen, zahlenmäßig nicht genau erfassbaren Faktoren ab, z.B. wieviel Kohlenhydrate das Kind bei der letzten Mahlzeit zu sich genommen hat, ob es während der betreffenden Zeitspanne aktiv ist oder schläft, und ob es gesund ist, oder ob sein Körper einen mehr oder weniger starken Infekt bekämpfen muss, der vielleicht noch gar nicht als solcher deutlich erkennbar ist.
Die Aussagekraft von Blutzuckermessungen beim MCAD-Mangel
Das Hauptrisiko beim MCAD-Mangel besteht zwar aus der sich aufgrund einer massiven Unterzuckerung entwickelnden Unterversorgung der wichtigsten Organe, aber aus den im letzten Abschnitt genannten Gründen ist auch die regelmäßige tägliche Kontrolle des Blutzuckerspiegels eine völlig überflüssige Maßnahme und führt zu nichts - ausser zu einer erhöhten Stressbelastung des Kindes und der Eltern. Zeigt ein Kind jedoch plötzlich ein auffälliges und besorgniserregendes Verhalten, sollten die Eltern trotzdem sofort den Blutzucker kontrollieren und zu diesem Zweck bereits über ein entsprechendes Gerät verfügen, welches von der SA oder vom Kinderarzt verschrieben werden kann und von einem Fachmann (z.B. in einer Apotheke) für die korrekte Anzeige niedriger Blutzuckerwerte geeicht werden muss - standardmäßig sind solche Geräte nämlich für die zuverlässige Ermittlung zu hoher Blutzuckerwerte bei Diabetikern eingestellt und im niedrigen Bereich ungenau. Ein bereits deutlich erniedrigter Blutzuckerspiegel wäre dann als Hinweis auf einen absoluten Notfall und höchste Eile zu werten, so dass die Eltern sich nicht mal mehr selbst mit dem Kind auf den Weg in die Klinik begeben, sondern besser sofort den Notruf 112 wählen sollten.
Doch auch bei einem unauffälligen Messergebnis sollte man folgendes unbedingt beachten: der Blutzuckerspiegel kann bei der Messung völlig normal erscheinen, obwohl die Entgleisung schon in vollem Gange ist und das Kind bereits entsprechende klinische Symptome, wie z.B. Apathie zeigt. Als Eltern muss man in einer solchen Situation unbedingt auf das eigene Bauchgefühl hören und darf sich nicht auf Apparate verlassen. Das Blutzuckermessgerät kann eine laufende Entgleisung zwar eventuell beweisen, jedoch niemals widerlegen! Die heimische Messung des Zuckerwertes erlaubt keine verlässliche Aussage hinsichtlich des tatsächlichen metabolischen Status des Kindes und führt aufgrund der u.U. zum Zeitpunkt der Messung noch normal erscheinenden Werte möglicherweise sogar dazu, dass man sich viel zu spät auf den Weg ins Krankenhaus macht. Umgekehrt können bei regelmäßiger täglicher Kontrolle aber auch ganz normale und unkritische Schwankungen des Blutzuckerspiegels schon zu starker Besorgnis der Eltern und somit zu einem ständig erhöhten, aber völlig unnötigen Stresslevel führen.
Ein Mitglied hat im Forum von dem negativ zu bewertenden Erlebnis berichtet, dass sie beim ersten Besuch ihrer nächstgelegenen Stoffwechselambulanz lediglich mit einer Verschreibung für Carnitin-Sirup und für ein Blutzuckermessgerät (verbunden mit der Anweisung täglich mehrmals zu messen), aber ohne jegliche weitere Untersuchungen zur Abklärung der Diagnose nach Hause geschickt wurde. In solchen Situationen, in denen man als Eltern zu Recht das Gefühl hat, weitgehend im Regen stehen gelassen zu werden, sollte man sich nicht scheuen, zukünftig auch den längeren Weg zu einem anderen Stoffwechselzentrum auf sich zu nehmen. Da sich die regelmäßigen Untersuchungen und die Notwendigkeit der kurzfristigen Behandlungen in schwierigen Krankheitssituationen über viele Jahre erstrecken werden, sollten die Eltern ihrem zuständigen Arzt gegenüber Vertrauen haben können, oder zumindest überzeugt sein, dass er bzgl. des MCAD-Mangels weiß wovon er redet.
Die molekulargenetische Analyse
Wurde der Verdacht auf einen MCAD-Mangel durch ein zweites Screening erhärtet, erfolgt üblicherweise eine Untersuchung des Erbguts hinsichtlich einer Mutation im zuständigen ACADM-Gen. Wen die genaue Funktionsweise der Proteinsynthese anhand des genetischen Codes der DNA interessiert und was eine Mutation innerhalb eines Nukleobasen-Tripletts dabei anrichtet, kann es im Artikel "Weiterführende Informationen zu bekannten MCAD-Mutationen " nachlesen. An dieser Stelle würde das Thema jedoch zu weit führen.
Ganz simpel ausgedrückt, muss man sich aber ein Chromosom als einen in lauter Schleifen verschlungenen DNA-Faden vorstellen. Dieser Faden ist eine Art langes Computerprogramm, welches in seinen einzelnen Abschnitten (den Genen) den notwendigen Programmcode zur Herstellung verschiedener Bausteine, z.B. von Enzymen enthält. Ein Computerprogramm macht allerdings nur dann genau das, was es soll, wenn sein Programmcode von der ersten bis zur letzten Zeile fehlerfrei durchlaufen werden kann. Ein Programmierfehler innerhalb dieses Codes führt zu einem der allseits bekannten und ungeliebten Abstürze. Genau so verhält es sich auch mit dem Gen, welches für die Bildung des MCAD-Enzyms zuständig ist. Durch eine Mutation auf molekularer Ebene wird gewissermaßen ein einziges falsches Zeichen in den betreffenden Programmcode eingeschmuggelt, welches entweder zum vollständigen Absturz führt, so dass der Körper nicht in der Lage ist, das Enzym zu bilden, oder aber in der Bildung eines nicht voll funktionsfähigen MCAD-Enzyms resultiert. Dabei ist es relativ egal, an welcher Stelle der Fehler in den Programmcode eingebaut wird - er führt in jedem Fall zum Absturz oder zum Fehler. Dies erklärt, weshalb inzwischen eine ganze Reihe unterschiedlicher Mutationen als Verursacher des MCAD-Mangels identifiziert wurden - auch wenn es sich in den meisten Fällen um die bekannte K329E Mutation handelt. Allerdings läßt sich auch bei Patienten mit K329E homozygot meist noch eine geringe - und für den MCAD-Mangel typische - Enzymaktivität feststellen, die jedoch im Ernstfall nicht ausreicht, um das Gehirn während einer längeren Hungerphase mit der benötigten Energie zu versorgen.
Das ACADM-Gen besteht aus 12 Exons, die häufigste Mutation K329E befindet sich an der Position 985 in Exon 11 (daher auch die Bezeichnung 985A>G) und besteht in einer Veränderung von Adenin zu Guanin, welche im MCAD-Enzym einen Aminosäurenaustausch von Lysin zu Glutamat und damit einen drastischen Einbruch der Enzymaktivität bewirkt. Üblicherweise starten die Labore die Sequenzierung des Gens daher in Exon 11. Nur wenn an dieser bekannten Stelle keine, oder nur eine heterozygote Mutation existiert, wird die Suche auf alle restlichen Exons ausgedehnt.
Nach Auskunft eines Screeningzentrums wird für gesetzlich krankenversicherte Patienten generell das gesamte Gen sequenziert. Bei privat versicherten Patienten dagegen beschränkt sich die molekulargenetische Untersuchung anscheinend zunächst auf die Suche nach der häufigsten Mutation in Exon 11. Soll das vollständige Gen sequenziert werden, ist dafür die Zustimmung des das Kind betreuenden Arztes erforderlich, da gegenüber vielen privaten Versicherungen zwecks Kostenübernahme die unbedingte Notwendigkeit einer solchen Untersuchung begründet werden muss. Sehen Arzt oder in zweiter Instanz die Krankenkasse dies nicht als notwendig an, kann es sein, dass die Suche nach den verantwortlichen Mutationen auf Exon 11 beschränkt bleibt und im Ergebnis unter Umständen keine, oder zumindest keine zweite für den vermuteten MCAD-Mangel verantwortliche Genmutation aufgespürt wird.
Sollte das Screening nur grenzwertige Acylcarnitinwerte aufgewiesen haben, sollte man sich als Eltern in so einem Fall genau überlegen, ob man sich mit der dann oft trotzdem gestellten Diagnose MCAD-Mangel abfindet, oder entsprechende Anstrengungen für eine weitergehende Abklärung unternimmt.
Um noch eine genauere Lagebeschreibung zu liefern: das ACADM-Gen selbst befindet sich auf dem kurzen Arm von Chromosom 1 an Position 31, und umfasst die Basenpaare 75.962.869 bis 76.001.770. Es hat somit eine Länge von fast 39.000 Basenpaaren, in denen bei der molekulargenetischen Untersuchung der eine Codierungsfehler gefunden werden muss, der für die Fehlbildung des MCAD-Enzyms verantwortlich ist. Allerdings haben nur 1263 dieser Basen eine codierende Bedeutung. Alle anderen befinden sich auf Introns, die während der zur Bildung des Emzyms ablauenden "Translation" aus dem Code entfernt werden, oder auf sonstigen nicht-codierenden Bereichen. Trotzdem können auch auf diesen Introns liegende Mutationen unter gewissen Umständen negative Auswirkungen auf die korrekte Enzymbildung haben.

An Position 199 in Exon 3 liegt eine weitere häufige Mutation (199T>C), die einen Austausch von Tyrosin zu Histidin bewirkt und für die etwa jeder 500. Mensch Carrier ist. Diese und viele weitere Mutation wurden bisher jedoch ausschließlich bei im NG-Screening (leicht) auffälligen Kindern gefunden und nie bei Patienten mit erfolgter Stoffwechselentgleisung.
Weitere Untersuchungen anhand von Blut und Urin
Neben der molekulargenetischen Untersuchung kann der Arzt noch weitere Blut- und Urinanalysen veranlassen. Leider hat sich auch dabei noch kein einheitliches Verfahren etabliert und von Stoffwechselzentrum zu Stoffwechselzentrum unterscheidet sich stark, welche Untersuchungen als sinnvoll erachtet und durchgeführt werden. Ein Arzt gibt sich mit einer gefundenen Genmutation zufrieden und verzichtet auf jede weitere Untersuchung, da sie ihm überflüssig erscheinen. Ein anderer Arzt läßt aus Blut und Urin eine Reihe weiterer Parameter bestimmen, um sich ein umfassenderes Bild über das zu erwartende Ausmaß einer möglichen Stoffwechselentgleisung machen zu können. Zum Beispiel werden dabei der Blutzucker, der Säure-Basen-Status, die Leberfermente und eine Reihe weiterer Blutwerte bestimmt. Die Untersuchung der organischen Säuren im Urin ist diagnostisch nur sehr eingeschränkt nützlich. Dabei findet man unter Umständen - nicht immer - eine erhöhte Konzentration von Adipinsäure, Suberin- und Sebacinsäure sowie der Glycinkonjugate Hexanoylglycin und Suberylglycin. Die alleinige Untersuchung der organischen Säuren kann somit nicht als Bestätigungsdiagnostik dienen, jedoch liefert sie u.U. ein weiteres ins Bild passende Puzzleteil.
Anmerkung:
Hinsichtlich der Aussagekraft und Verlässlichkeit dieser zusätzlichen Untersuchungen gibt es unterschiedliche Auffassungen. Ursprünglich folgte an dieser Stelle der Satz:
"Im Gegenzug kann man aber auch mit einem völlig unauffälligen Befund in diesen zusätzlichen Unterschungen, einen in den Screenings gefundenen und bestätigten MCAD-Mangel nicht mehr diagnostisch ausschließen, denn wenn das Kind zum Zeitpunkt der Blut- und Urinprobe vollkommen gesund ist, also eine ausgeglichene Stoffwechsellage hat, werden auch die Analyseergebnisse völlig normal erscheinen."
Richtig ist, dass es aufgezeichnete Fälle von (jugendlichen und erwachsenen) MCAD-Patienten gibt, bei denen - trotz bereits nachgewiesener K329E homozygot-Mutation - die Urinuntersuchungen keinerlei erhöhte Konzentrationen der oben genannten organischen Säuren aufzeigten. Insofern taugt ein allein in diesen Untersuchungen ermitteltes unauffälliges Ergebnis nicht, um einen bisher nur rein auf Trockenblut-Screenings basierenden MCAD-Verdacht sicher zu entkräften. Entscheidend ist das Resultat der molekulargenetischen Untersuchung, das in Einzelfällen auch noch ggf. durch eine Enzymaktivitätsuntersuchung unterstützt werden sollte. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn die Screeningwerte sehr deutlich auf einen vorliegenden MCAD-Mangel hinweisen, aber trotzdem nur eine einzige Mutation gefunden wird.
Gegen die uneingeschränkte Korrektheit der zweiten Satzhälfte ("...wenn das Kind zum Zeitpunkt der Blut- und Urinprobe vollkommen gesund ist, also eine ausgeglichene Stoffwechsellage hat, werden auch die Analyseergebnisse völlig normal erscheinen.") sprechen aber die Erfahrungen einiger Forumsteilnehmer, bei deren Kindern mit zweifelsfrei diagnostiziertem MCAD-Mangel bei allen Tests (sowohl den weiteren Trockenblutkarten, als auch den Blut- und Urinuntersuchungen) immer die für den MCAD-Mangel charakteristischen Substanzen in deutlich erhöhter Konzentration gefunden wurden - trotz aktuell ausgeglichener Stoffwechsellage.
Von einigen Ärzten werden auch weitere Kontrollen mittels Trockenblutkarten als unnötig angesehen, da nach ihrer Auffassung bei gut ernährten und gesunden Kindern nur noch unauffällige Screening-Ergebnisse zu erwarten seien und zusätzliche Kontrollen nach den ersten Lebenstagen des Kindes daher keinen Sinn machten.
Gerade bezüglich dieser in Frage gestellten Aussagekraft von Trockenblutkarten nach den ersten Lebenstagen eines Kindes, wurde im Forum von einem Fall berichtet, bei dem ein im NG-Screening wegen leicht erhöhter Werte vermuteter MCAD-Mangel, aufgrund eines erst nach 6 Monaten durchgeführten zweiten Screenings mit unauffälligem Ergebnis mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen wurde. Auch ein möglicherweise bereits bei den Eltern vorliegender MCAD-Mangel wird von einigen SAs anhand eines unauffälligen Trockenblutkarten-Befundes diagnostisch ausgeschlossen, während diese Analysemethode in anderen SAs als für Erwachsene untauglich und nicht aussagekräftig angesehen wird.
Vom Screening Zentrum Hessen erfolgte auf eine diesbezüglich Anfrage hin die folgende Antwort:
"MCAD-Defekte lassen sich im Trockenblut nicht nur nach der Geburt nachweisen, sondern auch später. [..] Die charakteristischen Veränderungen der Primärparameter (C8, C6, C10 und C10:1) sowie der Sekundärparameter (C8/C2, C8/C6, C8/C10, C8/C12, C8/16 etc.) lassen sich lebenslang nachweisen."
In der Monatsschrift "Kinderheilkunde" (2006 · 154:1231–1244, DOI 10.1007/s00112-006-1425-1, Online publiziert: 7. November 2006, Springer Medizin Verlag 2006) wurde diese Problematik im Artikel "Störungen der Fettsäureoxidation" behandelt und folgendermaßen beantwortet:
"Für den VLCAD-Mangel hat sich in einzelnen Fällen gezeigt, dass aufgrund des Anabolismus nach Ablauf der ersten Lebenstage das Acylkarnitinprofil am Ende der ersten Lebenswoche nicht mehr ausreichend diagnostisch wegweisend ist. Dies hat zu einem unauffälligen Zweitscreening trotz Vorliegen eines VLCAD-Mangels geführt. Es ist daher hinsichtlich der Störungen der Fettsäurenoxidation extrem wichtig, das Neugeborenenscreening während des empfohlenen Abnahmezeitpunkts zwischen der 48. und 72. Lebensstunde durchzuführen und nicht später." (Dieser Text ist in der beim Kindernetzwerk zu bestellenden Sammlung an MCAD-Artikeln zu finden, siehe Linkliste)
Da der MCAD-Mangel im gleichen Abschnitt wie der VLCAD-Mangel behandelt, aber in diesem Zusammenhang nicht erwähnt wird, scheint es sich tatsächlich um eine ausschließlich beim VLCAD-Mangel, und auch dort nur sehr selten auftretende Problematik zu handeln, die bei der Diagnostik des MCAD-Mangels bisher noch nicht beobachtet werden konnte.
Unser Appell an alle Stoffwechselzentren: Einigen Sie sich bitte auf eine einheitliche Sicht- und Vorgehensweise!
Wie sieht es mit dem Risiko für die Eltern und die Geschwister aus?
Die Eltern eines vom MCAD-Mangel betroffenen Kindes müssen gemäß der Vererbungslehre beide zwingend zumindest heterozygote Träger (Carrier) eines mutierten Allels sein. Als Carrier sind sie asymptomatisch, haben selbst also keinen MCAD-Mangel und stehen somit auch nicht in der Gefahr, eine Stoffwechselentgleisung zu erleiden.
Trotzdem sollte eine genetische Überprüfung oder zumindest die Prüfung des Acylcarnitinprofils sicherheitshalber auch bei den Eltern erfolgen, denn die von einem Kinderarzt gemachte Aussage: "Dass sie hier vor mir stehen, zeigt bereits, dass Sie selbst keinen MCAD-Mangel haben können, denn sonst hätten Sie vermutlich gar nicht bis jetzt überlebt!" ist zwar aufgrund der tatsächlich extrem geringen Wahrscheinlichkeit für einen solchen Fall schon als beruhigendes Indiz, aber keineswegs als sicherer Beweis zu werten! Bereits seit 1986 gibt es immer wieder medizinische Publikationen, die von zwar asymptomatischen, jedoch homozygoten Elternteilen mit echtem, klassischem MCAD-Mangel berichten. Da vor der Einführung der Tandemmassenspektrometrie nur sehr wenige Mutationen des ACADM-Gens überhaupt bekannt waren, beziehen sich diese Berichte sogar fast immer auf die Hochrisikovariante K329E. Wird diese Mutation bei einem Kind gefunden, sollten die Eltern ebenfalls genau untersucht werden, da in einigen Fällen auch bei wenigstens einem Elternteil ein echter MCAD-Mangel vorliegen könnte, der zum Glück noch nicht in Form einer Entgleisung oder sonstiger Symptome in Erscheinung getreten ist. Natürlich können die Eltern auch andere ACADM-Mutationen homozygot oder compound heterozygot aufweisen.
Auch Geschwisterkinder, die vor der Einführung des erweiteren Neugeborenenscreenings auf die Welt kamen und bisher symptomfrei blieben, müssen unbedingt hinsichtlich eines möglichen MCAD-Mangels untersucht werden. Für sie besteht ebenfalls ein 25%-Risiko, von ihren Eltern jeweils das Chromosom mit dem defekten Gen geerbt zu haben. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% sind sie nur asymptomatische Carrier, doch auch das sollten sie im Hinblick auf ihre zukünftigen eigenen Kinder wissen. Die Kontrolle der Geschwister sollte auch dann stattfinden, wenn sich herausstellt, dass das gescreente Neugeborene doch nur einen heterozygoten Defekt hat, und "lediglich" Carrier ist.
Problematisch und fast unmöglich zu entdecken sind natürlich die Fälle, in denen ein in den letzten paar Jahren geborenes Kind die beiden normalen Allele seiner Eltern abbekommen hat und im Screening somit kein MCAD-Defekt nachweisbar war, sein älteres Geschwisterkind jedoch vor der Einführung des erweiterten NG-Screening geboren wurde und sein echter MCAD-Mangel daher noch unentdeckt blieb. In den Erfahrungsberichten auf der amerikanischen Selbsthilfe-Website www.fodsupport.org rufen daher viele Eltern dazu auf, unbedingt auch ältere Kinder notfalls auf eigene Kosten per Screening nachtesten zu lassen, da der MCAD-Mangel ihrer eigenen Kinder erst entdeckt wurde, als es schon zu spät war. Niemand von ihnen hatte zuvor irgendetwas geahnt, geschweige denn etwas vom MCAD-Mangel gehört.
Kostenübernahme der genetischen Untersuchung der Eltern durch die Krankenkassen
Gerade was die Durchführung der oben empfohlenen molekulargenetischen Untersuchung der Eltern eines Kindes mit MCAD betrifft, gibt es innerhalb der deutschen Uni-Kliniken zwei völlig konträre Ansichten. Während einige Einrichtungen diese für die weitere Diagnose durchaus wichtige Untersuchung den Eltern generell vorschlagen, wird sie in anderen Kliniken mit der Begründung abgetan, der damit verbundene Aufwand und die Kosten seien zu hoch und schließlich ändere sich damit auch nichts mehr am MCAD-Befund des Kindes. Daher sei die elterliche Genanalyse absolut nicht notwendig und würde folglich von den Krankenkassen auch nicht bezahlt.
Diese Aussage ist jedoch nicht zutreffend! Grundsätzlich gilt für alle monogenetisch (= nur von einem einzigen Gen ausgehend) bedingten Erbkrankheiten, zu denen auch der MCAD-Mangel gehört, dass sowohl die molekulargenetische Untersuchung des Kindes, als auch die der Eltern, ein gängiger und ganz selbstverständlicher Diagnoseschritt ist, der daher von dem behandelnden Arzt auch sehr einfach und plausibel gegenüber den Krankenkassen begründbar ist und von diesen bei Vorlage einer solchen ärztlichen Begründung üblicherweise völlig problemlos übernommen wird.
Ein wesentliches Argument ist beispielsweise, dass man im Hinblick auf eventuell noch folgende Kinder wissen sollte, wie groß deren Risiko ist, ebenfalls den MCAD-Mangel zu erben, damit sich die Eltern und das Krankenhauspersonal darauf einrichten können, um bereits für die ersten Tage nach der Geburt alle notwendigen Maßnahmen zur Sicherstellung einer ausreichenden Ernährung zu ergreifen. Gerade bei compound heterozygoten Mutationen ergibt die Untersuchung der Eltern nämlich möglicherweise, dass das Kind den Gendefekt nur von einem Elternteil geerbt und den MCAD-Mangel erst aufgrund einer zufälligen spontanen Mutation auf der zweiten Genkopie ausgebildet hat. Die Gefahr, dass sich so ein Fall wiederholt, wäre somit sehr gering.
Zudem könnten sich Paare mit stark erhöhtem Risiko der Weitervererbung (wenn z.B. ein Elternteil selbst homozygot ist) dazu entschließen, die Familienplanung vorzeitig abzuschliessen. Auch wenn das Risiko der erneuten Vererbung des MCAD-Mangels keinen Grund darstellen sollte, auf weitere Kinder zu verzichten, wäre dies auf jeden Fall ein schlüssiges und unwiderlegbares Argument zur Begründung der Notwendigkeit der genetischen Untersuchung der Eltern.
Sollte der behandelnde Arzt trotzdem auf einer ablehnenden Haltung beharren, könnte es angebracht sein, bei einer anderen Stoffwechselklinik eine zweite Meinung einzuholen, bzw. dort um eine diesbezügliche weitere Abklärung zu ersuchen.
Die Entstehungsgeschichte des erweiterten Neugeborenenscreenings
Seit 2005 ist das erweiterte Screening endlich in ganz Deutschland Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen. Damit war Deutschland das weltweit erste Land, welches das erweiterte Screening anhand der Tandem-Massenspektrometrie zum gesetzlichen Versorgungsstandard machte. Die Durchführung des Screenings erfordert aber nach wie vor die unterschriebene Einverständniserklärung der Eltern, und leider lehnen immer noch einige Eltern diese Untersuchung aus den verschiedensten Gründen ab.
Seit der bundesweiten Einführung des erweiterten Neugeborenenscreenings im Jahr 2003 werden statistische Daten über die Häufigkeit der zusätzlich geprüften Stoffwechselstörungen erhoben. Kinder mit angeborenem MCAD-Mangel bilden unter den statistisch erfassten Neugeborenen mit Enzymdefekten der Fettsäurenoxidation noch die größte Gruppe. Als Beispiel sei das Jahr 2004 genannt, in dem 705.622 Kinder geboren und gescreent wurden. Darunter wurden 72 Kinder gefunden, die eine dieser getesteten Fettsäurenoxidations-Störungen aufwiesen. Mehr als die Hälfte dieser Kinder, nämlich 47, wiesen einen MCAD-Mangel auf. In Bezug auf die Gesamtanzahl der geborenen Kinder ergab sich für 2004 somit eine relative Häufigkeit von etwa 1:15000 [Quelle: Monatsschrift Kinderheilkunde 2006, Springer Medizin Verlag]. Um einen Vergleich zu früher aufzustellen: Vor der Einführung des erweiterten Neugeborenenscreenings wäre ein MCAD-Mangel nur bei 16 bis 20 dieser 47 Kinder gefunden worden - und dann frühestens zu dem Zeitpunkt, wenn sie mit schwersten Krankheitssymptomen auf der Notfallstation des Krankenhauses eingeliefert worden wären.
Wie sind die Prozentangaben für die Häufigkeiten verschiedener Mutationen zu verstehen?
An dieser Stelle müssen die Prozentangaben für die Häufigkeit des Auftretens bestimmter bekannter Mutationen noch einmal genauer beleuchtet werden, da sich diese Angaben für die bei der Geburt gescreenten Kinder und diejenigen Kinder, deren MCAD-Mangel erst nach einer ersten Stoffwechselentgleisung festgestellt wurde, drastisch unterscheiden. In medizinischen Publikationen ist häufig zu lesen, dass die prävalente Mutation K329E (985A>G) homozygot in rund 80% aller Fälle vorliegt. Dieser Wert stammt jedoch aus der Zeit vor der Aufnahme des MCAD-Mangels in das Neugeborenenscreening. Die Zahl wurde anhand der Fälle bestimmt, bei denen der MCAD-Mangel erst nach einer akuten Stoffwechselentgleisung diagnostiziert wurde und bezieht sich somit ausschließlich auf Kinder, die nicht frühzeitig gescreent wurden. Gleiches gilt für die Aussage, dass in 18% der weiteren Fälle K329E compound heterozygot mit einer anderen Mutation als Verursacher des MCAD-Mangels identifiziert wurde.
Bezogen auf die Gesamtheit der gescreenten Kinder, bei denen ein MCAD-Mangel bereits kurz nach der Geburt gefunden wurde, liegt der Anteil von K329E homozygot nur bei etwa 35%, wie eine bayerische Langzeitstudie über 5 Jahre gezeigt hat. Somit läßt sich bereits ein deutlicher Rückschluss auf den Nutzen des erweiterten Neugeborenenscreenings ziehen. Denn nur etwa ein Drittel aller vom MCAD-Mangel betroffenen Kinder weist die Mutation K329E homozygot auf, aber in fast allen früher erfassten Fällen, bei denen es aufgrund eines unbekannten MCAD-Mangels zu einer oftmals sehr folgenschweren Stoffwechselentgleisung kam, war diese Mutation homozygot oder compound heterozygot beteiligt. Man findet heutzutage also noch eine Menge anderer ACADM-Mutationen, die einen nachweisbaren MCAD-Mangel verursachen, gleichzeitig in den meisten Fällen aber einen milden, bzw. milderen Verlauf vermuten lassen, da sie noch nie im Zusammenhang mit Stoffwechselkrisen in Erscheinung traten. Die Langzeitstudie ergab, dass durch die frühzeitige Screening-Diagnose mit darauf folgender entsprechender Behandlung und Begleitung durch Stoffwechselexperten und dank der gleichzeitig erhöhten Wachsamkeit der Eltern im Krankheitsfall des Kindes, das Auftreten einer Stoffwechselentgleisung bisher in fast allen Fällen verhindert werden konnte.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich als Autor dieser Seiten größten Wert auf Korrektheit gelegt habe, aber ansonsten medizinischer Laie bin. Alle veröffentlichten Informationen wurden von mir anhand verschiedener verfügbarer MCAD-Broschüren, Merkblätter, Webseiten, Aussagen der Stoffwechselambulanz und sonstigen Erkenntnissen und Erfahrungen (eigenen und denen unserer Forumsteilnehmer) zusammengetragen. Das Lesen dieser Seiten darf aber auf keinen Fall den Besuch beim Arzt oder der Stoffwechselambulanz ersetzen, sondern soll lediglich dazu dienen, schon mal etwas besser über die ganze Thematik und Problematik Bescheid zu wissen!
4. Medizinische Behandlung
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Geschrieben von Wollachee
Auch wenn der MCAD-Mangel aufgrund des angeborenen Gendefekts unheilbar ist, hat sich ein davon betroffenes Kind immerhin noch eine der besseren Varianten möglicher Stoffwechselstörungen ausgesucht. "Besser" deshalb, weil erstens der MCAD-Mangel inzwischen im erweiterten Neugeborenenscreening routinemäßig getestet wird und sich zweitens nach der Feststellung auch sehr gut und sehr einfach behandeln läßt.
Die Behandlung dieser Stoffwechselstörung ist aber nicht als Therapie mit dem Ziel der Heilung zu verstehen. Das Kind ist auch nicht im eigentlichen Sinne am MCAD-Mangel erkrankt, sondern normalerweise sogar völlig gesund. Erkrankt das Kind aber an einem fieberhaften Infekt oder an einem Magen-Darm-Virus, führt das Vorliegen des MCAD-Mangels dazu, dass diese akute Krankheit einen dramatischeren Verlauf nehmen kann, als es bei einem nicht vom MCAD-Mangel betroffenen Kind gleichen Alters der Fall wäre. Gefährlich ist dabei wiederum nicht der Infekt an sich, sondern die den Infekt oftmals begleitende Appetitlosigkeit. Verweigert ein Kind während einer schlapp machenden Krankheit für längere Zeit die Nahrungsaufnahme, schaltet der Stoffwechsel für gewöhnlich auf Abbau (Katabolismus) der im Körper gespeicherten Fettreserven um und kann dadurch das entstehende Energiedefizit über einen längeren Zeitraum kompensieren. Nicht so bei einem Kind mit MCAD-Mangel. Aus seinem Körperfett kann, wie im Kapitel "Was ist der MCAD-Mangel eigentlich?" beschrieben, nur ein Teil der normalen Menge der zur Versorgung des Gehirns benötigen Ketonkörper gewonnen werden. Da somit in verstärktem Umfang auf die "eiserne Reserve" in Form der Glykogenspeicher in der Leber zurückgegriffen werden muss, kann sich nach deren vollständigem Abbau bei dem Kind ein kritischer Abfall des Blutzuckerspiegels (Hypoglykämie) einstellen.
Vermeidung von Hungerphasen
Die Behandlung des MCAD-Mangels besteht also vordringlich in der Verhinderung einer katabolen Stoffwechsellage, so dass das Kind möglichst gar nicht erst in eine Phase kommt, in der sein Körper auf einen über längere Zeit verstärkten Abbau der Reserven umschaltet.
Unter normalen Umständen besteht da überhaupt keine Gefahr. Die gefürchtete Stoffwechselentgleisung kommt nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Wenn das Kind regelmäßig und in ausreichender Menge zucker- oder stärkehaltige Nahrung zu sich nimmt, sind immer genügend Kohlenhydrate da, aus denen die für die Organe benötigte Energie gewonnen werden kann. Sind die Abstände zwischen den Mahlzeiten aber deutlich zu groß, oder ist die aufgenommene Essensmenge, bzw. deren Nährstoffgehalt viel zu gering (siehe dazu auch den Info-Artikel "kleine Ernährungsschule"), oder ist der Energiebedarf des Körpers aufgrund der Bekämpfung eines Infekts stark erhöht, kann sich eine katabole Stoffwechsellage ergeben.
Was die angesprochenen maximalen Abstände zwischen den Mahlzeiten und besonders die nächtlichen Nahrungspausen betrifft, gibt es unterschiedliche Aussagen - je nachdem, an welches Stoffwechselzentrum man gerät. Die Bandbreite der bisher gehörten Aussagen reicht von "Das Baby muss grundsätzlich spätestens alle zwei Stunden gestillt werden - auch nachts!. Wenn es schläft, muss es dann halt geweckt werden!" bis zu "Wenn es abends gut getrunken hat, kann es danach ruhig schon mal sechs Stunden durchschlafen. Da besteht überhaupt keine Gefahr!".
Die zuerst genannten extrem kurzen Fütterungsabstände sind - wenn überhaupt - nur während der ersten paar Tage nach der Geburt sinnvoll, wenn die Muttermilch noch nicht in großen Mengen fließt. Allerdings sollten Neugeborene zwecks Förderung des Milcheinschusses ohnehin sehr häufig angelegt werden. Wenn es dann aber regelmäßig eine gewisse, wenn auch vielleicht anfangs noch kleine Menge Milch zu sich nimmt, macht dieser "alle-zwei-Stunden"-Terror absolut keinen Sinn mehr und das Kind darf auch einfach mal in Ruhe etwas länger schlafen.
Folgende Tabelle zeigt nur eine mögliche, aber sehr sinnvolle Empfehlung:
Alter |
maximale Nüchternzeit, also max. Mahlzeitenabstand |
|
nachts |
tagsüber | |
Neugeborene | 3 Stunden | 3 Stunden |
Säuglinge < 3 Monate | 3-4 Stunden | 4 Stunden |
Säuglinge 3 bis 6 Monate | 4-6 Stunden | |
Säuglinge > 6 Monate | 6-8 Stunden | |
1 Jahr - 3 Jahre | 8-10 Stunden | |
4 - 99 Jahre | 10-12 Stunden |
Tabelle 1: Eine mögliche Staffelung der maximal empfohlenen Nüchterntoleranzzeiten
Im Gegensatz zu anderen Nüchternzeiten-Tabellen sind hier keine festen Stufen genannt, sondern Zeitbereiche, und dies aus einem ganz einfachen Grund: Es ist für betroffene Eltern nämlich gar nicht so einfach, monatelang peinlich genau auf die Einhaltung von z.B. maximal sechs Stunden Nüchernzeit in der Nacht zu achten, und dann von einem zum nächsten Tag plötzlich auf acht Stunden gehen zu dürfen. Warum mussten es gestern noch sechs Stunden sein, und heute sind es schon acht? Schließlich ist das Kind nur einen Tag älter geworden, aber hat von gestern auf heute keinen riesigen Entwicklungssprung durchgemacht! Hätten es dann nicht gestern auch schon acht Stunden sein dürfen, bzw. sind die heutigen acht Stunden nicht doch noch zu lang?
Die grobe zeitliche Staffelung (z.B. in der Milupa-Broschüre), die eigentlich der Vereinfachung dienen soll, führt bei vielen Eltern zu größerer Verunsicherung. Zum einen ist man natürlich froh, in der Nacht endlich etwas länger schlafen zu dürfen (falls das Kind selbst dabei mitspielt), zum anderen sind die zwei zusätzlichen Stunden maximale Nüchternzeit für manche Mutter oder Vater auch erstmal wieder zwei Stunden, während derer man sich über längere Zeit hinweg immer wieder Sorgen macht, ob dem Kind in dieser nun so viel längeren Zeit nicht doch was passieren könnte. Aus diesem Grund enthält obige Tabelle auch keine festen Stufen, sondern Bereiche, in denen man sich seine zum aktuellen Zeitpunkt passenden Zeiten aussuchen kann. Wer sich am ersten Tag des siebten Monats noch nicht emotional auf die dann seitens mancher Stoffwechselexperten als unbedenklich eingestuften acht Stunden einlassen mag, macht halt erst einmal mit sechs Stunden weiter, oder erhöht das Zeitlimit Monat für Monat schrittweise um eine halbe Stunde, bis er dann nach vier Monaten erst bei acht Stunden ankommt. Genauso bei den anderen Zeitspannen! Niemand zwingt einen, direkt zum ersten Geburtstag des Kindes die nächtliche Nüchternphase auf genau 10 Stunden auszudehnen. Es handelt sich um maximale Mahlzeitenabstände, früher geht immer und ist meistens auch besser und sicherer. Man kann ohne Probleme auch weiterhin bei maximal acht Stunden bleiben, wenn man sich damit sicher fühlt und einen Rhythmus gefunden hat, mit man selbst und auch das Kind gut zurechtkommt. Auch eine Nachtmahlzeit kann man - wenn sie erst einmal als fester Bestandteil des nächtlichen Schlafs eingeführt ist, auf Dauer beibehalten, selbst wenn bis dahin erst fünf bis sechs Stunden vergangen sind, und das Kind laut Empfehlung der Ärzte "unter normalen Bedingungen" auch bis zum nächsten Morgen durchschlafen dürfte.
Eigene Erfahrung:
Unser erster Stoffwechselarzt gehörte zu der "Mit drei Monaten sind sechs Stunden kein Problem"-Fraktion und vertrat den situationsorientierten Ansatz. Soll heißen: Wenn sich das Kind den Tag über und bei der letzten Mahlzeit rundum satt getrunken hat, könnten wir uns den Wecker in der Nacht ruhig mal sechs Stunden weiter stellen. Wären wir bzgl. seiner Trinkmenge aber im Zweifel, sollten wir den Wecker halt nur vier oder fünf Stunden weiter stellen. Wir haben uns in seinem dritten Monat für einen maximalen nächtlichen Mahlzeitenabstand von fünf Stunden entschieden, da wir feststellen mussten, dass uns die Steigerung auf sechs Stunden zu diesem Zeitpunkt noch zu große Unruhe und einen schlechten Schlaf bereitet hat. Denn eines darf man bei all dem nicht vergessen: Auch für die Eltern sollte die Nacht ein klein wenig Erholung bringen. Unter dem Gesichtspunkt können zu kurze Schlafphasen ebenso schädlich sein, wie zu lange, die man nicht geniessen kann.
Die Empfehlungen der verschiedenen Stoffwechselzentren können an diesem Punkt deutlich voneinander abweichen. Während einige Ärzte eine maximale Nüchternphase bis zu 12 Stunden in der Nacht für unbedenklich halten, endet diese maximale Ausbaustufe für andere Experten schon bei 10 Stunden, und zwar lebenslang. Es entspricht übrigens nicht den Tatsachen, dass die Notwendigkeit der Beachtung dieser maximalen Mahlzeitenabstände, wie in der Milupabroschüre dargestellt, mit einem Alter von sieben Jahren endet. Manche nur unzureichend informierte Ärzte leiten daraus nämlich ihre nicht zutreffende (!) Aussage gegenüber den Eltern ab, dass der MCAD-Mangel ab Erreichen des Schulalters keine nennenswerte Rolle mehr spiele. Dies ist nicht der Fall! Auch Jugendliche, Erwachsene und sogar Senioren können noch in schwere Stoffwechselkrisen geraten, wenn die Nüchternzeiten aus welchen Gründen auch immer zu lange ausgedehnt werden. Es kommt nicht oft vor, aber es sind genügend derartige Fälle bekannt.
Ein weiterer von vielen Ärzten, die vielleicht selbst gerade mal die Milupa-Broschüre kennen, noch falsch verstandener und somit gegenüber den Eltern auch immer noch falsch vertretener Punkt ist der, dass die für die Nacht geltenden langen Zeiten auch für den Tag zulässig seien. Während der Körper eines Menschen in der Nacht aber auf absoluter Sparflamme läuft, verbraucht er während des Tages deutlich mehr Energie. Spätestens dann, wenn ein Baby tagsüber nicht mehr nur auf dem Rücken liegt, sondern aktiv seine Umwelt erkunden will, ist sein Energiebedarf viel höher, als während des Schlafs. Deshalb dürfen auf keinen Fall die für die Nacht geltenden sechs, acht oder mehr Stunden auch auf die Mahlzeitenabstände des Tages angewendet werden, sondern es muss zur Sicherheit nach spätestens vier Stunden eine kohlenhydratreiche Zwischenmahlzeit oder ein kleiner Snack eingenommen werden, um die fortwährende Versorgung mit "frischen" Kohlenhydraten sicherzustellen.
Maltodextrin
Die Zeiten mit ungenügender Nahrungsaufnahme sind also die Situationen, in denen durch die Eltern, oder eventuell sogar durch die Ärzte des Stoffwechselzentrums gegengesteuert werden muss. Nimmt das Kind nicht genügend Kohlenhydrate durch die reguläre Nahrung auf, müssen ihm diese zusätzlich verabreicht werden. Im einfachsten Fall geschieht dies durch die Eltern, die dem Kind über den Tag verteilt immer wieder mit Kohlenhydraten angereicherte Getränke zu trinken geben. Die Energieanreicherung erfolgt durch die Zusetzung von Maltodextrin-Pulver.
Bei Maltodextrin handelt es sich um ein aus Maisstärke gewonnenes Gemisch verschiedener leichtverdaulicher Zuckerarten und es besteht, wie sich aus der Bezeichnung schon ableiten lässt, in der Hauptsache aus Maltose (Malzzucker) und Dextrose (Traubenzucker). Dextrose ist eine andere Bezeichnung für Glukose und ist ein sogenannter Einfachzucker. Maltose ist dagegen ein Doppelzucker, setzt sich aus jeweils zwei Dextrosebausteinen zusammen und muss demzufolge vor der Verwertung zunächst aufgespalten werden.
Erkundigt man sich in der Apotheke nach Maltodextrin, hat man die Wahl zwischen mehreren verschiedenen Ausführungen. Es gibt Maltodextrin-6, Maltodextrin-12 und Maltodextrin-19 als pulverförmigen Nahrungsmittelzusatz zu kaufen. In der enthaltenen Energiemenge unterscheiden sich diese drei Varianten fast nicht. Es handelt sich immer um reine Kohlenhydrate mit einem Energiegehalt von ca 390kcal pro 100g Pulver. Alle drei Varianten sind annähernd geschmacksneutral und haben so gut wie keine Süßkraft. Trotzdem gibt es kleine aber feine Unterschiede, und eine sich daraus ergebende unterschiedlich gute Verträglichkeit!
Auskunft eines Herstellers:
Alle diese Maltodextrine werden ungefähr gleich schnell resorbiert, da der ernährungsphysiologische Unterschied nicht allzu groß ist. Aus praktischen Gründen wird für die Überbrückung von Krankheitsphasen bei MCAD-Kindern jedoch das Maltodextrin 6 empfohlen, da es in größeren Mengen besser löslich ist und man eine geringere Trinkmenge benötigt. Außerdem ist es ganz geschmacksneutral. Maltodextrin 19 schmeckt leicht süß.
Die Zahl hinter dem Maltodextrin gibt den Dextrose-Äquivalent-Wert an, der besagt wie weit eine Stärke in ihre Bestandteile aufgeschlossen wurde. Je weiter eine Stärke und also auch ein Maltodextrin aufgeschlossen sind (also Dextrose-Äquivalent in Richtung 100) desto süßer ist es und desto schneller geht es ins Blut. Je kleiner es ist (also Dextrose-Äquivalent in Richtung 0), desto langsamer wird es resorbiert und desto weniger süß ist es, da es eher der Stärke gleicht.
Reine Stärke hat somit einen Dextrose-Äquivalent (DE) von 0, für reine Glukose bzw. Dextrose liegt er bei 100. Sportler beispielsweise bevorzugen oft Maltodextrin 6, da davon den Speisen und Getränken die doppelte Menge zugesetzt werden kann, ohne dass sich deren Geschmack oder Konsistenz verändert. Dies ist aber nur dann wirklich von Bedeutung, wenn es darum geht, dem eigenen Körper sehr große Energiemengen zur Verfügung zu stellen (z.B. im Leistungssport), oder wenn z.B. ein Baby, aufgrund seines sehr schlechten Essverhaltens mit kritischer Abnahme, unbedingt einiges an Gewicht zulegen muss und zu diesem Zweck täglich beträchtliche Mengen Maltodextrin verabreicht bekommt. Zum Ausgleich eines durch einen Infekt verursachten Energiedefizits bei einem Kind mit MCAD-Mangel, ist es absolut nicht notwendig dieses zu mästen! Es muss nur soviele Kohlenhydrate zugeführt bekommen, dass seine Fettreserven nicht mobilisiert werden müssen. Ob man dafür nun Maltodextrin 6, 12 oder 19 verwendet, ist aufgrund der kurzen Verabreichungsdauer relativ unwichtig. Hauptsache, es kommt genug Zucker in das Kind rein! Man nehme einfach das, was die Apotheke an der Ecke gerade da hat, was die Online-Apotheke am günstigsten anbietet, oder was der Arzt auf das Rezept geschrieben hat. Zeichnet sich aber ab, dass eine erhöhte Maltodextringabe aufgrund irgendwelcher besonderen Umstände über einen längeren Zeitraum zu erfolgen hat, sollte man ggf. das auf lange Sicht besser verträgliche Maltodextrin 6 verwenden.
Trotzdem kann es bei längerem hochdosierten Gebrauch in vereinzelten Fällen zu Magenschmerzen kommen. Sowohl von Leistungssportlern, als auch von Kindern, die Maltodextrin zur Bekämpfung des Untergewichts über einen längeren Zeitraum der Nahrung zugesetzt bekamen, sind solche Fälle bekannt. Die mit Maltodextrin zu überbrückenden Krankheitsphasen sind im Vergleich dazu relativ kurz, und möglicherweise auftretende Magenschmerzen, gegenüber einer sich ansonsten vielleicht anbahnenden Unterzuckerung, ein in Kauf zu nehmendes kleineres Übel. Sollten sich aber bei langfristiger Gabe von Maltodextrin bei einem Kind regelmäßige Magenschmerzen einstellen, sollte man in Rücksprache mit dem behandelnden Arzt ggf. auf ein niedrigeres Mischungsverhältnis, als es für das Alter des Kindes empfohlen ist, zurückgreifen - also etwas weniger Maltodextrin, oder mehr Flüssigkeit. Eventuell läßt sich damit das Problem schnell beheben.
Kostenübernahme durch die Krankenkasse
Maltodextrin wird, wie oben bereits angesprochen, in der Hauptsache von Leistungssportlern verwendet. Insofern hat es bei vielen Ärzten und Krankenkassen den Ruf eines reinen Nahrungsmittelzusatzes und nicht den eines Medikaments. Daher wollen manche Ärzte das Mittel nicht auf Rezept verschreiben, oder glauben, dass die Krankenkassen es nicht bezahlen werden. Für Menschen mit MCAD-Mangel ist es aber durchaus als Medikament zu sehen, da die gehäufte Einnahme des energiereichen Maltodextrins im Krankheitsfall darüber entscheiden kann, ob sich die Krankheit zu einer Stoffwechselentgleisung ausweitet, oder nicht! Daher greift in diesem Fall bei den Krankenkassen eine Ausnahmeregelung. Wenn es der Arzt der Stoffwechselambulanz nicht verschreiben will, sollte man sich einfach mit der gleichen Bitte auch an den Kinderarzt wenden. Die Begründung gegenüber der Krankenkasse ist eigentlich ganz einfach und offensichtlich: das Kind hat eine sehr seltene Stoffwechselstörung, bei der die rechtzeitige und gehäufte Einnahme von Maltodextrin unter Umständen überlebenswichtig sein kann (vielleicht in etwa vergleichbar mit dem Insulin für den Diabetiker). Soweit die Theorie! In der Praxis haben die meisten Eltern beim Versuch das Maltodextrin von der Krankenkasse bezahlt zu bekommen, eine Ablehnung erhalten, und nur ganz wenige hatten Erfolg. Allerdings kann man auch nicht hier pauschal feststellen, dass Krankenkasse A die Kosten übernimmt, und Krankenkasse B nicht, sondern es scheint, wie so oft, auch bei ein und derselben Krankasse alleine darauf anzukommen, an welchen Sachbearbeiter man gerät, und wie gut oder schlecht dieser die Thematik mit Maltodextrin und MCAD-Mangel innerhalb der wenigen Minuten versteht.
Wie verabreicht man seinem Kind Maltodextrin?
Im Prinzip kann das Pulver allen Arten von Speisen und Getränken zugesetzt werden. Da es im Gegensatz zu reiner Dextrose nicht süßt, verändert sich der Geschmack der Speisen durch die Zugabe nicht. Hat das Kind aber gerade aufgrund eines Magen-Darm-Virus mit Brechdurchfall zu kämpfen, ist die Aufnahme von fester Nahrung bekanntermaßen etwas problematisch. Da es bei einer solchen Krankheit ohnehin zu einem starken Flüssigkeitsverlust kommt, empfehlen die Ärzte die Auflösung des Pulvers in Wasser, Tee oder Saft. Selbst wenn das Kind einen Teil dieser Flüssigkeit wieder erbrechen sollte, konnte doch im Normallfall schon eine große Menge der zugesetzten Kohlenhydrate absorbiert werden.
Auch bezüglich des Mischungsverhältnisses und der Menge, der im Falle eines fieberhaften Infekts vorsorglich zuzuführenden Maltodextrinlösung, sind sich die Stoffwechselzentren mal wieder nicht einig.
Um nicht in dem Wirrwarr der verschiedenen kursierenden Empfehlungen völlig den Überblick zu verlieren, halte man sich am Besten einfach an die Informationen und Tabellen, die man von seinem eigenen Arzt oder Ernährungsberater im Stoffwechselzentrum ausgehändigt bekommt.
Die folgende Tabelle soll deshalb nur einen kleinen Vorgeschmack liefern, wie so etwas dann aussehen könnte und wird vermutlich in dem einen oder anderen Punkt geringfügig von den selbst erhaltenen Informationen abweichen!
Alter in Jahren |
Maltodextrin-Lösung in Gramm Pulver pro 100ml |
Trinkmenge pro Tag | Mahlzeitenfrequenz |
0 | 10 Gramm |
150-200 ml pro Kilo Körpergewicht |
Alle zwei Stunden - tagsüber und nachts |
1-2 | 15 Gramm | 95 ml pro Kilo Körpergewicht | |
3-5 | 20 Gramm | 1,2 - 1,5 Liter | |
6-9 | 20 Gramm | 1,5 - 2 Liter | |
ab 10 | 25 Gramm | 2 Liter |
Tabelle 2: Maltodextrin-Mischungsverhältnis und Trinkmenge zur Überbrückung von Krankheitsphasen
Für etwas ältere Kinder kann man dann auch ruhig schon mal auf das bekannte Hausmittel "Salzstangen mit Cola" zurückgreifen. Der hohe Zuckergehalt der Cola braucht dann nicht kritisch betrachtet zu werden. Man kann natürlich auch andere zuckerhaltige Getränke ohne Koffein nehmen. Wie unser Arzt vom Stoffwechselzentrum immer wieder betont, zählt für das Kind im Krankheitsfall nur eines: "Wenn es nicht mehr genug isst, dann rein mit dem Zucker - in welcher Form auch immer!"
Wann ist die zusätzliche Gabe von Maltodextrin angezeigt?
Ausser in den Fällen der offensichtlichen Nahrungsverweigerung, empfehlen die Stoffwechselzentren auch die vorsorgliche Verabreichung von Maltodextrin in einer Reihe weiterer Situationen. Dazu gehören prinzipiell alle Arten von Erkältungen und Infekten, die mit Fieber, Magen-Darm-Problemen, Durchfällen oder Erbrechen einhergehen, nach Impfungen (da das Kind darauf möglicherweise mit Fieber, somit erhöhtem Energiebedarf bei gleichzeitigem Unwohlsein und damit verbundener Appetitlosigkeit reagiert), nach großen Verletzungen oder Unfällen und bei Operationen. Auch auf dem Weg zur Klinik (siehe übernächster Abschnitt) muss die Zuführung von Kohlenhydraten unbedingt fortgesetzt werden, bis eine Glukoseinfusion möglich ist.
Wofür eignet sich Maltodextrin nicht?
Um diese Frage zu beantworten, soll zunächst noch mal betrachtet werden, in welchen Fällen der Einsatz von Maltodextrin wirklich hilfreich und wichtig ist. In den zuvor beschriebenen Situationen geht es immer darum, das Kind im Krankheitsfall kontinuierlich mit einer gewissen Menge an Kohlenhydraten zu versorgen, bis die kritische Phase überstanden ist und das Kind wieder normale Nahrung in ausreichender Menge zu sich nehmen kann. Die Gabe von Maltodextrin muss deshalb in kurzen Abständen (alle 2 Stunden) erfolgen. Auch dann, wenn sich tatsächlich schon eine Entgleisung anbahnt, soll Maltodextrin dazu dienen, dem Körper des Kindes sehr schnell wieder leicht verwertbare Kohlenhydrate zur Verfügung zu stellen, um auch während des Transportes in die nächstgelegene Klinik der drohenden Unterzuckerung entgegen zu wirken.
Wie ebenfalls oben angesprochen, wird Maltodextrin bei stark untergewichtigen Kindern der normalen Nahrung zugesetzt, um die Gewichtszunahme des Kindes zu unterstützen. In Bezug auf den MCAD-Mangel ist Maltodextrin aber als reines Krisenmittel zu sehen, was ausschließlich dazu dient, dem Kind während der schwierigen Phasen wenigstens noch auf diesem Weg ein paar Kohlenhydrate zuzuführen.
Während der gesunden Zeiten braucht ein Kind mit MCAD-Mangel im Normalfall überhaupt kein zusätzliches Maltodextrin in den täglichen Mahlzeiten. Auch sollte man als Eltern versuchen, seinem Kind lieber Lebensmittel, die von Natur aus einen hohen Kohlenhydratanteil enthalten, schmackhaft zu machen, statt die von ihm vielleicht bevorzugten Speisen mit geringem Nährwert fortwährend mit einer Dosis Maltodextrin aufzupeppen. Maltodextrin ist kein "Würzmittel"!
Bezüglich der Eignung von Maltodextrin als eigenständige Nachtmahlzeit gibt es in den deutschen Stoffwechselambulanzen wieder mal ganz unterschiedliche Sichtweisen. Während manche Ärzte ihren MCAD-Patienten zur Nutzung einer einfachen Maltodextrin-Lösung (in Tee oder Wasser) als Nachtmahlzeit raten, gibt es andere, die Malto nur als Zusatz zu einem ansonsten bereits kohlenhydrat- und proteinreichen Getränk empfehlen. Eine dritte Gruppe von Ärzten rät schließlich eindringlich von der Nutzung von Maltodextrin in der Nachtmahlzeit ab, mit der Begründung, dass Maltodextrin genau wie Traubenzucker zu einem schnellen Ansteigen des Blutzuckerspiegels führen würde - was im Notfall ja auch gewünscht wird. Damit sei es als Nachtmahlzeit aber eher kontraproduktiv, da das schnelle Ansteigen des Blutzuckerspiegels nach der Aufnahme eines Malto-Getränks eine erhöhte Ausschüttung von Insulin bewirke, was dann wiederum zu einem vermehrten Transport des sonstigen vorhandenen Blutzuckers hinein in die Zellen führe. Wenn das als Grundlage dienende Getränk dann keine weiteren Energieträger mehr zur Verfügung stellen kann, folge nach einer kurzen "Bergetappe" des Blutzuckerspiegels also unter Umständen eine rapide Talfahrt. Die paar enthaltenen Kohlenhydrate werden aufgrund der speziellen Eigenschaften des Maltodextrin schnell verarbeitet und reichen nur für etwa zwei Stunden (zur Erinnerung: aus gutem Grund soll im Krankheitsfall zur ständigen Versorgung mit Kohlenhydraten alle zwei Stunden eine weitere Dosis Maltodextrin verabreicht werden!). Die Gabe von Maltodextrin in der Nachtmahlzeit könne nach Ansicht dieser letzten Ärztegruppe eine nächtliche Entgleisung somit sogar noch begünstigen. Andere Quellen sagen dagegen aus, dass es beim Maltodextrin - v.a. bei den Varianten mit niedrigem Dextroseäquivalent, z.B. Malto6 - gerade nicht zu der vom Traubenzucker bekannten überschießenden Insulinausschüttung und somit auch nicht zu einer anschließenden Unterzuckerungsphase kommt.
Ob es sich nun tatsächlich so oder doch so verhält, ist schwer zu klären, da es innerhalb der Ärzteschaft so viele unterschiedliche Meinungen gibt. Statt einer reinen Malto-Lösung als Nachtmahlzeit empfiehlt sich jedenfalls als Grundlage ein einfacher Joghurt oder ein Glas Milch, ggf. etwas angereichert mit zerdrückter, bzw. pürierter Banane. Ein solcher kohlenhydrat- und eiweißreicher Drink als Spätmahlzeit reicht oft selbst ohne Zusetzung von Maltodextrin schon problemlos für die ganze Nacht. Als Eltern wird man im Lauf der Zeit ein Gespür dafür entwickeln, mit welcher Variante die Kinder am Besten zurecht kommen, und man sich selbst am wohlsten fühlt.
Wann in die Klinik?
Immer dann, wenn man bei seinem Kind die Symptome (siehe unten) einer Unterzuckerung und somit nahenden Stoffwechselentgleisung zu erkennen glaubt, oder sich der Krankheitssituation des eigenen Kindes nicht gewachsen fühlt, oder einfach zu stark besorgt ist, dass es nicht genug zu sich nimmt, sollte man sich an die Fachleute wenden. Im schlimmsten Fall kriegt man ein "Machen Sie sich keine Sorgen, ihr Kind isst doch noch gut und wenn das so bleibt, besteht überhaupt keine Gefahr!" zu hören und wird wieder nach Hause geschickt. Das wird besonders in den Krankheitssituationen der ersten Monate, vielleicht sogar noch einige Jahre lang öfters passieren. Aber die Mitarbeiter der Stoffwechselambulanzen wissen und sagen selbst, dass man lieber zweimal zuviel hinkommen sollte, als einmal zu wenig. Auch wenn Eltern mit gesunden Kindern vielleicht darüber den Kopf schütteln, dass man wegen "jeder Kleinigkeit" gleich in die Klinik fährt - Kinder mit Stoffwechselstörungen sind etwas Besonderes. Es gibt nur wenige und auf diese wenigen muss ganz besonders Acht gegeben werden.
Glukoseinfusion
Kommt man in der Stoffwechselambulanz zu der Feststellung, dass das Kind tatsächlich nicht genug zu sich nimmt und eine Unterversorgung droht, wird es für gewöhnlich stationär aufgenommen, bis zur Normalisierung der Nahrungsaufnahme mit Glukoseinfusionen versorgt und regelmäßig überwacht. Ist die kritische Zeit der Appetitlosigkeit überstanden, kann es wieder nach Hause entlassen werden. Während der Infusion kann es aufgrund der ungewohnten hochdosierten Zufuhr von Glukose zu einem starken Ansteigen des Blutzuckerspiegels kommen. Möglicherweise ist die kindliche Bauchspeicheldrüse einfach noch nicht genug trainiert, um auf die große Zuckermenge mit einer entsprechend verstärkten Ausschüttung von Insulin zu reagieren, welches benötigt wird, um die Glukose aus dem Blut in die Zellen zu transportieren. Steigt der Blutzuckerspiegel auf ein kritisches Niveau an, ist die gleichzeitige intravenöse Zuführung von zusätzlichem Insulin angezeigt. Angeblich ist das ein Standardverfahren, welches nicht zwingend in dem für das Kind erstellten Notfallausweis vermerkt sein muss. Die Erfahrung einiger Forumsteilnehmer zeigt jedoch, dass sich diese Information aber leider noch nicht in allen Kliniken rumgesprochen zu haben scheint. Die Eltern sollten deshalb ggf. darauf bestehen, dass der Hinweis bzgl. des Insulins mit in den Notfallausweis des Kindes aufgenommen wird, und wenn nötig den behandelnden Arzt darauf ansprechen.
Eine kontinuierliche Glukoseinfusion kann bzw. wird auch bei Operationen notwendig sein, wenn der Patient vor dem Eingriff eine längere Nüchternphase einhalten muss, was nach Möglichkeit vermieden werden sollte.
Risiko Unterzuckerung
Richtwert für eine kritische Unterzuckerung ist ein Blutzuckerwert kleiner 50-60 mg/dl. Nicht jeder besitzt aber unbedingt ein Blutzuckermessgerät. Zudem werden die für den privaten Gebrauch in Apotheken erhältlichen Geräte hauptsächlich für die Feststellung des bei Diabetikern zu hohen Blutzuckerspiegels produziert und entsprechend geeicht und sind deshalb gerade im unteren BZ-Bereich oft sehr unzuverlässig, bzw. liefern nur ungenaue Ergebnisse. Daher empfehlen die Stoffwechselambulanzen den Eltern betroffener Kinder vor allem die Berücksichtigung der für eine Unterzuckerung charakteristischen Symptome. Kleine Kinder entwickeln dabei eine auffallende unnatürliche Müdigkeit, Mattigkeit, Schläfrigkeit (Kind ist apathisch, liegt da mit offenen Augen, reagiert aber nicht auf Ansprechen oder schläft und läßt sich absolut nicht aufwecken) oder Aggressivität. Etwas ältere Kinder haben bei einer Unterzuckerung auffallende Probleme mit dem Denken, dem Sprechen, der Koordination oder zeigen eine möglicherweise als Albernheit gedeutete Trampeligkeit (Clowns). Falls jetzt jemand befürchtet, diese Symptome im Ernstfall nicht richtig einschätzen zu können, oder gar zu übersehen - laut allen von mir gelesenen Erfahrungsberichten von Eltern, die bereits eine Stoffwechselentgleisung bei ihrem Kind erlebt haben, und den Aussagen der Ärzte in unserer Stoffwechselambulanz, ist die in so einem Fall bei dem Kind auftretende Verhaltensänderung dermaßen auffällig und unnatürlich, dass man es einfach nicht übersehen kann, sondern unzweifelhaft erkennen wird, dass es sich um einen akuten Notfall handelt.
Normalerweise versucht der Körper den direkten Auswirkungen einer Unterzuckerung durch Ausschüttung verschiedener Hormone entgegen zu wirken. Gehen die bereits beschriebenen Symptome mit Zittrigkeit, Bläse, starkem Schwitzen (auch kaltem Schweiß auf der Stirn), unnatürlichem Heißhunger, auffallender Unruhe, Ängstlichkeit, Nervosität, schwankendem Gang und Stolpern oder sogar Herzrasen (Gegenmaßnahme zur drohenden Bewusstlosigkeit) einher, kann dies als zusätzliches Indiz gewertet werden und man sollte sich auf jeden Fall sicherheitshalber sofort mit dem Kind auf den Weg in die Klinik machen.
Achtung: Natürlich darf nicht jedes dieser Symptome gleich als Hinweis auf eine drohende Stoffwechselentgleisung gewertet werden. Ein sich gerade ohnehin in einer längeren Albernheits - oder Missmutsphase befindendes Kind ist nicht automatisch unterzuckert! Auf diese allgemeineren Symptome sollte nur zusätzlich geachtet werden, wenn das Kind z.B. während einer Krankheitsphase ein schlechtes Essverhalten zeigt und/oder eine auffällige und besorgniserregende Verhaltensänderung (im Vergleich zu dem, was man als Eltern von ihm gewöhnt ist) an den Tag legt.
Carnitin
Während bis vor kurzem unter den Experten noch Uneinigkeit darüber herrschte, ob eine vorsorgliche Carnitinsupplementation für Kinder mit MCAD-Mangel notwendig oder überhaupt hilfreich sei, ist dieser Diskussionspunkt inzwischen anscheinend kein Streitthema mehr, auch wenn noch lange keine einheitliche Sicht besteht. Zur Vermeidung eines sekundären Carnitin-Mangels, der in Folge des erhöhten Canitin-Bedarfs (zwecks Abtransports der unverbrauchten mittelkettigen Fettsäurenreste aus den Zellen und Ausscheidung über den Urin) entstehen kann, verordnen viele Stoffwechselambulanzen grundsätzlich die tägliche Einnahme von zusätzlichem Carnitin, welches in Form eines Sirups oder einer Trinklösung erhältlich ist und entweder direkt geschluckt oder in Flüssigkeit eingerührt getrunken werden kann. Die in der Apotheke erhältlichen Carnitin-Präparate sind ziemlich teuer, werden aber aufgrund der Notwendigkeit der Einnahme wegen der festgestellten Stoffwechselstörung von den Ärzten verschrieben und von den Krankenkassen bezahlt.
Die über lange Zeit bestehende und nach wie vor nicht ganz ausgeräumte Uneinigkeit der Fachwelt hinsichtlich dieses Punktes rührt u.a. daher, dass es immer wieder neue Studien mit einander anscheinend widersprechenden Ergebnissen zur Wirksamkeit der Carnitinsupplementation gibt. Z.B. stellten Bzduch et al. 2003 fest, dass der Gehalt an freiem Carnitin im Blut bei einem MCAD-Mangel-Patienten bis zu zwei Wochen nach einer Stoffwechselentgleisung deutlich absank und sich erst nach etwa 25 Tagen wieder normalisiert hatte. Dieser Umstand spräche für eine vorsorgliche Carnitingabe, mit speziell im Krankheitsfall auch erhöhter Dosierung. Dagegen ergab eine von Huidekoper et al. in 2006 durchgeführte Studie, dass auch MCAD-Mangel-Patienten durchaus in der Lage sind, die körpereigene Carnitinsynthese bei vermehrtem Verbrauch zu steigern, und dass eine vorbeugende Carnitingabe keinen messbaren Vorteil für sie bringt. Diese Studie bezog sich aber gezielt auf die Untersuchung eines Leistungszuwachses der vom MCAD-Mangel betroffenen Testpersonen im Rahmen einer moderaten sportlichen Betätigung - mit und ohne Carnitingabe. Insofern können die Resultate solcher oft völlig unterschiedliche Situationen berücksichtigenden Studien nicht gegeneinander aufgewogen werden. Auch wenn gerade gesunde MCAD-Patienten eventuell keinen erkennbaren Nutzen von zusätzlichen Carnitingaben haben, kann eine vorbeugende Supplementation in einer folgenden Krankheitsphase möglicherweise durchaus einen Unterschied machen.
Soweit die auf verschiedenen Studien aufbauende Theorie! Gemäß ärztlicher Auskunft hat sich in der Praxis allerdings schon deutlich gezeigt, dass selbst ohne Carnitinsupplementation ein Carnitinmangel unter allen Patienten, deren MCAD-Mangel frühzeitig festgestellt wird, überhaupt nur äusserst selten eintritt, und dass der Gehalt an freiem Carnitin im Blut sogar im Rahmen einer Stoffwechselentgleisung meist auf einem völlig normalen Niveau bleibt. Befürworter der regelmäßigen Carnitingaben könnten dann aber wieder entgegnen, dass es sich dabei vermutlich um keine richtigen Entgleisungen gehandelt haben wird.
Umgekehrt besteht auch aus ärztlicher Sicht der zwar noch nicht wissenschaftlich bestätigte, aber dennoch begründete Verdacht, dass gerade erst die generelle Carnitinsupplementation schon nach wenigen Wochen und Monaten zu einer pathologischen Veränderung (in Form einer auffälligen Erhöhung) des vor der Verordnung noch völlig normalen Acylcarnitinspiegels im Serum führen kann. Weist die im Zuge der regelmäßigen Kontrolluntersuchungen genommene Blutprobe eines ansonsten rundum fitten Kindes also plötzlich eine auffällig hohe Menge Acylcarnitin auf, ist angeraten, in Absprache mit dem behandelnden Arzt die tägliche Carnitingabe zu reduzieren oder bis zum nächsten Kontrolltermin sogar versuchsweise komplett einzustellen.
Somit gibt es auch weiterhin keine einheitliche Sicht zum Für und Wider der Carnitinsupplementation, und ob eine Verordnung erfolgt, hängt einzig und alleine davon ab, an welche Stoffwechselambulanz, oder sogar an welchen Arzt man gerät.
Erfahrung von Mitgliedern:
Unabhängig von der von einzelnen Stoffwechselambulanzen eingenommenen Haltung über Sinn oder Unsinn der vorsorglichen Carnitingabe, gibt es persönliche Erfahrungen von Mitgliedern dieser Seite, die sich natürlich ebenfalls von Fall zu Fall unterscheiden.
Nach dem gleichzeitigen Absetzen der über mehrere Jahre regelmäßig erfolgten täglichen Carnitingabe für alle vom MCAD-Mangel betroffenen Kinder einer Familie, kam es bei einem jüngeren Kind nach wenigen Wochen zu einem Fall von Unterzuckerung, während die beiden älteren Kinder (bei ihnen war einige Jahre zuvor gleichzeitig mit der nachträglichen Diagnose des MCAD-Mangels auch ein Carnitinmangel festgestellt worden), nach etwa 3 Monaten erneut einen starken und behandlungsbedürftigen Carnitinmangel ausgebildet hatten.
Ob diese Erfahrung nun tatsächlich als Beleg für die schützende Wirkung regelmäßiger Carnitingaben bei bestehendem MCAD-Mangel (im genannten Fall wiesen alle Kinder die klassische Mutation K329e homozygot auf) angesehen werden kann, sei erstmal dahingestellt. Es zeigt jedoch, dass es in Einzelfällen als Begleiterscheinung des MCAD-Mangels sehr wohl zu einem sekundären und dringend behandlungsbedürftigen Carnitinmangel kommen kann, und dass eine über mehrere Jahre beibehaltene Carnitintherapie, mit bei älteren Kindern entsprechend hoher Dosierung, nicht schlagartig abgebrochen, sondern höchstens schrittweise und nur unter ärztlicher Beobachtung mit verkürzten Kontrollabständen reduziert werden sollte, da sich der Körper möglicherweise an die "externe Unterstützung" gewöhnt und die eigene Carnitinsynthese entsprechend reduziert hat.
Wer hat denn nun Recht (oder: Wie schafft man es als Eltern, ein gutes Gefühl zu haben)?
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich als Autor dieser Seiten größten Wert auf Korrektheit gelegt habe, aber ansonsten medizinischer Laie bin. Alle veröffentlichten Informationen wurden von mir anhand verschiedener verfügbarer MCAD-Broschüren, Merkblätter, Webseiten, Aussagen der Stoffwechselambulanz und sonstigen Erkenntnissen und Erfahrungen (eigenen und denen unserer Forumsteilnehmer) zusammengetragen. Das Lesen dieser Seiten darf aber auf keinen Fall den Besuch beim Arzt oder der Stoffwechselambulanz ersetzen, sondern soll lediglich dazu dienen, schon mal etwas besser über die ganze Thematik und Problematik Bescheid zu wissen!
5. Ernährung bei MCAD
- Details
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Geschrieben von Wollachee
In fast jedem zu findenden Artikel über den MCAD-Mangel wird diese Frage zwar irgendwo beantwortet, trotzdem ist die gegebene Antwort so gut wie nie eine wirkliche Hilfe. Da ist nämlich immer in etwa das Gleiche zu lesen: "Für ein vom MCAD-Mangel betroffenes Kind ist eine kohlenhydratbetonte und etwas fettreduzierte, ansonsten aber altersgerechte Ernährung angeraten." oder auch "Sofern die maximalen Nahrungspausen nicht überschritten werden, kann das Kind völlig normal ernährt werden!"
Das sind einerseits weitestgehend völlig korrekte, und anscheinend umfassende Aussagen, die aber andererseits einen dermaßen großen Interpretationsspielraum zulassen, dass sie verunsicherten und konkreten Rat suchenden Eltern oft leider überhaupt nicht weiterhelfen. Gerade die Ernährung des von einer sehr seltenen Stoffwechselkrankheit betroffenen Kindes ist ein Thema, bei dem man als Eltern möglichst alles richtig machen möchte, denn schließlich dreht sich das ganze Problem ja ausschließlich um die Essensaufnahme und -verwertung. Genau an diesem Punkt fühlen sich viele besorgte Eltern besonders verunsichert und alleine gelassen! Im direkten Zusammenhang mit dem MCAD-Mangel findet man einfach keine nützlichen Informationen zur Ernährung und auch im persönlichen Gespräch mit den Ernährungsexperten bekommt man häufig nur dann konkrete Antworten, wenn man konkrete Fragen stellt - aber auf diese muss man erst einmal kommen!
Es stellen sich dadurch nur noch mehr Fragen: Reicht das Stillen für den Säugling denn aus? Gelten die von der Hebamme genannten Empfehlungen für die Einführung der normalen Kost auch für ein Kind mit MCAD-Mangel? Welche Nahrungsmittel sind denn besonders reich an Kohlenhydraten? Welche sind besonders fettarm? Was ist eine altersgerechte Ernährung? Was bedeutet "normal ernähren"? Führt das vielleicht sogar eine umfangreiche Änderung der Kochgewohnheiten mit sich? Und wenn ja - wie kann man dann am Ende überhaupt noch was Schmackhaftes kochen, was die ganze Familie essen kann und vor allem auch essen mag? Manche Broschüren und Artikel empfehlen sogar, dass die Eltern eine umfassende Schulung hinsichtlich der für ihr Kind angeratenen Ernährung erhalten sollten. Schön und gut, aber hat tatsächlich schon mal jemand so eine gezielte Schulung bekommen?
Bislang gibt es nur sehr spärliche Ernährungstips und -informationen
Was ist z.B. eine "normale" Ernährung? Die immer häufiger in den Medien diskutierten Statistiken über die durchschnittliche Körpergewichtsentwicklung in der Bevölkerung zeigt deutlich, dass sich die Mehrheit der Deutschen von einer gesunden Ernährungsweise bereits weit entfernt hat. Die meisten Menschen wissen heute schon gar nicht mehr, wie man sich ausgewogen ernährt, oder können den Wechsel zu einem gesunden Lebensstil trotz guter Vorsätze oft nicht lange konsequent umsetzen. Das regelmäßige Einkaufen frischer Lebensmittel kostet sowohl Zeit als auch deutlich mehr Geld, die tägliche Zubereitung des Essens ist auf die Dauer sehr mühsam - und am Ende schiebt man dann doch wieder häufiger die TK-Pizza in den Ofen oder holt für sich selbst und die Kinder was im Burger-Tempel oder an der Döner-Bude. Irgendwann ist das dann (wieder) der gewohnte Normalzustand.
Aber ist das damit gemeint, wenn der Arzt sagt "Ausser den maximalen Nüchterzeiten müssen Sie gar nichts beachten, ernähren Sie ihr Kind einfach ganz normal"? Beim Nachhaken wird es dann schon etwas konkreter: "Verzichten sie weitgehend auf Fastfood. Ab und zu mal ein Burger ist in Ordnung, aber nicht mehrmals pro Woche!" Auch bei diesem Thema muss man konkrete Fragen stellen, um konkrete Antworten zu erhalten. Aber auf diese Fragen muss man auch erst einmal kommen!
Das von unserer Stoffwechselambulanz verteilte Merkblatt zur Ernährung machte immerhin insofern detaillierte und klare Angaben, dass zur Deckung der essentiellen Fettsäuren pro Tag etwa 5-7g Soja-, Walnuss- oder Weizenkeimöl in den Mahlzeiten enthalten sein sollten und dass man auf gar keinen Fall MCT-Fett (Medium-Chain Triglyceride) verwenden soll, wie es in ceres, basis-mct oder speziellen Säuglingsmilchnahrungen bei Durchfall (z.B. Beba Durchfall-Diät HA von Nestlé) enthalten ist. Dabei handelt es sich, wie der Name schon vermuten läßt, um aus ausschließlich mittelkettigen Fettsäuren bestehende Produkte, mit denen ein vom MCAD-Mangel betroffenes Kind nun wirklich gar nichts anfangen kann. Auch Kokosfett enthaltende Produkte (z.B. Raffaelo, Bounty, Romy, teilweise auch in Fettglasuren, u.a.) sollten nach Möglichkeit gemieden werden, da auch Kokosfett zu einem bedeutenden Teil aus mittelkettigen Fettsäuren besteht. Gleiches gilt für die flüssigen Varianten Kokosöl und Palmkernöl, bei denen der Anteil der mittelkettigen Fettsäuren noch weitaus höher ist - bei Kokosöl über 90%, weshalb es auch zur industriellen Herstellung von reinem MCT-Öl verwendet wird.
Die oben gemachten Aussagen werden auch z.B. in dem Buch "Clinical Paediatric Dietetics" von Vanessa Shaw und Margaret Lawson, Blackwell Publishing (3rd Edition, 2007, Seite 424) bestätigt. Dort wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass der Anteil mittelkettiger Fettsäuren in den meisten Lebensmittel sehr gering und somit vernachlässigbar ist, das in Kokosnüssen enthaltene Fett aber die einzige Einschränkung bei der Ernährung eines Menschen mit MCAD-Mangel darstellt. Geringe Mengen kokosnusshaltiger Produkte sind für Kinder mit MCAD-Mangel mit ansonsten gutem Gesundheitszustand gerade noch akzeptabel. Äusserste Vorsicht ist jedoch bei Urlaubsreisen in Länder, wie z.B. die Philippinen geboten, wo Kokosnussöl das Standardöl für die Speisenzubereitung ist und somit in großen Mengen verwendet wird.
Noch ein kurzer Nachsatz zu den erwähnten MCT-Fetten: Wer auf der Suche nach MCAD-Informationen schon auf Seiten zu den Themen VLCAD- oder LCHAD-Mangel gelandet ist (siehe auch unsere Linkliste) hat dort möglicherweise gelesen, dass für die davon betroffenen Kinder gerade die Verwendung von MCT-Fetten empfohlen wird. Achtung: VLCAD und LCHAD sind dem MCAD-Mangel zwar ähnlich, aber in diesem Punkt trotzdem etwas ganz anderes! Bei Kindern mit diesen Stoffwechselstörungen ist die Funktion des Enzyms zur Verarbeitung langkettiger Fettsäuren stark eingeschränkt, so dass sie nur aus bereits mittelkettig vorliegenden Fetten Energie gewinnen können. Deshalb empfiehlt sich für sie speziell die Verwendung von MCT-Fetten, während diese für Kinder mit MCAD-Mangel absolut tabu sind!
Die allgemeinen "offiziellen" Ernährungsempfehlungen beschränken sich meist auf Aussagen wie beispielsweise, dass man häufig kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt geben sollte, dass vor dem Schlafengehen noch eine kohlenhydratreiche Spätmahlzeit folgen sollte, damit die Nacht über dem Körper genug Energie zur Verfügung steht, um nicht in eine katabole Stoffwechsellage umzuschalten (laut Aussage unseres Arztes tut es dabei aber auch ein Glas Milch oder ein Joghurt), und dass das Frühstück am Morgen auf keinen Fall ausgelassen werden darf. Dabei bietet sich dann z.B. Vollkornbrot oder ein hauptsächlich aus Cerealien bestehendes Müsli an, da deren komplexe Kohlenhydrate erst aufgespalten werden müssen, und so über einen längeren Zeitraum hinweg für eine annähernd gleichbleibende Versorgung mit Glukose sorgen.
Du kannst mithelfen!
Solltest Du von deiner Stoffwechselambulanz auch einen Merkzettel mit irgendwelchen konkreten Ernährungsempfehlungen erhalten haben, bitte ich Dich, diese Empfehlungen in dem zu diesem Artikel gehörenden Diskussionsthread im Forum zu beschreiben (siehe den Link unten auf dieser Seite). Ich werde diese Tips dann in diesen Text mit aufnehmen, so dass auf diese Weise vielleicht endlich mal wenigstens eine kleine Sammlung "offizieller" Ratschläge zusammengetragen werden kann.
Bitte beachten:
Ich bin kein Ernährungswissenschaftler, kann deshalb auch keine fundierten Aussagen treffen. Die folgenden Informationen sind somit völlig unverbindlich und beinhalten nur das, was ich nach vielen und sorgfältigen Recherchen in unterschiedlichsten Quellen, wie z.B. allgemeinen Ernährungs- und Diätratgebern, an komprimierten Erkenntnissen zu den mich selbst beschäftigenden Fragen gewonnen habe. Der MCAD-Mangel erfordert anscheinend wirklich keine spezielle Diät, trotzdem kann es nicht schaden, sich ein wenig mit den allgemeinen Grundregeln einer gesunden und ausgewogenen Ernährungsweise zu beschäftigen.
Das Stillen von Säuglingen
Eine der dringlichsten Fragen, die sich eine Mutter nach der MCAD-Diagnose ihres Kindes stellt, ist: "Darf ich überhaupt noch stillen?" Die Frage ist berechtigt, denn aufgrund des nicht, oder nur sehr spärlich vorhandenen Wissens über die Hintergründe des MCAD-Mangels, starten die Säuglings- und Wochenstationen mancher Krankenhäuser - sollten sich Mutter und Kind bei Eingang des Befundes noch dort befinden - gleich eine Art "Panikprogramm" mit strengstens überwachten kurzen Fütterungsabständen. Für den Fall, dass die Muttermilch noch nicht in der entsprechenden Menge produziert wird (manchmal auch trotzdem!), wird die Mutter dann u.U. sogar regelrecht zum Zufüttern gedrängt, denn gemäß "Panikplan" müssen ganz genau abgemessene und überprüfbare Nahrungsmengen in das Kind rein - zur Not per Magensonde. Dass damit sowohl die Mutter, als auch das Kind unter einen gewaltigen Stress gesetzt werden und sich keine entspannte Atmosphäre und Stillroutine einstellen kann, spielt für das Krankenhauspersonal dabei so gut wie keine Rolle. Es ist nur zu verständlich, wenn eine Mutter dadurch dermaßen verunsichert wird, dass sie infolge dieses Erlebnisses ganz auf das Stillen verzichtet und gleich zu künstlicher Ersatzmilch übergeht, da sie suggeriert bekommt, die ausreichende Ernährung des Kind nur auf diese Weise sicherstellen zu können.
Es sind tatsächlich Fälle bekannt, in denen Kinder bereits in den ersten Tagen nach der Geburt eine Stoffwechselentgleisung erlitten haben und vereinzelt sogar leider daran verstorben sind. Das waren bisher nur sehr wenige Fälle, und noch seltener handelte es sich dabei wirklich um einen MCAD-Mangel, aber diese Befürchtung schwebt verständlicherweise wie ein Schreckgespenst über dem Kind, den Eltern und dem Krankenhauspersonal, wenn die Diagnose "Stoffwechselstörung" bekannt wird. Daher sind auch die teilweise völlig überzogen anmutenden Maßnahmen der Krankenhäuser ein Stück weit nachvollziehbar. Welche Klinik möchte so einen Fall auch gerne auf der Hausstatistik verzeichnen müssen? Möglicherweise ist aber bei dem einen oder anderen Kind dadurch auch tatsächlich schon Schlimmeres verhindert worden.
Wenn das nächste Kind geboren wird...
Die Sorge ist groß und nachvollziehbar, dass nach bereits einem Kind mit MCAD-Mangel auch das nächste Kind diese Stoffwechselstörung haben könnte. Selbst wenn die persönliche Hebamme und auch man selbst eigentlich die Auffassung vertritt, dass ein sofortiges Zufüttern zu später nur schwer wieder behebbaren Problemen mit dem eigentlich angestrebten Voll-Stillen führen kann, hat in diesem Fall die Sicherheit des Kindes oberste Priorität. Bis zum Vorliegen des Screeningergebnisses - und damit auch möglicherweise der Entwarnung - können einige Tage vergehen, und bis dahin sollte unter allen Umständen vermieden werden, dass das Neugeborene zu wenig Nahrung zu sich nimmt. Solange die Muttermilch noch nicht in ausreichender Menge zur Verfügung steht, ist daher ein Zufüttern mit Neugeborenennahrung (möglichst eine kohlenhydratreiche und gleichzeitig fettreduzierte Variante) dringend angeraten. Dies sorgt nicht nur dafür, dass dem Kind trotz anfangs vielleicht noch geringer Muttermilchmengen immer genug Energie zur Verfügung steht, sondern auch, dass die Eltern schon die ersten Tage mit ihrem Kind richtig geniessen können - ohne sich ständig zu fragen, ob es jetzt überhaupt genug getrunken hat, und seinen Schlaf immerzu voller Sorge zu beobachten.
Es ist jedoch nicht zwingend notwendig, diese Ersatzmilch per Flasche zu füttern. Um das Kind während dieser wichtigen ersten Tage nicht an das Sauggefühl an einem Babyflaschensauger zu gewöhnen, von dem aus es oft nicht mehr zu dem völlig anderen Saugen an der Brust umgewöhnt werden kann, bietet sich die Verwendung eines Brusternährungssets an. Dabei wird die Babymilch in einen Beutel gefüllt, von dem aus ein dünner Schlauch abgeht, der mit einem Klebeband an der Brust befestigt wird. Damit gewöhnt sich das Kind an das fürs Stillen notwendige Saugen an der Brust, bekommt aber gleichzeitig die Babymilch durch den ebenfalls mit dem Mund umschlossenen Schlauch zugeführt. Allen Hebammen ist die Verwendung eines Brusternährungssets bekannt und sie beraten sicher gerne dazu.
Spätestens aber, wenn nach ein paar Tagen die Muttermilch richtig fließt, spricht überhaupt nichts dagegen, das Kind so lange wie möglich voll zu stillen, denn schließlich ist Muttermilch das erwiesenermaßen Beste, was einem Säugling überhaupt gefüttert werden kann - egal ob mit oder ohne MCAD-Mangel. Sollte das Krankenhaus etwas anderes behaupten und auf die weitere Verwendung künstlicher Säuglingsnahrung pochen, wende man sich einfach schnellstmöglich an die nächstgelegene Stoffwechselambulanz und lasse sich wenigstens hinsichtlich der eigenen größten Verunsicherungen und Ängste schon mal telefonisch beraten.
Weiterführende Informationen zur immensen Wichtigkeit des Stillens findet man z.B. auf der Website der La Leche Liga Deutschland e.V.
Eigene Erfahrung:
Leider gibt es, wie schon so oft angemerkt, auch in diesem Punkt zwischen den Stoffwechselzentren erhebliche Meinungsunterschiede, deshalb möchte ich an dieser Stelle wieder unsere eigenen Erlebnisse schildern: Nach der ersten telefonischen Kontaktaufnahme mit unserer Stoffwechselambulanz und der damit verbundenen erfolgreichen Beseitigung unserer durch den Kinderarzt gesäten Ängste, sollten wir uns noch mit der Ernährungsberaterin in Verbindung setzen. Nach deren Bestätigung, dass trotz MCAD-Mangel rein gar nichts gegen das gewünschte Voll-Stillen unseres Sohnes spräche, wurden wir lediglich gebeten, für eine Woche eine regelmäßige Stillprobe mit Wiegen vor und nach jeder Mahlzeit zu machen, um ihr somit einen Überblick über seine durchschnittliche tägliche Trinkmenge zu ermöglichen. Mit dieser Aufstellung gingen wir dann zu unserem Termin mit ihr und bekamen noch einmal bestätigt, dass alles Bestens sei. Ich nenne hier bewusst keine Mengenangaben, um niemanden diesbezüglich zu verunsichern! Jedes Kind hat eine andere Gewohnheits-Trinkmenge, mit der es vollkommen normal wächst und gedeiht. Wie wir im Forum bereits feststellen konnten, gibt es da keine wirklich verbindlichen Richtlinien. Wichtig ist vor allem, dass sich über die Wochen hinweg für das Kind eine kontinuierliche und deutliche Gewichtszunahme feststellen lässt, denn dann nimmt es auch genug Nahrung zu sich und es spielt keine Rolle, ob es durchschnittlich 500ml, 750ml oder sogar 1000ml Milch pro Tag trinkt.
Wie ist eine Fettreduktion zu erreichen?
Um Mahlzeiten etwas fettreduziert zuzubereiten, muss man seine Gewohnheiten eventuell ein wenig ändern. Da Fett ein ganz wesentlicher Geschmacksträger ist, viel Fett enthaltende Mahlzeiten also besonders intensiv und "gut" schmecken, hat man sich im Laufe der Zeit möglicherweise angewöhnt, mit Butter und Öl nicht zu geizen. Wenn man dann noch täglich sieht, wie der eine oder andere Fernsehkoch seinen Salat mit einem "kleinen Schuss Öl" abrunden will und dann eine halbe Flasche darüber ausleert, könnte man den Eindruck bekommen, das seien normale und vernünftige Mengen. Auch in den meisten Fertiggerichten finden sich gewaltige Mengen Fett, denn auch die Hersteller wissen: Je mehr Fett, desto mehr Käufern schmeckt das Gericht, und um so größer wird der Absatz sein.
Will man aber z.B. Fleisch in der Pfanne anbraten, muss es dazu nicht im Öl schwimmen. Bei einer beschichteten Pfanne reichen dafür schon 1-2 Esslöffel Öl aus. Auch sollte man darüber nachdenken, ob man zum Wohl des Kindes und des eigenen Bauches nicht lieber vom fettreichen Schweinefleisch auf das sehr viel magere Rindfleisch oder Geflügelfleisch wechselt. Anstelle von gemischtem Hackfleisch kann man an der Fleischtheke auch Tartar verlangen, welches aus extra magerem Rindfleisch gemacht wird und beispielsweise in Nudelsoßen oder Frikadellen eine ebenso leckere Alternative darstellt.
Statt Vollmilch mit einem Fettanteil von 3,5% und mehr, sollte es besser die fettarme Milch mit 1,5% sein, die weniger als die Hälfte des Vollmichfettes enthält und statt des Käses mit Doppelrahmstufe kann man inzwischen aus einem vielfältigen Angebot mit 40% und weniger F.i.Tr (Fett in Trockenmasse) wählen. Achtung: Einige Hersteller versuchen einen besonders niedrigen Fettanteil vorzugaukeln, indem sie nicht den "Fett in Trockenmasse"-Anteil, sondern den "Fett absolut"-Wert auf der Packung angeben. Dies soll vermutlich gezielt zur Verwirrung der Käufer beitragen, denn der tatsächliche FiTr-Anteil ist in Wirklichkeit 2,5-3 Mal größer und der Käse plötzlich gar nicht mehr so extrem fettarm. Ein 17% Fett absolut-Käse hat in Wirklichkeit also auch um die 40% in Trockenmasse, so dass man genau so gut aus einer viel größeren Angebots- und Geschmackspalette mit teilweise deutlich günstigeren Preisen hätte wählen können. Es darf zwischendurch auf ruhig mal ein etwas fetterer Käse sein, aber halt nicht immer.
In Bezug auf die tägliche Wahl des Fleisches, der Milch, des Käses und besonders der den Speisen zugesetzen Ölmenge hat man bereits eine gute Möglichkeit eine deutliche Fettreduktion im Vergleich zum "üblichen" Umfang zu erreichen.
Wird mein Kind von dem kohlenhydratreichen Essen nicht automatisch dick?
Eines steht doch wohl felsenfest: Zu viel Süßes, wie z.B. Cola (oder Limo allgemein) oder Schokolade macht dick! Stimmt das wirklich? Genau genommen nicht, bzw. nur indirekt, denn Cola enthält neben Wasser ausschließlich Kohlenhydrate aber diese setzen im Normalfall nicht an. Das Problem besteht vielmehr darin, das man zusätzlich zu dem zuckerhaltigen Getränk meistens auch noch beträchtliche Mengen an Speisen verzehrt, die ihrerseits große Mengen Fett enthalten, so z.B. auch in der Schokolade! Der menschliche Körper bevorzugt zur Energiebereitstellung in den Zellen jedoch die leicht und schnell verwertbaren Kohlenhydrate. Nimmt man davon ausreichend große Mengen zu sich, so dass mit ihnen der Energiebedarf über die nächsten Stunden bereits vollständig gedeckt ist, muss die schwierige Arbeit der Fettverwertung gar nicht erst begonnen werden. Trotzdem gibt der Körper einmal aufgenommene Energieträger nicht einfach so wieder her, sondern bewahrt sie im Unterhautfettgewebe für zukünftige schlechte Zeiten auf. Erst die Kombination großer Mengen Zucker mit Fett bewirkt also, dass letzteres direkt in die so unbeliebten Pölsterchen umgewandelt wird.
Letzten Endes hängt alles rein von der Energiebilanz ab
Nimmt ein Kind - egal ob mit MCAD-Mangel oder nicht - auf Dauer mehr Energie zu sich, als es im Laufe des Tages verbraucht, legt der Körper aus dem ungenutzten Anteil mehr und mehr Energiedepots in Form von Körperfett an. Für ein Kind mit MCAD-Mangel ist es zwar wichtig, immer genügend Kohlenhydrate zur Energiegewinnung zugeführt zu bekommen, dies bedeutet aber nicht, dass es einfach viel mehr essen soll. Dann nimmt es insgesamt zu viel Energie zu sich, und wird über Wochen, Monate und Jahre hinweg entsprechend Gewicht zulegen. Stattdessen sollte der Energieanteil aus Kohlenhydraten in seinen Mahlzeiten einfach deutlich höher sein, als der Energieanteil aus Fett - insgesamt aber dem altersgemäßen Bedarf angemessen.
Während es hier in Deutschland seitens der Stoffwechselärzte kaum Empfehlungen zur fettreduzierten Ernährung gibt, raten US-Ärzte ihren MCAD-Familien zu einem durchschnittlichen Energieanteil von rund 70% aus Kohlenhydraten und nur etwa 30% aus Fett. Dies ist allerdings nicht so zu verstehen, dass auf 70g Kohlenhydrate maximal 30g Fett kommen sollten. Da nämlich 1g Fett mit 9,3kcal mehr als doppelt soviel Energie enthält, wie 1g Kohlenhydrate (4,1Kcal) wäre bei einer aufs Gewicht bezogenen 70:30-Verteilung pro 100g der Energieanteil des Fettes mit 280kcal (30*9,3kcal) im Vergleich zum Energieanteil aus Kohlenhydraten mit 287kcal (70*4,1kcal) bei nahezu 50:50 und damit viel zu hoch. Um einen rund 30%igen Energieanteil aus Fett zu erhalten, sollte als Richtwert der auf das Gewicht bezogene Kohlenhydratanteil in den täglichen Mahlzeiten ungefähr fünf- bis sechsmal so groß wie der Fettanteil sein.
Wird Zucker nicht auch irgendwie in Fett umgewandelt?
Zwar können auch überschüssige Kohlenhydrate mittels der sogenannten de-novo-Lipogenese in Körperfett umgewandelt werden, aber wie entsprechende wissenschaftliche Untersuchungen der letzten Jahre durch Langzeittests empirisch belegt haben, geschieht dies beim Menschen (im Unterschied zu den Tieren) anscheinend erst nach einer mehrtägigen regelmäßigen Aufnahme von mehr als 500 g Kohlenhydraten. Zur Verdeutlichung dieser Menge stelle man sich ein 500 g Päckchen Zucker, 3 kg Nudeln, 3,5 kg Kartoffeln oder ein 1,2 kg schweres Brot vor, welches man täglich essen muss, bis es nach einigen Tagen tatsächlich zu einer Umwandlung der überschüssigen Kohlenhydrate in Körperfett kommt. Statt dessen werden sie für gewöhnlich in Form von Glykogen in der Leber gespeichert. Diese "eiserne Reserve" dient dazu, den Blutzuckerspiegel auch nach der vollständigen Verwertung der Kohlenhydrate aus der letzten Mahlzeit noch für eine Weile auf annähernd konstantem Niveau zu halten, hat aber nur einen begrenzte Größe (beim erwachenen Menschen ca. 1900kcal) und befindet sich somit in einem ständigen Auf- und Abbau. Bei einem normalen und vernünftigen Essverhalten kann man also gar nicht versehentlich zu viele Kohlenhydrate zu sich nehmen. Problematisch sind dagegen nach wie vor die so oft in den Speisen enthaltenen großen Mengen versteckter Fette, die gerade bei ansonsten kohlenhydratreicher Kost eine Menge nicht gebrauchter und somit überschüssiger Kalorien enthalten und direkt ins Fettgewebe wandern. Daher sollte bei der Ernährung eines Kindes mit MCAD-Mangel möglichst auf eine etwas fettreduzierte Kost geachtet werden.
Ganz ohne Fett kann man allerdings auch nicht auskommen, denn bestimmte "essentielle" Fettsäuren müssen über die Nahrung zugeführt werden, da sie vom Körper nicht selbst gebildet werden können (siehe oben, davon reichen dann aber 1-2 Teelöffel pro Tag) und auch bestimmte Vitamine sind nicht wasser- sondern fettlöslich und können nur in Verbindung mit Fett vom Organismus aufgenommen werden.
Welche Fette sollten bevorzugt werden?
Bei der Wahl eines Fettes zum Anbraten oder als Brotaufstrich hat man ja prinzipiell mehrere Möglichkeiten. Es gibt tierische Fette (z.B. Butter) oder pflanzliche Fette (Margarine, Pflanzenöl), gesättigte und ungesättigte Fette mit vielen oder wenigen Omega3-Fettsäuren.
Zu der Frage, ob sich hinsichtlich des MCAD-Mangels die eine oder andere Variante besonders gut oder schlecht eignet, konnte ich trotz intensiver Suche keine Antwort finden (Ausnahme: keine MCT-Fette, siehe oben!). Dies ist einer der Punkte, an denen man vielleicht ganz einfach der pauschalen Aufforderung, das Kind altersgerecht, aber normal zu ernähren folgen muss. Warum auch nicht? Bekanntermaßen sollte man ja pflanzlichen Fetten den Vorzug vor tierischen Fetten geben und auf einen hohen Anteil ungesättigter Fettsäuren achten. Vor allem aber sollte die Fettmenge (besonders der Anteil der versteckten Fette) in der Nahrung ein vernünftiges Maß haben. Zur Erinnerung: Wer genauere Informationen oder Empfehlungen erhalten hat, möge diese bitte im Diskussionsthread zu diesem Artikel mitteilen.
Kohlenhydrate - OK, aber welche?
Während in Krankheitszeiten eine schnelle Energiebereitstellung durch besonders einfach zu verwertende Zuckerarten für den kindlichen Organismus wichtig ist (u.a. aus dem Grund, weil auch Getränke bei Erbrechen oft nicht lange im Magen bleiben und die zugesetzten Kohlenhydrate deshalb sehr schnell ins Blut gelangen müssen), sollte bei der täglichen Kostzusammenstellung das Hauptgewicht auf die Zufuhr komplexer Kohlenhydrate gelegt werden. Diese gehen nicht schlagartig ins Blut über, sondern müssen zuerst in ihre Bestandteile zerlegt werden und führen dadurch zu einer länger währenden gleichmäßigen Energieversorgung des Körpers. Komplexe Kohlenhydrate sind besonders in Brot, Kartoffeln, Reis und Nudeln enthalten.
Und sonst?
Sonst kann man seinem Kind alles vorsetzen, was die Küche so bietet: Obst, Gemüse, Milchprodukte, Fisch, Fleisch. Wenn man ein wenig Vernunft walten läßt, ist alles erlaubt. Laut unserem Arzt darf es ruhig auch mal ein Hamburger oder ein Schnitzel mit Pommes sein. Man darf es - wie überall im Leben - einfach nicht übertreiben. Eine ausgewogene und vielseitige Ernährung ist in jedem Fall sinnvoll und wichtig - nicht nur für Kinder mit MCAD-Mangel!
Wieso gibt es bei den Stoffwechselärzten so unterschiedliche Sichtweisen zur Ernährung?
Es gibt wohl tatsächlich bisher keine Anzeichen dafür, dass es alleine aufgrund des MCAD-Mangels zu einer sich einschleichenden Zellverfettung kommt, sondern es ist ein Symptom der weit fortgeschrittenen Entgleisung.
Daher hat ein im Rahmen der Kontrolluntersuchungen durchgeführter Leberultraschall bei einem bis dahin unauffälligen Kind oberflächlich betrachtet in der Tat keinen real greifbaren Nutzen. Andererseits gibt es bis dato noch keinerlei Langzeiterkenntnisse über die Entwicklung der Kinder, bei denen der MCAD-Mangel frühzeitig diagnostiziert wurde. Momentan und auch in den kommenden Jahren geht es mit Hilfe der Fragebögen, die von den an Langzeitstudien teilnehmenden Eltern ausgefüllt werden, erstmal nur um die Sammlung von Daten. Aus dieser Datenmenge können in einigen Jahren vielleicht einmal tiefergehende Erkenntnisse über die Langzeitauswirkungen des MCAD-Mangel abgeleitet werden. Unter diesem Gesichtspunkt ermöglicht auch der in einigen SAs durchgeführte Leberultraschall, trotz meistens unauffälliger Ergebnisse, irgendwann eine auf stabileren Beinen stehende Aussage über das nicht vorhandene Risiko der langsamen Leberverfettung. Für diejenigen, die schallen, basiert die beruhigende Aussage "Nein, es kommt bei Kindern mit MCAD nicht zu einer sich einschleichenden Zellverfettung" in ein paar Jahren dann auf praktischen Erfahrungen, die Nicht-Schaller hingegen äussern damit aber nur eine Vermutung und keine selbst gemachte Erfahrung.
Gleiches gilt für die von den Ärzten gemachten Aussagen zur Ernährung. Weder die Verfechter der "Alles ist erlaubt, es gibt keine Einschränkungen!"-Sichtweise, noch die "Wir empfehlen eine fettreduzierte Ernährung und den weitgehenden Verzicht auf Kokos- und Palmfett"-Vertreter können ihre Empfehlungen zum heutigen Zeitpunkt mit irgendwelchen Langzeitstudien belegen. Das sind alles bislang nur persönliche Vermutungen und keine medizinisch überprüften Erkenntnisse! Wenn ein Arzt sagt: "Ihr Kind darf alles essen, machen sie sich da mal keine Gedanken!", dann hat er damit nicht Recht! Er hat auch nicht Unrecht! Es ist einfach nur seine persönliche Meinung, die auf nichts basiert. Auch die anderen Ärzte haben weder Recht noch Unrecht, sie haben nur die Vermutung, dass manche Nahrungsmittel und generelle Ernährungsweisen nicht ganz so optimal für ein vom MCAD-Mangel betroffenes Kind sein könnten. Das ist somit auch ein Mittel zur Vorbeugung von etwaigen späteren Problemen, die man jetzt noch nicht absehen, aber auch nicht definitiv ausschließen kann.
Mit ganz wenigen Ausnahmen sind die ältesten in Langzeitstudien erfassten Kinder, deren Entwicklung gezielt und regelmäßig nachverfolgt und dokumentiert wird, zur Zeit (2014) 14-15 Jahre alt. Wie sie sich in den nächsten 10 Jahren entwickeln werden, wird man erst in 10 Jahren im Rückblick sehen können, und das sind dann die ersten auf einer größeren Datenbasis aufbauenden Erfahrungen dieser Art. Insofern müssen alle Eltern für sich selbst überlegen, was sie im Interesse ihrer Kinder, über deren MCAD-Mangel-Nebeneffekte man noch überhaupt nichts weiß, hinsichtlich der Ernährung für klug und notwendig erachten - ganz unabhängig davon, welche Empfehlungen seitens der sie betreuenden Ärzte gegeben wurden.
Ein paar Überlegungen zum Sinn einer leicht fettreduzierten Ernährung
Genaugenommen geht es überhaupt nicht darum, dem Kind möglichst wenig Fett in der täglichen Ernährung zuzuführen, weil dieses aufgrund des MCAD-Mangels vielleicht schädlich für es sein könnte.
Lösen wir uns mal für einen Augenblick vollständig von der Betrachtung des Fettes. Beim MCAD-Mangel handelt es sich zwar um eine Störung in der Verarbeitung der Fettsäuren und eine daraus resultierende ungenügende Energiebereitstellung, aber es geht zur Vermeidung dieser riskanten Situationen überhaupt nicht darum, speziell den Fettanteil der täglichen Ernährung zu reduzieren. Vielmehr muss der Fokus darauf liegen, dem Kind tagtäglich genügend Nahrung mit von ihm verwertbaren Energieträgern, also Kohlenhydraten und auch Proteinen, zuzuführen, damit es bis zur nächsten Mahlzeit nicht in einen gefährlichen Energiemangelzustand abgleitet. Tatsächlich liegt das Hauptaugenmerk in Bezug auf die Ernährung also nicht in einer Reduzierung des Fettanteils, sondern in einer verstärkten Kohlenhydratzufuhr.
Während die deutschen Stoffwechselambulanzen allerdings in den meisten Fällen nur zu einer "kohlenhydratbetonten" Ernährungsweise raten, gehen die Empfehlungen der Stoffwechselexperten in den USA ein ganzes Stück darüber hinaus. Die meisten der Eltern in den USA bekommen die dringende Empfehlung, ihren vom MCAD-Mangel betroffenen Kindern mindestens 70% der täglich benötigten Gesamtkalorien in Form von Kohlenhydraten zuzuführen. Damit verkleinert sich die Menge der Kalorien aus dem Fettanteil der Nahrung automatisch auf maximal 30%. Diese Empfehlung (von vielen betroffenen Eltern auch als strikte Ernährungsvorschrift verstanden) ist nun nicht so leicht umzusetzen, da es um den Kalorienanteil und nicht den Gewichtsanteil geht und ein Gramm Fett einen deutlich höheren Energiegehalt (9,1kcal) hat, als ein Gramm Kohlenhydrate (4,3kcal). Man kann somit nicht einfach anhand der Nährwertangaben rechnen, dass pro 100g Lebensmittel der Kohlenhydratanteil mindestens 70g betragen müsse, sondern man muss diese Angaben zuerst mit den jeweiligen kcal-Zahlen multiplizieren, und dann den 70%-Anteil überprüfen. Ob diese strengen und komplizierten Diätvorgaben tatsächlich eine Nutzen gegenüber den beiden in Deutschland verbreiteten Ansichten haben ist fraglich, denn auch den MCAD-Familien in den USA scheint es damit nicht ein kleines Stückchen besser zu gehen als den deutschen Familien - im Gegenteil, denn die Kinder werden anscheinend sogar schneller ins Krankenhaus gebracht, wenn sich dieser Diätplan im Rahmen einer beginnenden Erkrankung zuhause nicht mehr vollständig umsetzen lässt. Die psychische Belastung der Familien wird durch diese Vorgaben um ein deutliches Maß gesteigert.
Eine ganz genau berechnete Aufteilung der täglichen Gesamtkalorienmenge in einen vorgegebenen Kohlenhydrat- und Fettanteil scheint somit nicht wirklich hilfreich oder gar notwendig zu sein. Trotzdem sollte an diesem Beispiel aus den USA ein Sachverhalt klar werden: Jedes Kind hat je nach Alter und Geschlecht einen gewissen täglichen Gesamtenergiebedarf, der nach Möglichkeit mit der täglichen Nahrungsmenge gedeckt, aber auch nicht fortwährend überschritten werden sollte. Steigert man (bewusst oder unbewusst) den in Form von Kohlenhydraten zugeführten Kalorienanteil, durch immer wieder zwischendurch gereichte kleine Snacks, z.B. in Form von Reiswaffeln, Keksen, Gummibärchen, Fruchtsäften oder andere gesüßten Getränken, sollte man trotzdem stets den täglichen Gesamtbedarf des Kindes im Blick behalten und diese Kalorien ggf. an anderer Stelle (beim Fett) wieder einsparen. Nimmt z.B. ein dreijähriger Junge mit einem geschätzten täglichen Gesamtenergiebedarf von rund 1100 kcal diese Energiemenge regelmäßig schon alleine mit seinen - einen ordentlichen Fettanteil enthaltenden - drei Hauptmahlzeiten zu sich, und bekommt zur Überbrückung der dazwischen liegenden Zeiten noch stark kohlenhydrathaltige Snacks, wird das auf Dauer nicht spurlos an ihm vorübergehen. Auch wenn es pro Tag nur 100-200kcal mehr sind, als er verbrauchen kann, werden sich diese in Form einer stetig wachsenden Fettschicht niederschlagen. Die zwischendurch in Form von Snacks aufgenommenen Kohlenhydrate sind dabei aber nicht mal das Problem, denn diese Kohlenhydrate sollen schließlich den Nutzen bringen, für eine fortlaufende Energiebereitstellung zwischen den längere Zeit auseinanderliegenden Mahlzeiten, oder für den Energienachschub während verstärkter körperlicher Aktivitäten zu sorgen. Die Fettpolster wachsen, wenn nicht gleichzeitig für eine dem Energiegehalt dieser zusätzlichen Kohlenhydrate entsprechende Reduzierung des Fettanteils gesorgt wird. Insgesamt sollte das Kind Tag für Tag auf annähernd 100% durch die Nahrung aufgenommene Gesamtenergiemenge kommen und nicht auf fortwährend 120%.
Dies ist der zu verstehende Hintergrund, weshalb eine durch zusätzliche Kohlenhydrate angereicherte Ernährung immer auch gleichzeitig eine leichte Fettreduzierung mit sich bringen sollte. Es sei noch einmal betont, dass es nicht in erster Linie darum geht, den Fettanteil der täglichen Nahrung zu senken, weil dieser die Kinder krank oder dick machen würde (zumindest nicht beim MCAD-Mangel). Die von manchen Stoffwechselärzten gegenüber den Eltern gemachte Behauptung, dass das Kind aufgrund des MCAD-Mangels nun mal unweigerlich dick werden würde, entspricht nämlich nicht den Tatsachen, sondern es wird dann dick, wenn es über Wochen, Monate und Jahre hinweg fortwährend überfüttert wird - und das müssen bei so kleinen Menschen noch nicht einmal große Mengen zusätzlicher Kalorien sein.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich als Autor dieser Seiten größten Wert auf Korrektheit gelegt habe, aber ansonsten medizinischer Laie bin. Alle veröffentlichten Informationen wurden von mir anhand verschiedener verfügbarer MCAD-Broschüren, Merkblätter, Webseiten, Aussagen der Stoffwechselambulanz und sonstigen Erkenntnissen und Erfahrungen (eigenen und denen unserer Forumsteilnehmer) zusammengetragen. Das Lesen dieser Seiten darf aber auf keinen Fall den Besuch beim Arzt oder der Stoffwechselambulanz ersetzen, sondern soll lediglich dazu dienen, schon mal etwas besser über die ganze Thematik und Problematik Bescheid zu wissen!
6. Leben mit MCAD
- Details
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Geschrieben von Wollachee
Aus kleinen Kindern mit MCAD-Mangel werden irgendwann Teenies, dann Jugendliche und später auch Erwachsene mit MCAD-Mangel! Der von Verwandten und Bekannten oft gehörte und sicherlich mutmachend gemeinte Spruch "Ach, das verwächst sich schon noch!" ist leider nicht zutreffend. Wie im Artikel "Woher kommt der MCAD-Mangel" beschrieben, handelt es sich um eine in den Genen verankerte, angeborene, und somit nicht nur vorübergehend existierende Stoffwechselstörung, die das gesamte Leben eines davon betroffenen Menschen beeinflussen wird.
Das Risiko einer Stoffwechselentgleisung wird sich mit zunehmendem Alter zwar deutlich verringern, aber niemals ganz verschwinden.
Gefahrenquellen in der Kindheit
Beim Stöbern im Internet ist in manchen meist recht kurzen Artikeln oft zu lesen, dass eine Erstmanifestation, also ein erstmaliges Auftreten einer als Stoffwechselentgleisung zu bezeichnenden Krankheitssituation, meistens schon innerhalb der ersten zwei Lebensjahre zu erwarten ist. Dies kommt daher, dass ein Säugling, bzw Kleinkind noch nicht in der Lage ist, auf Signale seines Körpers zu achten und sich entsprechend zu verhalten. Ein Säugling fühlt sich aufgrund eines Infekts irgendwie nicht wohl in seiner Haut, wird quengelig und verweigert einfach die Nahrungsaufnahme. Dadurch kommt dann noch Hunger hinzu (ein weiteres unangenehmes Gefühl, das er noch nicht einordnen kann), und so dreht sich die Spirale weiter. Oftmals vergessen diese kurzen Artikel leider zu erwähnen, dass dies die Erfahrungen bei unentdecktem und unbehandeltem MCAD-Mangel aus der Zeit vor der Einführung des erweiterten Neugeborenenscreenings waren, und sich die Situation für die heute frühzeitig diagnostizierten Kinder glücklicherweise völlig anders darstellt. Durch die somit geweckte Wachsamkeit der Eltern kam es in den letzten Jahren hier in Deutschland zu fast gar keinen Stoffwechselentgleisungen mehr. Die wenigen Situationen, in denen Kinder erste Anzeichen eines auf den MCAD-Mangel zurückführbaren Energiemangels zeigten, konnten von den Eltern dann sogar meist ohne ärztliche Hilfe bewältigt werden. Jedoch werden auch Kinder mit MCAD-Mangel immer wieder krank, und das muss schließlich auch so sein.
Da sich das Immunsystem eines Kindes in den ersten Lebensjahren erst langsam aufbauen muss, sind häufige Infekte ganz normal und ein wichtiger Punkt zur Stärkung und zum Training der Immunabwehr. Mit dem Eintritt in den Kindergarten, und dem damit verbundenen engen Kontakt zu vielen anderen Kindern, nimmt die Infekthäufigkeit aber noch mal eine ganz neue Dimension an. Kaum ist eine Erkältung überstanden, kommt schon die nächste, und dazu gesellen sich noch die dann besonders häufigen Magen-Darm-Infekte, sowie die üblichen Kinderkrankheiten, wie Masern, Scharlach, Windpocken, Mumps, Keuchhusten, usw.
Für die Eltern eines Kindes mit MCAD-Mangel stellt diese Zeit noch einmal eine besondere Belastung dar, da die ständigen Infekte meistens auch mit einer deutlichen körperlichen Schwäche und Appetitlosigkeit des Kindes einhergehen. Hier sind gute Ideen notwendig, wie die ausreichende Ernährung des Kindes trotzdem, z.B. durch die Anreichung von Getränken mit Maltodextrin, sichergestellt werden kann. Wenn gar nichts hilft, sollte man nicht zögern, das Kind in der Stoffwechselambulanz oder einer anderen ausreichend informierten Klinik mit Glukoseinfusionen versorgen zu lassen, bis sich die Essensaufnahme wieder annähernd normalisiert hat.
Doch schon im zweiten oder dritten Kindergartenjahr, spätestens mit dem Schulanfang, ist die schlimmste Phase der häufigen Erkrankungen oftmals überstanden. Auch ist das Kind dann in einem Alter, in dem man ihm schon verständlich und eindringlich genug erklären kann, weshalb es unbedingt auf eine regelmäßige Nahrungsaufnahme achten muss, und wen es um Hilfe bitten soll, wenn es anfängt, sich irgendwie eigenartig zu fühlen.
Auswirkungen des MCAD-Mangels auf die körperliche und geistige Entwicklung
Den bisherigen Erkenntnissen zufolge wird sich ein Kind mit MCAD-Mangel, egal ob mit milder oder schwerer Variante, völlig normal entwickeln, wenn in den vergleichsweise wenigen problematischen Situationen die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen konsequent beachtet werden. Darunter ist hauptsächlich die Gabe von Maltodextrin zur Überbrückung kürzerer Krankheitsphasen, bzw. der Klinikaufenthalt mit Glukoseinfusionen bei schwereren Fällen von Nahrungsverweigerung zu verstehen.
Ob und wie oft man seinem Kind Carnitin gibt, sollte man einfach von den Empfehlungen der zuständigen Stoffwechselambulanz abhängig machen. Obwohl es da ganz unterschiedliche Ansichten gibt, muss/will man als Eltern ja schließlich doch weitestgehend mit den betreuenden Ärzten zusammenarbeiten und sich nicht immer wieder auf nutzlose Diskussionen einlassen.
Die in manchen kurzen Internet-Artikeln zum MCAD-Mangel genannten bleibenden Hirnschädigungen traten in der Vergangenheit hauptsächlich deshalb auf, weil der bei den betreffenden Kindern vorliegende MCAD-Mangel nicht bekannt war. Daher waren sowohl die Eltern, als auch die behandelnden Ärzte nicht schnell genug in der Lage, die akut vorliegende Notsituation richtig zu beurteilen und mit geeigneten Gegenmaßnahmen zu bekämpfen, obwohl dies so einfach gewesen wäre. Für die Fans der Serie Emergency Room: In Staffel 6 Episode 20 ("Ungeklärte Verhältnisse") zeigt ein Handlungsstrang genau so ein Kind mit bis dahin unbekanntem, und daher auch erst sehr spät in der Klinik behandeltem MCAD-Mangel.
Der wichtigste Faktor zur Vermeidung der früher oft schlimm endenden metabolischen Krisen ist deshalb, über das Vorliegen des MCAD-Mangels überhaupt informiert zu sein, und sich darüber hinaus zumindest in Grundzügen mit dessen Wesen und Behandlung auszukennen. Mit ein klein wenig mehr Aufmerksamkeit lassen sich auch riskante Situationen gut meistern.
Gefahrenquellen im Jugendalter
Jugendliche mit MCAD-Mangel haben schon eine deutlich höhere Nüchterntoleranzzeit, aber auch sie sollten über die ihre Stoffwechselstörung betreffenden Risiken, vor allem aber auch über die von ihnen zu beachtenden Sicherheitsmaßnahmen umfassend informiert und sensibilisiert werden. Gerade in diesem Alter kann es nämlich wieder ganz andere Risikofaktoren geben, die vorher sowohl für das Kind, als auch dessen Eltern überhaupt kein Thema waren.
Diäten
Da wäre zum einen der aus Erwachsenensicht völlig irrationale Schlankheitswahn, dem besonders gerne pubertierende Mädchen anhängen. Man eifert seinen "Vorbildern" aus den Fernsehserien nach und möchte gerne auch so schlank wie Deutschlands nächstes Top-Model sein, oder glaubt, man käme bei den Mitschülern, und vor allem den Jungs besser an, wenn man einem völlig überzogenen Schlankheitsideal entspräche. Der psychische Druck innerhalb einer Klasse oder Clique kann gewaltig sein und dazu führen, dass sich selbst schlanke Mädchen immer noch viel zu dick fühlen und sich auf Biegen und Brechen den nicht vorhandenen Speck runterhungern wollen.
Selbst bei nicht vom MCAD-Mangel betroffenen Jugendlichen ist in so einem Fall die seelische und moralische Unterstützung durch die Eltern stark gefordert. Aber gerade bei bestehendem MCAD-Mangel sollten sich die Eltern auch nicht scheuen, professionelle Hilfe in Gestalt eines Psychotherapeuten für ihr Kind in Anspruch zu nehmen, denn solch ein Problem muss unbedingt an der Wurzel behandelt werden. Das selbstauferlegte und gezielte Fasten- und sei es auch nur für einen Tag - ist die größte Gefahr, in die sich ein Jugendlicher mit MCAD-Mangel im Hinblick auf seine Stoffwechselstörung begeben kann!
Selbstverständlich können auch Kinder und Jugendliche mit MCAD-Mangel abnehmen, wenn sich ein tatsächlich als solches zu bezeichnedes Übergewicht aufgebaut hat. Allerdings sollte die Gewichtsreduktion nicht in Form einer Hau-Ruck-Diät angegangen werden, sondern in enger Zusammenarbeit mit der Ernährungsberatung der betreuenden Stoffwechselambulanz erfolgen. Mitunter kann ein genau berechneter Ernährungsplan notwendig werden, der zum einen dem gewünschten Abnahmeziel dient, zum anderen aber auch sicherstellt, dass der Körper trotzdem regelmäßig die notwendige Energie bekommt, um nicht in eine Entgleisung zu rutschen.
Alkohol
Ein anderes Problem, über das in den letzten Jahren vermehrt in den Medien berichtet wird, ist der unter Jugendlichen stark zunehmende Alkoholmissbrauch.
Artikel: Erste Stoffwechselkrise bei 16-jährigem Mädchen nach Alkoholmissbrauch
Der >hier< als Zusammenfassung verlinkte englischsprachige Artikel berichtet von einem 16-jährigen Mädchen, bei dem nach einem exzessiven Alkoholkonsum mit darauffolgender Hungerphase erstmals eine schwere Stoffwechselentgleisung auftrat. Die Krise äußerte sich in Form einer akuten und bis zum Koma führenden Störung der Gehirnfunktion (Enzephalopathie). Die Begleiterscheinungen (Leber- und Nierenversagen, Herzstörungen) konnten die Ärzte mittels Beatmung, Infusionen, Blutkonserven und Dialyse letztlich in den Griff bekommen. Am 6. Tag wurde ein bis dahin nicht bekannter MCAD-Mangel diagnostiziert, nach 20 Tagen konnte das Mädchen entlassen werden. Zu diesem Zeitpunkt bestand noch eine leichte Muskelfunktionsstörung, bzw. Muskelschwäche, die sich aber in der folgenden Zeit deutlich besserte.
Der Artikel schließt mit der Feststellung, dass die Diagnose MCAD-Mangel in jedem Alter ein hohes Maß an Aufmerksamkeit erfordert, und dass Alkohol möglicherweise ein eine Stoffwechselentgleisung begünstigender Faktor sein könnte.
Zu diesem Thema wird in dem Buch "Clinical Paediatric Dietetics" von Vanessa Shaw und Margaret Lawson, Blackwell Publishing, darauf hingewiesen, dass Alkohol den Prozess der Glukoneogenese, also der Glukoseerzeugung aus organischen Nicht-Kohlenhydrat-Vorstufen blockiert. Die Glukoneogenese setzt in einer katabolen Phase gleichzeitig mit der Fettsäurenverwertung ein, sobald der Körper die Vorräte an Glykogen weitgehend verbraucht hat. Normalerweise sorgt die Glukoneogenese dafür, dass die ausschließlich auf Glukose angewiesenen Organe (Nierenmark), bzw. Blutbestandteile (rote Blutkörperchen) auf Dauer mit dem von ihnen benötigten Energieträger versorgt werden können. Wird der Prozess der Glukoneogenese durch Alkoholkonsum jedoch blockiert, verbrauchen sich die Glygokenvorräte noch schneller, und die Fettsäurenverwertung wird gesteigert. Eine Entgleisung kann dadurch leichter, schneller und auch stärker eintreten. Exzessiver Alkoholkonsum kann bei bestehendem MCAD-Mangel deshalb sehr gefährlich werden. Im gleichen Abschitt (Seite 424) wird bestätigt, dass die durch das Zuviel an Alkohol eintretende Übelkeit und Unwohlseinsphase auf jeden Fall noch zusätzlich dazu führen kann, dass die Zeitspanne, in der die betreffende Person nach dem Exzess keinen Drang zur Nahrungsaufnahme verspürt, ein kritisches Maß annimmt. Auch das in dem obigen Artikel erwähnte Mädchen hatte nach dem Besäufnis anscheinend eine längere Hungerphase durchgemacht, bevor es zu der Entgleisung kam. Der Konsum alkoholischer Getränke darf deshalb nur in sehr begrenztem Maße und immer nur in Kombination mit einer Mahlzeit erfolgen.
Die Empfehlungen der Stoffwechselexperten gehen dahin, dass Jugendliche und auch Erwachsene mit MCAD-Mangel niemals mehr als ein alkoholisches Getränke pro "Gelegenheit" zu sich nehmen sollten, und dies nach Möglichkeit auch nur in Verbindung mit einer ordentlichen Mahlzeit. Besser wäre es für Menschen mit MCAD-Mangel, vollkommen auf Alkohol zu verzichten. Eines muss den Jugendlichen auf jeden Fall frühzeitig sehr deutlich klar gemacht werden: Für ihre gleichaltrigen Freunde, die sie vielleicht zu einem kleinen Besäufnis überreden wollen, wird dies im Normalfall nur mit Schwindel, Übelkeit, Erbrechen, und am nächsten Morgen einem gewaltigen Kater enden. Für sie selbst aber kann die gleiche Ausgangssituation auch mit deutlich geringerem Alkoholkonsum schon eine lebensbedrohliche metabolische Krise nach sich ziehen und in der Notaufnahme des Krankenhauses enden.
Drogen
Wie schon beim Alkohol (der natürlich auch eine Droge ist) erwähnt, führt der Konsum von Rauschmittel aller Art zu einer Verminderung des Hungergefühls. Dies alleine ist für einen MCAD-Betroffenen schon riskant genug! Darüber hinaus können bewusstseinsverändernde Rauschgifte selbst in kleinsten Mengen schon zu einem so massiven Realitätsverlust und Bewusstseinstrübung führen, dass der Konsument auch nicht mehr in der Lage ist, rechtzeitig eine Mahlzeit zu sich zu nehmen, geschweige denn, dass er sich überhaupt noch daran erinnern kann, dass dies für ihn lebenswichtig ist.
Schon kleinste Mengen von vermeintlich noch relativ harmlosen "Einsteigerdrogen" können für einen MCADler ein lebensbedrohliches Risiko darstellen. Daher gilt hier unter allen Umständen: "HÄNDE WEG!", denn schon das erste Mal kann durchaus das letzte Mal gewesen sein.
Ratgeber zu diesen Themen für Jugendliche und ihre Eltern
Auf der Webseite der BzGA (Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung) gibt es eine Menge guter Ratgeber-Broschüren zu den Themen Rauchen, Alkohol, Drogen, Medikamentenmissbrauch, Essstörungen, u.v.m. zum kostenlosen Download, die dabei helfen können, über diese Themen mit dem eigenen Kind ins Gespräch zu kommen. Einfach den Link zum BzGA anklicken und dann links im Menü den entsprechenden Themenbereich auswählen, z.B. "Suchtvorbeugung". Die Broschüren können als PDF-Datei heruntergeladen oder teilweise auch in gedruckter Form bezogen werden. Zu jedem Thema gibt es Hefte, die den Jugendlichen selbst die Inhalte vermitteln wollen, aber auch an die Eltern gerichtete Ratgeber, die ihnen helfen sollen, den möglicherweise vor ihnen verheimlichten Genussmittel- oder Drogenkonsum zu erkennen und gegenüber ihren Kindern anzusprechen.
Unwissenheit
Viele der heutigen Teenies und Jugendlichen mit MCAD-Mangel sind sich der Notwendigkeit der strikten Beachtung nicht zu überschreitender Nüchternzeiten nur unzureichend bewusst. Sie nehmen zwar tagsüber ihre regelmäßigen Mahlzeiten und Snacks zu sich, jedoch nicht aus dem Wissen heraus, dass es für sie lebenswichtig ist, sondern weil es ihn von ihren Eltern so vorgegeben und in den Tagesablauf eingeplant wird. Der den MCAD-Mangel betreffende Wissenstransfer von den Eltern zu ihren Kindern ist in vielen Fällen noch unzureichend erfolgt. Die Kinder sind aber schon in ein Alter hineingewachsen, in dem sie immer mehr Verantwortung für ihr eigenes Leben übernehmen müssen und wollen. Dazu gehört zwingend auch der eigenverantwortliche Umgang mit ihrem MCAD-Mangel.
Ein paar wenige Eltern sind sogar der Überzeugung, ihre Kinder müssten zwecks eines "normalen" und "unbelasteten" Aufwachsens so weit wie möglich von dem Thema MCAD-Mangel abgeschottet werden, so dass diese Kinder allen Ernstes noch als Jugendliche nicht die geringste Ahnung davon haben, dass bei ihnen diese seltene Stoffwechselstörung vorliegt, was es damit im Detail auf sich hat, was sie selbst diesbezüglich im täglichen Leben zu beachten haben, und wie sie, bzw. ihre Umgebung im Notfall zu reagieren hat.
Das Problem liegt auf der Hand! Wenn der vom MCAD-Mangel betroffene Jugendliche selbst nichts von seiner Stoffwechselstörung ahnt, wissen auch die Freunde, die Klassenkameraden und vermutlich auch die Lehrer nichts davon. Wie soll der Jugendliche dann die elterlichen Ermahnungen verstehen und akzeptieren, wenn ihm gesagt wird, er solle nicht hungern, keinen Alkohol drinken und auch keine Drogen ausprobieren, wenn er nicht den Zusammenhang herstellen kann, weshalb diese Dinge speziell für ihn eine große Gefahr darstellen und für seine gleichaltrigen Kumpels nicht - zumindest nicht in gleichem Maße. Wann wollen ihn die Eltern denn dann endlich mal darüber informieren? Bekommt er die ausgedruckten Artikel dieser Seite hier zur Hochzeit mit auf den Geschenketisch gelegt - verbunden mit einem Kärtchen, auf dem steht, es sei vielleicht sinnvoll, sich jetzt (nach dem Verlassen des Elternhauses) mal ein wenig mit dem Thema zu befassen?
Was speziell diese Eltern leider nicht verstanden zu haben scheinen, ist die Tatsache, dass sie ihre eigene emotionale Belastung nicht pauschal auf das eigene Kind übertragen dürfen. Für die meisten Eltern bricht nach der Mitteilung des MCAD-Verdachts kurz nach der Geburt des Kindes erst einmal eine Welt zusammen. Die davon selbst betroffenen Kinder wachsen dagegen bei einem in der Familie gepflegten "normalen" Umgang mit dieser Stoffwechselstörung völlig problemlos und emotional unbelastet in ihr irgendwann auch diesbezüglich eigenverantwortliches Leben hinein. Sie wissen Bescheid, was mit ihnen los ist, warum sie im Unterschied zu anderen Kindern dieses oder jenes besser nicht essen sollen und können all das bei Bedarf auch ihren Freunden erklären. Diese wiederum sind oft gerne zusätzlich aufmerksam, um sofort den Lehrer oder andere Bezugspersonen zu alarmieren, falls mit ihrem Freund/ihrer Freundin was nicht zu stimmen scheint.
Generell führt ein offener Umgang mit dem Thema MCAD-Mangel - zunächst mal innerhalb der Familie und dann auch in der weiteren Umgebung - zu vielen positiven Effekten, die in ihrer Gesamtheit alle zu einer größeren Sicherheit des Kindes, bzw. des Jugendlichen beitragen. Ein Kind, dessen MCAD-Mangel seitens der Eltern vor ihm selbst und auch vor allen anderen Menschen nach Möglichkeit verheimlicht wird, kann diese Auswirkungen nicht erleben, sondern wird im Gegenteil irgendwann immer deutlicher spüren, dass mit ihm etwas anders ist, als mit den anderen Kindern um sich herum.
Gefahrenquellen im Erwachsenenalter
Immer noch gibt es weltweit, also auch hier in Deutschland, eine ganze Reihe Erwachsener mit bisher unbekanntem MCAD-Mangel (selbst in der Variante K329E homozygot), von dem sie in ihrem bisherigen Leben wenig bis nichts gemerkt haben. Bei manchen bleibt der MCAD-Mangel zeitlebens unentdeckt, andere erfahren von ihrer eigenen Betroffenheit durch Zufall, weil nach der MCAD-Diagnose ihres Kindes bei ihnen ebenfalls eine genetische Untersuchung durchgeführt wird. In manchen medizinischen Artikeln werden sie als "asymptomatische" MCAD-Betroffene bezeichnet. Diese Bezeichnung ist jedoch nicht ganz zutreffend, denn sie legt fälschlicherweise den Gedanken nahe, dass es sich bei ihnen um Menschen handele, denen selbst die schwere Form des MCAD-Mangels generell nichts anhaben könne. Dafür aber gibt es nicht die geringste Garantie. Korrekterweise muss man sie als "vorsymptomatische" MCAD-Betroffene bezeichnen, denn zu einer Erstmanifestation des MCAD-Mangels kann es in jedem Lebensalter kommen! Bei manchen ahnungslosen Betroffenen kommen die zum Eintreten einer ersten Entgleisung führenden Umstände erst nach vielen Jahren zusammen. Oftmals müssen diese erwachsenen MCAD-Betroffenen allerdings lange einer gesicherten Diagnose nachlaufen, da man seitens vieler Ärzte ein so spätes erstes Auswirken des MCAD-Mangels für extrem unwahrscheinlich hält, und daher diese Möglichkeit bei der Ursachensuche nicht in Betracht zieht.
Die seit einigen Jahren im Screening frühzeitig gefundenen Kinder mit MCAD-Mangel haben es da besser, denn sie wachsen in den sicheren und eigenverantwortlichen Umgang mit ihrer Stoffwechselstörung von Jahr zu Jahr besser hinein.
Einige Mitglieder dieser Seite haben von ihren Stoffwechselärzten gesagt bekommen, dass der MCAD-Mangel nur während der ersten 7 bis 10 Lebensjahre beachtet werden müsse, und danach keine Rolle mehr spiele - spätestens nach der Pubertät sei die Entgleisungsgefahr vorbei. Dies ist nicht zutreffend! Es gibt eine Vielzahl von Berichten über Betroffene, deren MCAD-Mangel erst nach einer schweren Entgleisung im Erwachsenenalter festgestellt wurde, und jährlich kommen neue Fälle hinzu.
Auch als Erwachsener muss deshalb bei bekanntem MCAD-Mangel immer darauf geachtet werden, dass eine regelmäßige Nahrungsaufnahme erfolgt. Die Glykogenspeicher der Leber können dann zwar eine deutlich größere Reserve fassen, als es noch in der frühen Kindheit der Fall war, so dass bei Einhaltung der empfohlenen Nüchterntoleranzzeiten ein noch etwas größerer Sicherheitspuffer existiert, aber dennoch sind die dann in Form von Glykogen gespeicherten rund 1900kcal nach etwa 16 Stunden ohne weitere Nahrungsaufnahme verbraucht. In besonderen Situationen, z.B. geplanten Operationen mit vorausgehender angeordneter Nüchternheitsphase, müssen die behandelnden Ärzte unbedingt immer über den vorliegenden MCAD-Mangel informiert werden, so dass dieser Umstand in die Behandlung mit eingeplant werden kann. Erfordert eine Operation unter Vollnarkose eine vorangehende mehrstündige Nüchternphase, ist dies durchaus möglich, denn anstelle fester Nahrung kann die notwendige Energie auch in Form einer Glukoselösung zugeführt werden.
Artikel: Erstmanifestation des MCAD-Mangels bei einem Erwachsenen in Form von Koma und ernsten Herzrhythmusstörungen
Dieser Artikel (Kurzfassung) aus dem Jahr 2003 schildert den Fall eines 33-jährigen Mannes, der sich aufgrund von Kopfschmerzen und Erbrechen ins Krankenhaus begab. Bald nach der Aufnahme stellten sich bei ihm Schläfrigkeit, Verstörtheit, sowie ventrikuläres Herzrasen ein und sein neurologischer Zustand verschlechterte sich bis hin zu einem schweren Koma (Glasgow Coma Scale 6). Nach und nach stellten sich weitere Herzprobleme bis hin zum Kammerflimmern und schließlich Herzstillstand ein, der aber erfolgreich behandelt werden konnte. Ein CT-Scan zeigte Wassereinlagerungen im Gehirn auf. Während des Aufenthalts auf der Intensivstation wurde Muskelzerfall (Rhabdomyolyse) diagnostiziert und es kam zum Nierenversagen. Die bei der Aufnahme in die Klinik festgestellten metabolischen Auffälligkeiten normalisierten sich innerhalb von 48 Stunden aufgrund intravenöser Glukoseinfusion. Weitere Untersuchungen, u.a. der organischen Säuren im Urin und des Acylcarnitinprofils, legten den Verdacht auf einen bei dem Patienten bisher unentdeckten MCAD-Mangel nahe, der nach einer molekulargenetischen Untersuchung auch in der Form K329E homozygot bestätigt werden konnte.
Ausser diesem Bericht gibt es nur wenige andere, in denen ernsthafte Herzrhythmusstörungen bei Erwachsenen auf die Auswirkungen eines unentdeckten MCAD-Mangels zurückgeführt werden konnten. Der Bericht schliesst daher mit der Vermutung, dass die Möglichkeit eines vorliegenden MCAD-Mangels bei der Suche nach Ursachen von Herzrhythmusstörungen im Erwachsenenalter oft unberücksichtigt bleibt.
In den sich wirklich intensiv mit dem MCAD-Mangel befassenden Stoffwechselzentren der deutschen Uni-Kliniken (deren Anzahl man leider an einer einzigen Hand abzählen kann, und dabei noch nicht einmal alle Finger braucht), ist eine Vielzahl weiterer Fälle von Erstmanifestationen im Erwachsenenalter von 18 bis 60 Jahren bekannt.
Wie bei fast allen existierenden medizinischen Berichten zum MCAD-Mangel handelte es sich auch bei dem zuvor beschriebenen Beispiel um eine Situation, die vermutlich nur aufgrund des Umstandes eingetreten ist, dass der Patient nichts von dem bei ihm vorliegenden MCAD-Mangel wusste. Somit war ihm auch nicht bewusst, dass er in der vorangegangenen Krankheitsphase trotz Erbrechens unter allen Umständen auf eine ausreichende Kohlenhydratzufuhr (zur Not mit Infusion im Krankenhaus) hätte achten müssen.
Die heutigen Kinder, bei denen der MCAD-Mangel bereits kurz nach der Geburt festgestellt wurde, werden aufgrund dieses Wissens vermutlich nie in eine ähnlich kritische Situation geraten, jedoch zeigt dieser Bericht, dass das Risiko einer Stoffwechselentgleisung längst nicht mit dem Eintritt ins Jugendlichen- oder Erwachsenenalter endet. Sie sollten auch später bei jedem "irgendwie komisch fühlen" - egal ob in einer akuten Krankheitssituation oder nicht - den MCAD-Mangel sofort als eine der möglichen Ursachen in Betracht ziehen und diesbezüglich unterstützende Maßnahmen ergreifen, z.B. in Form von Traubenzuckerwürfeln, gesüßten Getränken oder sonstigen zuckerhaltigen Nahrungsmitteln.
Weshalb es wichtig ist, einen "heißen Draht" zu seiner Stoffwechselambulanz zu haben!
Leider haben auch heute noch viele Ärzte nie zuvor vom MCAD-Mangel gehört, und von denen, die davon gehört haben, haben die wenigsten wirklich verstanden, um was für eine Stoffwechselstörung es sich dabei handelt. Daher kommt es leider doch noch vereinzelt vor, dass Eltern mit ihrem vom MCAD-Mangel betroffenen und seit Stunden keine Nahrung mehr zu sich nehmenden Kind in der Notaufnahme eines Krankenhauses nicht ernst genommen und nach Hause geschickt werden. Noch schlimmer ist allerdings, wenn ein MCAD-Patient aufgenommen, aber falsch behandelt wird, weil die betreffenden Ärzte die Anweisungen im Notfallausweis ignorieren und die Erklärungen der Eltern bzw. der erwachsenen MCAD-Betroffenen als einfach nur hysterisches Gehabe, oder laienhaftes und somit unbedeutendes Geschwätz abtun.
Erst im Juli 2012 ist in Texas, USA, eine 22-jährige Frau mit MCAD-Mangel durch die Folge ärztlicher Ignoranz gestorben. Die bereits im Alter von 2 Jahren mit dem MCAD-Mangel diagnostizierte Frau hatte sich in Begleitung ihrer Mutter aufgrund andauernden Erbrechens und starker Bauchschmerzen in die Notaufnahme eines Krankenhauses begeben. Weder der vorgelegte Notfallausweis, noch die Erklärungen zum MCAD-Mangel durch die junge Frau und ihre Mutter wurden von den diensthabenden Ärzten ernstgenommen. Selbst als die Frau in eine schwere Stoffwechselkrise rutschte, wollte niemand der Mutter zuhören, sondern zog die falsche Behandlung konsequent weiter durch, bis es zu spät war.
Für das Krankenhaus und die betreffenden Ärzte wird dieses ignorante Verhalten schwere Konsequenzen haben, aber all das kann dem nun bei der Oma aufwachsenden dreijährigen Kind dieser Frau nicht die Mutter zurückbringen, die selbst alles richtig gemacht hatte.
Ein vergleichbar schweres Fehlverhalten der behandelnden Ärzte trotz bereits bekanntem MCAD-Mangel des Kindes ist in Deutschland in den letzten Jahren anscheinend nicht vorgekommen. Aus den Reihen der Mitglieder wurde aber schon einige Male davon berichtet, dass nach dem Eintreffen in der Notaufnahme dem Kind erst nach einigen Stunden Wartezeit endlich eine Glukoseinfusion angehängt wurde. Eine Familie wurde mit ihrem fortwährend erbrechenden Baby auch wieder nach Hause geschickt, denn es bestünde ja kein Grund zur Besorgnis - das Kind würde schon nicht austrocknen, solange es noch ein wenig Wasser zu sich nehmen könne. Dass es aber überhaupt nicht um ein eventuelles Austrocknen, sondern einen lebensgefährlichen Energiemangel ging, hat der betreffende Arzt nicht verstanden.
Aus diesem Grund ist es immens wichtig, von der betreuenden Stoffwechselambulanz eine Notfall-Telefonnummer genannt zu bekommen, unter der zu jeder Zeit ein MCAD-Experte erreichbar ist, der zur Not dem den Eltern nicht zuhörenden Arzt den Kopf zurechtrückt und erklärt, was Sache ist. Selbst wenn die Stoffwechselklinik in erreichbarer Nähe liegt, und man sich in einem solchen Fall direkt dorthin begeben kann, ist eine rund um die Uhr erreichbare Notfallnummer sinnvoll. Schließlich bleibt man auch im Urlaub nicht von Magen-Darm-Infekten u.ä. verschont, und gerade bei Aufenthalten im Ausland ist es sehr hilfreich, wenn der deutsche Experte dem Arzt vor Ort entsprechende Erklärungen und Anweisungen geben kann.
Wann und warum sind Frauen mit MCAD-Mangel in besonderer Weise gefährdet?
Antwort: Bei einer Schwangerschaft! Auch dies ist ein Aspekt des MCAD-Mangels, über den es bisher keinerlei wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, da so gut wie keine Frauen bekannt sind, die selbst einen MCAD-Mangel haben und schon schwanger waren. Eine normal verlaufende Schwangerschaft wird vermutlich (mehr dazu am Ende dieses Abschnitts) keine besonderen Erfordernisse mit sich bringen. Problematisch wird es allerdings dann, wenn sich im Verlauf der Schwangerschaft ein Gestationsdiabetes einstellt. Ob Frauen mit MCAD-Mangel in dieser Hinsicht weniger, gleich viel oder sogar stärker gefährdet sind, als der bundesdeutsche Durchschnitt mit 5-10%, ist bislang noch nicht abzusehen. Ebenso wenig ist bislang klar, wie man sich als betroffene Frau in so einem Fall zu verhalten hat. Sicher ist, dass ein unbehandelter Gestationsdiabetes für Kind und Mutter ein großes Risiko darstellt. Das Kind wächst im Mutterleib schneller als normal; die inneren Organe, vor allem die Lungen kommen mit der Geschwindigkeit jedoch nicht mit. Aufgrund der Größe muss es eventuell deutlich früher geholt werden, wenn die Lungen aber noch lange nicht ausgereift sind, usw. Eine Reihe weiterer durch den Gestationsdiabetes bedingter Risikofaktoren bzgl. Mutter und Kind machen ein schnellstmögliches Gegensteuern in Form einer entsprechenden Insulinbehandlung und ggf. einer Ernährungsumstellung dringend notwendig, um die ständigen Höhenflüge des Blutzuckerspiegels im Zaum zu halten.
Hier zeigt sich nun das Dilemma dieser Situation. Höchstwahrscheinlich haben sich weder die Frauenärzte, noch die in so einem Fall aufzusuchenden Diabetologen jemals zuvor Gedanken über die besondere Situation des gleichzeitigen Vorliegens eines Gestationsdiabetes und eines MCAD-Mangels gemacht. Vermutlich hat kaum ein Diabetologe überhaupt schon mal von letzterem gehört. Der häufig zunächst gegebene Rat "Essen sie einfach mal weniger und dann hauptsächlich Vollkornprodukte" mag bei vielen Frauen (ohne MCAD-Mangel) mit leichtem Gestationsdiabetes schon Abhilfe schaffen, bei stärkeren Formen kann ein einziger Bissen Vollkornbrötchen den Blutzuckerspiegel schon in Höhen treiben, die laut Arzt möglichst niemals erreicht werden sollten. "Dann essen sie vermutlich noch zu viel! Sie müssen ihre Mahlzeiten kleiner bemessen!" hieß es bei uns - von irgendetwas muss das Kind aber schließlich auch ernährt werden.
Bei einem Gestationsdiabetes kann man nicht lange herumexperimentieren!
Eine Essensreduktion scheidet bei einer schwangeren MCADlerin definitiv aus. Erstens ist sie auch als Erwachsene auf regelmäßige und vor allem ausreichende Zufuhr von Nahrung (v.a. der darin enthaltenen Kohlenhydrate) angewiesen, zweitens muss darüber hinaus auch noch ihr ungeborenes Kind eine ausreichende Menge an Nährstoffen erhalten, drittens dauert dieses Herumexperimentieren mit Nahrungsmengen zu lange und viertens ist es sehr fraglich, ob damit überhaupt ein über Monate hinweg durchhaltbarer Mittelweg gefunden werden kann.
Aber auch die Insulintherapie ist nicht unproblematisch, da die Menge des pro Mahlzeit zu spritzenden Insulins genau berechnet werden muss, um nicht durch eine zu hoch bemessene Dosis vom nach der Mahlzeit noch zu hohen Blutzuckerspiegel nach kurzer Zeit in den Bereich der Unterzuckerung zu rutschen. Dieses Risiko ist bei MCAD-Betroffenen nun mal sehr viel höher, als bei "normalen" Gestationsdiabetes-Patientinnen. Es kann durchaus notwendig sein, dass vom Diabetologen ein sehr präziser Ernährungsplan mit entsprechend genau bemessenen Insulinmengen zusammengestellt werden muss, den es zwingend einzuhalten gilt.
Jede ärztliche Empfehlung selbst überprüfen!
Was bedeutet dies nun für den Fall der Fälle? Zum einen sollten alle jungen Frauen mit MCAD-Mangel sehr gut über sämtliche Aspekte der bei ihnen vorliegenden Stoffwechselstörung informiert sein, denn sie werden alle diese Zusammenhänge ihren Frauenärzten und eventuell auch Diabetologen erklären, und darüber hinaus jede sie betreffende Behandlungsempfehlung ständig überprüfen müssen. Keiner der Ärzte, mit denen sie im Verlauf der Schwangerschaft zu tun haben werden, wird auch nur annähernd einschätzen können, welche Rolle der MCAD-Mangel dabei spielen könnte.
Die Frauenärztin sollte nach Feststellung der Schwangerschaft sofort darüber informiert werden, dass ein MCAD-Mangel vorliegt und ein eventuell eintretender Gestationsdiabetes daher eine ganz besonders schwierige Situation darstellen kann, die kein langes Herumexperimentieren erlaubt, sondern eine schnellstmögliche und extrem genaue Einstellung der Insulintherapie erfordert.
Risikoschwangerschaft?
Gegenüber der Krankenkasse ist es durchaus begründet, die Schwangerschaft einer MCADlerin bereits vom ersten Tag an als Risikoschwangerschaft einzustufen, so dass die Krankenkassen wichtige, über die Standardleistungen hinausgehende weitere ärztliche Leistungen übernehmen, wie z.B. häufigere Kontrollen, Überweisungen an entsprechende Spezialisten, den Einsatz weiterer diagnostischer Mittel oder gegebenenfalls die Einweisung in ein Geburtshilfezentrum mit intensivmedizinischer Betreuung. Eventuell sollte man in dem Zusammenhang schon mal vorsorglich einen frühzeitigen Kontakt zum ggf. in Frage kommenden Diabetologen aufbauen.
Selbst wenn es zu keinem Gestationsdiabetes kommt - die Schwangerschaft einer selbst vom MCAD-Mangel betroffenen Frau stellt in jedem Fall eine besondere Situation dar, die von ihr selbst, vom Frauenarzt, der Hebamme und den weiteren Spezialisten in besonderer Weise überwacht werden sollte. Erst in 15-20 Jahren wird es dazu auf einer breiteren Datenbasis aufbauende Erkenntnisse geben, und das dank der Kinder, deren MCAD-Mangel in den vergangenen Jahren frühzeitig diagnostiziert werden konnte.
Genug von Gefahren! Welche positiven Zukunftsaussichten hat mein Kind?
Als erst neu mit der Diagnose MCAD-Mangel konfrontierte Eltern macht man sich verständlicherweise viele Gedanken und sogar Sorgen um die Zukunft des Kindes. Wird es sich annähernd normal entwickeln? Kann es überhaupt auf eine normale Schule gehen? Wie sieht es mit seinen späteren Chancen aus? Wird es vielleicht immer und überall Einschränkungen hinzunehmen haben?
Die Erfahrungen von MCAD-Eltern rund um den Globus zeigen eines ganz deutlich: Alles ist möglich - im positiven Sinn!
Intellekt
Kinder mit MCAD-Mangel sind "üblicherweise" (dazu später mehr) nicht schlechter in der Schule, als ihre gleichaltrigen Mitschüler. Sie scheinen den bisherigen Langzeitbeobachtungen zufolge sogar besser mitzukommen, was z.B. alleine schon daran liegen könnte, dass sie im Gegensatz zu vielen ihrer Mitschüler niemals ohne das eigentlich für alle Kinder wichtige Frühstück in die Schule gehen. Sie haben im Vergleich zu anderen Kindern ein laut Studien besseres Sozialverhalten, können sich besser in Situationen anderer Menschen hineinversetzen und mit diesen mitfühlen, also Empathie empfinden. Vielleicht liegt insbesondere das daran, dass die Eltern ihnen mehr Nähe und Aufmerksamkeit widmen (müssen), als es heutzutage bei vielen andern Babies, Kleinkindern, Kindergarten- und Schulkindern leider der Fall ist.
Körpergewicht
Sie werden mitnichten immer dicker und dicker, wie manche Stoffwechselärzte den Eltern gegenüber in Aussicht gestellt haben, sondern es finden sich unter ihnen im Jugendalter sogar mehr Normalgewichtige als in der gleichen Altersgruppe von Jugendlichen ohne Stoffwechselstörungen. Sie lernen auch sehr früh, wie man sich gesund und ausgewogen ernährt.
Berufswunsch
Sie können auf weiterführende Schulen gehen, studieren, promovieren, im Beruf Karriere machen, falls sie das anstreben. Es gibt natürlich einige Berufe, in denen die regelmäßige Nahrungsaufnahme aufgrund der äusseren Umstände nicht möglich oder nicht gestattet ist (z.B. Militär, Marine,...). Ebenso gibt es Berufe, in denen aufgrund des immensen Stresslevels und der gleichzeitigen Verantwortung für das Leben vieler Menschen jede noch so kleine gesundheitliche Beeinträchtigung bereits ein Ausschlusskriterium darstellt (Pilot, Flugsicherung,...). Solche Berufe werden ihnen somit mit großer Wahrscheinlichkeit verschlossen bleiben, aber damit ist die Auswahl auch nur ein klein wenig eingeschränkt.
Sport
MCADler müssen zu keinem Zeitpunkt auf Sport verzichten. Es empfiehlt sich dabei allerdings immer, sich bzgl. ihrer sportlichen Vorhaben mit ihrem Stoffwechselexperten und Ernährungsberater abzustimmen, um Nahrungsaufnahme und sportlichen Energiebedarf aufeinander abzustimmen. Unter diesen nun mal einzuhaltenden Randbedingungen stehen ihnen auch in sportlicher Hinsicht Tür und Tor offen.
Dies alles gilt für die meisten, aber leider nicht alle Kinder mit MCAD-Mangel
Nun aber noch etwas zu dem Wörtchen "üblicherweise" aus dem obigen Absatz. Leider trifft dies nämlich nicht auf alle Kinder mit MCAD-Mangel zu! Einige, vor allem vor der Einführung des Erweiterten Screenings geborene Kinder, haben aufgrund einer zwar überlebten, aber mitunter doch sehr schweren metabolischen Krise mehr oder weniger starke bleibende Schäden davongetragen, und das Leben dieser Familien wird u.U. dauerhaft von gesundheitlichen Problemen, kognitiven Störungen, körperlichen Beschwerden und eventuell noch hinzukommendem starkem emotionalem Stress bestimmt.
Die Mediziner vermuten, dass eine Erstmanifestation des MCAD-Mangels, also ein erstes Auftreten schwerer Symptome, um so schwerwiegendere Folgen haben kann, je früher sie in der Entwicklung des Kindes eintrat. Bereits kurz nach der Geburt auftretende Symptome können dieser Ansicht nach zu schwereren auf später bezogene Auswirkungen führen, als eine erst nach einigen Jahren erstmals auftretende Krise, oder erste Symptome im Jugend- oder Erwachsenenalter.
Daher gibt es leider keine pauschale Garantie dafür, dass sich alle Kinder völlig normal entwickeln werden, denn eine überlebte schwere Stoffwechselkrise ist ein in die Entwicklung des Kindes in jedem Fall stark einschneidendes Ereignis, und es hängt davon ab, wie schnell mit geeigneten Maßnahmen gegengesteuert werden konnte, und welche Schäden die Entgleisung bis dahin schon angerichtet hatte. Für viele Familien wird der MCAD-Mangel ihres Kindes schon nach wenigen Jahren stark in den Hintergrund treten, für ein paar wenige Familien wird er aber einen ständigen Kampf um die Gesundheit des Kindes bedeuten. Dies darf niemals vergessen werden: auch wenn er in den meisten Fällen gut händelbar ist, handelt es sich beim MCAD-Mangel um eine ernste und im Extremfall (bei Nichtbeachtung der Vorsichtsmaßnahmen) sogar lebensbedrohliche Stoffwechselstörung, die im täglichen Leben zwar durchaus an Stellenwert verlieren sollte, aber niemals vergessen werden darf, sondern den ihr gebührenden "kleinen" Platz einnehmen muss.
Alle Kinder mit MCAD-Mangel sind einzigartige Persönlichkeiten mit ihrem ganz eigenen besonderem Potential, die daher nicht über ihre Stoffwechselstörung definiert werden sollten. Um es mit den Worten der Gründerin der amerikanischen MCAD-Selbsthilfegruppe zu sagen, die selbst ihr erstes Kind durch einen nicht frühzeitig diagnostizierten MCAD-Mangel verloren hat:
Jedes Kind ist einzigartig, etwas Besonderes und wichtig, und egal welche Herausforderungen auch da sein mögen - jedes Kind hat auf seine ganz eigene Weise etwas anzubieten! Wir müssen ihnen diese Wege nur einräumen und sie bei allem ermutigen und unterstützen, was auch immer ihre Fähigkeiten sein mögen. An der Stelle entscheidet sich nämlich, was man ganz persönlich als "normal" bezeichnet. Versuche nicht dein Kind mit anderen zu vergleichen und schaue nicht auf das, was dein Kind vielleicht nicht kann! Erkenne vielmehr was es kann, wertschätze es dafür, wer es ist und liebe es aus ganzem Herzen bis zum Ende!
(aus dem Englischen übersetzt, Quelle: Newsletter Januar 2008)
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich als Autor dieser Seiten größten Wert auf Korrektheit gelegt habe, aber ansonsten medizinischer Laie bin. Alle veröffentlichten Informationen wurden von mir anhand verschiedener verfügbarer MCAD-Broschüren, Merkblätter, Webseiten, Aussagen der Stoffwechselambulanz und sonstigen Erkenntnissen und Erfahrungen (eigenen und denen unserer Forumsteilnehmer) zusammengetragen. Das Lesen dieser Seiten darf aber auf keinen Fall den Besuch beim Arzt oder der Stoffwechselambulanz ersetzen, sondern soll lediglich dazu dienen, schon mal etwas besser über die ganze Thematik und Problematik Bescheid zu wissen!
7. Fragen über Fragen...
- Details
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Geschrieben von Wollachee
Nach wie vor sind viele Fragen zum MCAD-Mangel offen. Manche davon können nur von Experten (wenn überhaupt) beantwortet werden und eignen sich nicht zur Diskussion im Forum. Vielleicht hast Du die eine oder andere dieser Fragen schon mal deinem Stoffwechselarzt gestellt und eine nachvollziehbare und verständliche Antwort dazu erhalten. Oder Du nimmst bei deinem nächsten Besuch im SW-Zentrum die Gelegenheit wahr und fragst den Arzt zu diesen Themen. Möglicherweise hast Du aber auch schon eine zu der Frage passende Antwort in irgendeiner wissenschaftlichen Publikation gelesen. Dann her damit!
Schreibt eure Fragen und Antworten (bitte keine eigenen Meinungen, sondern nur "offizielle" Aussagen von Fachärzten oder aus entsprechenden wissenschaftlichen Artikeln zum MCAD-Mangel) einfach in den unten verlinkten Forumsthread. Ich werde diese Seite dann entsprechend aktualisieren. Gerne dürft Ihr auch eure bereits früher den Ärzten gestellten und beantworteten Fragen mitteilen. Mit Sicherheit besteht da ein großes allgemeines Interesse.
Bislang wurden im Forum zwei mögliche Kontaktadressen für entsprechende Langzeitstudien genannt, inzwischen wird aber nur noch eine fortgesetzt:
- Langzeitstudie zum MCAD-Mangel des Bayerischen Landesamts für Gesundheit. Diese Studie war und ist wegweisend für die Durchführung des erweiterten NG-Screenings in Deutschland und hat auch in Bezug auf die daraus gewonnenen Erkenntnisse über die Auswirkungen des MCAD-Mangels über die ganzen Jahren hinweg immer wieder internationale Beachtung erfahren. Teilnehmen kann jeder - nicht nur die Bayern!
Die Kontaktadresse zur Anforderung der Teilnahmeunterlagen lautet Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Besonders gefährdet sind Menschen mit einem starken primärem Carnitin-Mangel, was bedeutet, dass bei ihnen der durch einen Gendefekt verursachte Carnitin-Mangel (bzw. Carnitin-Transporterdefekt) die eigentliche Krankheit darstellt. Ihr Körper ist nicht in der Lage, genügend eigenes Carnitin zu produzieren um den normalen Bedarf zu decken. Der Carnitin-Mangel kann aber auch als sekundärer Effekt durch andere Fettstoffwechselstörungen hervorgerufen werden, bei denen ständig eine große Menge Carnitin über den Urin ausgeschieden wird. Zu dieser Kategorie zählen vor allem der VLCAD-Mangel und der LCHAD-Mangel, bei denen häufig Kardiomyopathien als Begleiterscheinungen festgestellt werden können. Auch beim MCAD-Mangel werden vermehrt Acylcarnitine ausgeschieden, jedoch muss es nicht unbedingt zu einem sekundären Carnitin-Mangel kommen. Um einem solchen jedoch grundsätzlich vorzubeugen, verschreiben die meisten SAs prinzipiell Carnitin, andere SAs prüfen anhand regelmäßiger Bluttests, ob das Kind genügend eigenes Carnitin bildet und verzichten ggf. auf die Supplementation.
Um auf die Fragestellung zurückzukommen: Eine "zu geringe Zufuhr von Carnitin" verursacht selbst keine Herzprobleme. Liegt aber nachgewiesenermaßen bereits ein fortwährend starker Carnitin-Mangel vor, so dass die Menge der körpereigenen Produktion und des durch die Nahrung aufgenommenen Carnitins nicht ausreicht, muss Carnitin in entsprechender Menge von aussen zugeführt werden, um diesen Mangel auszugleichen. Ist diese zugeführte Menge dann aber dauerhaft zu gering, können die negativen Auswirkungen des bestehenden Carnitin-Mangels damit u.U. nicht ausreichend verhindert werden, so dass sich trotzdem eine Herzmuskelerkrankung entwickeln kann.
Ob es sich bei einer wie auch immer zusammensetzenden compound heterozygoten Mutationskombination um eine milde MCAD-Variante handelt, hängt von dem funktionstüchtigeren Allel ab. Ein genereller Zusammenhang (compound heterozygot = milde Variante) ist somit nicht gegeben. Bei zwei unterschiedlichen Mutationen gilt das "Funktion dominiert über Funktionsmangel"-Prinzip. Das trotz genetischem Defekt leistungsfähigere Allel überlagert den Funktionsmangel der heftigeren Mutation. Liegt K329E compound heterozygot mit einer zweiten Mutation vor, kommt es auf deren Restnutzen an. Am häufigsten treten missense-Mutationen auf, bei denen ein Nukleotid durch ein anderes ersetzt wird, die Bildung des MCAD-Enzyms jedoch im Normalfall bis zum Ende durchläuft. Viele der selteneren missense-Mutationen liegen so günstig, dass die Leistungsfähigkeit des anhand dieses "Programmcodes" gebildeten Enzyms kaum eingeschränkt ist. Ist der Restnutzen dieses Enzyms deutlich höher als der des durch das Allel mit K329E gebildeten Enzyms, wird sich der MCAD-Mangel höchstwahrscheinlich in einer milden Variante ausprägen, bei der die Gefahr von Stoffwechselentgleisungen deutlich erniedrigt ist. Liegt der Restnutzen des Enzyms aber deutlich unter dem K329E-Level, z.B. durch eine relativ früh im "Programmcode" auftretende Stop-Mutation, welche die weitere Bildung des Enzyms komplett abbricht, dann wird die Ausprägung des MCAD-Mangels bei dem betreffenden Patienten durch die dann tatsächlich bessere Mutation K329E bestimmt. Insofern deutet das Vorliegen einer compound heterozygoten Mutationskombination nicht automatisch auf eine milde Ausprägung hin. Aufschluss liefert dabei erst die Gesamtheit der Untersuchungsergebnisse von Gensequenzierung, Acylcarnitinprofil und möglichst auch Bestimmung der Enzym-Restaktivität. Um eine milde Variante anzunehmen sollten die Primär- und Sekundärparameter des Acylcarnitinprofils (C8, C10, C6, sowie verschiedene Quotienten) deutlich unter den üblichen Werten der klassischen Variante K329E homozygot liegen. Ausserdem wird die Enzymaktivitätsmessung eine zwar nicht gewaltig höhere, aber doch deutlich merkbar über dem normalen Bereich der klassischen Variante liegende Restaktivität zeigen. Die Gesamtheit dieser Indizien legt dann die Annahme einer milden MCAD-Mangel-Ausprägung nahe. Da es zu den inzwischen über 40 weiteren gefundenen ACADM-Mutationen aber noch keine verlässlichen Langzeiterkenntnisse über deren klinische Bedeutung gibt, werden in den Stoffwechselzentren die meisten compound heterozygoten Varianten trotz teilweise vermuteter milder Ausprägung wie die klassische Risikovariante behandelt.
Soll was mit einem Muskelenzym und der Energieproduktion zu tun haben. Könne auch ein Hinweis auf drohende Entgleisung sein. Oder gar auf motorische Entwicklungsrückstände. (Frage von "Bigs")
Auf dieser Webseite gibt es eine kurze Erläuterung zu den verschiedenen CK-Werten und ihrer jeweiligen Bedeutung.
8. Eine kleine Ernährungsschule
- Details
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Geschrieben von Wollachee
In vielen Artikeln zum MCAD-Mangel wird empfohlen, dass die Eltern eines betroffenen Kindes eine umfassende Schulung und Ernährungsberatung mitmachen sollten. Es hat sich jedoch gezeigt, dass kaum eines der bisherigen Mitglieder eine wirklich gezielte Ernährungsberatung, geschweige denn eine umfassende Schulung auch tatsächlich erhalten hat. Aus diesem Grund werden in diesem Artikel die wesentlichen Grundlagen dieser Thematik behandelt.
Ist die Kalorienzählerei denn wirklich notwendig?
Eigentlich nicht. Dieser Artikel soll auch absolut nicht dazu führen, dass sich einzelne Eltern von Kindern mit MCAD-Mangel in eine enge Abhängigkeit von irgendwelchen Nährwert-Tabellen begeben und ab jetzt bei jeder Mahlzeit die Zutaten aufs Gramm nachmessen, um hinterher genau zu wissen, wieviele Kalorien dem Kind damit nun wirklich zugeführt wurden. Es hat sich bei den Diskussionen im Forum aber gezeigt, dass den betroffenen Eltern mit der lapidaren Aussage der SAs: "Ernähren Sie ihr Kind einfach völlig normal und machen Sie sich um nichts Gedanken!" nicht wirklich geholfen wird - vor allem dann nicht, wenn ein Kind trotz vermeintlich ausreichender Essensmenge beim Frühstück und Mittagessen im weiteren Verlauf des Tages schon mal Anzeichen eines einsetzenden Energiemangels gezeigt hat.
Deshalb ist das Hauptanliegen dieses Artikels, allen Interessierten einen nachvollziehbaren Einblick in den Energieverbrauch eines Kindes und den Energiegehalt verschiedener gängiger Nahrungsmittel zu vermitteln. Im Lauf der Zeit sollte sich bei jedem ein Gespür dafür entwickeln, ob die täglichen Mahlzeiten den Energiebedarf des Kindes wirklich decken und eine sinnvolle und ausgewogene Vielfalt bieten, oder ob es sich im Gegensatz dazu vielleicht ständig an den falschen Sachen satt isst, die auf Grund des MCAD-Mangels keinen wirklichen Beitrag als Energielieferant leisten.
Bevor mit den eigentlichen Ausführungen begonnen werden kann, müssen aber erst ein paar grundlegende Sachverhalte geklärt werden:
Warum ist alles immer nur durchschnittlich zu sehen?
In den folgenden Abschnitten wird ganz oft darauf hingewiesen, dass es sich um "Durchschnittswerte" handelt. Warum wird das aber immer so betont?
Wie fast überall im Leben gibt es auch bei diesem Thema kein "So ist es!", sondern allenfalls ein "In etwa dem Bereich spielt sich das ab!". Sowohl der Energieverbrauch eines Menschen, als auch der Energiegehalt eines Nahrungsmittels ist völlig individuell zu sehen. Wenn unten z.B. der Ausdruck "bei durchschnittlicher Aktivität" verwendet wird, dann ist das ein notwendiger Kompromiss, um wenigstens irgendeinen Bezugspunkt für weitere Berechnungen nutzen zu können. Natürlich können dabei sowohl Kinder, die am liebsten die Wand anstarren, als auch Kinder, die den ganzen Tag nur rumtoben wollen, nicht gezielt berücksichtigt werden.
Kalorien, Kilokalorien, Joule - was denn nun?
Wenn man sich die kleinen Nährwerttabellen auf den Lebensmittelverpackungen ansieht, entdeckt man dort in der Zeile "Brennwert" immer zwei verschiedene Zahlen mit den Einheiten kcal und kJoule. Wen die Herkunft und die genaue physikalische Definition dieser beiden Einheiten interessiert, kann es gerne z.B. bei Wikipedia nachlesen. Für uns ist nur wichtig zu wissen, dass 1 Kalorie etwa 4,185 Joule entspricht (deshalb ist die kJoule-Zahl immer 4,185 mal größer als die kcal-Angabe). Im physikalischen Bereich wurde die Einheit Kalorie auf internationaler Ebene schon vor langer Zeit von der Einheit Joule abgelöst, trotzdem ist die Kalorie im deutschen Sprachgebrauch nach wie vor gang und gäbe und laut EU-Verordnung müssen die Nährwertangaben von Lebensmitteln immer beide Angaben enthalten. Allerdings beziehen sich diese Zahlen immer auf Kilojoule und Kilokalorien, also auf genau den 1000-fachen Wert. Trotzdem hört man selbst in den Medien oft noch fälschlicherweise den Begriff "x Kalorien", obwohl damit eigentlich kcal gemeint sind.
Für die weiteren Betrachtungen ist dies aber relativ belanglos. Es sei hier nur vermerkt, dass wir uns in den folgenden Abschnitten in Bezug auf den täglichen Energiebedarf und den Brennwert verschiedener Lebensmittel immer an die Einheit "Kilokalorien" (kcal) halten werden, um eine gemeinsame Verständnisbasis zu legen.
Wie kommt der Brennwert, bzw. der Energiegehalt der Nahrungsmittel zustande?
Wie im Artikel "Was ist ein MCAD-Mangel eigentlich?" bereits erwähnt, enthält jedes Nahrungsmittel in veränderlichen Anteilen die gleichen Nährstoffe: Kohlenhydrate, Eiweiße (=Proteine), Fette sowie Spurenelemente, Mineralstoffe und Vitamine.
Der Energiegehalt eines Lebensmittels berechnet sich aus den Kohlenhydraten, Eiweißen und Fetten. Die Mikronährstoffe haben dabei keine Bedeutung. Bei der vollständigen Verarbeitung dieser Nährstoffe im Zuge der Verdauung wird dem Körper Energie zur Verfügung gestellt.
1 Gramm | liefert |
Kohlenhydrate | ca 4,1 kcal |
Fette | ca 9,3 kcal |
Eiweiße (Proteine) | ca 4,1 kcal |
Tabelle1: normaler kcal-Gehalt pro Gramm Nährstoff
Um auf den zu 100g eines Gerichts angegebenen Brennwert zu kommen, muss man die Angaben zu den einzelnen Nährstoffklassen mit dem jeweiligen Faktor multiplizieren.
Beispiel:
Auf einer Dose Ravioli werden folgende Angaben gemacht: 100g Ravioli enthalten 11g Kohlenhydrate, 3g Fett, 4g Eiweiß und einen Brennwert von 88kcal.
Rechnung: (11 x 4,1 kcal) + (3 x 9,3 kcal) + (4 x 4,1 kcal) = ca 89 kcal. Die kleine Ungenauigkeit entsteht durch die Rundung auf eine Nachkommastelle in der obigen Tabelle, kann aber vernachlässigt werden. Möglicherweise runden die Lebensmittelproduzenten bei den Brennwert-Berechnungen aber auch gerne mal großzügig ab.
Soweit also zu den grundlegenden Sachverhalten. Die beiden wesentlichen und im Folgenden behandelten Fragen lauten nun:
1. Wie groß ist der tägliche Energiebedarf meines Kindes?
2. Wie viel Energie nimmt mein Kind aufgrund seines MCAD-Mangels im Rahmen seiner Mahlzeiten tatsächlich zu sich.
Wie groß ist der tägliche Energiebedarf meines Kindes?
Jeder Mensch hat einen völlig individuellen Energieverbrauch, der sich sogar von Tag zu Tag unterscheidet. Die tatsächliche Höhe des täglichen Energiebedarfs hängt von einer ganzen Reihe innerer und äusserer Einflüsse ab.
Grundumsatz
Grundsätzlich hat jeder Mensch schon mal einen gewissen Grundumsatz. Damit wird die Energiemenge bezeichnet, die der Körper auch bei völliger Untätigkeit, z.B. im Schlaf, verbraucht, um einfach die "Maschine" am Laufen zu halten. Dafür werden schließlich ständig verschiedene lebensnotwendige Körperfunktionen benötigt. Das Herz schlägt rund um die Uhr, um den Blutkreislauf in Gang zu halten, die Atmung ist auch immer aktiv, das Gehirn arbeitet ständig, und unser Körper muss fortwährend auf seiner Betriebstemperatur von ca 37°C gehalten werden. Der mit diesen und weiteren Körperfunktionen verbundene Grundumsatz ist gar nicht mal wenig, denn jede noch so kleine Muskelaktivität verbraucht Energie. Man kann das mit einem an der Ampel wartenden Auto vergleichen. Es bewegt sich zwar nicht vorwärts, aber der Motor läuft im Leerlauf, die Heizung wärmt noch den Innenraum, das Radio spielt noch Musik - all das verbraucht Treibstoff, ohne dass man auch nur einen Meter vorankommt.
Bei einem erwachsenen Menschen mittleren Alters, der seinen Tag mit einer durchschnittlichen Aktivitätsmenge verbringt, beträgt der Grundumsatz alleine schon etwa 60% seines gesamten täglichen Energieverbrauchs. Für Erwachsene gibt es eine leicht zu merkende Faustformel zur ungefähren Berechnung des durchschnittlichen Grundumsatzes:
Somit hat ein 80kg schwerer Mann einen Grundumsatz von ca 80 kcal pro Stunde, entspricht 1920 kcal pro Tag. Es sei noch einmal angemerkt, dass dies der absolute Mindestverbrauch ist, der auch anfällt, wenn sich der betreffende Mann während der gesamten 24 Stunden nicht aus dem Bett erhebt und keinen einzigen Finger rührt.
Faktoren, die den Grundumsatz individuell beeinflussen, sind z.B. das Alter, das Geschlecht, die Größe, das Gewicht, das Verhältnis von Muskelmasse zu Fett, sowie eine Reihe äusserer Einflüsse, wie Hormone, Erkrankungen, Stress, Klima, Medikamente.
Leistungsumsatz
Zusätzlich zum Grundumsatz gibt es den leistungsabhängigen Energieverbrauch. Sofern man körperlich gesund ist, verbringt man normalerweise nicht den ganzen Tag schlafend im Bett, sondern erledigt eine Vielzahl mehr oder weniger kräftefordernder Tätigkeiten: stehen, umhergehen, Treppen steigen, Lasten tragen, aufrecht sitzen, kauen, fernsehen, sprechen, usw - all das verbraucht zusätzliche Energie! Selbst langes Autofahren ist sehr kräftezehrend, da das Gehirn während der ganzen Fahrt auf Hochtouren arbeiten und eine Unzahl an Eindrücken verarbeiten und bewerten muss. Auch die Verdauung, das Wachstum und jede noch so kleine Muskelbewegung benötigt eine gewisse Menge Energie. Es gibt nichts gratis!
Die folgende Tabelle bietet einen kurzen Überblick über den mit verschiedenen üblichen Tätigkeiten verbundenen Leistungsumsatz.
Tätigkeit | 30 Minuten | 1 Stunde |
---|---|---|
Autofahren | 75 kcal | 150 kcal |
Fußball spielen | 360 kcal | 720 kcal |
Gehen ca.5 km/h | 95 kcal | 190 kcal |
Hausarbeit | 110 kcal | 220 kcal |
Joggen ca.10 km/h | 330 kcal | 660 kcal |
Laufen ca.15 km/h | 390 kcal | 780 kcal |
Fahrrad fahren ca. 10 km/h | 85 kcal | 170 kcal |
Fahrrad fahren ca. 20 km/h | 230 kcal | 460 kcal |
Schwimmen | 255 kcal | 510 kcal |
Tennis | 225 kcal | 450 kcal |
Treppensteigen | 250 kcal | 500 kcal |
Tabelle 2: kcal-Verbrauch verschiedener Aktivitäten
Gesamtenergiebedarf
Der über den Tag anfallende Gesamtenergiebedarf setzt sich aus der Summe von Grundumsatz und Leistungsumsatz zusammen und wird, wie schon erwähnt, in kcal (oder in KJ) angegeben.
Sucht man im Internet nach Tabellen, die den Grundumsatz je nach Alter gestaffelt darstellen, findet man eine Menge entsprechender Seiten, nur beginnen alle diese Tabellen erst bei einem Alter von 15 bis 18 Jahren. Bei Kindern, oder gar Säuglingen tut man sich bisher anscheinend sehr schwer, die Grenze zwischen dem Grundumsatz und dem Leistungsumsatz zu bestimmen. Möglicherweise ist die Spannweite des individuellen Energiebedarfs bis zum Ende der Pubertät einfach noch zu groß, als dass man sich auf ungefähre Werte festlegen wollte.
Eine Faustformel zur annähernden Berechnung des täglichen Gesamtenergiebedarfs bei Kindern besagt, dass man etwa 70-100 kcal pro Kilogramm Körpergewicht rechnen sollte.
Die folgende Tabelle zeigt den auf einem angenommenen mittleren Gewicht basierenden durchschnittlichen Gesamtenergiebedarf für Kinder und Jugendliche bis zum Alter von 19 Jahren. Bei besonders hoher oder niedriger Aktivität sind diese Werte um 10-15% nach oben oder unten zu korrigieren.
|
Gesamtenergiebedarf in kcal pro Tag |
|
|
Jungen |
Mädchen |
Säuglinge |
|
|
0-4 Monate |
500 |
450 |
4-12 Monate |
700 |
700 |
Kinder |
|
|
1-4 Jahre |
1100 |
1000 |
4-7 Jahre |
1500 |
1400 |
7-10 Jahre |
1900 |
1700 |
10-13 Jahre |
2300 |
2000 |
Jugendliche |
|
|
13-15 Jahre |
2700 |
2200 |
15-19 Jahre |
3100 |
2500 |
Tabelle 3: Täglicher Gesamtenergiebedarf von Kindern und Jugendlichen
(Quelle: DACH Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr. Umschau/ Braus, Frankfurt am Main, 2000)
Wie ist das beim Kind mit MCAD-Mangel?
Ein vom MCAD-Mangel betroffenes Kind hat genau den gleichen täglichen Energiebedarf wie jedes andere Kind. Der MCAD-Mangel wirkt sich weder auf den Grundumsatz, noch auf den Leistungsumsatz aus. Letzterer hängt, wie bei allen Kindern, einzig und alleine davon ab, wie aktiv das Kind den Tag über ist und kann mal höher und auch mal niedriger ausfallen.
Wenn ein Kind mit MCAD-Mangel zusammen mit anderen Kindern auf dem Spielplatz oder dem Fussballplatz herumtobt, verbraucht es genau so viel Energie, wie jedes der anderen Kinder. Was dies betrifft, gibt es überhaupt keinen Unterschied.
Ein gravierender Unterschied besteht jedoch darin, dass einem Kind mit MCAD-Mangel die für die folgenden Aktivitäten benötigte Energie immer im Voraus zugeführt werden sollte, damit es, z.B. während eines anstrengenden Spiels, möglichst nur die mit der letzten Mahlzeit aufgenommenen Nährstoffe verbraucht und nicht an seine Reserven gehen muss. Ein nicht vom MCAD-Mangel betroffenes Kind kann durchaus auch mal ohne Frühstück und Pausenbrote einen Schulvormittag überstehen (auch wenn das trotzdem nicht gesund wäre!), aber ihm passiert dabei nicht gleich was Schlimmes. Sein Stoffwechsel ist in der Lage, parallel zur Mobilisierung der in der Leber gespeicherten Glykogenreserven auch den Abbau der Fettsäuren aus dem Fettgewebe zu starten, so dass in der Kombination dieser beiden "Quellen" die Glukose-Vorräte möglichst lange für die Konstanthaltung des Blutzuckerspiegels genutzt werden können. Bei der nächsten ausgiebigen Mahlzeit werden dann auch die Leberdepots wieder gefüllt.
Für ein Kind mit MCAD-Mangel kann die gleiche Situation aber durchaus problematisch werden, wenn nämlich die Energieträger der letzten Mahlzeit bereits während des Schlafs verbraucht und auch die Leberreserven schon angebrochen wurden. Wenn dann das morgendliche Frühstück ganz ausfällt, oder nur eine geringe Menge an Kohlenhydraten enthält, die kaum den Grundumsatz der nächsten paar Stunden decken, dann ist im Laufe des Vormittags möglicherweise schon das absolute Ende der Fahnenstange erreicht und der Körper muss zwingend Fettreserven abbauen. Aus diesen kann er aber nicht die normale Menge an Energie gewinnen. Statt dessen führt der übermäßige Abtransport von mittelkettigen Fettsäureresten aus den Zellen auch zur Anhäufung dieser auf verschiedene Körperfunktionen toxisch wirkenden Acylcarnitine und gleichzeitig zu einem verstärkten Entleeren der Carnitin-Vorräte, so dass im Gegenzug bald nicht mehr genügend Carnitin im Zellplasma vorhanden ist, um weitere Fettsäuren in die Mitochondrien ein- und wieder auszuschleusen. Die Entgleisung nimmt ihren Lauf.
Deshalb ist es ganz entscheidend, dass ein vom MCAD-Mangel betroffenes Kind immer im Voraus die für die nächsten Stunden benötigte Energie zugeführt bekommt, und eventuell bei sehr kräftezehrenden Aktivitäten auch zwischendurch nochmal nachlegt.
Wieviel Energie kann ein Kind mit MCAD-Mangel tatsächlich aus den Lebensmitteln gewinnen?
In vielen meist sehr kurzen und teilweise auch sehr oberflächlichen Informationen zum MCAD-Mangel ist zu lesen, dass ein davon betroffener Mensch seine Energie ausschließlich aus den mit der Nahrung aufgenommenen Kohlenhydraten gewinnen kann und Fett völlig ungenutzt bleibt. Dies ist jedoch nicht korrekt. Bei jedem Schritt der Fettsäurenoxidation wird Energie freigesetzt. So können aus langkettigen Fettsäuren mit z.B. 18 Kohlenstoffeinheiten, durch die Wirkung des VLCAD-Enzyms noch 3 Zweiereinheiten (Ketonkörper) als Energielieferanten für z.B. das Gehirn abgespalten werden, bevor ab einer verbleibenden Kettenlänge von 12 Einheiten das nicht vorhandene, oder zumindest nicht voll funktionsfähige MCAD-Enzym übernehmen müsste. Tatsächlich ist aber der Leitwert für das Vorliegen eines MCAD-Mangels der stark erhöhte C8-Wert, welcher zeigt, dass eine große Menge an Carnitin gekoppelter Fettsäurenreste mit einer Kettenlänge von 8 Kohlenstoffeinheiten im Blut zu finden sind. Es werden also im Normalfall nicht nur 3, sondern sogar 5 Zweiereinheiten abgespalten, bevor die Verarbeitung bei einer Restlänge von 8 Kohlenstoffeinheiten zum Erliegen kommt.
Auch wenn es Mutationen des ACADM-Gens gibt, welche die Produktion des MCAD-Enzyms vollständig verhindern, bleibt durch die Überlagerung der Wirkungsbereiche der unterschiedlichen Dehydrogenasen auch im mittelkettigen Bereich noch ein gewisser Restnutzen durch die zuvor hauptsächlich im langkettigen Bereich aktive Long-Chain Acyl-CoA Dehydrogenase (siehe unter "Was ist ein MCAD-Mangel"). Genaugenommen können unter normalen Bedingungen 55% jeder einzelnen Fettsäure genutzt werden und 45% bleiben als Müll übrig.
Will man also den tatsächlich nutzbaren Energiegehalt verschiedener Lebensmittel bei bestehendem MCAD-Mangel untersuchen, muss somit zumindest der aus den langkettigen Fettsäuren stammende Kalorienanteil ebenfalls berücksichtigt werden. Um es mal deutlich auszudrücken: Auch bei einem MCADler reduzieren sich die alleine aus dem Fettanteil einer normalen Thüringer Bratwurst stammenden über 250 kcal nicht auf Null.
Bei der Bestimmung des verbleibenden Energiegehalts gibt es jedoch ein Problem: Die meisten Nahrungsfette sind langkettig, jedoch nicht alle. Gerade bei nur aus Fett bestehenden Produkten wie z.B. Margarine oder Frittierfett werden gewöhnlich eine ganze Reihe verschiedener Fette gemischt, um den gewünschten Geschmack, bzw die besonderen Brateigenschaften zu erzielen. Auch andere Produkte, vor allem Fertiggerichte, enthalten oft einen geringen Anteil mittelkettiger Fette. Der in der Nährwerttabelle verzeichnete Fettanteil unterscheidet jedoch nicht zwischen lang- und mittelkettig. Da aber auch aus den mittelkettigen Fettsäuren, wie oben beschrieben, meistens noch ein kleiner Rest an Energie gewonnen werden kann, wird für die weiteren Betrachtungen ganz einfach eine Annahme getroffen:
Annahme: Der Fettanteil jedes Lebensmittels kann von einem MCADler noch zu genau der Hälfte (50%) zur Energiegewinnung genutzt werden.
Anmerkung: Dies ist keine wissenschaftlich bestätigte Annahme, sondern einfach eine mir notwendig und auch plausibel erscheinende Vereinfachung des Sachverhalts, damit es uns überhaupt möglich wird, den von Kindern mit MCAD-Mangel aus verschiedenen Lebensmitteln nutzbaren Energiegehalt annähernd zu bestimmen. Ob es in Wirklichkeit 5% mehr oder weniger sind, sollen die Experten ruhig mal genau untersuchen. Solange es aber keine speziell den MCAD-Mangel berücksichtigenden genauen Nährwerttabellen für Lebensmittel gibt, hat diese vereinfachte Annahme durchaus ihre Berechtigung. Und letzten Endes hindert uns ja auch niemand daran, morgen schlauer zu sein als heute!
Auf Basis dieser Annahme wird den weiteren Ausführungen die folgende angepasste Umrechnungstabelle zugrunde gelegt:
1 Gramm | liefert |
Kohlenhydrate | ca 4,1 kcal |
Fette |
ca 4,65 kcal |
Eiweiße (Proteine) | ca 4,1 kcal |
Tabelle 4: kcal-Gehalt pro Gramm Nährstoff unter
Berücksichtigung der eingeschränkten Fettverwertung
bei vorliegendem MCAD-Mangel
Um es noch einmal deutlich zu sagen: Diese ganzen Erläuterungen sollen keinesfalls dazu führen, dass man ab jetzt jede Mahlzeit, mit der Nährwerttabelle in der einen und dem Taschenrechner in der anderen Hand, auf einen genauen Kalorienwert zusammenbastelt - dazu sind diese Zahlen mit Sicherheit zu ungenau.
Vielmehr soll die folgende Tabelle aufzeigen, welche für "Normalverwerter" sehr nahrhaften Lebensmittel sich für MCADler - trotz gleicher Portionsgröße - in ihrem Energiegehalt teilweise drastisch reduzieren. Andere Lebensmittel, vor allem Gemüse, enthalten zwar viele Vitamine und Mineralstoffe (vor allem im rohen Zustand), häufig aber ansonsten einen generell sehr niedrigen Nährstoffanteil und können auch in großen Portionen nur sehr wenige kcal beisteuern.
Wenn ein Kind behauptet, es sei satt, sagt dies überhaupt nichts darüber aus, dass es genügend Kohlenhydrate, Proteine und Fette (oder allgemein kcal) für die nächsten Stunden zu sich genommen hat, sondern bedeutet vielleicht einfach nur, dass der Magen ausreichend gefüllt wurde. Mit anderen Worten: auch eine große Portion grüner Salat macht nach einigen Minuten satt. Die damit aufgenommene Energiemenge wird jedoch nur eine kurze Zeit vorhalten und schon gar nicht dazu führen, dass die eventuell bereits teilentleerten Glykogen-Reserven der Leber wieder aufgefüllt werden. Wichtig sind vor allem die mit einem hohen Kohlenhydratanteil ausgestatteten Sättigungsbeilagen (Nudeln, Reis), da diese schon bei relativ kleinen Portionsgrößen eine große Energiemenge beisteuern können. Gleiches gilt für die Brotwaren und Cerealien. Als Snack zwischendurch kann etwas Obst nie schaden.
Nährstoffgehalt verschiedener Lebensmittel
Die vollständige Tabelle mit weiteren Spalten ist als Excel-Datei im Downloadbereich zu finden. Die Spalte "bei MCAD-Mangel" enthält die anhand von Tabelle 4 neu berechneten kcal-Werte, die berücksichtigen, dass der Fettanteil nur zur Hälfte zur Energiegewinnung eingerechnet werden kann.
|
Gesamt-kcal bei |
Nährstoffe |
||||
Name |
Portion (g/ml) |
normal |
bei MCAD- Mangel |
KH |
Eiweiß |
Fett |
Sättigungsbeilagen |
||||||
Kartoffel (1 mittelgroße) |
95,0 |
86,6 |
86,1 |
20,1 |
1,9 |
0,1 |
Kartoffelpüree |
100,0 |
67,9 |
63,3 |
12,4 |
1,9 |
1,0 |
Pommes Frites(McD) |
150,0 |
461,4 |
356,8 |
37,0 |
4,0 |
15,0 |
Nudeln (ungekocht) |
60,0 |
212,9 |
207,3 |
70,0 |
12,0 |
2,0 |
Vollkornnudeln (roh) |
60,0 |
202,3 |
194,5 |
61,1 |
14,8 |
2,8 |
Reis (roh) |
50,0 |
178,6 |
175,8 |
76,9 |
7,5 |
1,2 |
Vollkornreis (roh) |
50,0 |
169,2 |
164,6 |
70,0 |
8,0 |
2,0 |
Brotwaren |
||||||
Brötchen (Wasserweck) |
65,0 |
170,3 |
169,1 |
55,0 |
8,0 |
0,4 |
Roggenbrötchen |
65,0 |
138,6 |
138,6 |
45,0 |
7,0 |
0,0 |
Vollkornbrötchen |
65,0 |
149,2 |
144,7 |
44,0 |
8,6 |
1,5 |
Rosinenbrötchen |
65,0 |
201,7 |
172,7 |
46,3 |
7,6 |
9,6 |
Roggenbrot |
50,0 |
121,5 |
119,2 |
51,0 |
6,0 |
1,0 |
Vollkornbrot |
55,0 |
123,2 |
114,5 |
41,3 |
5,6 |
3,4 |
Pumpernickel |
40,0 |
82,0 |
82,0 |
42,0 |
8,0 |
0,0 |
Weißbrot |
40,0 |
95,1 |
95,1 |
50,0 |
8,0 |
0,0 |
Gemüse |
||||||
Erbsen |
100,0 |
70,7 |
68,3 |
12,2 |
3,9 |
0,5 |
grüne Bohnen |
100,0 |
18,7 |
17,7 |
2,8 |
1,3 |
0,2 |
Möhren |
100,0 |
24,6 |
24,6 |
5,0 |
1,0 |
0,0 |
Kürbis |
100,0 |
28,0 |
27,5 |
6,5 |
0,1 |
0,1 |
Brokkoli |
100,0 |
42,3 |
40,4 |
6,6 |
2,8 |
0,4 |
Rotkraut |
100,0 |
24,8 |
23,9 |
4,5 |
1,1 |
0,2 |
Sauerkraut |
100,0 |
18,5 |
18,5 |
3,0 |
1,5 |
0,0 |
Grüner Salat |
100,0 |
21,2 |
19,8 |
3,3 |
1,2 |
0,3 |
Tomaten |
50,0 |
8,1 |
7,6 |
2,5 |
1,0 |
0,2 |
Paprika |
105,0 |
22,5 |
20,1 |
2,9 |
1,2 |
0,5 |
Spinat |
150,0 |
22,4 |
18,9 |
0,5 |
2,0 |
0,5 |
Mais |
100,0 |
83,1 |
78,5 |
15,0 |
3,0 |
1,0 |
Zucchini |
100,0 |
16,8 |
15,0, |
2,0 |
1,2 |
0,4 |
Obst |
||||||
Apfel |
125,0 |
74,6 |
73,4 |
13,8 |
0,3 |
0,2 |
Banane |
120,0 |
115,4 |
114,3 |
22,0 |
1,0 |
0,2 |
Trauben, grün |
100,0 |
55,8 |
55,8 |
13,0 |
0,6 |
0,0 |
Mandarinen |
105,0 |
63,6 |
62,2 |
13,3 |
0,8 |
0,3 |
Orangen |
130,0 |
67,4 |
66,2 |
11,5 |
0,7 |
0,2 |
Pfirsich |
120,0 |
54,5 |
52,8 |
9,5 |
0,9 |
0,3 |
Kiwi |
70,0 |
48,6 |
47,0 |
14,7 |
1,1 |
0,5 |
Getränke |
||||||
Apfelsaftschorle |
200,0 |
79,0 |
74,4 |
8,0 |
0,5 |
0,5 |
Fanta |
200,0 |
82,8 |
82,8 |
10,1 |
0,0 |
0,0 |
Mineralwasser |
200,0 |
0,0 |
0,0 |
0,0 |
0,0 |
0,0 |
Punica Tee&Fruit |
200,0 |
26,5 |
25,5 |
2,9 |
0,1 |
0,1 |
Milchprodukte |
||||||
Milch (1,5%) |
200,0 |
125,2 |
115,9 |
10,0 |
3,0 |
1,0 |
Babybel |
20,0 |
63,7 |
40,0 |
0,1 |
22,0 |
24,5 |
Cerealien, Müsli |
||||||
Haferflocken |
50,0 |
186,9 |
168,3 |
63,0 |
10,0 |
8,0 |
Cornflakes |
30,0 |
114,4 |
113,2 |
84,0 |
7,0 |
0,9 |
Fleischwaren |
||||||
Bratwurst |
150,0 |
520,2 |
297,0 |
0,0 |
12,0 |
32,0 |
Rindswurst |
150,0 |
279,0 |
139,5 |
0,0 |
0,0 |
20,0 |
Bockwurst |
105,0 |
295,8 |
173,7 |
0,0 |
12,0 |
25,0 |
Fleischkäse |
100,0 |
309,6 |
179,4 |
0,0 |
12,0 |
28,0 |
Fisch |
||||||
Fischstäbchen |
150,0 |
303,6 |
247,1 |
18,0 |
13,0 |
8,1 |
Fette |
||||||
Butter |
10,0 |
77,3 |
39,2 |
2,0 |
0,5 |
82,0 |
Margarine |
10,0 |
74,4 |
37,2 |
0,0 |
0,0 |
80,0 |
Süßwaren |
||||||
Duplo |
18,2 |
100,6 |
72,7 |
55,0 |
5,0 |
33,0 |
Frühstück |
||||||
Ei |
60,0 |
77,9 |
50,0 |
0,0 |
9,0 |
10,0 |
Kakaopulver |
10,0 |
32,5 |
23,2 |
10,0 |
24,0 |
20,0 |
Nutella |
20,0 |
105,8 |
77,9 |
54,0 |
7,0 |
30,0 |
Honig (für Kinder |
20,0 |
61,5 |
61,5 |
75,0 |
0,0 |
0,0 |
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich darauf hinweisen, dass ich als Autor dieser Seiten größten Wert auf Korrektheit gelegt habe, aber ansonsten medizinischer Laie bin. Alle veröffentlichten Informationen wurden von mir anhand verschiedener verfügbarer MCAD-Broschüren, Merkblätter, Webseiten, Aussagen der Stoffwechselambulanz und sonstigen Erkenntnissen und Erfahrungen (eigenen und denen unserer Forumsteilnehmer) zusammengetragen. Das Lesen dieser Seiten darf aber auf keinen Fall den Besuch beim Arzt oder der Stoffwechselambulanz ersetzen, sondern soll lediglich dazu dienen, schon mal etwas besser über die ganze Thematik und Problematik Bescheid zu wissen!
9. Infos zu bekannten Mutationen
- Details
-
Geschrieben von Wollachee
Die für den MCAD-Mangel und andere Stoffwechselstörungen verantwortlichen Genmutationen werden üblicherweise in zwei unterschiedlichen Notationen beschrieben:
a) in Form des erfolgten Basenaustausches an einer bestimmten Position des Gencodes (z.B. c.985A>G), im folgenden Basennotation genannt, oder
b) in Form der Bezeichnung des daraus entstehenden Proteins (z.B. K329E), im folgenden Proteinnotation genannt.
Leider wird in den Laborberichten zur molekulargenetischen Untersuchung oft nur eine der beiden möglichen Bezeichnungen genannt. Dieser Umstand erschwert oft die Suche nach weiteren Informationen zu den etwas selteneren Mutationen, da in vielen Online-Berichten natürlich genau die andere, und somit unbekannte Notation verwendet wird.
Die folgende Liste enthält eine Übersicht vieler bisher bekannter MCAD-Mutationen in beiden üblichen Notationen, sowie die Angabe des betroffenen Exons/Introns und eine (vorsichtige) Einschätzung, ob es sich um eine milde (benigne=gutartige) Mutation handeln könnte (siehe unter der Tabelle angegebene Quelle). Bei einigen in der letzten Spalte mit "ja" bezeichneten Mutationen stammt diese Einschätzung aus den Befunden, bzw. den gegenüber den Eltern gemachten Äusserungen der jeweiligen Stoffwechselambulanzen, in denen die davon betroffenen Kinder betreut werden. Da die Einschätzungen in dieser Tabelle lediglich auf eine einzelne Mutation bezogen werden, ein MCAD-Mangel aber immer Mutationen auf beiden Genkopien voraussetzt, ist die Aussage "ja" so zu interpretieren, dass zumindest das von dieser Mutation betroffene Allel ein Enzym mit einem so großen Restnutzen produziert, dass alleine dadurch die Verarbeitung der mittelkettigen Fettsäuren weitgehend problemlos erfolgt.
Mutationen ohne Eintragung in der letzten Spalte sind allerdings nicht automatisch als schwer einzustufen, es wurden in den öffentlich zugänglichen Quellen lediglich bislang keine Einschätzungen dazu gefunden.
Anmerkung: Bei der in der folgenden Tabelle angegebenen Einstufung der Mutationen auf ihren möglichen Beitrag zur Ausprägung eines milden oder schweren MCAD-Mangels, muss ein ohne entsprechende Recherchen nicht ersichtlicher Umstand berücksichtigt werden: mit sehr wenigen Ausnahmen kommen fast alle diese zur Zeit rund 70 bekannten MCAD-Punktmutationen sehr selten vor, und diese Einschätzungen beruhen daher fast immer auf Untersuchungen einzelner Fälle, auf die in den Arbeiten anderer Forschungsgruppen jedoch immer und immer wieder referenziert wird.
Auch wenn sich also im Internet z.B. zu den Mutationen G267R oder S245L dutzende Berichte teils neueren Datums finden lassen, die bei homozygotem Vorliegen dieser beiden Mutationen eine milde Ausprägung nahelegen, handelt es sich bei den in allen diesen Berichten genannten MCAD-Patienten immer um die selben beiden Kinder, deren biochemische Auswirkungen des MCAD-Mangels bereits im Jahr 2001 untersucht und beschrieben wurden.
Eine wirklich breitere Datenbasis existiert daher nur für die sehr häufig auffindbaren Mutationen, zu denen vor allem die Punktmutationen c.985A>G (K329E) und c.199T>C (Y67H) zählen.
Punktmutationen
DNA-Basenwechsel |
Exon/Intron | Protein |
trägt möglicheweise zu milder Ausprägung bei? |
c.50G>A | Exon 2 | p.R17H | |
c.85C>T
|
Exon 2 | p.R29X |
nein (Stop-Codon am Anfang der Sequenz) |
c.92G>A | Exon 2 | p.P31H | ja |
c.127G>A | Exon 3 | p.E43K | ja |
c.134A>G | Exon 3 | p.Q45R | ja |
c.145C>G | Exon 3 | p.Q49E | (ja) nein |
c.155C>T | Exon 3 | p.A52V | |
c.157C>T | Exon 3 | p.R53C | homozyg.: ja comp-het.: nein |
c.166G>C | Exon 3 | p.A56P | |
c.199T>C | Exon 3 | p.Y67H | ja |
c.233T>C | Exon 4 | p.I78T |
homozyg.: nein |
c.238A>G | Exon 4 | p.R80G | ja |
c.250C>T | Exon 4 | p.L84F | nein |
c.253G>T | Exon 4 | p.G85C | nein |
c.261G>A | Exon 4 | p.M87I | ja (quasi Carrier, wenn zusammen mit anderer schwerer Mutation) |
c.275C>T | Exon 4 | p.P92L | |
c.311A>G | Exon 5 | p.D104G | |
c.320T>C | Exon 5 | p.L107S | nein |
c.346T>G | Exon 5 | p.C116G | nein |
c.347G>A | Exon 5 | p.C116Y | nein |
c.351A>C | Exon 5 | p.T117T | ja (stille Mutation) |
c.362C>T | Exon 5 | p.T121I | nein |
c.395C>G | Exon 6 | p.P132R | |
c,424A>G | Exon 6 | p.K142E | ja |
c.430A>T | Exon 6 | p.K144X | nein (Stop-Codon nach erstem Drittel der Sequenz) |
c.443G>A | Exon 6 | p.R148K | ja |
c.447G>A | Exon 6 | p.M149I | |
c.464T>C | Exon 6 | p.M155T | nein |
c.470C>T | Exon 7 | p.A157V | nein |
c.472T>C | Exon 7 | p.Y158H | nein |
c.474T>G | Exon 7 | p.Y158X | nein |
c.493G>A | Exon 7 | p.p.A165T | ? |
c.499T>C | Exon 7 | p.S167P | |
c.526G>A | Exon 7 | p.A176T | |
c.533A>C | Exon 7 | p.K178T | |
c.554T>C | Exon 7 | p.I185T | nein |
c.577A>G | Exon 7 | p.T193A | |
c.580A>G | Exon 7 | p.N194D | |
c.583G>A | Exon 7 | p.G195R | nein |
c.587G>A | Exon 7 | p.G196E | nein |
c.589A>G | Exon 7 | p.K197E | |
c.608T>G | Exon 8 | p.L203X | nein |
c.609A>C | Exon 8 | p.L203F | |
c.616C>T | Exon 8 | p.R206C |
homozyg.: ja |
c.617G>A | Exon 8 | p.R206H | nein |
c.617G>T | Exon 8 | p.R206L | nein |
c.631C>T | Exon 8 | p.P211S | |
c.659T>C | Exon 8 | p.T220I | ja |
c.661G>A | Exon 8 | p.G221R | |
c.662G>A | Exon 8 | p.G221E | |
c.683C>A | Exon 8 | p.T228N | |
c.698T>C | Exon 8 | p.I233T | nein, aufgrund sehr hoher C8/C10-Ratios, wenn comp-het mit K329E |
c.694C>T | Exon 8 | p.Q232X | nein |
c.730T>C | Exon 9 | p.C244R | |
c.734C>T | Exon 9 | p.S245L | ja |
c.742A>G | Exon 9 | p.R248G | |
c.757G>A | Exon 9 | p.E253K | ja (vergleichbar c.199T>C/Y67H) |
c.789A>C | Exon 9 | p.L263F | nein |
c.797A>G | Exon 9 | p.D266G | ja (in Kombi mit K329E durch Enzymaktivitäts-analyse 23% nachgewiesen) |
c.799G>A | Exon 9 | p.G267R |
homozyg.: ja |
c.806G>A | Exon 9 | p.G269D | |
c.820A>G | Exon 9 | p.M274V | |
c.842G>C | Exon 9 | p.R281T | |
c.843A>T | Exon 9 | p.R281S | |
c.865G>A | Exon 10 | p.V289I | |
c.881G>C | Exon 10 | p.R294T | |
c.890A>G | Exon 10 | p.D297G | ja |
c.928G>A | Exon 10 | p.G310R | nein |
c.977T>C | Exon 11 | p.M326T | |
c.985A>G | Exon 11 | p.K329E | nein |
c.1001G>A | Exon 11 | p.R334K | |
c.1008T>A | Exon 11 | p.S336R | |
c.1010A>C | Exon 11 | p.Y337S | nein |
c.1042C>T | Exon 11 | p.R348C | nein |
c.1045C>T | Exon 11 | p.R349X | ? (Stop-Codon gegen Ende der Sequenz) |
c.1052C>T | Exon 11 | p.T351I | |
c.1055A>G | Exon 11 | p.Y352C | |
c.1066A>T | Exon 11 | p.I356F | nein |
c.1067T>C | Exon 11 | p.I356T | |
c.1085G>A | Exon 11 | p.G362E | |
c.1115C>A | Exon 11 | p.A372D | nein |
c.1124T>C | Exon 11 | p.I375T | |
c.1150G>T | Exon 11 | p.E384X | ? (Stop-Codon gegen Ende der Sequenz) |
c.1189T>A | Exon 11 | p.Y397N | |
c.1237C>A | Exon 12 | p.R413S | |
c.1238G>A | Exon 12 | p.R413H | nein |
Vergangenheit bereits zu (beginnenden) Entgleisungen geführt hat, und diese
Kombination somit als pathologisch zu betrachten ist.
DNA-Basenwechsel |
Exon/Intron | Protein | trägt möglicheweise zu milder Ausprägung bei? |
Intron 4 | |||
c.1114_1115insG | Exon 11 | p.A372fs | nein (frameshift) |
c.74C>G | Exon 2 | p.T25R | ja |
c.927delC | Exon 10 | - | nein (frameshift) |
c.216+1G>T | Intron 3 | - | nein |
c.203delA | Exon 3 |
alte Zählung: |
nein (frameshift) |
c.901A>T | Exon10 | p.K301X | nein (Stop-Codon) |
c.244_245insT | Exon 4 | p.D104X | nein (frameshift) |
c.1092T>G | Exon 11 | p.I364M | ja (in Kombi mit K329E durch Enzymaktivitäts-analyse 21% nachgewiesen) |
Zur Erklärung der in beiden Notationen verwendeten Zählweise
Ein DNA-Strang setzt sich aus variabler Abfolge der Basen Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin zusammen. Immer drei Basen bilden zusammen ein Codon (Basentriplett), welches für eine bestimmte Aminosäure codiert. Bei der Zählung in der Proteinnotation wird immer die Nummer des Basentripletts angegeben, daher ist die enthaltene Zahl immer genau ein Drittel so groß, wie die in der Basennotation genannte Position der veränderten Base. Die Basen an den Positionen 1, 2 und 3 gehören somit zum ersten Triplett, die Positionen 4,5 und 6 zum zweiten, usw.
In der Proteinnotation wird zusätzlich angeführt, welche aus diesen drei Basen codierte Aminosäure normalerweise entstehen sollte, und welche aufgrund der vorliegenden Mutation nun stattdessen gebildet wird. Dies wird mit den Buchstaben vor und nach der Zahl ausgedrückt. Da jeweils mehrere der 20 existierenden Aminosäuren mit dem gleichen Buchstaben beginnen, werden sie in der Nomenklatur mit einbuchstabigen Symbolen abgekürzt, die teilweise nichts mit dem realen Namen zu tun haben (siehe Tabelle 3).
Beispiel: Die am weitesten verbreitete Mutation c.985A>G beschreibt einen Austausch der 985. Base von Adenin (A) nach Guanin (G), welche (geteilt durch 3) die erste der drei Basen des 329. Tripletts ist. Dadurch entsteht aus der normalerweise mit diesem Triplett codierten Aminosäure Lysin (Symbol "K", an dieser Position in der Codonvariante AAA enthalten) die Aminosäure Glutamat (Symbol "E", Codon GAA). Zusammengesetzt lässt sich somit aus 985A>G die andere Schreibweise der gleichen Mutation namens K329E ableiten.
Name der Aminosäure |
Symbol |
mögliche Codons |
Alanin | A | GCT, GCC, GCA, GCG |
Arginin | R | CGT, CGC, CGA, CGG, AGA, AGG |
Asparagin | N | AAT, AAC |
Asparaginsäure | D | GAT, GAC |
Cystein | C | TGT, TGC |
Glutamin | Q | CAA, CAG |
Glutaminsäure (Glutamat) | E | GAA, GAG |
Glycin | G | GGT, GGC, GGA, GGG |
Histidin | H | CAT, CAC |
Isoleucin | I | ATT, ATC, ATA |
Leucin | L | TTA, TTG, CTT, CTC, CTA, CTG |
Lysin | K | AAA, AAG |
Methionin (Start-Codon) | M | ATG |
Phenylalanin | F | TTT, TTC |
Prolin | P | CGT, CCC, CCA, CCG |
Serin | S | TCT, TCC, TCA, TCG, AGT, AGC |
Threonin | T | ACT, ACC, ACA, ACG |
Tryptophan | W | TGG |
Tyrosin | Y | TAT, TAC |
Valin | V |
GTT, GTC, GTA, GTG |
Stop(Nonsense)-Codons | X | TAA, TAG, TGA |
Tabelle 3: Alle 20 Aminosäuren, deren Symbole und mögliche Codons
Um bei Interesse nun herauszufinden, was durch die gefundene Mutation genau passiert, kann die obige Tabelle herangezogen werden.
Beispiel: Die häufig gefundene und als mild eingeschätzte Mutation p.Y67H (c.199T>C) bewirkt den Wechsel von Tyrosin (Symbol "Y", Codons TAT, TAC) nach Histidin (Symbol "H", Codons CAT, CAC) im 67. Triplett, welches die Basen 199, 200 und 201 umfasst. Der Basenaustausch erfolgt in der ersten Base dieses Tripletts, also änderte sich gemäß Tabelle 5 das Codon an dieser Stelle von TAT nach CAT.
Eine Sonderform - die "stillen" Mutationen!
Nicht jede Mutation in Form eines Basenaustauschs führt zwangsläufig zur Einbindung einer falschen Aminosäure innerhalb der Sequenz. Da sich aufgrund der Kombinationsmöglichkeiten aus den vier Basen A, C, G und T insgesamt 64 verschiedene Codons bilden lassen, die aber insgesamt nur für 20 (mit "X" 21) verschiedene Aminosäuren kodieren, gibt es eine ganze Reihe von denkbaren und auch vorkommenden DNA-Mutationen, die zwar eine Base gegen eine andere austauschen, jedoch im Ergebnis trotzdem die gleiche Aminosäure beschreiben. So kann z.B. das "T" in GCT auch aufgrund einer Mutation durch die Basen A, C und G ersetzt werden, und trotzdem führen alle diese Variationen nach wie vor zur Einbindung von Alanin. Man bezeichnet diese Mutationen als "still", bzw "silent", da man sie zwar im Rahmen einer Gensequenzierung finden würde, die Aminosäurenfolge jedoch nicht verändert ist und das Protein somit keinerlei Auffälligkeiten bzw Einschränkungen aufweist.
Die vollständige MCAD-Aminosäuren-Sequenz
Insgesamt besteht das MCAD-Enzym aus einer Sequenz von 421 Aminosäuren und somit aus 1263 codierenden Basen. Die restlichen 37640 Basen befinden sich innerhalb von Introns oder anderen nicht codierenden Regionen. Die normale Abfolge der Aminosäuren-Sequenz lautet wie folgt:
1-10 |
11-20 | 21-30 | 31-40 | 41-50 |
|
1-50 |
MAAGFGRCCR | VLRSISRFHW | RSQHTKANRQ | REPGLGFSFE | FTEQQKEFQA |
51-100 |
TARKFAREEI | IPVAAEYDKT | GEYPVPLIRR | AWELGLMNTH | IPENCGGLGL |
101-150 |
GTFDACLISE | ELAYGCTGVQ | TAIEGNSLGQ | MPIIIAGNDQ | QKKKYLGRMT |
151-200 |
EEPLMCAYCV | TEPGAGSDVA | GIKTKAEKKG | DEYIINGQKM | WITNGGKANW |
201-250 |
YFLLARSDPD | PKAPANKAFT | GFIVEADTPG | IQIGRKELNM | GQRCSDTRGI |
251-300 |
VFEDVKVPKE | NVLIGDGAGF | KVAMGAFDKT | RPVVAAGAVG | LAQRALDEAT |
301-350 |
KYALERKTFG | KLLVEHQAIS | FMLAEMAMKV | ELARMSYQRA | AWEVDSGRRN |
351-400 |
TYYASIAKAF | AGDIANQLAT | DAVQILGGNG | FNTEYPVEKL | MRDAKIYQIY |
401-421 |
EGTSQIQRLI | VAREHIDKYK | N(X) |
Tabelle 4: Aminosäuren-Sequenz des MCAD-Enzyms mit markierten Mutationsvorkommen
Rot: in MCAD-Datenbank enthaltene Mutationen (1. Tabelle)
Blau: weitere bei Mitgliedern gefundene Mutationen (2. Tabelle)
Grau: Mutationen, die zu einem Stop-Codon führen (wenn Austausch nach X)
Schwarz: Die am weitesten verbreitete Mutation K329E (c.985A>G)
Grün: Die inzwischen oft gefundene milde Mutation Y67H(c.199T>C)
Die vollständige Nukleotid-Sequenz
Die zuvor aufgeführten Aminosäuren werden durch die oben beschriebenen Basentripletts codiert. Die Sequenz beginnt mit dem Startcodon "atg" , welches gleichzeitig die Aminosäure Methionin (M) codiert. Es folgt in der ersten Zeile mit den Codons "gca gcg ggg ttc ggg cga tgc tgc agg" die Aminosäuren-Sequenz "A A G F G R C C R", usw. Die gesamte Folge endet mit einem der drei möglichen Stopcodons, in diesem Fall "taa". Auch in dieser Tabelle ist die für K329E (c.985a>g) verantwortliche Mutation in schwarz und die für Y67H (c.199t>c) zuständige Mutation in grün markiert, diesmal allerdings auf Basenebene.
An allen rot markierten Stellen kann sich ein vorzeitiges Stop-Codon (taa, tag, tga) ergeben, wenn durch eine vorher in der Sequenz auftretende Insertion oder Deletion eine Verschiebung des Leserasters um eine oder zwei Stellen nach vorne oder nach hinten bewirkt wird.
1 |
atg gca gcg ggg ttc ggg cga tgc tgc agg |
Tabelle 5: Nukleotid-(Basen-)Sequenz des MCAD-Enzyms
Häufigkeit
In der Gesamtheit aller Punktmutationen, Insertions, Deletions, Splicing- und sonstigen Varianten, wurden bis heute etwa 340 verschiedene Mutationen des ACADM-Gens identifiziert. Etwa 89% aller betroffenen Allele in der westlichen Welt weisen allerdings die K329E-Mutation auf. Bei dieser Prozentangabe ist zu beachten, dass sich die Gesamtzahl im Wesentlichen aus den einseitigen Genmutationen der vielen Carrier zusammensetzt, die jeweils ein "betroffenes Allel" beisteuern. Gegenüber diesen alleine in Deutschland grob geschätzt 1,6 Millionen Carriern fallen die sogar zwei beigesteuerten mutierten Allele der wenigen MCAD-Betroffenen fast gar nicht ins Gewicht, obwohl diese z.B. beim Vorliegen von K329E homozygot sogar doppelt in die Gesamtzahl und somit auch die oben genannten 89% mit eingerechnet werden.
Pathogenetische Mutationen
Besonderheiten einzelner Mutationen
c.92G>A (p.P31H)
Die klinische Relevanz dieser Mutation hinsichtlich der Auslösung eines als solchen zu bezeichnenden MCAD-Mangels wird inzwischen stark bezweifelt. In neueren Studien zur Residualaktivität der von einer P31H betroffenen MCAD-Enzyme zeigten sich durchgängig doppelt so hohe Aktivitäten, wie bei der häufig aufgefundenen und als eindeutig mild anerkannten Variante Y67H, deren betroffene Patienten ebenfalls keine klinischen Symptome zeigen. Die Aktivität der betroffenen Enzyme entspricht somit fast vollständig der auf Basis des Wildtyp-Allels gebildeten Enzyme, was die Schlussfolgerung nahelegt, dass trotz des fehlerhaften Bauplans eine korrekte Faltung des Enzyms erfolgt.
c.127G>A (p.E43K)
Die klinische Relevanz dieser Mutation hinsichtlich der Auslösung eines als solchen zu bezeichnenden MCAD-Mangels wird inzwischen stark bezweifelt. Die bisher in Studien untersuchten Patienten mit der Mutationskombination c.985A>G und c.127G>A zeigten im Neugeborenenscreening durchweg nur sehr gering erhöhte C8 und C8/C10-Werte. Auch bei weiterer Beobachtung dieser Kinder konnten nicht die sonst für den MCAD-Mangel charakteristischen Auffälligkeiten gefunden werden. Diese Mutation scheint daher so harmlos zu sein, dass sich die leichten Erhöhungen im Screening im Wesentlichen aus dem gleichzeitigen Vorliegen der bekannten K329E-Mutation ableiten lassen, die dann aber als quasi heterozygot vorliegende ACADM-Mutation nicht zu einem nennenswerten Defizit des MCAD-Enzyms führt. Rein formal ein milder MCAD-Mangel, aber ganz dicht dran am reinen Carrier. In neueren Studien zur Residualaktivität der von einer E43K betroffenen MCAD-Enzyme zeigten sich durchgängig doppelt so hohe Aktivitäten, wie bei der häufig aufgefundenen und als eindeutig mild anerkannten Variante Y67H, deren betroffene Patienten ebenfalls keine klinischen Symptome zeigen. Die Aktivität der betroffenen Enzyme entspricht somit fast vollständig der auf Basis des Wildtyp-Allels gebildeten Enzyme, was die Schlussfolgerung nahelegt, dass trotz des fehlerhaften Bauplans eine korrekte Faltung des Enzyms erfolgt.
(Quellen: "Tandem Mass Spectrometric Analysis for Amino, Organic, and Fatty Acid Disorders..."
und "Spectrum of Medium-Chain Acyl-CoA Dehydrogenase Deficiency detected by Newborn Screening")
c.74C>G (p.T25R)
Diese Mutation wird bislang nicht in den MCAD-Mutations-Datenbanken geführt, und scheint somit extrem selten zu sein. Sie wurde bei einem Kind in Kombination mit K329E gefunden, dessen phänotypische Ausprägung aufgrund der zwei gefundenen Mutationen und der leicht erhöhten Werte nach ärztlicher Einschätzung als milder MCAD-Mangel eingestuft wurde. Die im Neugeborenenscreening und den weiteren Untersuchungen ermittelten Acylcarnitinwerte lagen allerdings durchweg so minimal über den zugrundegelegten Grenzwerten, wie es sonst nur bei lediglich anfangs auffälligen, jedoch reinen Carriern der Fall ist. Die Mutation c.74C>G scheint daher - obwohl sie noch ganz am Anfang der Basensequenz platziert ist - fast gar keine Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des MCAD-Enzyms zu haben, so dass sich die leicht erhöhten Werte im Wesentlichen aus dem gleichzeitigen Vorliegen der K329E-Mutation ableiten lassen. Rein formal ein milder MCAD-Mangel, aber ganz dicht dran am reinen Carrier.
c.145C>G (p.Q49E)
Diese extrem seltene Mutation wurde in Folge einer schweren Entgleisung bei einem dreijährigen Mädchen in Kombination mit c.985A>G gefunden und wissenschaftlich untersucht. Die Untersuchungen haben eine relativ hohe Restaktivität des Enzyms bei gleichzeitiger geringer Konzentration der organischen Säuren im Urin während der Entgleisung ergeben. Obwohl die Mutationskombination c.145C>G/c.985A>G daher trotz bereits dokumentierter Entgleisung im vermutlich einzigen bekannten Fall ihres Vorliegens in den wissenschaftlichen Datenbanken als möglicherweise milde Ausprägung eines MCAD-Mangels geführt wird, soll hier festgehalten werden, dass sie nicht dazu geeignet ist, eine risikofreie Ausprägung des MCAD-Mangels vermuten zu lassen.
(Quelle: "A novel mutation of the ACADM gene (c.145C>G)...")
c.799G>A (p.G267R)
Diese Mutation wurde in der Vergangenheit (ab 1991) in compound heterozygoter Kombination schon mehrmals in Folge einer metabolischen Entgleisung gefunden. Beim direkten Vergleich mit den Restaktivitäten von K329E haben sich zwar ähnliche Werte gezeigt, jedoch scheinen Personen mit G267R homozygot eine milde Ausprägung des MCAD-Mangels aufzuweisen. Diese Annahme basiert aber anscheinend auf bisher lediglich einem untersuchten Fall eines türkischen Kindes mit blutsverwandten Eltern.
(Quelle: "Molecular and functional characterisation of mild MCAD deficiency")
c.734C>T (p.S245L)
Auch über diese Mutation wurde bisher hauptsächlich herausgefunden, dass sie bei homozygotem Vorliegen (ein untersuchter Fall eines türkischen Kindes mit blutsverwandten Eltern) zu einer milden, bzw milderen Ausprägung des MCAD-Mangels zu führen scheint, wenn man die biochemischen Werte mit denen von K329E homozygot vergleicht.
(Quelle: "Molecular and functional characterisation of mild MCAD deficiency")
c.216+1G>T
Die Angabe "+1" in dieser Mutationsbezeichnung gibt an, dass die erste ("+1") Base aus dem Intron betroffen ist, welches dem Exon mit der letzten Base an Position 216 folgt. Dabei handelt es sich um Exon 3, daher könnte diese Mutation auch mit der Bezeichnung IVS3+1G>T beschrieben werden. Die zwischen den Exons liegenden Introns werden normalerweise während des Splicing-Prozesses entfernt, so dass auf den Introns liegende Mutationen üblicherweise keine Bedeutung haben. Der Beginn eines Intron-Segments wird jedoch meist mit der Sequenz GT codiert (das Ende mit AG), und durch den Austausch von G>T in der Startsequenz GT wird diese zu TT, wodurch das Splicing an dieser Stelle nicht ordnungsgemäß funktioniert. Das Intron wird nicht als solches erkannt und entfernt, sondern führt zur weitgehenden Fehlbildung des entstehenden Proteins.
c.233T>C
Diese extrem seltene Mutation wurde im Rahmen einer von 2003-2005 laufenden niederländischen Studie zum MCAD-Mangel bei einem Kind mit möglicherweise blutsverwandten Eltern in homozygotem Zustand gefunden. Aufgrund der in typischer Weise erhöhten Acylcarnitinwerte und der deutlich verminderten Enzymrestaktivität wurde diese Mutation in die Gruppe der normalen, also schweren MCAD-Ausprägungen eingeordnet.
(Quelle: siehe Artikelsammlung "Neugeborenenscreening auf MCAD in den Niederlanden")
c.287/2A>G (IVS4-2A>G)
Wie bei der zuvor beschriebenen Mutation, bezieht sich auch diese hier nicht auf ein Exon, sondern auf ein Intron, diesmal jedoch in der Rückwärtsbetrachtung. Die Notation IVS4-2A>G gibt an, dass am Ende des dem vierten Exon (IVS4) vorangehenden Introns die vorletzte Base (-2) einen Austausch von Adenin (A) nach Guanin (G) erfahren hat. Die zwischen den Exons liegenden Introns werden normalerweise während des Splicing-Prozesses entfernt, so dass auf den Introns liegende Mutationen üblicherweise keine Bedeutung haben. Das Ende eines Intron-Segments wird jedoch meist mit der Sequenz AG codiert (der Anfang mit GT), und durch den Austausch von A>G in der Endsequenz AG wird diese zu GG, wodurch das Splicing an dieser Stelle nicht ordnungsgemäß funktioniert. Das Intron wird nicht als solches erkannt und entfernt, sondern führt zur weitgehenden Fehlbildung des entstehenden Proteins.
c.203delA (ASP43ValfsX10)
Durch die Deletion, also Löschung eines Zeichens an Basenposition 203 verschiebt sich bei dieser Mutation das Leseraster der Aminosäuren-Codierungs-Sequenz um eine Stelle. Dies wird auch durch die Buchstabenfolge fs (=Frameshift) in der Proteinnotation ausgedrückt. Dies führt in der Folge schon wenige Tripletts später (Position 229) zur vorzeitigen Entstehung eines Stop-Codons, an dem die Bildung der Proteins abgebrochen wird. Unter "Leseraster" ist zu verstehen, dass immer 3 Basen zusammen ein Basentriplett (Codon) bilden, aus dem eine der 20 möglichen, unterschiedlichen Aminosäuren produziert wird. Wenn, wie im Fall dieser Mutation, eine einzelne Base gelöscht wurde, rutscht im Dreier-Leseraster für das betroffene und alle folgenden Codons die erste Base aus dem eigentlich erst nächsten Codon nach. Somit werden ab dieser Position alle Aminosäuren falsch codiert, und das entstehende Protein - und somit das MCAD-Enzym - ist weitgehend funktionslos. An vielen Stellen in der Basenabfolge entsteht durch die Verschiebung des Leserasters eines der drei möglichen Stop-Codons taa, tga oder tag, so dass eine frühe in der Basenfolge auftretende Deletion oder Insertion in den meisten Fällen zu einem verfrühten vollständigen Abbruch der Proteinbauphase führt.
c.927delC
Durch die Deletion eines Zeichens an Position 927 verschiebt sich bei dieser Mutation das Leseraster der Aminosäuren-Codierungs-Sequenz um eine Stelle (siehe c.203delA, so dass wenige Stellen (Position 940) nach dieser Mutation ein vorzeitiges Stop-Codon entsteht.
c.1114_1115insG
Diese Mutation führte zur Insertion einer zusätzlichen Guanin-Base zwischen den Basenpositionen 1114 und 1115, wodurch sich, wie zuvor beschrieben, eine Verschiebung des Leserasters um eine Stelle ergibt (siehe c.203delA) und an Position 1144 ein vorzeitiges Stop-Codon entsteht. Die Position 1114 befindet sich allerdings schon sehr weit am Ende des Gencodes, wodurch ein sehr großer Teil davor noch korrekt gebildet werden sollte. Je weiter hinten im Code ein Fehler auftritt, desto mehr Restaktivität hat üblicherweise der bis dahin gebildete Enzymabschnitt. Eine im Rahmen einer entsprechenden Studie durchgeführte Residualaktivitätsanalyse hat jedoch eine nur noch extrem geringe Restaktivität des Enzyms nachgewiesen. Insofern handelt es sich um eine mit K329E vergleichbare schwere Mutation.
c.901a>t (p.K301X)
Diese Mutation wurde anscheinend bislang erst einmal gefunden. Durch den Wechsel von Adenin nach Thymin an Basenposition 901 wird aus dem dort normalerweise stehenden Lysin-Codon (aag) ein verfrühtes Stop-Codon (tag), welches die Proteinbildung beendet. Das letzte Drittel der Codierungssequenz wird damit nutzlos, jedoch könnte das bis dahin ordnungsgemäß gebaute Protein noch einen relativ großen Restnutzen haben. Die Acylcarnitinwerte des Carrier-Elternteils lassen zumindest darauf schliessen.
c.244_245insT (p.D104X)
Diese Mutation führte zur Insertion einer zusätzlichen Thymin-Base zwischen den Basenpositionen 244 und 245, wodurch sich eine Verschiebung des Leserasters um eine Stelle ergibt (siehe c.203delA) und an den Basenposition 310-312 (Aminosäurenposition 104) ein vorzeitiges Stop-Codon entsteht. Die Position 310 befindet sich am Ende des ersten Viertels des Gencodes, wodurch ein extrem verkürztes Protein mit rund einem Viertel falsch codierter Aminosäuren gebildet wird. Dadurch steht fest, dass es sich hierbei um eine Mutation mit sehr schweren Auswirkungen handelt. Der hiervon gebildete Teil der "MCAD-Enzyme" ist zu nichts zu gebrauchen.
10. Lohnende Gedanken
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Geschrieben von Wollachee
Neben den rein medizinischen Auswirkungen des MCAD-Mangels auf das Leben eines davon betroffenen Kindes und möglicherwiese auch auf das tägliche Leben seiner Familie, hat die völlig unvorbereitete Konfrontation mit dieser Diagnose auch starke psychische und emotionale Auswirkungen auf die Eltern. Egal wie gut und entspannt man einige Jahre später damit umgehen kann - die ersten Tage, Wochen und teilweise auch noch Monate im Leben der Eltern waren, bzw. sind von Schock, Sorgen, Ängsten, Traurigkeit, Zweifeln, Unsicherheit, Wut, Schuld, Kummer und jeder Menge unbeantworteter Fragen bestimmt.
Selbst wenn man das Glück hatte, frühzeitig an einen Arzt zu geraten, der es geschafft hat, die ersten Informationen zum MCAD-Mangel einfühlsam, verständlich und beruhigend rüberzubringen, ist damit noch längst nicht alles wieder gut und vergessen.
Weltweit erleben Eltern das Gleiche, wenn sie wenige Tage nach der Geburt ihres Kindes den Anruf bekommen. Und weltweit erleben Eltern von Kindern mit MCAD-Mangel oder einer anderen Stoffwechselstörung, dass sich ihre durch die unerwartete Diagnose beeinflussten Empfindungen zum Positiven ändern können, wenn Sie dazu übergehen, ihr Kind und sich selbst wieder mit anderen Augen zu sehen. Einige dieser Denkanstöße sollen hier weitergegeben werden.
Wenn du erst vor sehr kurzer Zeit mit dem MCAD-Verdacht, oder der endgültigen Diagnose konfroniert wurdest, müssen sie vielleicht auch erst eine Weile sacken, bevor du durch sie ein wenig umdenken kannst.
Gedanke 1: Ganz grundlegend - Du bist nicht schuld!
Eine vielleicht für dich selbst ganz wichtige Feststellung soll hier mal ganz an den Anfang gestellt werden: Es gab nichts, rein gar nichts, mit dem DU oder sonst irgendjemand den MCAD-Mangel deines Kindes hätte verhindern können! Im Augenblick der Zeugung waren die Weichen gestellt, und nichts und niemand konnte mehr etwas daran ändern.
Weder du noch dein Partner, noch eure Eltern, noch eure Großeltern konnten bis zur ersten Mitteilung des MCAD-Verdachts auch nur ansatzweise ahnen, dass sich die Anlage für diese Stoffwechselstörung seit Generationen in euren Familien weitervererbt hat. Daher ist es auch unrealistisch jetzt zu denken, dass man doch im Voraus um seinen Überträgerstatus hätte wissen können oder sogar müssen, und aufgrund dieses Versäumnisses jetzt verantwortlich für die Stoffwechselstörung des eigenen Kindes sei, unter der es nun auf Dauer zu leiden habe.
Es nützt daher niemandem etwas, wenn man eine wie auch immer geartete Schuld bei sich selbst, oder gar bei seinem Partner sucht. Es ist, wie es ist! Nun zählt nur noch, dass man sich zum Wohl des eigenen Kindes dieser Aufgabe stellt.
Gedanke 2: Dein Kind ist nicht chronisch krank!
Es hat zwar eine chronische, nämlich lebenslang bestehende Krankheit (im Sinne einer nun mal nicht zu leugnenden Störung einer bestimmten Stoffwechselfunktion), die sich unter gewissen Bedingungen negativ, möglicherweise mit schwerwiegenden Folgen und im schlimmsten Fall sogar tödlich auswirken könnte, aber zwischen "eine Krankheit haben" und "krank sein" besteht ein deutlicher Unterschied, den es zu verstehen gilt!
Ein übertragenes Beispiel zur Verdeutlichung:
Ein Auto mit klemmendem und daher nicht mehr einlegbarem Rückwärtsgang könnte, wenn es gestattet wäre, mit ein wenig Planung noch völlig normal benutzt werden. Autobahnfahrten wären kein Problem, da man dort ohnehin nicht rückwärts fahren darf, und auch die Fahrten in der Stadt würden reibungslos funktionieren. Solange man nur seitlich am Straßenrand hält, mit genügend Platz nach vorne, wäre aber auch das Abstellen des Fahrzeugs kein Problem. Eine schwierige Situation würde erst eintreten, wenn man in eine Parklücke gefahren ist, aus der man nur rückwärts wieder heraus kommt, oder man gezwungen ist, auf einer engen Straße zu wenden. Nur in diesen besonderen Situationen erweist sich die während der gesamten Zeit existierende "Krankheit" des Autos, der nicht funktionierende Rückwärtsgang, als einschränkende Störung, an der das Auto genau in diesem Moment "krankt". Vermeidet man solche Parklücken und nimmt man kleine Umwege in Kauf, um nicht auf der Straße wenden zu müssen, tritt dieser "Mangel" nicht negativ in Erscheinung.
Beim MCAD-Mangel ist es vergleichbar. Solange die auslösenden Bedingungen nicht vorliegen, ist dein Kind so gesund, wie jedes andere Kind auch. Natürlich erfordert die Stoffwechselstörung eine niemals nachlassende Aufmerksamkeit gegenüber dem betroffenen Kind, aber der MCAD-Mangel sollte niemals so viel Raum einnehmen, dass er als ständig über den Köpfen schwebende düstere Wolke, oder gar als ununterbrochen präsente Bedrohung angesehen wird. Das hat er nicht verdient, und das hat auch dein Kind nicht verdient! Seine Stoffwechselstörung bleibt sein Leben lang, es hat somit eine chronische Krankheit, aber es ist nicht chronisch krank, denn die meiste Zeit über spürt es von seiner Krankheit überhaupt nichts und ist in seiner empfundenen Gesundheit dadurch auch nicht eingeschränkt.
Warum kann dieses Umdenken einen Unterschied machen?
Viele, wenn nicht sogar alle MCAD-Eltern, haben irgendwann einmal im Freundes- und Verwandtenkreis die von ihnen als sehr negativ und frustrierend erlebte Erfahrung gemacht, dass die Mitteilung, ihr Kind habe eine seltene und potentiell gefährliche Stoffwechselstörung, mit allerlei abwehrenden, verharmlosenden oder sogar ignoranten Sprüchen kommentiert wurde. "Ach was, der sieht doch völlig gesund aus! Der hat nix!", "Macht euch mal keine Gedanken, das verwächst sich doch alles!", "Dieses Screeningzeug ist doch Unsinn, deine Tochter ist völlig gesund! Sieht man doch!" bis hin zu "Stoffwechsel-Störung? Hat das was mit dem Wechseln der Bettwäsche zu tun?" ist schon alles vorgekommen.
Auch wenn solche Erlebnisse sehr frustrierend sind, so ist es doch verständlich, dass diese schnell herausgelassenen Kommentare alles andere als durchdacht, und somit auch nicht hilfreich sind. Wer noch nie zuvor vom MCAD-Mangel gehört hat, schafft es keinesfalls innerhalb weniger Minuten ein tieferes Verständnis dafür zu entwickeln, und einen von den Eltern als einfühlsam und hilfreich empfundenen Kommentar zu geben. Das wird sich bei einigen Menschen auch später nicht ändern, so dass es von Freunden, Bekannten und auch Verwandten vereinzelt immer mal wieder Feststellungen wie "Ach ist der groß geworden - und er sieht eigentlich überhaupt nicht krank aus!" geben wird. Spätestens an dieser Stelle macht es einen Unterschied, ob man denkt "Warum versteht bloß niemand, wie krank mein Kind doch ist, auch wenn man es ihm nicht ansieht?" und sich alleine gelassen fühlt, oder ob man selbstbewusst antworten kann: "Mein Kind ist ja auch nicht krank! Es hat eine Stoffwechselstörung, und ich muss täglich darauf achten, dass diese Störung nicht zur Wirkung kommt - aber solange das gelingt, ist es so gesund, wie jedes andere Kind auch!"
Gedanke 3: Der MCAD-Mangel ist eine Familienangelegenheit!
Betrachte den MCAD-Mangel als Familienangelegenheit und nicht als spezielles Handicap/Problem deines Kindes. Gerade dann, wenn es noch weitere Geschwister gibt, die selbst nicht betroffen sind, nehmt euch von Anfang an als ganze Familie des Themas an. Alle Familienmitglieder sollten ausführlich über den MCAD-Mangel informiert sein, und gemeinsam in die Aufgabe hineinwachsen. Das neue Familienmitglied ist nicht anders als seine Geschwister oder als seine Eltern und wenn sich alle angewöhnen, ihr Leben und vor allem ihre Essensgewohnheiten an die ggf. etwas von der bisherigen Praxis abweichenden Anforderungen des MCAD-Mangels anzupassen, wird sich das Kind auch später nicht benachteiligt oder ausgeschlossen fühlen.
Gedanke 4: Dein Kind hat einen MCAD-Mangel, aber ist kein "MCAD-Kind"!
Bezeichne dein Kind gegenüber aussenstehenden Personen (Kindergarten-Erziehern, Lehrern, anderen Eltern, Kindern, Freunden, Verwandten und selbst Ärzten) selbst bei Gesprächen über das Thema MCAD-Mangel möglichst niemals als "MCAD-Kind", sondern allenfalls als "Kind mit MCAD-Mangel". Hier im Forum ist das noch in Ordnung, denn alle Teilnehmer wissen, was damit gemeint ist, und wie diese Kurzfassung zu verstehen ist. Aussenstehende sollten aber gar nicht erst damit anfangen, dein Kind auch nur ansatzweise über seine Stoffwechselstörung zu definieren, denn die macht dein Kind nicht zu dem, was es ist! Es mag schließlich auch kein Erwachsener, wenn die Ärzte im Krankenhaus in seiner Gegenwart über ihn als "der Darmverschluss" sprechen. Aus dem gleichen Grund spricht man heute - völlig zu Recht - auch nicht mehr von "Behinderten", als wenn das eine andere Art von Menschen wäre, sondern von "Menschen mit Behinderung". Es ist nur eine kleine Umformulierung, die aber hinsichtlich der dahintersteckenden Aussage einen großen Unterschied ausmacht!
In gleicher Weise würde es vermutlich weder dir, noch deinem Kind gefallen, wenn die Erzieher oder Lehrer insgeheim ihre Gruppe, bzw. Klasse in die gesunden/normalen Kinder und das "MCAD-Kind" unterteilen. Selbst wenn sich diese Unterteilung nur in ihren Gedanken abspielte, würde dein Kind dadurch zu etwas anderem als nur "ein Kind". Achte daher diesbezüglich auf deine Wortwahl und mach allen Leuten von Anfang an klar, dass dein Kind völlig normal ist, und lediglich eine Stoffwechselstörung hat, die ein wenig mehr Aufmerksamkeit ihm gegenüber erfordert. Nichtsdestotrotz ist es einfach nur ein Kind (mit MCAD-Mangel), aber kein "MCAD-Kind".
Gedanke 5: Dein Arzt ist Dienstleister und Du bist sein Auftraggeber!
Manche Familien haben das große Glück von wirklich hervorragenden Stoffwechselexperten betreut zu werden. Diese nehmen die Sorgen der Eltern ernst, gehen auf sie ein, beantworten ihre immer wieder neuen Fragen geduldig, ausführlich und verständlich, geben bereitwillig den Eltern Befundkopien für zuhause mit, sind darüber hinaus für die Eltern erreichbar, und ergreifen ohne lange zu zögern die notwendigen Maßnahmen, wenn die Eltern mit ihrem seit Stunden nichts mehr zu sich nehmenden Kind auf der Matte stehen - und vor allem bemühen sie sich für die Eltern um eine hieb- und stichfeste Diagnose. Nun gut, einen Arzt zu bekommen, der alle diese Punkte in sich vereint, gehört immer noch ins Reich der Fantasie, aber man soll ja nie aufhören zu hoffen.
Andere Eltern hingegen geraten an Ärzte, die ständig wechseln, bei denen man das Gefühl hat, wieder ganz von vorne zu starten, die so gut wie nie telefonisch erreichbar sind, auf entsprechende Bitte hin auch nicht zurückrufen, als Antwort auf Fragen der Eltern lediglich was aus der Milupa-Broschüre vorlesen, oder mit einem unverständlichen Ärztekauderwelsch antworten. Auf die Bitte nach Aushändigung von Befundkopien hin antworten sie mit "Das sind nur Zahlen, mit denen Sie nichts anfangen können, daher brauchen Sie das nicht!" oder gar mit der Aussage "Das müssen Sie nicht wissen!". Die Diagnose "MCAD-Mangel" ist für sie bereits nach dem auffälligen Neugeborenenscreening klar, woraus sich auch keine Notwendigkeit für weitere Abklärungsschritte mehr ergibt. Stattdessen werden die Eltern mit einem Blutzuckermessgerät und der Empfehlung alle paar Stunden regelmäßig zu messen, nach Hause geschickt. Auf die Frage, ob es sich um eine schwere oder vielleicht doch eher milde Form handelt, antworten sie mit "Das spielt für mich keine Rolle!" - für die Eltern, die diese Frage stellen, und die einfach nur mal eine klare Aussage hören wollen - egal, was dabei herauskommt - würde es in psychischer Hinsicht sehr wohl eine Rolle spielen. In zum Glück nur wenigen Fällen wurden Eltern mit ihrem kranken und die Nahrungsaufnahme verweigernden Kind auf dem Arm in der Notaufnahme des nächsten Krankenhauses wieder nach Hause geschickt und teilweise auch noch als einfach nur hysterische und sich irgendwelchen Unsinn einbildende Eltern behandelt. Wenn dann in der SA niemand zu erreichen ist, der dem AvD in der Notaufnahme mal den Kopf zurechtrückt, ist die Hilflosigkeit der Eltern groß.
Unseren Großeltern, Eltern und teilweise auch noch uns wurde der allgemeine und bedingungslose Respekt vor dem Arzt im weißen Kittel noch anerzogen. "Man muss immer tun, was der Onkel Doktor sagt!" - diesen Spruch, auch wenn er teilweise scherzhaft gemeint war, hat wohl jeder in seiner Kindheit zu hören bekommen, und vielleicht sogar selbst schon mal gegenüber seinen eigenen Kindern geäussert. Der Arzt hat immer Recht! Er weiß immer ganz genau, was er tut, denn er hat über viele Jahre hinweg geheime Dinge studiert, die wir selbst gar nicht zu begreifen in der Lage wären. Und wenn er eine Weisheit verkündet - wer sind wir, diese anzuzweifeln! Schlimm an dieser ganzen Sache ist nur, dass es in entgegengesetzer Blickrichtung teilweise ganz anders aussieht und den Eltern der kleinen Patienten jegliche Kompetenz und Einschätzungsvermögen hinsichtlich des MCAD-Mangels abgesprochen wird. So fehlt manchen Ärzten auch völlig das Verständnis, dass Eltern, die ihr Kind jeden Tag rund um die Uhr sehen und erleben, sehr wohl einschätzen können, ob gerade eine besorgniserregende Situation vorliegt, die sofortiges Handeln unumgänglich macht, und sie nicht einfach nur Panik machen.
Jawohl, Ärzte haben sehr lange studiert. Sie haben sehr viele Bücher gelesen, und viele davon nahezu auswendig lernen müssen. Sie haben sich einen Beruf ausgesucht, in dem sie anderen Menschen helfen oder sie sogar heilen können, und für den Sie ein großes medizinisches Fachwissen benötigen. Für dieses Fachwissen werden sie bezahlt - und wir suchen sie uns aus, weil wir hoffen und erwarten, dass ihr Fachwissen uns, bzw. unseren Kindern nützt.
Vermutlich wurdest du von deinem Kinderarzt an eine bestimmte Stoffwechselambulanz überwiesen. Warum es gerade diese Stoffwechselambulanz und keine andere war, dafür gibt es mehrere Gründe. Möglicherweise kennt dein Kinderarzt die dortigen Ärzte von irgendwelchen Tagungen. Vielleicht kennt er einfach noch keine Ärzte aus den anderen in der Nähe gelegenen Stoffwechselambulanzen. Vielleicht liegt diese eine euch einfach am nächsten. Vielleicht liegt eine weitere Klinik in vergleichbarer Nähe schon in einem anderen Bundesland, und irgendwie will man ja schon im eigenen Land bleiben. Vielleicht gibt es aber auch im Umkreis von 100-200km keine andere Uni-Klinik. Auf jeden Fall, und dass gilt es wirklich zu verstehen, liegt es nicht daran, dass ihr als Bewohner des Bundeslandes xy genau dieser einen Stoffwechselambulanz zugeordnet wäret. Es gibt zwar in so ziemlich jedem Bundesland ein eigenes Screeningzentrum, zu dem alle Trockenblutkarten der Neugeborenen jeweils hingeschickt werden, aber als Patient ist man nicht an eine bestimmte Uni-Klinik und somit einen bestimmten Arzt gebunden, auch wenn dies von vielen Familien zunächst so verstanden wird.
Indem man einen Arzt in seiner Praxis oder in der Stoffwechselambulanz aufsucht, geht man einen implizierten Vertrag mit diesem Arzt ein. Dieser Vertrag besagt: "Ich Patient beauftrage dich Arzt zur Erbringung einer Serviceleistung. Ich erwarte, dass du mich und meine Meinung respektierst, mir zuhörst, meine Fragen kompetent, ausführlich und verständlich beantwortest, mir die mir rechtlich zustehenden Unterlagen aushändigst, dir Gedanken über eine speziell für die Erfordernisse meines Kindes geeignete Behandlungsweise machst, und mit den dir zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten die Diagnose meines Kindes vollständig abklärst."
Genau dafür bezahlst du ihn - für sein Fachwissen. Du bist der Auftraggeber, er ist der Leistungserbringer. Du bezahlst ihn durch deine sicher nicht zu knappen Krankenkassenbeiträge. Wenn du ein Haus baust, und während der Bauphase feststellst, dass einer der beauftragten Handwerker Pfusch abliefert, oder dich als Bauherrn respektlos behandelt, dann wird er gefeuert, und durch einen anderen Handwerker ersetzt, der sein Handwerk besser beherrscht oder sich einfach besser zu benehmen weiß.
Es gibt auch keine Regel, die vorschreibt, dass alle Stoffwechselambulanzen in Deutschland einen einigermaßen gleich verteilten MCAD-Patienten-Stamm haben sollen. Es ist völlig in Ordnung, wenn die diesbezüglich kompetenteren SAs mehr, und die schlechter informierten SAs weniger oder gar keine MCAD-Patienten abbekommen.
Wenn du mit der Leistung deines Arztes rundum zufrieden bist - hervorragend, so soll es sein. Wenn der von dir ausgesuchte Arzt jedoch seinen Teil der Leistung nicht zufriedenstellend erbringt, dann such dir einen anderen, der besser zu dir und deinem Kind passt. In manchen Gegenden Deutschlands ist dies zugegebenermaßen leichter gesagt als getan, während in anderen Ballungszentren gleich mehrere Uni-Kliniken zur Auswahl stehen. Aber es haben schon mehrere Eltern die Erfahrung gemacht, dass es sich für die zwei bis drei Termine pro Jahr sehr wohl lohnt, auch deutlich längere Strecken auf sich zu nehmen, wenn dadurch die zu erhaltende ärztliche Leistung sehr viel besser wird. Du zahlst über deine Krankenkasse in jedem Fall für die ärztlich erbrachte Leistung - egal ob du bei der Heimfahrt denkst "Dieser Termin hat mal wieder überhaupt nichts gebracht, mir wurden keine Fragen beantwortet und überhaupt mag ich es nicht, von oben herab behandelt zu werden!" oder ob du denkst: "Dieser Termin hat sich gelohnt, ich wurde gut informiert, fühle mich als Patient ernst genommen und weiß, dass mein Kind und wir als Familie hier in guten und kompetenten Händen sind." Und genau dieses zweite Gefühl kann man tatsächlich erleben - manchmal aber erst, wenn man wechselt, und damit die Möglichkeit zum Vergleich hat.
Gedanke 6: Du wirst deinen Weg zum Umgang mit dem MCAD-Mangel finden! Es gibt nicht nur einen richtigen Weg.
Vielleicht hast du beim Lesen im Forum schon hier und da gedacht: "Die anderen sind viel entspannter als ich! Ich selbst habe immer Angst um mein Kind." oder aus der anderen Richtung "Die anderen machen immer so ein riesen Buhei um ihr Kind. Wenn man über den MCAD-Mangel Bescheid weiß, ist doch alles ganz einfach und unproblematisch! Oder bin ich vielleicht viel zu sorglos?"
Wenn die letzten Jahre und der erlebte Austausch unter ungefähr 200 Familien eines gezeigt haben, dann dies, dass jede Familie ganz eigene Erfahrungen mit ihrem Kind, mit Krankheitssituationen, mit Essensgewohnheiten, mit Klinikpersonal, mit Ärzten, mit Kitas und Schulen, mit Versicherungen und Behörden, und mit den eigenen Verwandten macht. Alle diese Erfahrungen tragen mit dazu bei, wie die Eltern selbst den MCAD-Mangel beurteilen und damit sowohl rein praktisch, als auch emotional umgehen.
In der folgenden Liste von Beispielen für im Forum erlebte unterschiedliche Sichtweisen, wird sich jeder Leser bestimmt an der einen oder anderen Stelle wiederfinden. Alle diese Sichtweisen haben ihre Legitimation, werden aber von jedem ganz individuell gemäß seinen eigenen Erlebnissen und Hintergründen entweder mit Zustimmung oder aber vielleicht auch mit Unverständnis bewertet. Diese Beispiele sollen zeigen, dass es im Umgang mit dem MCAD-Mangel nicht den einen richtigen Weg gibt, sondern das jedes betroffene Elternteil aufgrund der eigenen Erlebnisse und Erfahrungen einen für sich und sein Kind vollkommen richtigen und von anderen Familien nicht zu be- oder sogar zu verurteilenden Weg finden wird.
Die "Es gibt Eltern"-Liste:
- Es gibt Eltern, die empfinden durch den MCAD-Mangel überhaupt keine Einschränkungen.
- Es gibt Eltern, die erleben die Sorge um ihr Kind als täglichen Kampf.
- Es gibt Eltern, die empfinden, dass ihr Kind ständig und überall benachteiligt wird.
- Es gibt Eltern, die haben einen Schwerbehindertenausweis für ihr Kind beantragt.
- Es gibt Eltern, die haben den Schwerbehindertenausweis für ihr Kind sogar bekommen.
- Es gibt Eltern, die sich deswegen an den Kopf greifen.
- Es gibt Eltern, die bekommen Pflegegeld für ihr Kind.
- Es gibt Eltern, die wollen unter gar keinen Umständen Pflegegeld für ihr Kind.
- Es gibt Eltern, die jedem sofort alles über den MCAD-Mangel ihres Kindes erzählen.
- Es gibt Eltern, die verschweigen den MCAD-Mangel ihres Kindes vor allen Aussenstehenden.
- Es gibt Eltern, die verschweigen den MCAD-Mangel sogar vor ihrem davon betroffenen Teenie-Kind.
- Es gibt Eltern, die empfinden (angeblich) die von ihnen vererbte genetische Krankheit ihres Kindes als persönliche Familienschande (Behauptung eines Stoffwechselarztes - zur Begründung, weshalb man sich mit vielen der betroffenen Familien nicht vernünftig zu dem Thema gegenseitig austauschen könne)
- Es gibt Eltern, deren Kind noch nie die geringsten Symptome gezeigt hat, und die trotzdem in ständiger Unruhe leben.
- Es gibt Eltern, deren Kind schon mal eine Entgleisung hatte, und die anderen neu betroffenen Eltern den MCAD-Mangel trotzdem als was vollkommen Harmloses darstellen.
- Es gibt Eltern, die das wiederum als Leichtsinn oder sogar Angeberei bewerten.
- Es gibt Eltern, die aus dem Gröbsten raus sind und die schwere Phase der ersten paar Jahre schon wieder vergessen haben.
- Es gibt Eltern, die in der schweren Phase noch mitten drin stecken.
- Es gibt Eltern, bei denen diese schwere Phase viele Jahre dauert.
- Es gibt Eltern, die aufgrund des MCAD-Mangels lieber keine weiteren Kinder mehr bekommen möchten.
- Es gibt Eltern, die gleich mehrere Kinder mit MCAD-Mangel haben und diese Entscheidung nie bereuen.
- Es gibt Eltern, deren Kind trotz ausreichender Ernährung fast keinen Schulvormittag durchhält.
- Es gibt Eltern, die das nicht verstehen können, weil ihr Kind in der Schule super mitkommt.
- Es gibt Eltern, deren Kind hat einen I-Platz im Kindergarten.
- Es gibt Eltern, deren Kind hat einen Schulbegleiter.
- Es gibt Eltern, die glauben, dass ihr Kind durch so eine offensichtliche Sonderbehandlung einen Stempel aufgedrückt bekommt.
- Es gibt Eltern, die ernähren ihr Kind streng fettarm.
- Es gibt Eltern, die achten bzgl. der Ernährung auf gar nichts.
- Es gibt Eltern, die sich bei den vorsorglichen Klinikaufenthalten gut behandelt und sehr sicher fühlen.
- Es gibt Eltern, die jeden einzelnen dieser Klinikaufenthalte als sehr negatives Erlebnis empfinden.
- Es gibt Eltern, die deshalb nur noch im äussersten Notfall in eine Klinik fahren und alle anderen Situationen lieber zuhause durchstehen wollen.
- Es gibt Eltern, die fahren mit ihrem Kind bei jedem Fieber in die Klinik.
- Es gibt Eltern, die das von ihren Stoffwechselärzten auch genau so empfohlen bekommen haben.
- Es gibt Eltern, die haben tolle und engagierte Stoffwechselärzte.
- Es gibt Eltern, deren Ärzte haben vom MCAD-Mangel überhaupt keine Ahnung (was sie aber niemals zugeben würden)
- Es gibt Eltern, die versuchen so lange wie möglich zuhause ohne Klinikaufenthalt durchzuhalten.
- Es gibt Eltern, die wissen ganz genau, wieviel Malto sie in welcher Situation dem Kind zuführen sollten.
- Es gibt Eltern, die haben sich alle Empfehlungen dutzende Male durchgelesen und sind totzdem nach Jahren noch unsicher bezüglich der richtigen Mengen für die Eigenbehandlung.
- Es gibt Eltern, die machen mit ihrem Kind Urlaub in anderen und teils fernen Ländern.
- Es gibt Eltern, die verbringen ihre Urlaube aufgrund des MCAD-Mangels inzwischen lieber innerhalb von Deutschland.
- Es gibt Eltern, die fühlen sich von aller Welt alleine gelassen.
- Es gibt Eltern, die gehen an die Decke, wenn eine Unterscheidung zwischen MCAD-Kindern und "normalen" Kindern getroffen wird.
- Es gibt Eltern, die fühlen sich völlig unverstanden, wenn man ihnen sagt, das Kind sei doch völlig normal.
- Es gibt Eltern, die nur ab und zu mal an den MCAD-Mangel denken.
- Es gibt Eltern, die froh um jede kleine Ablenkung sind, damit sie mal für ein paar Minuten nicht an den MCAD-Mangel denken müssen.
- Es gibt Eltern, deren Kind hat eine milde MCAD-Variante.
- Es gibt Eltern, deren Kind hat eine klassische, also schwere MCAD-Variante.
- Es gibt Eltern, die sich dadurch beruhigt fühlen, dass ihr Kind eine milde MCAD-Variante hat.
- Es gibt Eltern, deren Kind auch eine milde Variante hat, die sich aber nicht im Geringsten beruhigt fühlen.
- Es gibt Eltern, die gar nicht wissen, was genau bei ihrem Kind vorliegt, weil die Ärzte es ihnen nicht gesagt oder schon gar nicht untersucht haben.
- Es gibt Eltern, die sich damit zufrieden geben.
- Es gibt Eltern, die immer noch überhaupt nicht wissen, dass es unterschiedliche Ausprägungen gibt... bis sie es hier irgendwann vielleicht erstmals lesen.
- Es gibt Eltern, deren Kind eine milde Form hat, die nicht verstehen können, warum manche Eltern von Kindern mit schweren Varianten so besorgt sind und sich so viele Gedanken machen.
- Es gibt Eltern, deren Kind eine schwere Form hat, die nicht verstehen können, warum manche Eltern von Kindern mit milden Varianten so besorgt sind und sich so viele Gedanken machen.
- Es gibt Eltern, die von ihren Ärzten bzgl. der Diagnose über Monate oder sogar Jahre hinweg falsch informiert wurden - wie sich aber erst herausstellte, als wir uns hier dann doch mal näher damit befasst haben.
- Es gibt Eltern, die fragen solange hartnäckig nach, bis die Ärzte ihnen auch wirklich alle Befunde kopieren.
- Es gibt Eltern, die verstehen, was die Befunde aussagen.
- Es gibt Eltern, die auch nach Jahren noch alle Befunde als Buch mit sieben Siegeln sehen.
- Es gibt Eltern, die erst nach Monaten der Teilnahme im Forum merken, dass es hier auch noch viele Artikel mit MCAD-Informationen gibt.
- Es gibt Eltern, die tauschen sich hier gerne schriftlich aus.
- Es gibt Eltern, die tauschen sich viel lieber nur mündlich aus.
- Es gibt Eltern, die wollen sich überhaupt nicht mit anderen austauschen.
- Es gibt Eltern, die von ihren Ärzten sogar gezielt vom Austausch mit anderen MCAD-Eltern abgeraten bekamen.
- Es gibt Eltern, die mit Sorgen zu ihrem Arzt kommen, und von diesem immer wieder beruhigt werden.
- Es gibt Eltern, die bei jedem Termin von ihrem Arzt neue (alte!) Schreckensmeldungen erzählt bekommen, damit sie bloß nicht damit anfangen, den MCAD-Mangel zu locker zu sehen.
- Es gibt Eltern, die sich in ihrer Stoffwechselambulanz rundum gut betreut fühlen.
- Es gibt Eltern, die zu einer anderen Uni-Klinik gewechselt sind, weil sie sich in ihrer ersten Stoffwechselambulanz nicht gut betreut fühlten.
- Es gibt Eltern, die sich seit Jahren nicht gut betreut und beraten fühlen, aber trotzdem nicht zu einer anderen Klinik wechseln.
- Es gibt Eltern, die vermutlich überhaupt nicht wissen, dass man sich seine betreuende Uni-Klinik selbst aussuchen und bei Bedarf auch woanders hin wechseln kann.
- Es gibt Eltern, die reizen die empfohlenen nächtlichen Nüchternzeiten immer bis zum Ende aus.
- Es gibt Eltern, die bleiben lieber noch ein paar Stunden unter den empfohlenen maximalen Nüchternzeiten.
- Es gibt Eltern, die gerne wissen wollen, was andere Kliniken bzgl. des MCAD-Mangels sagen.
- Es gibt Eltern, die sich diese Frage nicht stellen, weil sie ihrem Arzt glauben, dass die anderen Kliniken allesamt einfach gar keine Ahnung haben.
- Es gibt Eltern, die diese Liste geduldig bis zu diesem Punkt gelesen haben.
- Es gibt Eltern, die Listen generell doof finden, und deshalb nach den ersten paar Zeilen zu lesen aufgehört haben.
zum Nachdenken
- Details
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Geschrieben von Wollachee
Sehr geehrte Experten der Stoffwechselzentren und Ernährungsberatungen,
mit diesem Artikel möchten wir Sie zum gezielten Nachdenken über ein paar den MCAD-Mangel betreffende Themen anregen. Die während der Sprechstunden von vielen Ärzten und Ernährungsberatern den Eltern mitgeteilten und im folgenden aufgeführten Aussagen, sind bei näherer Betrachtung und unter Einbeziehung von Hintergrundinformationen nicht nachvollziehbar, bzw. scheinen sie den über viele Jahre gemachten Erfahrungen der MCAD-Betroffenen, sowie den Ergebnissen diverser Studien deutlich zu widersprechen.
Daher unsere Bitte an Sie, über die folgenden, aus unserer Sicht mehr als fraglichen Aussagen, noch mal in Ruhe nachzudenken. Natürlich kann es durchaus sein, dass Sie mit diesen Auskünften völlig richtig liegen! Wir als Eltern würden uns dann aber eine fundierte Erläuterung dazu wünschen, statt der üblicherweise ohne weitere Begründungen gegebenen "Geht nicht!"- oder "Ist so!"-Aussagen
Im Übrigen muss an dieser Stelle einmal deutlich gesagt werden, dass es ein Unding, und aus Elternsicht nicht im geringsten vertraueneinflößend ist, wenn - wie es leider öfters in den deutschen Stoffwechselambulanzen vorkommt - der betreuende Stoffwechselexperte oder Ernährungsberater zwecks Beantwortung von Fragen zum MCAD-Mangel immer erst in der Milupa-Broschüre nachschlagen und daraus vorlesen muss. Lesen können die Eltern selbst. Wenn sie fragen, erhoffen sie sich Antworten, die über das bereits selbst Gelesene hinausgehen! Sollte diese zwar sehr gute, aber doch nur für absolute MCAD-Anfänger geeignete Broschüre alles sein, worauf sich die Fachkenntnisse der betreffenden Stoffwechselexperten oder Ernährungsberater hinsichtlich des MCAD-Mangels beschränken, wäre es fair, die Eltern an eine ebenfalls erreichbare andere Klinik mit umfassenderen Erfahrungen zum MCAD-Mangel zu verweisen.
Übersicht der zweifelhaften Aussagen:
- Kinder mit MCAD-Mangel können nicht, oder nur sehr schwer abnehmen
- Die präventive, pauschale tägliche Carnitingabe ist unbedenklich, da es sich um eine körpereigene Substanz handelt
1. Aussage: Kinder mit MCAD-Mangel können nicht, oder nur sehr schwer abnehmen
Natürlich ist verständlich, dass vom MCAD-Mangel betroffene Personen keine radikale Fastendiät machen dürfen, da ihr Körper nicht genügend Energie aus den Fettreserven erzeugen kann, wenn diese als einziger Energiespeicher übrigbleiben. Zwischen "nicht schnell abnehmen dürfen" und "nicht abnehmen können" besteht aber ein deutlicher Unterschied. Aufgrund der Erfahrungen verschiedener Mitglieder, deren Kinder trotz (schwerem) MCAD-Mangel bereits deutliche Gewichtsschwankungen durchgemacht haben, stellt sich uns aber vielmehr die Frage:
Könnte es sein, dass Kinder mit MCAD-Mangel bei gleicher Ernährungsweise sogar viel leichter als andere Kinder abnehmen?
Diese These soll hier anhand folgender Überlegungen ausgeführt werden:
1kg reines Körperfett hat für einen Nicht-MCADler 7000 kcal gespeichert (eigentlich rechnet man für jedes Gramm Fett mit einem Energiegehalt von 9,3kcal; da Körperfett aber auch einen Wasseranteil enthält, wird in diesem Fall mit 7kcal/g gerechnet). Um dieses Kilo Fett wieder loszuwerden, muss man eine Menge Treppen steigen (als Erwachsener rund 15 Stunden lang).
Für ein Kind mit MCAD sind diese 7000 kcal aber nur rund 3500 kcal "wert". Wenn es also über einen gewissen Zeitraum hinweg neben der Energie, die aus der täglichen Nahrung kommt, auch noch 3500 kcal aus dem Fettgewebe genutzt hat, hat es damit 1kg Körperfett abgebaut. Aufgrund des MCAD-Mangels wird von jeder enthaltenen langkettigen Fettsäure nur die Hälfte, insgesamt also nur 500g Fett zur Energiegewinnung genutzt, die restlichen 500g werden an Carnitin gekoppelt als mittelkettige Fettsäurenreste ausgeschieden. Das dauert natürlich eine Weile, kann aber bei konsequent fettreduzierter und kalorienmäßig auf den tatsächlichen täglichen Bedarf ausgerichteter Ernährung sicher relativ problemlos erreicht werden.
Jedes andere Kind muss diese 7000 kcal in vollem Umfang abbauen, bis es sein Körperfett um 1kg reduziert hat. Es braucht also bei gleicher Lebensweise und gleicher sportlicher Betätigung doppelt so lang.
Anders ausgedrückt: wenn ein Kind pro Tag durchschnittlich 1000 kcal (einfach mal angenommen) benötigt, und sich diese zu 800 kcal aus Kohlenhydraten und 200 kcal aus Fett zusammensetzen,
dann verbraucht ein Kind ohne MCAD dabei
800 kcal : 4,1 kcal/g = 195g Kohlenhydrate und 200 kcal : 7 kcal/g = 28 g Fett
Ein Kind mit MCAD verbraucht dabei ebenfalls
800 kcal : 4,1 kcal/g = 195g Kohlenhydrate, aber 200 kcal : 3,5 kcal/g = 56 g Fett
Dabei scheidet es natürlich entsprechend mehr Acylcarnitin mit Fettsäurenresten aus, aber solange es zu keinem Carnitinmangel kommt, ist ja alles im grünen Bereich.
Die oben aufgestellte These steht und fällt natürlich mit einer bestimmten Frage:
Baut der Stoffwechsel eines Kindes mit MCAD im Verlauf eines normalen und gesunden Tages auch wirklich entsprechend mehr Körperfett ab, um seine Energiebilanz zu decken, oder schafft er nur genau so viel wie beim Kind ohne MCAD und hat am Ende ein Minus in der Energiebilanz, welches dann wieder anhand von Kohlenhydraten ausgeglichen werden muss? |
Um noch mal das Beispiel von oben zu bemühen, nun folgende neue Berechnung:
Das Kind mit MCAD - es handelt sich dabei um einen mittelmäßigen Esser, der täglich immer gerade so seine benötigte Nahrungsmenge zu sich nimmt - braucht an einem normalen Tag 1000 kcal, um seinen Gesamtumsatz zu decken. Irgendwoher muss es diese Energie nun mal nehmen!
Es verwertet die mit der Nahrung aufgenommenen 195g Kohlenhydrate:
195g x 4,1 kcal/g = 800 kcal
Nun die Annahme: Wie ein Kind ohne MCAD kann es aber in der gleichen Zeit auch nur 28g Fett verwerten, weil ein verstärkter Fettabbau einfach stoffwechseltechnisch nicht möglich ist.
28 g x 3,5 kcal/g = 98 kcal
Benötigt würden aber die gesamten 200 kcal. Bleibt ein Minus von rund 100 kcal, welches mit Hilfe der Glykogenvorräte der Leber oder des Muskelgewebes ausgeglichen werden muss.
Sollte der ganze Mechanismus so funktionieren, dann könnte ein vom MCAD-Mangel betroffenes Kind tatsächlich so gut wie nicht abnehmen, weil es pro Tag nur eine gewisse Menge Fett aus der Nahrung zu nutzen in der Lage wäre, um daraus Energie (und zwar nur die Hälfte) zu gewinnen. Alles, was übrig bliebe, würde ins Fettgewebe wandern. Um abzunehmen müsste man ganz genau darauf achten, mit dem in der Nahrung enthaltenen Fett diese verwertbare Menge zu unterschreiten, damit dann auch noch zusätzlich ein paar wenige Gramm Körperfett abgebaut werden könnten.
Gleichzeitig folgt daraus, dass jedes überzählige Gramm Nahrungsfett sofort auf den Fettpolstern landete, und die Kinder bei normaler, d.h. nicht speziell fettreduzierter Lebensweise ständig nur zunehmen würden. Da viele Stoffwechselärzte behaupten, die Eltern müssten hinsichtlich der Ernährung auf gar nichts achten, und dieser Rat von den meisten der betreffenden Eltern auch befolgt wird, müssten diese Kinder bei den Mengen an Fett, die in den üblichen Lebensmitteln enthalten sind, sogar ziemlich schnell kugelrund werden.
Ausserdem stünde jedes Kind, das täglich auch nur ein paar Gramm Kohlenhydrate zu wenig isst, ständig in der Gefahr, eine Entgleisung zu erleiden. Die Glycogenvorräte würden sich nämlich kontinuierlich reduzieren, wenn die täglich verbrauchte Energie nicht vollständig durch die Nahrung ausgeglichen werden könnte. Damit dürfte ein MCAD-Patient auch niemals den Versuch einer Gewichtsreduktion unternehmen.
Wie gesagt, dies alles wäre dann der Fall, wenn der Stoffwechsel wie zuvor beschrieben funktionieren sollte und auch bei Bedarf einfach nicht mehr Fett abbauen könnte. Die Ergebnisse einer Studie von 2001 (Fletcher, J.M., Pitt, J.J. Fasting medium chain acyl- Coenzyme A dehydrogenasedeficient children can make ketones) legen aber die Annahme nahe, dass ein solcher bedarfsangepasster, vermehrter Fettabbau sehr wohl erfolgt. Diese Studie hat gezeigt hat, dass auch Kinder mit K329E homozygot nach einer Fastenzeit von 9-9,5 Stunden eine ähnliche Konzentration an Ketonkörpern gebildet haben, wie Kinder ohne MCAD-Mangel.
Anmerkung:
Von einem Stoffwechselarzt kam inzwischen als Reaktion auf die Erwähnung dieser Studie die Aussage, dass daran ja nur 3 Kinder teilgenommen hätten und die Studie daher nicht aussagekräftig sei, hinsichtlich der Frage, ob Kinder mit MCAD überhaupt Ketonkörper bilden könnten. Unabhängig von der o.g. Studie steht aber auch in der allseits bekannten und von den Stoffwechselzentren gerne an die Eltern verteilten Milupa-Broschüre zum MCAD-Mangel folgende Aussage (Seiten 9/10).
"[...]Bei Menschen mit MCAD-Mangel erfolgen die ersten Schritte der Fettsäurenverkürzung noch ganz normal, denn hier ist das Enzym VLCAD verantwortlich. Ab einer Kettenlänge von nur noch 12 Kohlenstoffeinheiten ist die weitere Fettsäurenverkürzung jedoch nicht mehr möglich. Hier stoppt der Fettsäurenabbau. Dadurch kann nur ein Drittel der sonst üblichen 2er Einheiten entstehen, und nur ein Teil der in den Fettsäuren steckenden Energie vom Organismus genutzt werden. Im Bedarfsfall können aus der geringen Anzahl von 2er-Gliedern deshalb auch nur wenig Ketonkörper gebildet werden. [...]
Diese Darstellung ist aufgrund ihrer für die Broschüre notwendigen Vereinfachung jedoch unvollständig. In metabolischen Verarbeitungspfaden, die aus mehreren in Reihe arbeitenden Enzymen bestehen, überlagern sich die äusseren Funktionsbereiche der Enzyme mehr oder weniger stark. So ist die Funktion des MCAD-Enzyms nicht auf Fettsäuren der Längen 12, 10 und 8 beschränkt (entsprechend SCAD auf 6, 4 und 2). Das aus dem "normalen" Wildtyp-Allel gebildete MCAD-Enzym wirkt über den gesamten Kettenlängenbereich von 4 bis 14 Kohlenstoffeinheiten. Die größte Aktivität hat das Enzym verständlicherweise für die 8er Ketten, aber auch an den 4er Ketten, ebenso wie an den 10ern und 12ern, wirkt es noch mit ca 50% seiner maximalen Aktivität, und an den 14ern noch mit etwa 25%. Hier fällt seine Wirkung jedoch nur noch wenig ins Gewicht, da dies schon der Bereich der großen Aktivität von VLCAD ist. In gleicher Weise erstrecken sich die messbaren Aktivitäten des VLCAD-Enzyms und besonders des LCAD-Enzyms auch noch mit einem abnehmenden Anteil in den ansonsten vom MCAD-Enzym dominierten Bereich hinein. Die Grenzen sind nicht so hart, wie die oben zitierte Darstellung den Anschein erweckt.
Dass nach dem Wirken von VLCAD (und dem Wirken des "Mitochondrialen Trifunktionellen Proteins" MTP, welches aus 2,3-Long-Chain-Enoyl-CoA Hydratase, LCHAD und LKAD besteht - für diejenigen, die es genau wissen wollen) noch was geht, ist auch für Laien relativ leicht nachvollziehbar. Der Leitwert bei der Feststellung des MCAD-Mangels ist schließlich die Menge an C8 (Octanoylcarnitin), also der übriggebliebenen Ketten mit noch 8 Kohlenstoffeinheiten. In der Milupa-Broschüre wurde jedoch ausgesagt, dass die Fettverwertung bei C12 stoppt. Das kann so aber nicht stimmen, denn sonst müsste der Leitwert zur Feststellung des MCAD-Mangels nicht C8, sondern C12 sein. C12 ist aber normalerweise fast gar nicht nachweisbar und auch C10 ist vergleichsweise gering erhöht gegenüber einem für den MCAD-Mangel typischen sehr hohen C8-Anteil. Es werden also ausgehend vom C12 durch die Überlapppung der Enzym-Funktionsbereiche - vor allem des LCAD-Enzyms - auch noch eine 2er-Einheit zum C10 und noch eine weitere 2er-Einheit bis zum schließlich in großer Konzentration übrig bleibenden C8 abgespalten.
Es entstehen somit im "Normalfall" fünf 2er-Einheiten und vier bleiben ungenutzt in Form der 8er C-Kette übrig. Je nach Restaktivität des MCAD-Enzyms kippen auch noch einige Ketten über die 8er-Hürde und werden dann vom SCAD-Enzym weiter abgebaut. Soweit das laienhafte Verständnis.
Dieser Einschub soll aber nur zum Verstehen beitragen, dass auch Kinder mit MCAD normalerweise etwas mehr als nur die Hälfte der Fettsäurenkette verwerten können und die Menge der dabei gebildeten Ketonkörper unter optimalen Bedingungen auch entsprechend höher ist. Für die weiteren Betrachtungen gehen wir aber zur Vereinfachung weiterhin davon aus, dass nur genau die Hälfte jeder einzelnen Fettsäurenkette genutzt werden kann.
Unabhängig von der Milupa-Broschüre existieren eine Menge weiterer, selbst öffentlich zu findender wissenschaftlicher Quellen (med. Veröffentlichungen, Dissertationen, usw.), welche die Fähigkeit von MCAD-Betroffenen zur Bildung von Ketonen unter normalen Umständen belegen.
Die Ketonkörper stammen aus der verwerteten ersten Hälfte der Fettsäurenketten, bevor der Prozess abbricht. Kinder ohne MCAD können die gesamte Fettsäure in Ketonkörper aufspalten, erzeugen also aus jedem einzelnen Fettsäurenstrang doppelt so viele Ketonkörper.
Eine Interpretationsmöglichkeit wäre, dass der Prozess der Fettsäurenoxidation auch bei Kindern mit K329E homozygot im Normalfall selbst beim Fasten kaum nennenswert eingeschränkt ist und sowohl der MCAD-Prozess, als auch die darauf folgenden Verarbeitungsschritte weitestgehend normal ablaufen. Dieser Annahme widerspricht aber die bei dieser ACADM-Mutation durchweg festzustellende deutliche Mengen- und Aktivitätsminderung des MCAD-Enzyms.
Da die Studie aber trotzdem ergab, dass auch die Kinder mit MCAD nach dieser Fastenzeit eine annähernd normale Menge Ketonkörper gebildet haben, lässt dies darauf schliessen, dass ihr Körper einfach dem Bedarf entsprechend eine größere Menge an Fettsäuren und somit Körperfett abgebaut hat. Auch wenn das MCAD-Enzym nicht genug leistet, bzw. nicht in ausreichender Menge zur Verfügung steht, kann ja trotzdem der vorhergehende VLCAD-Prozess entsprechend verstärkt ablaufen. In der Studie vermutet man, dass erst eine Form metabolischen Stresses diese Fähigkeit zur ausreichenden Ketonkörperbildung aufhebt, was dann zu einer Entgleisung führen kann.
Als weiteres Indiz für die bedarfsangepasste Fettverwertung seien die auch bei normaler Gesundheit der Kinder deutlich zu hohen Werte im Acylcarnitinprofil (speziell bei K329E homozygot) angeführt, die auch ohne Vorliegen einer katabolen Stoffwechsellage festgestellt werden können.
Diese Überlegungen stellen die in den Stoffwechselzentren oft gehörte Aussage, dass Kinder mit MCAD-Mangel nicht oder nur schwer abnehmen könnten, bzw. dies nicht einmal langfristig versuchen dürften, deutlich in Frage! Im Interesse aller vom MCAD-Mangel betroffenen Personen bitten wir Sie deshalb, sich diesbezüglich weitere Gedanken zu machen.
2. Aussage: die präventive tägliche Carnitingabe ist unbedenklich, da es sich um eine körpereigene Substanz handelt
Dies ist zugegebenermaßen eine Aussage, die man längst nicht in jeder Stoffwechselambulanz zu hören bekommt, denn viele Ärzte verordnen inzwischen grundsätzlich kein zusätzliches Carnitin mehr, oder empfehlen die Gabe einer gewissen Dosis nur noch im Krankheitsfall, oder dann, wenn der seltene Fall eintritt, dass die regelmäßigen Untersuchungen doch einmal einen deutlichen Carntinmangel aufgezeigt haben.
An dieser Stelle soll es aber auch nicht um die Frage nach dem innerhalb der Fachwelt immer noch in Frage gestellten prinzipiellen Nutzen des Carnitins in Bezug auf den MCAD-Mangel gehen, sondern darum, ob die von manchen Ärzten vorsorglich verordnete tägliche Gabe einer pauschalen Dosis Carnitin zu schädlichen Auswirkungen im Körper des Kindes führen kann.
Vielen Eltern, die ihrem Kind täglich Carnitin (in Form von BioCarn oder der L-Carn Trinklösung) geben, bemerken den bereits nach wenigen Tagen einsetzenden fischigen Geruch, der sich im Kot, Urin, im Schweiss und in den Körperausdünstungen des Kindes zeigt. Werden die Eltern von ihrem Stoffwechselarzt im Voraus auf diesen im Zuge der Carnitingabe auftretenden fischigen Geruch vorbereitet, wird dies meist als etwas unangenehme aber harmlose Nebenwirkung beschrieben.
Beim Lesen der Packungsbeilege der L-Carn Trinklösung von sigma-tau fällt aber der folgende Abschnitt auf, der die Entstehung des fischigen Geruchs erklärt (der Beipackzettel von BioCarn geht auf diesen Punkt nicht ein!):
Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung und Warnhinweise
[..] Wird Levocarnitin über längere Zeit in hoher Dosierung eingenommen, kann [..] dazu führen, dass die durch die Darmflora gebildeten, in größerer Anreicherung giftigen Ausscheidungsprodukte Trimethylamin (TMA) bzw. Trimethylamin-N-oxid (TMAO) im Blut angereichert anstatt mit dem Urin ausgeschieden zu werden. [..] Die ungenügende Entfernung von TMA aus dem Blut kann ferner zur Entwicklung des sog. Fischgeruchsyndroms führen. Dabei entsteht ein fischiger Geruch in Atem, Urin und Schweiß.
Die in diesem Abschnitt aufgeführten Warnhinweise richten sich zwar in erster Linie an Patienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion, jedoch ist der fischige Geruch auch bei vielen, und hinsichtlich der Nierenfunktion völlig gesunden Kindern im Zuge der vorsorglichen täglichen Carnitingabe zu beobachten.
Die Ausführungen dieser Packungsbeilage legen in entgegengesetzter Richtung nun folgende Schlussfolgerungen nahe:
Das Auftreten des fischigen Geruchs ist die unmittelbare Folge der ungenügenden Entfernung von TMA aus dem Blut, in welchem es sich gemeinsam mit TMAO infolge einer über längere Zeit andauernden zu hohen Dosierung anreichert, statt mit dem Urin ausgeschieden zu werden. Wie oben beschrieben, handelt es sich bei TMA und TMAO um Ausscheidungsprodukte, die in größerer Anreicherung giftig wirken - was bei einem Kind niemals als harmlose Nebenwirkung angesehen werden kann. Das Auftreten des Fischgeruchs ist somit als Warnhinweis des kindlichen Körpers zu verstehen, dass genau das gerade passiert. Dies wiederum legt den Schluss nahe, dass die täglich gegebene Dosis Carnitin (egal ob als Sirup oder als Trinklösung) zu hoch gewählt, wenn nicht gar völlig überflüssig ist, da die im Körper ohnehin vorhandene Carnitinmenge schon völlig auszureichen scheint.
Wann liegt aber eine zu hohe Dosierung vor? Hierzu muss man berücksichtigen, dass bei oraler Aufnahme von L-Carnitin grundsätzlich nur etwa 10% bis maximal 20% der enthaltenen Dosis vom Körper aufgenommen und in den Carnitin-Pool eingelagert werden. Die restlichen 80-90% wandern direkt in den Darm und werden dort zu dem nach Fisch riechenden TMA aufgespalten. Dadurch entsteht der fischige Kot. Ein Teil dieses TMA wird über die Darmschleimhaut in den Blutkreislauf aufgenommen, wodurch sich die den Geruch auslösenden Stoffe auch in den restlichen Körper verteilen. Dieser Effekt tritt unabhängig von der verabreichten Dosis auf, jedoch ist nachvollziehbar, dass bei mehreren über den Tag verteilten kleineren Carnitinportionen die Menge des jeweils daraus gebildeten TMA entsprechend kleiner ist, und zu geringerer Geruchsbildung führt.
Ansonsten hat der Wirkstoff Levocarnitin allen bisherigen Erkenntnissen zufolge selbst anscheinend keine toxische Wirkung, (darauf wird im Beipackzettel von BioCarn Wert gelegt!) scheint aber bei dauerhafter Anwendung gewisse Vorgänge im Körper etwas aus dem Tritt zu bringen, so dass sich dadurch toxisch wirkende Stoffe bilden können, die normalerweise nicht entstehen würden.
Die von manchen Ärzten sinngemäß gemachte Aussage
ist daher als sehr fraglich zu bewerten. Für erwachsene Patienten scheint dies durchaus zu gelten, so dass bei ihnen die ungenügende Entfernung des TMA aus dem Blut nur bei einer deutlich zu hohen Carnitingabe in Verbindung mit dem Vorliegen einer starken Nierenfunktionsstörung auftreten kann. Bei Säuglingen und Kleinkindern scheint dagegen schon eine deutlich geringere tägliche Carnitinmenge in Kombination mit möglicherweise noch nicht genügend trainierten Nieren auszureichen, dass sich das TMA in erhöhter und möglicherweise schon giftig wirkender Konzentration im Blut anreichert und somit zum fischigen Geruch führt.
Zumindest bei den Kindern, die diesen fischigen Geruch ausbilden, sollte dann vielleicht mal über die deutliche Reduzierung oder (vorübergehend?) völlige Einstellung der täglichen Carnitingabe nachgedacht werden.
Im Übrigen ist das Auftreten des unangenehmen Fischgeruchs längst nicht so selten, wie es die Beipackzettel der Carnitinpräparate glauben machen wollen. Fast alle Eltern, die ihren vom MCAD-Mangel betroffenen Kindern bisher gemäß ärztlicher Empfehlung Carnitin in pauschaler Dosierung verabreicht haben, konnten diesen schon nach sehr kurzer Zeit auftretenden Fischgeruch an ihren Kindern deutlich wahrnehmen. Für ein Kleinkind mag das noch zu ertragen sein, spätestens in Kindergarten oder Schule wird der aus jeder Pore ausgeströmte Geruch nach gammeligem Fisch für die Kinder zu einer enormen Belastung. Die dann zu ertragenden Hänseleien durch die Mitschüler sind für die Kinder viel belastender, als dieser ominöse MCAD-Mangel, von dem sie im normalen Leben überhaupt nichts bemerken.
Daher gilt es unter allen Umständen zu vermeiden, dass die Kinder durch die Verordnung einer täglichen, pauschalen Carnitin-Menge und den dadurch auftretenden Fischgeruch ihre Gesellschaftsfähigkeit einbüßen!
Kommt es zum Fischgeruch, ist dies ein deutliches Zeichen dafür, dass die eingenommene Carnitinmenge momentan zu groß bemessen ist, denn ein nicht unbeträchtlicher Teil des geschluckten Carnitins schafft es, wie oben beschrieben, überhaupt nicht ins Blut, sondern wird im Darm in seine Metabolite aufgespalten. Daher sollte die Dosis entweder deutlich verringert, oder wenigstens auf mehrere kleinere Portionen pro Tag aufgeteilt werden.
Befundsammlung
- Details
-
Geschrieben von Wollachee
Da es im Internet nur sehr wenige detaillierte Auflistungen zu Screening-Werten, den zugehörigen Mutationen und ggf. auch noch Enzymrestaktivitäten gibt, sollen an dieser Stelle die auf freiwilliger Basis im Forum geschriebenen oder gesammelt als PN zugeschickten Befunde aus den Reihen der Forumsmitglieder aufgelistet werden. Damit lassen sich die in neuen Befunden enthaltenen Werte möglicherweise leichter einordnen und einschätzen.
Rot hinterlegte Werte liegen über den Referenzbereichen, weiße Zellen zeigen im Referenzbereich liegende und somit unauffällige Werte. Hierbei ist zu beachten, dass die vom Labor für die Ärzte oftmals sehr oberflächlich zusammengefassten medizinischen Befunde manchmal die zugrundegelegten Referenzbereiche vermissen lassen und zu diesem Zweck bei fehlenden Angaben die aus anderen Einrichtungen genannten Referenzbereiche in einigen Fällen übernommen wurden.
Die Hintergrundfarben der Zeilen "Restaktivität" und "genetischer Befund" folgen dem Ampelschema: Ergebnisse passen zu schwerem MCAD-Mangel, mildem MCAD-Mangel, oder reinem Carrier-Status.
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Schwere Ausprägungen
Kind | Untersuchung | Zeitpunkt | C0 | C2 | C6 | C8 | C10 | C10:1 | C10:2 | C12 | C6/C2 | C8/C2 | C8/C6 | C8/C10 | C8/C12 | Bemerkung | |
S1 |
Ref.
TrBlut
|
10-60 μmol/l |
<0,2 μmol/l |
<0,3 μmol/l |
<0,3 μmol/l |
<0,95 | <5 | <4,5 | |||||||||
NG-Screening | 3.Tag | 1,56 | 9,72 | 1,87 | 0,42 | 0,03 | 0,19 | 6,23 | 5,19 | ||||||||
2.Messung | 1,74 | 10,1 | 2,08 | 0,29 | 0,03 | 0,20 | 5,80 | 4,87 | |||||||||
Kontrollscr. | 6.Tag | 1,02 | 4,63 | 1,15 | 0,32 | 0,13 | 4,54 | 4,03 | |||||||||
2.Messung | 1,11 | 5,18 | 1,43 | 0,30 | 0,13 | 5,08 | 3,63 | ||||||||||
Ref.
TrBlut
|
10-50 μmol/l |
<0,18 μmol/l |
<0,4 μmol/l |
<0,14 μmol/l |
<0,13 μmol/l |
<0,95 | <5 | <4,5 | |||||||||
Stoffw.befund | 54.Tag | 28,9 | 0,52 | 1,74 | 0,37 | 0,43 | 3,35 | 4,70 | |||||||||
Stoffw.befund | 5.Monat | 16,2 | 0,13 | 1,74 | 0,25 | 0,07 | 13,4 | 6,96 | |||||||||
Ref.
Vollblut
|
<0,33 μmol/l |
<0,25 μmol/l |
<0,34 μmol/l |
<0,01 | <1,41 | <1,17 | <2,06 | ||||||||||
Stoffw.befund | 6.Monat | 12,7 | 1,00 | 1,51 | 0,59 | 0,10 | 0,07 | 1,52 | 2,61 | ||||||||
Ref.
TrBlut
|
10-50 μmol/l |
<0,18 μmol/l |
<0,4 μmol/l |
<0,14 μmol/l |
<0,13 μmol/l |
<0,95 | <5 | <4,5 | |||||||||
Stoffw.befund | 11.Monat | 44,8 | 0,40 | 0,57 | 0,27 | 1,43 | |||||||||||
Stoffw.befund | 18.Monat | 23,9 | 0,24 | 0,43 | 1,80 | ||||||||||||
Stoffw.befund | 24.Monat | 23,5 | |||||||||||||||
Stoffw.befund | 29.Monat | 31,0 | 0,27 | ||||||||||||||
Stoffw.befund | 53.Monat | 30,2 | 0,36 | 1,24 | 0,32 | 3,44 | |||||||||||
Restaktivität | 40.Monat | Ergebnis: 3% | |||||||||||||||
genet. Befund | K329E (c.985a>g) / M155T (c.464t>c) compound heterozygot |
Zusätzliche Hinweise zu diesem Befund:
Die im NG-Screening und dem Kontrollscreening sehr hohen C8-Werte in Verbindung mit den ebenfalls deutlich erhöhten Ratios C8/C6 und C8/C10 legen bei dieser compound-heterozygoten Mutationskombination den Verdacht auf eine schwere MCAD-Variante (vergleichbar K329E homozygot) nahe. Die hohen Ratios zeigen, dass der C8-Wert wie eine spitze Nadel aus seiner Umgebung heraussticht, was einen starken Funktionseinbruch bei einer 8er-Fettsäurenlänge bedeutet und somit ein deutlicher Hinweis auf einen schweren MCAD-Mangel ist.
Es wurde zwar eine compound-heterozygote Mutationskombination gefunden, allerdings wurde deren Schwere durch das Ergebnis der Residualaktivitätsanalyse bestätigt, die mit einem Ergebnis von 3% im für K329E homozygot typischen Bereich liegt.
Die z.T. stark voneinander abweichenden Referenzbereiche rühren daher, dass die Blutproben (teils Trockenblut, teils Vollblut) in verschiedenen Laboren analysiert wurden (Weiden, Heidelberg, Giessen)
|
Kind | Untersuchung | Zeitpunkt | C0 | C2 | C6 | C8 | C10 | C10:1 | C10:2 | C12 | C6/C2 | C8/C2 | C8/C6 | C8/10 | C8/12 | Bemerkung | |
S2 | Ref. TrBlut |
10-60 μmol/l |
<0,2 μmol/l |
<0,2 μmol/l |
<0,3 μmol/l |
<0,95 | <5 | <4,5 | |||||||||
NG-Screening | 3.Tag | 21,0 | 0,88 | 6,2 | 0,43 | 7,04 | 14,4 | 39,9 | |||||||||
Ref. Plasma |
6,34- 47,57 μmol/l |
0,01- 0,31 μmol/l |
0,05- 0,94 μmol/l |
0,02- 0,28 μmol/l |
0,03- 0,15 μmol/l |
||||||||||||
Kontrollscr. | 8.Tag | 24,4 | 0,5 | 2,7 | 1,80 | 3,81 | 5,4 | ||||||||||
Stoffw.befund | 42.Tag | 21,7 | 0,41 | 1,77 | 1,13 | 3,13 | 4,3 | ||||||||||
Stoffw.befund | 11.Monat | 14,8 | 4,91 | ||||||||||||||
Restaktivität | nicht durchgeführt | ||||||||||||||||
genet. Befund | K329E (c.985a>g) homozygot |
Zusätzliche Hinweise zu diesem Befund: Bereits im NG-Screening typische Werte (C8 und alle Ratios) für die schwere MCAD-Variante K329E homozygot. |
Milde Ausprägungen
Kind | Untersuchung | Zeitpunkt | C0 | C2 | C6 | C8 | C10 | C10:1 | C10:2 | C12 | C6/C2 | C8/C2 | C8/C6 | C8/10 | C8/12 | Bemerkung | |
M1 | Ref. TrBlut |
10-60 μmol/l |
<0,2 μmol/l |
<0,2 μmol/l |
<0,16 μmol/l |
<0,17 μmol/l |
<0,95 | <5 | <4,5 | ||||||||
NG-Screening | 3.Tag | 21,0 | 0,83 | 3,73 | 1,14 | 0,79 | 4,49 | 3,27 | 16,4 | ||||||||
Ref. Plasma |
6,34- 47,57 |
0,01- 0,31 μmol/l |
0,05- 0,94 μmol/l |
0,02- 0,28 μmol/l |
0,03- 0,15 μmol/l |
||||||||||||
Stoffw.befund | 10.Tag | 21,03 | 0,38 | 0,80 | 0,40 | 1,45 |
keine
Carnitin-
gaben
|
||||||||||
Stoffw.befund | 11.Monat | 41,56 | 0,77 | 2,03 | 1,10 | 1,72 | 3,76 | ||||||||||
Stoffw.befund | 22.Monat | 37,78 | 0,17 | 0,49 | 0,30 | 0,55 | 1,62 | ||||||||||
Restaktivität | nicht durchgeführt | ||||||||||||||||
genet. Befund | K329E (c.985a>g) / Y67H (c.199t>c) compound heterozygot |
Zusätzliche Hinweise zu diesem Befund: Bereits die NG-Screening-Werte dieses Kindes deuteten schon auf eine milde(re) MCAD-Variante hin. Weiter untermauert wurde diese Vermutung dann durch den bereits nach 10 Tagen im Normbereich liegenden C8-Wert, und schließlich folgte die Bestätigung durch das Auffinden der häufigen und als eindeutig mild angenommenen Mutationskombination K329E/Y67H in der molekulargenetischen Untersuchung.
Auffallend ist der starke Anstieg des freien Carnitins, der in der Untersuchung vom 11. Monat festzustellen war. Das Kind wurde nur 4 Wochen lang gestillt und hat niemals orales Carnitin zugeführt bekommen.
|
Kind | Untersuchung | Zeitpunkt | C0 | C2 | C6 | C8 | C10 | C10:1 | C10:2 | C12 | C6/C2 | C8/C2 | C8/C6 | C8/10 | C8/12 | Bemerkung | |
M2 | Ref. TrBlut |
<0,2 μmol/l |
<0,16 μmol/l |
||||||||||||||
NG-Screening | 3.Tag | 0,34 | 0,26 | 1,33 | |||||||||||||
Kontrolle | 7.Tag | 0,35 | 0,27 | 1,3 | |||||||||||||
Ref. Plasma |
6,34- 47,57 μmol/l |
0,01- 0,31 μmol/l |
0,05- 0,94 μmol/l |
0- 0,4 µmol/l |
0,02- 0,28 μmol/l |
0,03- 0,15 μmol/l |
0- 0,01 µmol/l |
||||||||||
Stoffw.befund | 7.Monat | 26 | 19,0 | 0,41 | 0,55 | 0,46 | 0,07 | 0,029 | 1,34 | 1,2 | 7,86 | ||||||
Stoffw.befund | 9.Monat | 0,45 | 0,016 | ||||||||||||||
Stoffw.befund | 14.Monat | 7.0 | 0,14 | 0,32 | 0,23 | 0,36 | 0,04 | 0,046 | 2,29 | 1,39 | 8 | ||||||
Restaktivität | nicht durchgeführt | ||||||||||||||||
genet. Befund | K329E (c.985a>g) / T25R (c.74c>g) compound heterozygot |
Zusätzliche Hinweise zu diesem Befund: Bereits die NG-Screening-Werte dieses Kindes deuteten schon auf eine milde MCAD-Variante hin. In sämtlichen Untersuchungen (sowohl zunächst anhand Trockenblut, als auch später anhand Plasma) lagen die Werte nur minimal über den zugrundegelegten Normbereichen. Die in der molekulargenetischen Untersuchung ermittelte zweite Mutation c.74c>g wurde erstmals aufgefunden, bzw. zuvor noch nicht beschrieben.
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Kind | Untersuchung | Zeitpunkt | C0 | C2 | C6 | C8 | C10 | C10:1 | C10:2 | C12 | C6/C2 | C8/C2 | C8/C6 | C8/10 | C8/16 | Bemerkung | |
M3 | Ref. TrBlut |
10-60 µmol/l |
<0,2 |
<0,2 μmol/l |
<0,16 μmol/l |
<0,17 µmol/l |
<0,95 | <5 | keine Carnitin- gaben |
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NG-Screening | 3.Tag | 18 | 0,5 | 2,15 | 0,8 | 0,23 | 0,07 | 2,6 | |||||||||
Kontrolle | 6.Tag | 28 | 0,2 | 0,49 | 0,2 | 0,15 | 0,05 | 2,3 | |||||||||
Ref. Plasma |
6,34- 47,57 µmol/l |
0,01- 0,31 µmol/l |
0,05- 0,94 µmol/l |
0- 0,4 µmol/l |
0,02- 0,28 µmol/l |
0,03- 0,15 µmol/l |
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Stoffw.befund | 6.Monat | 38 | 0,39 | 0,6 | 1,54 |
1,49 | 0,58 | ||||||||||
Stoffw.befund | 8.Monat | 49 | 0,27 | 0,49 | 1,81 |
1,54 | 0,39 | ||||||||||
Stoffw.befund | 11.Monat | 33 | 0,23 | 0,48 | 2,09 | 1,79 | 0,52 | ||||||||||
Stoffw.befund | 17.Monat Nücht.zeit 7,5h |
42 | 1,46 | 1,78 | 1,48 | ||||||||||||
Restaktivität | 13% nach 2. Test | ||||||||||||||||
genet. Befund | IVS3+1G/Y67H (c.199t>c) compound heterozygot |
Zusätzliche Hinweise zu diesem Befund: keine |
Kind | Untersuchung | Zeitpunkt | C0 | C2 | C6 | C8 | C10 | C10:1 | C10:2 | C12 | C6/C2 | C8/C2 | C8/C6 | C8/10 | C8/16 | Bemerkung | |
M4 | Ref. TrBlut |
10-60 µmol/l |
<0,2 |
<0,2 μmol/l |
<0,16 μmol/l |
<0,17 µmol/l |
<0,95 | <5 | |||||||||
NG-Screening | 3. Tag | 0,35 |
1,1 | 0,6 | 0,36 | 1,83 | |||||||||||
Kontrolle | 6. Tag | 0,33 | 0,9 | 0,56 | 0,49 | 1,6 | |||||||||||
Ref. Plasma |
6,34- 47,57 µmol/l |
0,01- 0,31 µmol/l |
0,05- 0,94 µmol/l |
0- 0,4 µmol/l |
0,02- 0,28 µmol/l |
0,03- 0,15 µmol/l |
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Stoffw.befund | 31,9 | 9,1 | 0,26 | 0,85 | 0,59 | 0,42 | 0,07 | 1,44 | |||||||||
Restaktivität | 21% | ||||||||||||||||
genet. Befund | I364M (c.1092t>g) / K329E (c.985a>g) compound heterozygot |
Zusätzliche Hinweise zu diesem Befund: keine |
Kind | Untersuchung | Zeitpunkt | C0 | C2 | C6 | C8 | C10 | C10:1 | C10:2 | C12 | C6/C2 | C8/C2 | C8/C6 | C8/10 | C8/12 | Bemerkung | |
M5 | Ref. TrBlut |
10-60 µmol/l |
<0,2 |
<0,2 μmol/l |
<0,16 μmol/l |
<0,17 µmol/l |
<0,95 | <5 | <4,5 | ||||||||
NG-Screening | 17 | 0,7 |
2,1 | 1,4 | 0,3 | 0,36 | 3,0 | 1,5 | 5,9 | ||||||||
Kontrolle | 25 | 0,3 | 0,5 | 0,4 | 0,3 | 0,23 | 1,66 | 1,25 | 2,2 | ||||||||
Restaktivität | 23% | ||||||||||||||||
genet. Befund | G D266(c.797a>g) / K329E (c.985a>g) compound heterozygot |
Zusätzliche Hinweise zu diesem Befund: keine |
Carrier
Kind | Untersuchung | Zeitpunkt | C0 | C2 | C6 | C8 | C10 | C10:1 | C10:2 | C12 | C6/C2 | C8/C2 | C8/C6 | C8/C10 | C8/C12 | Bemerkung | |
C1 | Ref. TrBlut |
10-60 μmol/l |
<0,2 μmol/l |
<0,3 μmol/l |
<0,3 μmol/l |
<0,95 | <5 | <4,5 | |||||||||
NG-Screening | 3.Tag | 21 | 0,3 | 0,6 | 0,5 | 1,8 | 1,1 | 1,3 | |||||||||
Kontrollscr. | 5.Tag | 20 | 0,1 | 0,3 | 0,3 | 1,7 | 1,0 | 1,1 | |||||||||
Stoffw.befund | 16.Tag | 16,81 | 0,12 | 0,18 | 2 x tägl. 0,2ml BC verordnet |
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Stoffw.befund | 65.Tag | 52,17 | k.A. | k.A. | nach 49 Tagen BC |
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Restaktivität | 5.Monat | Ergebnis: 42% | |||||||||||||||
genet. Befund | 5.Monat | K329E heterozygot |
Zusätzliche Hinweise zu diesem Befund: keine |
Kind | Untersuchung | Zeitpunkt | C0 | C2 | C6 | C8 | C10 | C10:1 | C10:2 | C12 | C6/C2 | C8/C2 | C8/C6 | C8/10 | C8/12 | Bemerkung | |
C2 |
Ref.
Plasma |
<0,2 μmol/l |
k.A. | k.A. | k.A. | ||||||||||||
NG-Screening | 2.Tag | 0,32 | 0,46 | 0,69 |
leicht
erhöht
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Kontrollscr. | 7.Tag | 0,39 | 0,56 | 0,69 |
leicht
erhöht |
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2.Kontrollscr. | 27.Tag | 0,19 | |||||||||||||||
Ref. Plasma |
6,34- 47,57 μmol/l |
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Carnitinstatus | 3.Monat | 41,89 | Acylcarnitin i.S. | 15,18 | 2 x tägl. 1ml BC verordnet |
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Carnitinstatus | 9.Monat | 34,57 | Acylcarnitin i.S. | 51,32 | nach 6 Monaten BC |
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Restaktivität | nicht untersucht | ||||||||||||||||
genet. Befund | 11.Tag | K144X heterozygot (Stop-Mutation) |
Zusätzliche Hinweise zu diesem Befund: Bei diesem Carrier-Kind fällt auf, dass trotz des im oberen Normbereich liegenden Anfangswertes des freien Carnitins eine verhältnismäßig hohe BioCarn-Dosis von täglich 2 x 1ml (im Krankheitsfall das Doppelte) verordnet wurde. Der Carnitinstatus nach 6 Monaten war jedoch niedriger als der Anfangswert. Stattdessen war nach diesen 6 Monaten der ursprünglich ebenfalls völlig normale Wert des Acylcarnitins im Serum weit über die obere Normgrenze angestiegen.
Das Kind wurde von Beginn an voll gestillt und hat in den ersten 3-4 Tagen deutlich abgenommen. Die Mitteilung über den MCAD-Verdacht erreichte die Eltern am 6. Lebenstag.
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